LAG Hamm, Urteil vom 26.06.2008 - 15 Sa 198/08
Fundstelle
openJur 2011, 58090
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4 Ca 1981/07
  • nachfolgend: Az. 8 AZR 839/08
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 AGG wegen der Nichtberücksichtigung des Klägers bei der Besetzung der Stelle eines Materialdisponenten.

Der Kläger ist seit dem 14.09.1987 im Werk der Beklagten in G3 gegen einen monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 1.726,36 Euro beschäftigt. Er ist derzeit als Montierer im Bereich der Rohrfertigung mit einer Tätigkeit nach Entgeltgruppe 2 des Entgeltrahmenabkommens Metall NRW (i.F. ERA) betraut. Beim Kläger ist seit dem Jahre 2005 ein Grad der Behinderung von 70 aufgrund einer Herzerkrankung und Epilepsie festgestellt. Wegen seiner Behinderung trägt er eine Kappe mit Verstärkung, die ihn bei einem Sturz schützen soll. Außerdem ist er mit einem Piepser ausgestattet, der anzeigt, wenn er gefallen ist. Im Betrieb der Beklagten besteht ein Betriebsrat und eine Schwerbehindertenvertretung.

Am 28.02.2007 bzw. 03.03.2007 wurde im Betrieb der Beklagten intern und extern eine Stelle als Materialdisponent ausgeschrieben, die nach Entgeltgruppe 11 des ERA bewertet war. Die interne Stellenausschreibung war befristet bis zum 16.03.2007. Wegen der Einzelheiten der internen Stellenausschreibung wird auf Bl. 41 d.A. Bezug genommen.

Am 05.03.2007 bewarb sich die bei der Beklagten als Segmentleiterin in der Gerätemontage e4 beschäftigte Zeugin K3, die damals Vergütung nach Entgelgruppe 9 des ERA bezog. Am 07.03.2007 beantragte die Beklagte beim Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung und Umgruppierung der Zeugin K3 mit Wirkung zum 09.03.2007. Wegen der Einzelheiten des Unterrichtungsschreibens vom 07.03.2007 wird auf Bl. 45 d.A. verwiesen. Der Betriebsrat erteilte seine Zustimmung hierzu noch am 07.03.2007. Seit dem 09.03.2007 nimmt die Zeugin K3 die Aufgaben der ausgeschriebenen Stelle wahr.

Mit Schreiben vom 12.03.2007 bewarb der Kläger sich ebenfalls um die ausgeschriebene Stelle. Darüber hinaus bewarben sich noch drei weitere Mitarbeiter der Beklagten um diese Stelle, und zwar:

- Herr S5, Facharbeiter Prozesstechnik und Anlagenbediener, damals nach Entgeltgruppe 9 vergütet, mit Schreiben vom 08.03.2007

- Herr L1, Lagerist, damals vergütet nach Entgeltgruppe 7 des ERA, mit Schreiben vom 10.03.2007

- Herr W3, Lagerist, damals vergütet nach Entgeltgruppe 7 des ERA, mit Schreiben vom 12.03.2007.

Die Beklagte reagierte auf die Bewerbung des Klägers zunächst nicht. Nachdem die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 09.05.2007 eine Stellungnahme zur Bewerbung des Klägers angemahnt hatten, teilten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten dem Kläger mit Schreiben vom 18.05.2007 folgendes mit:

"in obiger Angelegenheit hat uns unsere Mitgliedsfirma, die Firma V1 GmbH & Co. KG, E3 S1. 45 in 34567 G3, mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt und uns ihr Schreiben vom 09. Mai 2007 nebst Vorgang mit der Bitte um Bearbeitung und Beantwortung übergeben.

Zutreffend ist, dass sich Ihr Mandant auf die interne wie externe Stellenausschreibung als Materialdisponent beworben hat. Seine Bewerbung ist wie alle übrigen Bewerbungsunterlagen behandelt worden und er hat auch am Bewerbungsprozess teilgenommen. Bedauerlicherweise ist die Stelle anderweitig vergeben worden, da Ihrem Mandanten unter anderem der für die Stelle erforderliche Facharbeiterbrief in einem Metallberuf bzw. eine Ausbildung zum Industriekaufmann fehlte.

Aufgrund seines ausdrücklichen Wunsches, über die Bewerbung zu sprechen, bietet unser Mitgliedsunternehmen an, in der 21. Kalenderwoche 2007 mit ihm ein Gespräch bezüglich seiner Bewerbung und seiner Einsatzmöglichkeiten im Unternehmen zu führen.

Den ärztlichen Empfehlungen aus dem Attest vom 19. Februar 2007 trägt unser Mitgliedsunternehmen soweit wie möglich Rechnung.

Mit den vorstehenden Ausführungen sehen wir Ihr Schreiben vom 09. Mai 2007 als erledigt an und haben den Vorgang wieder weggelegt."

Am 22.06.2007 führte die Beklagte mit dem Kläger ein Gespräch über seine Bewerbung vom 12.03.2007 und teilte ihm mit Schreiben vom 22.06.2007 folgendes mit:

"wir kommen zurück auf ihre Bewerbung und das hierzu geführte Gespräch am 22.06.2007. Wie Sie wissen, haben wir für die ausgeschriebene Position zwischen mehreren Bewerbern zu entscheiden. Heute müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir uns nicht für Sie entschieden haben. Wir bedauern, Ihnen nichts Günstigeres mitteilen zu können und wünschen Ihnen für weitere Bewerbungen viel Erfolg."

Mit Schreiben vom 13.07.2007 machte der Kläger der Beklagten gegenüber geltend, aufgrund seiner Schwerbehinderung im Bewerbungsverfahren diskriminiert worden zu sein, und verlangte eine Entschädigung in Höhe von 12.000,-- Euro. Mit seiner am 17.09.2007 beim Arbeitsgericht Gelsenkirchen eingegangenen Klage verfolgt der Kläger diesen Anspruch weiter.

Zur Begründung seiner Klage hat er vorgetragen, er sei als schwerbehinderter Mensch bei der Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle eines Materialdisponenten unmittelbar diskriminiert worden. Er habe sich bereits auf zwei früher von der Beklagten ausgeschriebene Stellen beworben, ohne berücksichtigt worden zu sein. Er, der Kläger, sei bestgeeigneter Bewerber um die Stelle des Materialdisponenten gewesen. Er verfüge u.a. über eine Ausbildung als Steuerfachangestellter und sei mehrere Jahre in einem Steuerberaterbüro tätig gewesen. Außerdem sei er gelernter Betriebsschlosser und verfüge aus der Schulzeit und der Bundeswehrzeit über gute Englischkenntnisse. Während der Zeit seiner Mitgliedschaft im Betriebsrat sei er ca. 8 Jahre als Einsteller nach der damaligen Lohngruppe 7 beschäftigt worden. Damals habe er oft den Segmentleiter vertreten. Er, der Kläger, könne nach wenigen Tagen Einarbeitung mit dem aktuellen SAP-Programm umgehen. Auch seine EDV-Kenntnisse könne er innerhalb von wenigen Tagen wieder auffrischen. Demgegenüber besitze die von der Beklagten eingestellte Mitarbeiterin K3 nur geringe kaufmännische Grundkenntnisse. Sie verfüge nur über aktuelle Kenntnisse von SAP/R 3.

Da der Beklagten bekannt gewesen sei, dass er, der Kläger, im Bürobereich vorrangig beschäftigt werden solle, müsse sie ihn beim Freiwerden einer Stelle in diesem Bereich in erster Linie berücksichtigen. Ausweislich des ärztlichen Attestes vom 19.02.2007 führe die Tätigkeit an gefährlichen Maschinen, wie er sie zurzeit ausüben müsse, zu einer Gefährdung. Darüber hinaus sei der Beklagten vorzuwerfen, dass sie keine Kontaktaufnahme mit der Agentur für Arbeit vorgenommen habe. Auch die Schwerbehindertenvertretung habe aufgrund fehlender Kenntnis von seiner, des Klägers, Bewerbung nicht zu seinen Gunsten tätig werden können. Er sei auch nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe unterrichtet worden. Auf Gründe, die nicht im Rahmen der Unterrichtung nach § 81 SGB IX mitgeteilt worden seien, könne sich die Beklagte im Nachhinein nicht berufen. So könne die Beklagte insbesondere nicht geltend machen, das Bewerbungsverfahren sei bereits am 07.03.2007 durch Versetzung und Umgruppierung der Mitarbeiterin K3 beendet gewesen. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass sie bei der Berücksichtigung der Bewerbung der Zeugin K3 nicht mehr habe damit rechnen können, dass sich weitere Bewerber melden würden; die Beklagte habe die Umsetzung der Zeugin K3 bereits nach 1 1/2 Tagen und zwar vor Ablauf der Ausschreibungsfrist durchgeführt.

Die ausgeschriebene Stelle hätte für ihn, den Kläger, eine Gehaltssteigerung von mehr als 700,-- Euro monatlich bedeutet. Gewichtige Gründe sprächen dafür, dass er wegen der Benachteiligung bei der Beförderung einen zeitlich unbeschränkten Schadensersatzanspruch habe. Eine Änderungskündigung zur Degradierung wäre der Beklagten verwehrt gewesen. Auch eine Beendigungskündigung wäre regelmäßig keine Option gewesen. Die Beklagte habe ihn, den Kläger, bei der Beförderung trotz seiner objektiv besseren Eignung bewusst benachteiligt. Die konkrete Höhe der Entschädigung werde in das Ermessen des Gerichts gestellt; allerdings solle der Betrag von 12.000,-- Euro nicht unterschritten werden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Entschädigung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.07.2007 zu zahlen. Die Höhe der Entschädigung wird in das Ermessen des Gerichts gestellt, sollte aber 12.000,-- Euro nicht unterschreiten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat bestritten, den Kläger aufgrund seiner Behinderung diskriminiert zu haben. Sie beschäftige am Standort G3 10 schwerbehinderte Mitarbeiter; die Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen werde damit übererfüllt. Außerdem arbeite sie mit einer Behinderteneinrichtung zusammen. Der dem Kläger zugewiesene Arbeitsplatz sei durch die ihm zur Verfügung gestellten Hilfsmittel behindertengerecht ausgestattet. Er werde nur noch an Arbeitsplätzen eingesetzt, die nach Rücksprache mit dem Betriebsarzt für ihn geeignet seien.

Sie, die Beklagte, habe den Kläger bei der Besetzung der Ende Februar/Anfang März 2007 ausgeschriebenen Stelle eines Materialdisponenten nicht benachteiligt. Ende Februar 2007 habe ihr Personalleiter die Mitteilung erhalten, dass die Stelle des Materialdisponenten der Produktserie e4 durch Rückversetzung eines Mitarbeiters in das Werk R1 zum 01.04.2007 vakant werde. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Produktgruppe e4 in einer Auslaufphase für die alte Generation und in einer Anlaufphase für die Nachfolgeproduktserie befunden. Die Stelle habe daher kurzfristig mit einem Mitarbeiter besetzt werden müssen, welcher Kenntnisse von den in G3 stattfindenden Dispositionsprozessen habe. Die von ihr berücksichtigte Bewerberin K3 habe das Produkt und die logistischen Abläufe in der Fertigung seit vielen Jahren bestens gekannt. Eine Übertragung der Tätigkeiten habe daher gerade in der Übergangsphase mit dem geringsten Aufwand stattfinden können. Die Bewerberin K3 habe eine Ausbildung als Apothekenhelferin und verfüge deshalb über kaufmännische Grundkenntnisse. Auch die erforderlichen Kenntnisse von SAP und in der EDV habe sie nachweisen können. Aus diesem Grunde sei der Umstand, dass sie nicht über gute Englischkenntnisse verfügt habe, nicht so sehr ins Gewicht gefallen. Da die Bewerberin K3 optimal auf die Stelle gepasst habe und man nicht davon ausgegangen sei, dass weitere bessere Bewerbungen erfolgen würden, sei der Betriebsrat bereits am 07.03.2007 zur Versetzung und Umgruppierung gehört worden. Dieser habe den personellen Maßnahmen am selben Tage zugestimmt, so dass der Bewerberin K3 diese Aufgabe habe übertragen werden können. Damit sei die Einarbeitung und Übergabe des Arbeitsplatzes gesichert gewesen.

Erst nach Abschluss des Einstellungsverfahrens seien die weiteren Bewerbungen eingegangen. Da ihr Personalleiter in erheblichem Umfang in Bewerbungsgespräche eingebunden gewesen sei, sei das mit dem Kläger als schwerbehinderten Menschen vorgesehene Gespräch in Vergessenheit geraten. Auch von den anderen Bewerbern sei niemand zu einem Vorstellungsgespräch geladen worden. Der Grund hierfür sei gewesen, dass die Entscheidung bereits gefallen gewesen sei.

Die Behauptung des Klägers, er verfüge objektiv über eine bessere Eignung, sei als pauschal zu bezeichnen. Selbst wenn er der objektiv bestqualifizierte Bewerber gewesen sei, sei er nicht wegen seiner Schwerbehinderung abgelehnt worden, sondern weil die Stelle bereits besetzt gewesen sei. Eine Rückgängigmachung der Versetzung sei nicht in Betracht gekommen.

Die vom Kläger gerügte Nichteinschaltung der Bundesagentur für Arbeit bei der Suche eines geeigneten Bewerbers unter schwerbehinderten Menschen begründe keine Vermutung einer Benachteiligung. Der Kläger sei weder arbeitslos noch arbeitssuchend gemeldet gewesen. Auch die Tatsache, dass sie, die Beklagte, eng mit einer Behindertenwerkstatt zusammenarbeite und die Pflichtquote nach § 71 SGB IX übererfülle, spreche gegen die Vermutung einer Benachteiligung. Soweit der Kläger sich auf seine beiden erfolglosen Bewerbungen in der Vergangenheit beziehe, sei er damals nicht berücksichtigt worden, da er für die Aufgaben der ausgeschriebenen Stellen und den damit verbundenen Belastungen völlig ungeeignet gewesen sei.

Durch Urteil vom 12.12.2007, berichtigt durch Beschluss vom 04.01.2008, hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.500,-- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.07.2007 zu zahlen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger zu 4/5 und der Beklagten zu 1/5 auferlegt und den Streitwert auf 12.000,-- Euro festgesetzt. Gegen diese Entscheidung, die der Beklagten am 21.01.2008 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 06.02.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und am 20.03.2008 begründet worden ist. Der Kläger, dem die Entscheidung der ersten Instanz am 24.01.2008 zugestellt worden ist, hat hiergegen am 18.02.2008 Berufung eingelegt und diese am 18.03.2008 begründet.

Die Beklagte macht weiter geltend, sie habe den Kläger bei der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle eines Materialdisponenten nicht benachteiligt. Die Ausschreibung vom 28.02.2007 bzw. 03.03.2007 habe den Vorgaben des AGG entsprochen und sei intern befristet bis zum 16.03.2007 gewesen. Hierauf habe sich am 05.03.2007 Frau K3 beworben, die seit dem 01.08.1999 bei ihr, der Beklagten, als Segmentleiterin in der Gerätemontage "e4" also in dem zu besetzenden Bereich, beschäftigt gewesen sei. Da sie das Produkt und die logistischen Abläufe in der Fertigung seit vielen Jahren bestens gekannt und ihr auch die für die Stelle als Materialdisponent erforderlichen Stücklisten und Dispositionslisten vertraut gewesen seien und sie auch den übrigen Stellenanforderungen entsprochen habe, habe sie optimal auf die ausgeschriebene Stelle gepasst. Diese Stelle sei dringend und kurzfristig zu besetzen gewesen, da ihr Personalleiter Ende Februar 2007 überraschend erfahren habe, dass der seit zwei Jahren tätige und zur Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als Materialdisponent der Produktserie "e4" vorgesehene bisherige Stelleninhaber, Herr G5, zum 01.04.2007 wieder in das R2 Werk zurückgehe. Zu diesem Zeitpunkt sei die Produktgruppe "e4" in einer Auslaufphase für die alte Generation und in einer Anlaufphase für die Nachfolgeproduktserie gewesen, so dass sie gezwungen gewesen sei, die kurzfristig und überraschend vakant werdende Stelle als Materialdisponent schnellstmöglich mit einem geeigneten Mitarbeiter zu besetzen, welcher Kenntnisse von den in G3 stattfindenden alten Dispositionsprozessen habe. Da Frau K3 aus diesen Gründen optimal auf die Stelle gepasst habe und man auch nicht davon ausgegangen sei, dass weitere, bessere Bewerber nachfolgen würden, sei der Betriebsrat am 07.03.2007 zur Versetzung und Umgruppierung von Frau K3 gemäß § 99 BetrVG mit Wirkung zum 09.03.2007 beteiligt worden. Der Betriebsrat habe noch am selben Tage seine Zustimmung erteilt. Frau K3 sei ebenfalls an diesem Tage darüber informiert worden, dass sie zum 09.03.2007 befördert werde und Herr G5 sofort mit ihrer Einarbeitung beginnen könne.

In der Folgezeit, also nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens, seien noch vier weitere Bewerbungen bei ihr eingegangen, darunter die des Klägers mit Schreiben vom 12.03.2007. Für ihren Personalleiter, den Zeugen D3, der damals erheblich überbelastet gewesen sei, sei die Neubesetzung der Stelle als Materialdisponent abgeschlossen gewesen. Erst als der Kläger überraschend am 09.05.2007 über seine Anwälte auf die noch offene Bewerbung hingewiesen habe, sei ihm unter besonderer Berücksichtigung der Schwerbehinderung ein Personalgespräch angeboten worden, um seine Bewerbung im Nachhinein noch einmal zu durchleuchten. Eine andere Entscheidung sei nie in Betracht gekommen, da die Zeugin K3 die Stelle seit dem 09.03.2007 inne gehabt habe und diese Stelle auch erhalten hätte, wenn am 07.03.2007 alle Bewerbungen bereits vorgelegen hätten.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts seien keine Indizien gegeben, die eine Benachteiligung des Klägers wegen der Schwerbehinderung vermuten ließen. So stelle nicht bereits der Verstoß des Arbeitgebers gegen seine besonderen Pflichten bei Stellenausschreibung und Besetzung gemäß § 81 Abs. 1 SGB IX eine "Benachteiligung" im Sinne der §§ 3, 7 AGG dar. Der Verstoß gegen die Förderpflichten des § 81 Abs. 1 SGB IX könne allenfalls als Indiztatsache im Sinne des § 22 AGG gewertet werden. Dies sei vorliegend aber bereits deshalb ausgeschlossen, weil das Bewerbungsverfahren bereits abgeschlossen gewesen sei, bevor sich der Kläger beworben habe. Schon deshalb fehle es an der Kausalität zwischen Schwerbehinderteneigenschaft und in Frage stehendem Nachteil. Für eine unterschiedliche Behandlung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderteneigenschaft sei überhaupt kein Raum geblieben. Die Nichteinschaltung der Schwerbehindertenvertretung sowie der Bundesagentur für Arbeit könne hieran nichts ändern.

Selbst wenn die Vermutung einer Benachteiligung des Klägers unterstellt werde, habe sie, die Beklagte, diese dadurch widerlegt, dass sie ihre Pflicht zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen gemäß § 71 SGB IX mit 6,17 % übererfüllt habe. Außerdem habe sie darauf hingewiesen, dass sie auch mit Werkstätten für Behinderte zusammenarbeite. In einem solchen Fall könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie kein Interesse an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen habe oder sich grundsätzlich rechtswidrig verhalten wolle.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei sie, die Beklagte, mit ihrem Vortrag, das Bewerbungsverfahren sei bereits abgeschlossen und damit eine Kausalität als grundsätzliche Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nicht gegeben, nicht präkludiert. Im vorliegenden Verfahren habe es keine benachteiligende Auswahl gegeben, da sie, die Beklagte, sich direkt für die erste geeignete Bewerberin entschieden habe. Dass sie den Kläger als schwerbehinderten Bewerber habe benachteiligen wollen, sei dadurch ausgeschlossen.

Schließlich erhebe sie, die Beklagte, auch noch den Einwand des Rechtsmissbrauchs. Der Kläger habe sich um die ausgeschriebene Stelle eines Materialdisponenten nicht ernsthaft beworben. Indiz hierfür sei, dass der Kläger sich bereits vor einigen Jahren zu einem Zeitpunkt, als es den Entschädigungsanspruch nach dem AGG noch nicht gegeben habe, auf eine Stelle als Materialdisponent beworben habe und abgelehnt worden sei. Diese Ablehnung habe er ohne weiteres akzeptiert. Im vorliegenden Fall sei ihm schon seit März 2007 positiv bekannt gewesen, dass seine Bewerbung keine Berücksichtigung gefunden habe. Er hätte sich daher beim Personalleiter melden und seine Nichtberücksichtigung reklamieren können. Stattdessen habe er einen Anwalt eingeschaltet, welcher am 09.05.2007 eine Stellungnahme zur Besetzung der Stelle des Materialdisponenten sowie zur Bewerbung des Klägers unter Fristsetzung bis zum 18.05.2007 angemahnt habe. Dem Kläger sei in erster Linie daran gelegen gewesen, ein Ablehnungsschreiben zu bekommen, damit in einem späteren Prozess nicht der Einwand habe erhoben werden können, er habe die Frist des § 15 Abs. 4 AGG nicht eingehalten. Auch der Bewerbungsumfang des Klägers habe nicht darauf hingedeutet, dass er ernsthaft erwartet habe, sie, die Beklagte, werde ihm diesmal einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen, welcher neun Gehaltsstufen über seiner jetzigen Tätigkeit liege. Das Bewerbungsschreiben habe nicht einmal aus einer halben DINA 4 Seite bestanden. Auch die durch nichts begründete Entschädigungsforderung in Höhe von 12.000,-- Euro spreche für das in erster Linie materielle Interesse des Klägers bei seiner Bewerbung am 12.03.2007.

Sie, die Beklagte, habe bei der Besetzung der fraglichen Stelle auch nicht das Ende der Bewerbungsfrist abwarten müssen. Zum einen habe sie bei der Wiederbesetzung der Stelle unter erheblichem Zeitdruck gestanden. Zum anderen könne der Arbeitgeber auch vor Ablauf der Bewerbungsfrist einen der Bewerber nach entsprechender Beteiligung des Betriebsrats einstellen, wenn er meine, dass er etwas Besseres nicht finde. Der Kläger habe bereits im Jahre 2006 gewusst, dass sie, die Beklagte, ihn nicht für geeignet halte, Materialdisponent im Unternehmen zu sein.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen,

die gegnerische Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die gegnerische Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen,

das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 28.11.2007 - 4 Ca 1981/07 - abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

Er vertritt weiter die Auffassung, ihm stehe nicht nur eine Entschädigungszahlung in Höhe von 2.500,-- Euro, sondern ein höherer Entschädigungs- bzw. Schadenersatzanspruch zu. Im Vergleich zu allen anderen Bewerbern sei er der Bestgeeignete gewesen, so dass die Stelle mit ihm hätte besetzt werden müssen. Bereits im Jahre 2006 habe die Beklagte die Stelle eines Materialdisponenten ausgeschrieben. Zum damaligen Zeitpunkt sei er durch ein Betriebsratsmitglied darauf hingewiesen worden, dass die Bewerbungsfrist wenige Tage später ablaufe. Der Betriebsrat habe damals darauf geachtet, dass die Bewerbungsfrist abgelaufen gewesen sei, bevor die Stelle besetzt worden sei. Zum damaligen Zeitpunkt habe die Beklagte das Ende der Bewerbungsfrist abgewartet, was im Jahre 2007 anlässlich der streitgegenständlichen Bewerbung nicht mehr der Fall gewesen sei.

Die von der Beklagten behauptete Beschäftigungsquote von Schwerbehinderten bestreite er mit Nichtwissen. Er bleibe auch dabei, dass die Beklagte mit dem Sozialwerk S6. G4 allein aus dem Gesichtspunkt der Kostenersparnis zusammenarbeite. Die von der Beklagten beschäftigten Schwerbehinderten seien zudem erst während des laufenden Arbeitsverhältnisses schwerbehindert geworden. Eingestellt habe die Beklagte keinen Schwerbehinderten.

Soweit die Beklagte betone, die Mitarbeiterin K3 kenne das Produkt "e4", sei dies bei ihm, dem Kläger, ebenfalls der Fall. Das Arbeiten mit Stücklisten und Dispositionslisten sei nichts Besonderes. Dies sei auch ihm vertraut. Viel wichtiger sei es, Lieferfristen für Teile zu kennen. Dies habe der Mitarbeiterin K3 erst beigebracht werden müssen. Mehrere Wochen lang sei sie vom Mitarbeiter G5 eingearbeitet worden, der zum 01.04.2007 wieder nach R1 zurückgegangen sei. Es sei auch möglich gewesen, ihn, den Kläger, bis dahin einzuarbeiten.

Soweit die Beklagte vortrage, man sei nicht davon ausgegangen, dass weitere, bessere Bewerbungen nachfolgen würden, sei nicht erkennbar, worauf sie ihre Vermutungen stütze. Vielmehr sei es wohl so gewesen, dass der Zeuge D3 Druck auf die Mitglieder des Betriebsrates ausgeübt habe, damit diese ihre Zustimmung nach gerade einmal viertägiger Stellenausschreibung erteilten.

Er, der Kläger, habe sich insgesamt fünfmal auf ausgeschriebene Stellen bei der Beklagten im Bürobereich beworben. Der Beklagten, insbesondere dem Zeugen D3, sei also bestens bekannt gewesen, dass er sich aufgrund der streitgegenständlichen Stellenausschreibung wiederum bewerben werde.

Die Behauptung, er, der Kläger, habe sich nicht ernsthaft beworben, entspringe der Fantasie der Beklagten. Er versuche seit Jahren, einen Arbeitsplatz im Bürobereich zu erhalten. Zuletzt habe er sich im Jahre 2006 auf eine Stelle als Materialdisponent beworben. Die Stelle sei zum damaligen Zeitpunkt mit einem qualifizierten Mitarbeiter besetzt worden, so dass er keine Beanstandungen erhoben habe. Dies zeige, dass es ihm nur darum gehe, eine der ausgeschriebenen Stellen zu erhalten; wenn eine freiwerdende Stelle mit einem qualifizierteren Mitarbeiter besetzt werde, akzeptiere er dies.

Der Beklagten sei zum Zeitpunkt der Ausschreibung sowohl seine Schwerbehinderteneigenschaft als auch die Tatsache bekannt gewesen, dass er aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen eine Tätigkeit im Bürobereich suche. Vor diesem Hintergrund stelle es eine Umgehung des AGG dar, wenn die Mitarbeiterin K3 dazu bewegt werde, sich sofort zu bewerben und nach Bewerbungseingang das Bewerbungsverfahren sofort beendet werde. Andernfalls könne ein Arbeitgeber den Vorwurf einer Benachteiligung immer mit der Begründung zurückweisen, die Stelle sei bereits besetzt.

Nach alledem sei davon auszugehen, dass die Beklagte ihn, den Kläger, bei der Besetzung der streitgegenständlichen Stelle als schwerbehinderten Menschen benachteiligt habe. Er habe deshalb einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 AGG. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht den dreifachen Monatsverdienst als Obergrenze festgesetzt und einen Betrag von einem Bruttomonatsverdienst angesichts der Nichtberücksichtigung bei einer Beförderung als Entschädigung als ausreichend angesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Berufungen beider Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 28.11.2007 sind an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung der Beklagten hat der Sache nach Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadenersatz bzw. Entschädigung gemäß § 15 AGG. Das arbeitsgerichtliche Urteil war deshalb auf die Berufung der Beklagten teilweise abzuändern und die Klage im vollen Umfang abzuweisen. Dementsprechend war die Berufung des Klägers, der Zahlung einer höheren Entschädigung begehrt, zurückzuweisen.

Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden. Nach § 1 AGG ist Ziel des Gesetzes u.a., Benachteiligungen aus Gründen der Behinderung zu verhindern oder zu beseitigen. Gemäß § 2 AGG sind Benachteiligungen insbesondere unzulässig in Bezug auf den beruflichen Aufstieg. Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber gemäß § 15 Abs. 1 AGG verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Gemäß § 15 Abs. 2 AGG kann der Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Macht ein Arbeitnehmer geltend, der Arbeitgeber habe ihm gegenüber gegen das Benachteiligungsverbot im Sinne der §§ 7, 1, 2 AGG verstoßen, so muss er im Streitfall grundsätzlich die Benachteiligung darlegen und beweisen. Kann der Arbeitnehmer im Streitfall allerdings Indizien darlegen und beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, so trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Bestimmungen ist die Beklagte nicht verpflichtet, an den Kläger Schadenersatz bzw. eine Entschädigung gemäß § 15 AGG zu zahlen. Die erkennende Kammer konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Beklagte den Kläger bei der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle eines Materialdisponenten wegen seiner Behinderung benachteiligt hat.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hat der Kläger keine Indizien dargelegt, die eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung im Sinne des § 1 AGG vermuten lassen. Soweit der Kläger sich in diesem Zusammenhang darauf bezieht, die Beklagte habe die in ihrem Betrieb bestehende Schwerbehindertenvertretung entgegen § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nicht unmittelbar nach dem Eingang seiner Bewerbung unterrichtet sowie diese bei der nach § 81 Abs. 1 Satz 6 SGB IX vorzunehmenden Prüfung, ob ein Arbeitsplatz mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann, nicht beteiligt, und sich des Weiteren darauf beruft, die Beklagte habe die Arbeitsagentur nicht gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB IX eingeschaltet, lassen diese Umstände nicht die Vermutung zu, die Beklagte habe den Kläger bei der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle eines Materialdisponenten wegen seiner Behinderung benachteiligt.

aa) Unstreitig hatte sich die Zeugin K3 bereits am 05.03.2007 auf die von der Beklagten am 28.02.2007 intern ausgeschriebene Stelle eines Materialdisponenten beworben. Da die Beklagte Frau K3 offensichtlich für geeignet hielt, die ausgeschriebene Stelle zu übernehmen, und weitere Bewerbungen damals nicht vorlagen, hat sie den Betriebsrat am 07.03.2007 um Zustimmung zur Versetzung und Umgruppierung der Frau K3 mit Wirkung zum 09.03.2007 gebeten. Nach Zustimmungserklärung durch den Betriebsrat am 07.03.2007 hat die Beklagte der Zeugin K3 die ausgeschriebene Stelle am 09.03.2007 übertragen, die seit diesem Zeitpunkt die dort anfallenden Aufgaben wahrnimmt. Da sowohl im Zeitpunkt der Beteiligung des Betriebsrats am 07.03.2007 als auch bei Übertragung der Stelle an Frau K3 am 09.03.2007 eine Bewerbung des Klägers um die ausgeschriebene Stelle nicht vorlag, der Kläger sich vielmehr erst mit Schreiben vom 12.03.2007 um die fragliche Stelle beworben hat, kann die Nichteinschaltung der Schwerbehindertenvertretung nicht als Verstoß gegen § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX angesehen werden. Im Zeitpunkt der Besetzung der Stelle lag eine Bewerbung des Klägers als eines schwerbehinderten Menschen nicht vor, so dass die Beklagte keine Unterrichtungspflicht traf.

bb) Auch die Nichteinschaltung der Agentur für Arbeit ist nicht geeignet, die Vermutungswirkung des § 22 AGG auszulösen. Die Beklagte hat die fragliche Stelle eines Materialdisponenten sowohl betriebsintern als auch extern ausgeschrieben. Damit hatte der Kläger als schwerbehinderter Mensch, der im Betrieb der Beklagten bereits beschäftigt war, von dieser Ausschreibung Kenntnis erlangt und Gelegenheit, sich hierauf zu bewerben. Diese Gelegenheit hat er, wenn auch erst nach Besetzung der Stelle durch die Zeugin K3, auch tatsächlich wahrgenommen. Angesichts dieser Umstände kann die unterlassene Einschaltung der Agentur für Arbeit nicht zur Beweislastumkehr gemäß § 22 AGG führen. Der Kläger war im Zeitpunkt der Ausschreibung der Stelle nicht arbeitslos bzw. arbeitssuchend gemeldet, sondern bei der Beklagten beschäftigt. Die Einschaltung der Agentur für Arbeit war deshalb im Hinblick auf den Kläger völlig bedeutungslos. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beklagte die fragliche Stelle betriebsintern ausgeschrieben hatte, so dass der Kläger als schwerbehinderter Mensch, der im Betrieb der Beklagten beschäftigt ist, hierdurch angesprochen war und sich auf diese Stelle bewerben konnte. Anders mag zu entscheiden sein, wenn ein Arbeitgeber eine zu besetzende Stelle nicht betriebsintern ausschreibt, so dass ein im Betrieb beschäftigter schwerbehinderter Mensch hiervon keine Kenntnis erhält. Angesichts der hier gegebenen tatsächlichen Umstände kann jedoch nach Auffassung der erkennenden Kammer die unterlassene Einschaltung der Arbeitsagentur die Vermutung des § 22 AGG nicht auslösen.

cc) Unerheblich ist, dass die Beklagte die in der Stellenausschreibung genannte Bewerbungsfrist nicht abgewartet, sondern die Stelle bereits am 09.03.2007 mit der Zeugin K3 besetzt hat. Trotz Befristung der Stellenausschreibung bis zum 16.03.2007 war die Beklagte nicht gehindert, die ausgeschriebene Stelle bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu besetzen, wenn sie der Auffassung war, eine(n) geeignete(n) Bewerber(in) gefunden zu haben. Eine Verpflichtung der Beklagten, mit der Stellenbesetzung bis zu einem Zeitpunkt nach dem 16.03.2007 zu warten, ist nicht ersichtlich. Da die Beklagte offensichtlich der Meinung war, Frau K3 sei für die ausgeschriebene Stelle geeignet, weitere Bewerbungen damals nicht vorlagen, kann aus der Einleitung des Zustimmungsverfahrens gemäß § 99 BetrVG am 07.03.2007 und entsprechender Stellenbesetzung mit Wirkung zum 09.03.2007 nach Erteilung der Zustimmung durch den Betriebsrat keine Vermutung der Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung abgeleitet werden. Denn die Bewerbung des Klägers lag weder am 07.03.2007 noch am 09.03.2007 vor; vielmehr hat der Kläger sich erst mit Schreiben vom 12.03.2007 beworben.

Anders mag zu entscheiden sein, wenn der Arbeitgeber die Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen um eine ausgeschriebene Stelle erwartet und die Stelle deshalb vor Ablauf der Bewerbungsfrist anderweitig besetzt, um einer Bewerbung des schwerbehinderten Menschen zuvorzukommen. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine dahingehende Absicht der Beklagten bei der Besetzung der fraglichen Stelle mit der Zeugin K3 sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch wenn der Beklagten bekannt gewesen sein sollte, dass der Kläger sich um die Übertragung einer Stelle im Bürobereich bemühte, konnte sie nicht davon ausgehen, dass der Kläger sich um die fragliche Stelle eines Materialdisponenten bewerben würde. Der Kläger hatte sich bereits im Jahre 2006 erfolglos auf eine Stelle als Materialdisponent beworben und die Nichtberücksichtigung damals ohne Beanstandung hingenommen. Angesichts dessen war völlig offen, ob der Kläger sich erneut auf die ausgeschriebene Stelle eines Materialdisponenten bewerben würde.

Hat der Kläger keine Indizien dargelegt und bewiesen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, so muss er darlegen und beweisen, dass die Beklagte ihn bei der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle eines Materialdisponenten wegen seiner Behinderung benachteiligt hat. Solche Tatsachen hat der Kläger nicht dargelegt; sind auch nicht ersichtlich. Da die ausgeschriebene Stelle im Zeitpunkt der Bewerbung des Klägers mit Schreiben vom 12.03.2007 bereits mit der Zeugin K3 besetzt war, kann von einer Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung im Rahmen des bei Eingang der Bewerbung des Klägers bereits abgeschlossenen Stellenbesetzungsverfahrens keine Rede sein. Die Kammer verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen.

3.) Die Beklagte ist nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht gehindert, sich im vorliegenden Rechtsstreit darauf zu berufen, das Einstellungsverfahren im Hinblick auf die ausgeschriebene Stelle eines Materialdisponenten sei mit Abschluss des betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahren nach § 99 BetrVG und Übertragung der Stelle auf die Zeugin K3 am 09.03.2007 im Zeitpunkt der Bewerbung des Klägers mit Schreiben vom 12.03.2007 bereits abgeschlossen gewesen. Wie bereits ausgeführt wurde, sind weder Indizien gegeben, die eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung bei der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle eines Materialdisponenten vermuten lassen; der Kläger hat auch keine Tatsachen dargelegt und unter Beweis gestellt, aus denen sich eine Benachteiligung wegen der Behinderung tatsächlich ergibt. Da die Vermutungswirkung des § 22 AGG vorliegend nicht ausgelöst worden ist, ist die Beklagte auch nicht zur Widerlegung verpflichtet. Nur dann, wenn ein Arbeitgeber in einem Verfahren nach § 15 AGG gehalten ist, die Vermutung der Benachteiligung zu widerlegen, ist es ihm grundsätzlich verwehrt, sich auf Gründe zu beziehen, die er dem betroffenen Bewerber im Rahmen seiner Unterrichtung nicht mitgeteilt hat (vgl. Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 22.03.2006 - 2 Sa 1686/05 m.w.N.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 91 ZPO.

Der Streitwert hat sich im Berufungsverfahren nicht geändert.

Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.