VG Köln, Beschluss vom 04.08.2008 - 14 L 361/08
Fundstelle
openJur 2011, 57965
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wird auf 171,75 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO.

Der Antrag der Antragstellerin,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens die mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Antragsgegners vom 29.01.2008 erfolgte Pfändung des Guthabens zu Kontonummer 0000000, Bankleitzahl 000 000 00 bei der Deutschen Bank gegenüber der Antragstellerin aufzuheben,

hat keinen Erfolg.

Mit der insoweit eindeutigen Formulierung des Antrages, der Bezeichnung des Streitgegenstandes mit „Vollstreckungsschutz" sowie der Begründung des Begehrens wird allein der Erlass einer einstweiligen Anordnung erstrebt. Hingegen wird kein vorläufiger Rechtsschutz bzgl. der im Hauptsacheverfahren 14 K 1847/08 angegriffenen, kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten begehrt.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zur vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer solchen Anordnung ist insbesondere dann nötig, wenn von einem Erfolg in der Hauptsache ausgegangen werden kann. Dies ist hier nicht der Fall, die Klage in der Hauptsache (14 K 1882/08) wird nach gegenwärtigem Sachstand keinen Erfolg haben.

Die Antragstellerin benennt für den von ihr begehrten Vollstreckungsschutz keine Rechtsgrundlage. Da sie indes geltend macht, die Fortsetzung der Pfändung stelle für sie eine besondere Härte dar, die mit den guten Sitten nicht vereinbar sei, kann ihr Begehren nur als Antrag nach § 26 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) ausgelegt werden. Nach dieser Vorschrift, die inhaltlich § 765 a Abs. 1 Satz 1 ZPO entspricht, hat die Vollstreckungsbehörde auf Antrag des Schuldners eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufzuheben, zu untersagen oder einstweilen einzustellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist.

Die Antragstellerin hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Vollstreckungsschutz nach dieser Norm nicht glaubhaft gemacht.

Wie schon der Wortlaut dieser Regelung belegt („ganz besondere Umstände") soll § 26 VwVG NRW die Möglichkeit eröffnen, besonderen Ausnahmesituationen in der Vollstreckung gerecht werden zu können. Als Ausnahmevorschrift ist die Norm eng auszulegen und erfordert im Einzelfall eine Abwägung der Schuldner- und Gläubigerinteressen. Sittenwidrigkeit in diesem Sinne liegt erst dann vor, wenn die Fortführung der Vollstreckung zu einem ganz untragbaren, von der Rechtsordnung missbilligtem Ergebnis führen würde.

So Baumbach, Lauterbach, Albers, Hartmann, ZPO, 66. Auflage 2008, § 765 a Rdnr. 2 m. w. N.; vgl. etwa beispielhaft BVerfG, Beschluss vom 27.06.2005 -1 BvR 224/05-, FamRZ 2005, 1972 f: belegte Suizidgefahr bei Zwangsräumung.

So liegen die Dinge hier nicht.

Soweit die Antragstellerin Vollstreckungsschutz dahingehend begehren sollte, dass sie uneingeschränkt über das ihr bewilligte Arbeitslosengeld II zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes verfügen kann, geht der Antrag schon ins Leere. Über den nach § 55 Abs. 1 SGB I (hier anwendbar über § 48 VwVG NRW i.V.m. § 850 i Abs. 4 ZPO) kraft Gesetzes bestehenden Schutz hinaus hat der Antragsgegner diesem An- liegen bereits mit seinem als Pfändungsschutzbescheid bezeichneten Schreiben vom 13.02.2008 gegenüber der Deutschen Bank entsprochen. Angesichts dessen ist auch nicht ersichtlich, inwieweit der Antragstellerin mit der grundsätzlichen Aufrechterhaltung der Kontopfändung ein erheblicher Schaden zugefügt werden könnte. Bei verständiger Würdigung stellt das Schreiben des Antragsgegners vom 13.02.2008 an die Deutsche Bank eine Entscheidung nach § 48 VwVG NRW i.V.m. § 850 k ZPO dar. Gemäß § 48 Abs. 2 VwVG NRW nimmt in der öffentlichen Vollstreckung die Vollstreckungsbehörde - hier also der Antragsgegner - die Befugnisse des Vollstreckungsgerichts nach den Regelungen der ZPO war. Darüber hinaus ist § 850 k ZPO über seinen Wortlaut hinaus nicht nur auf Kontoguthaben aus Arbeitseinkünften sondern auch auf Kontoguthaben aus Sozialleistungen anwendbar.

So - anders als das AG Hannover in dem von dem Antragsgegner vorgelegten Beschluss - ausdrücklich BGH, Beschluss vom 20.12.2006 - VII ZB 56/06 -, NJW 2007, 604 f.

Die Antragstellerin kann demnach ohne Weiteres uneingeschränkt über die ihr zustehenden Sozialleistungen verfügen, ohne dass sie dazu jeden Monat initiativ werden müsste .

Soweit die Antragstellerin schließlich befürchtet, die Drittschuldnerin würde die Geschäftsbeziehungen zu ihr kündigen, ist dies schon in tatsächlicher Hinsicht nicht glaubhaft gemacht. Weder den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners noch den im vorliegenden Verfahren vorgelegten Unterlagen ist eine entsprechende Ankündigung der Bank zu entnehmen. Diese hat vielmehr in ihren Drittschuldnererklärungen mitgeteilt, dass die Antragstellerin noch im Besitz einer Deutsche Bank-Card/Kredit-Karte sei. Damit kann weder mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Drittschuldnerin die zu der Antragstellerin bestehenden Geschäftsbeziehungen kündigen wird, noch hat die Antragstellerin auch nur behauptet, in einem solchen Fall kein Konto bei einem anderen Geldinstitut eröffnen zu können. Im übrigen wird die Rechtsfrage, ob eine konkret angekündigte Kündigung des Girovertrages zu einer sittenwidrigen Härte führt, in der Rechtsprechung durchaus unterschiedlich beurteilt.

Vgl. etwa - dies mit beachtlichen Gründen verneinend-: Landgericht Frankfurt, Beschluss vom 14.12.2005 - 2/13 T 278/05 -, Rechtspfleger 2006, 209 f.

Angesichts der geschilderten Sachlage sieht das Gericht gegenwärtig keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die grundsätzliche Aufrechterhaltung der Pfändung zu einem völlig untragbaren und damit sittenwidrigen Ergebnis führen könnte. Dies gilt umsomehr, als dem Antragsgegner keine andere Möglichkeit eröffnet ist, seine öffentlich rechtlichen Forderungen gegenüber der Antragstellerin noch durchsetzen zu können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Dabei hat das Gericht entsprechend Nr. 1.6.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit das vorliegende selbständige Vollstreckungsverfahren mit ¼ des Streitwertes der Hauptsache (= 1.134,45 EUR) bewertet und diesen Betrag wegen der Vorläufigkeit dieses Verfahrens noch einmal halbiert.

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