LG Kleve, Urteil vom 04.07.2008 - 1 O 298/07
Fundstelle
openJur 2011, 58602
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.229,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 11.381,20 € ab dem 13.9.2007 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Steuerberater. Die Beklagte betreibt eine Apotheke in L.

Seit Anfang der 80er Jahre war der Kläger der steuerliche Berater der Beklagten.

Am 05.05.1999 schlossen die Parteien eine Pauschalvereinbarung zur Vergütung des Klägers. Danach erhielt der Kläger einen Jahresnettobeitrag von 30.000,00 DM (15.336 €) zzgl. Mehrwertsteuer, der sich aus der Buchführung, der Lohnbuchführung und einer Auslagenpauschale zusammensetzte (Abschnitt A "Leistungsumfang"). Dieser Gesamtbetrag war jeweils in monatlichen Raten von 2.500,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer (1.4222,65 €) zu zahlen. In Abschnittt C der Pauschalvereinbarung mit der Überschrift "Vertragsdauer, Kündigung" heißt es, dass die ursprüngliche Vertragslaufzeit vom 01.01.1999 bis zum 31.12.2000 sich jeweils um ein weiteres Jahr verlängere, wenn sie nicht mit einer Frist von drei Monaten vor Vertragsende schriftlich gekündigt werde.

Anfang Februar 2007 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis in einem Telefongespräch. Der Kläger fertigte noch die Lohnbuchhaltung für Januar 2007 und erhielt hierfür 235 €. Hierüber rechnete der Kläger am 12.2.2007 zusammen mit den Kosten für die Lohnbuchführung für den Monat Dezember 2006 ab. Er schrieb der Beklagten daraufhin 842,45 € gut.

Beginnend mit dem Februar 2007 beauftragte die Beklagte den Steuerberater Herrn C mit der Wahrnehmung der steuerlichen Beratung.

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe den Beratervertrag erstmals Anfang Februar 2007 telefonisch gekündigt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.381,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab dem 13.9.2007 zu zahlen, die Beklagte zu verurteilen, an ihn jeweils zum 15.09.2007, 15.10.2007, 15.11.2007 und 15.12.2007 1.422,65 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, das eine effektive Zusammenarbeit mit dem Kläger sei nicht mehr möglich gewesen sei. Der Kläger sei nur noch einmal im Jahr zur Übergabe des Jahresabschlusses in der Apotheke erschienen. Kenntnisse über die betriebswirtschaftlichen Besonderheiten einer Apotheke habe er nicht mehr besessen. Die Beklagte behauptet weiter, dass sie sich von dem Kläger als steuerlichem Berater aus diesen Gründen im Herbst 2006 getrennt habe. Am 04.09.2006 gegen 10.00 Uhr habe sie in der Kanzlei des Klägers ihn auf die fehlenden Informationen und das dadurch erheblich gestörte Beratungsverhältnis hingewiesen. Aufgrund des fehlenden Vertrauens habe sie ihm mitgeteilt, dass das Mandat zum Ende des Jahres beendet sei.

Die Beklagte behauptet ferner, Herr C habe sich am 07.02.2007 mit dem Kläger telefonisch in Verbindung gesetzt und den Mandatswechsel mitgeteilt. In diesem Rahmen habe der Kläger geäußert, dass keine Honorarrückstände vorlägen.

Im übrigen müsse sich der Kläger höhere Ersparnisse anrechnen lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger kann von der Beklagten gemäß §§ 611 Abs. 1, 615 BGB Zahlung der gemäß der Pauschalvereinbarung vom 05.05.1999 geschuldeten Vergütung für das Jahr 2007 in der von ihm geltend gemachten Höhe abzüglich der Gutschrift vom 12.2.2007 verlangen.

Zwischen den Parteien bestand ein Geschäftsbesorgungsvertrag, der die laufende Wahrnehmung der steuerlichen Belange der Beklagten zum Gegenstand hatte.

Dieser Vertrag verlängerte sich jeweils um ein Jahr, zuletzt bis zum 31.12.2007. Eine ordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses zum 31.12.2006 hat nicht stattgefunden. Die Beklagte ist insoweit beweisfällig geblieben. Sie hat als beweisbelastete Partei für die die von ihr behauptete Kündigung vom 04.09.2006 keinen Beweis angetreten.

Die Verlängerung des Vertrages um jeweils 1 Jahr ist auch im Rahmen eines Formularvertrages nicht unwirksam, da sie die Beklagte nicht entgegen den Geboten von Treu- und Glauben unangemessen benachteiligt. § 14 StBGebV schreibt gerade eine Mindestlaufzeit von einem Jahr vor. Angesichts dieser Wertung des Gesetzgebers vermag die Kammer nicht zu erkennen, weshalb eine Verlängerung um jeweils ein Jahr rechtsmissbräuchlich sein sollte. Ein Zeitraum von einem Jahr trägt hinreichend der beiderseitigen Interessen, sowohl dem des Klägers an einer Vorhersehbarkeit seines Einkommens, als auch dem der Beklagten an einer nicht zu langen Bindung Rechnung.

Die Anfang Februar ausgesprochene Kündigung des Vertragsverhältnisses hat erst zu einer Beendigung des Vertragsverhältnisses zum 31.12. 2007 geführt, da die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung nach § 626 BGB oder § 627 BGB nicht vorlagen.

Hinsichtlich des Kündigungstatbestandes des § 626 BGB lässt der Vortrag der Beklagten keinen Grund erkennen, der unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen der Parteien die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses als unzumutbar erscheinen ließ. Die Darlegung, der Kläger sei nur noch einmal im Jahr zur Übergabe des Jahresabschlusses in der Apotheke erschienen und Kenntnisse über die betriebswirtschaftlichen Besonderheiten einer Apotheke habe er nicht mehr besessen, ist ebenso wenig hinreichend substantiiert, wie die Schilderung, dem Kläger seien die spezifischen Probleme der Branche nicht bekannt gewesen. Abgesehen davon wäre angesichts des langen Beratungsmandates der Beklagten zuzumuten gewesen, vor einer Beendigung der Zusammenarbeit dem Kläger die vermeintlichen Missstände anzuzeigen und ihn abzumahnen.

Die fristlose Kündigung kann auch nicht auf § 627 BGB gestützt werden. Zwar leistet ein Steuerberater Dienst höherer Art, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen (BGH, NJW-RR 1993, 374), jedoch lag ein dauerndes Dienstverhältnis vor, bei dem der Kläger feste Bezüge erhielt.

Für ein dauerndes Dienstverhältnis ist es ausreichend, dass es befristet für ein Jahr geschlossen wird, wenn die Möglichkeit der Vertragsverlängerung besteht (BGH, NJW-RR 1993, 374). Für das Vorliegen fester Bezüge ist es entscheidend, dass der Dienstberechtigte sich auf ihren Erhalt verlassen kann und sie ihm ein gewisses Mindesteinkommen garantieren, welches er für seine Existenzsicherung fest einplanen kann (BGH VIII ZR 112/92).

Vorliegend war die Pauschalvereinbarung zwar zunächst auf ein Jahr befristet, sie verlängerte sich jedoch jeweils, wenn nicht drei Monate vor Jahresende gekündigt würde. Nach der Pauschalvereinbarung bezog der Kläger eine vorher festgelegte Jahresvergütung, die monatlich in zwölf gleichen Teilen, jeweils fällig zum 15. eines Monats zu zahlen war. Damit war für den Kläger ein Tatbestand geschaffen, bei dem er darauf vertrauen durfte, die Vergütung über einen längeren Zeitraum beziehen zu können.

Dabei ist unerheblich, dass der Kläger noch weitere Beratungsmandate hatte. Ein dauerndes Dienstverhältnis erfordert nicht, dass die Erwerbstätigkeit des Verpflichteten durch die Dienstleistung vollständig oder hauptsächlich in Anspruch genommen wird. Eine soziale oder wirtschaftliche Abhängigkeit des Schuldners ist also keine notwendige Voraussetzung - auch bei einer sozialen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Verpflichteten kann mithin der Ausschlusstatbestand "ohne in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen zu stehen" erfüllt und die Anwendbarkeit des § 627 ausgeschlossen sein (Staudinger-Preis, BGB, § 627 Neubearbeitung 2002, Rz. 15 m.w.N.)

Soweit die Beklagte darauf verweist, dass ein formularmäßiger Ausschluss des Kündigungsrechtes nach § 627 BGB unzulässig ist, übersieht sie, dass es vorliegend nicht darum geht, dass das Kündigungsrecht ausgeschlossen werden soll, sondern darum, dass die Voraussetzungen des Kündigungsrechtes nicht vorliegen.

Unschädlich ist auch, dass der Kläger nach dem Januar 2007 keine Arbeitsleistungen mehr erbracht hat. Die Beklagte befand sich für das restliche Jahr 2007 im Annahmeverzug (§ 295 BGB). Mit Schreiben vom 28.03.2007 hat der Kläger seine Leistungen schriftlich angeboten. Die Beklagte hingegen hat deutlich gemacht, die steuerlichen Beratungsleistungen nicht mehr entgegennehmen zu wollen.

Wenn die Beklagte darauf verweist, dass der Kläger sich höhere Ersparnisse als die von ihm in Rechnung gestellten 5 % anrechnen lassen müsse, wäre sie für höhere Ersparnisse darlegungs- und beweispflichtig. Sie hat jedoch keine höheren Ersparnisse dargelegt.

Allerdings sind von der Forderung des Klägers die 842,45 € in Abzug zu bringen, hinsichtlich derer er der Klägerin in der Rechnung vom 12.2.2007 eine Gutschrift erteilt hat. Mit dieser Rechnung hat der Kläger seine Leistungen bis zum Monat Januar ......1 abgerechnet. Für diesen Zeitraum hat er damit einerseits anerkannt, dass er der Beklagten noch 842,45 € schuldet, andererseits, dass er für den Zeitraum bis Januar 2007 keine weitergehenden Forderungen an die Beklagte hat. An dieses Anerkenntnis ist der Kläger gebunden.

Einen weitergehenden Erklärungsgehalt hat die Rechnung nicht. Sie bezieht sich ihrem Wortlaut nach ausdrücklich auf Leistungen im Januar 2007 und trifft keine Aussagen über die Bezahlung der Folgemonate. Es sind auch keine außerhalb der Urkunde liegenden Umstände festgestellt, aus denen die sich ergibt, dass die Beklagte diese Rechnung nach Treu- und Glauben unter der Berücksichtigung der Verkehrssitte so verstehen durfte, dass der Kläger auf weitergehende Ansprüche verzichten oder einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung zustimmen will. Auch die angeblichen Äußerungen des Klägers gegenüber dem Steuerberater C lassen keine andere Deutung zu. Dies insbesondere deshalb, weil ausweislich der Vereinbarung der Parteien zum Zeitpunkt der Rechnungserstellung tatsächlich noch keine weiteren Zahlungen der Beklagten fällig waren, Honorarrückstände also nicht bestanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Abs. 1, 2 ZPO.

Streitwert: 17.071,74 EUR.