ArbG Düsseldorf, Beschluss vom 15.07.2008 - 11 BV 36/08
Fundstelle
openJur 2011, 57306
  • Rkr:

Nach § 45 Satz 2 WPO gelten angestellte Wirtschaftsprüfer als leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG. Vom Anwendungsbereich dieser Norm sind auch angestellte Wirtschaftsprüfer bei genossenschaftlichen Prüfungsverbänden erfasst. Die Norm ist nicht verfassungswidrig.

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 2) ist ein genossenschaftlicher Prüfungsverband in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Die Mitarbeiter des Düsseldorfer Betriebs des Beteiligten zu 2) haben am 10.03.2006 eine Betriebsratswahl durchgeführt. Der Beteiligte zu 1) ist der ausweislich der Bekanntgabe des Wahlergebnisses vom selben Tag gewählte Betriebsrat der Beteiligten zu 2). Auf den Inhalt der Bekanntmachung vom 10.03.2006, Blatt 10 der Akte, wird verwiesen. Die Wahl wurde nicht angefochten. Der Beteiligte zu 2) hat den Beteiligten zu 3) zu dessen Vorsitzenden gewählt.

Der Beteiligte zu 3) ist als Wirtschaftsprüfer für die Beteiligte zu 2) in einem Arbeitsverhältnis tätig. Dabei hat er weder Vertretungsbefugnis für den Beteiligten zu 2) noch personelle Kompetenzen, wie die Befugnis zur Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern.

Mit Schreiben vom 19.12.2007 teilte der Beteiligte zu 2) gegenüber dem Beteiligten zu 1) mit, dass das Betriebsratsmandat des Beteiligten zu 3) durch die gesetzliche Neuregelung in § 45 Satz 2 WPO beendet sei, wonach seit dem 3.09.2007 angestellte Wirtschaftsprüfer als leitende Angestellte gelten.

Der Beteiligte zu 1) hat den Beschluss zur Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens sowohl unter Mitwirkung als auch vorsorglich ohne Mitwirkung des Beteiligten zu 3. gefasst.

Der Beteiligte zu 1) ist der Ansicht, § 45 Satz 2 WPO sei dahingehend auszulegen, dass angestellte Wirtschaftsprüfer von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften mit solchen Kompetenzen auszustatten sind, dass sie die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 BetrVG erfüllen können. Ein anderes Verständnis von Satz 2 des § 45 WPO würde in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise dazu führen, dass die Rechte von Betriebsräten und Arbeitnehmern eines Betriebes, die im BetrVG garantiert sind, systemwidrig beschnitten würden. Die Sonderstellung "echter" leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 BetrVG beruhe ausschließlich in der Funktionsfähigkeit des Unternehmens. Nur mit Rücksicht hierauf sei die Ausklammerung der leitenden Angestellten aus der Mitbestimmung auch mit dem Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG vereinbar. Würde § 45 Satz 2 WPO fingieren, dass angestellte Wirtschaftsprüfer - ungeachtet ihrer tatsächlichen Stellung, Aufgabengebiete bzw. Kompetenzen - leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sind, führte diese Auslegung zur Verfassungswidrigkeit der Norm.

Die Anknüpfung von Satz 2 an Satz 1 von § 45 WPO gebiete zudem die Auslegung, dass nur Angestellte Wirtschaftsprüfer von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vom Anwendungsbereich erfasst werden könnten, nicht hingegen Wirtschaftsprüfer bei genossenschaftlichen Prüfungsverbänden. Im Hinblick auf die grundlegenden Unterschiede zwischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und genossenschaftlichen Prüfungsverbänden und die unterschiedlichen Tätigkeiten von jeweils dort angestellten Wirtschaftsprüfern sei diese Unterscheidung auch gerechtfertigt. Auf den umfangreichen Sachvortrag des Beteiligten zu 1) im Hinblick auf die Besonderheiten bei genossenschaftlichen Prüfungsverbänden wird verwiesen.

Schließlich ergebe sich aus der Überschrift "Prokuristen" von § 45 WPO, dass in dieser Vorschrift nur Regelungen für diejenigen Wirtschaftsprüfer getroffen werden sollten, die auch die Rechtsstellung von Prokuristen erlangen könnten. Dies gelte unstreitig nicht für angestellte Wirtschaftsprüfer von genossenschaftlichen Prüfungsverbänden. Auch aus § 43 a WPO gehe hervor, dass der Gesetzgeber bewusst zwischen Angestellten von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und solchen von genossenschaftlichen Prüfungsverbänden unterschieden habe, weshalb § 45 WPO sich daher bewusst ausschließlich auf Angestellte von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beziehe. Dies gehe auch aus der Regierungsbegründung zur Einführung von Satz 2 von § 45 WPO hervor, worin an die bisherige Regelung in Satz 1 angeknüpft werde.

Der Beteiligte zu 1) beantragt,

festzustellen, dass der Beteiligte zu 1) entsprechend der Bekanntgabe des Wahlergebnisses aus der Betriebsratswahl vom 10.03.2006 zusammengesetzt ist und der Beteiligte zu 3) sein Vorsitzender ist.

Der Beteiligte zu 3. schließt sich diesem Antrag an.

Die Beteiligte zu 2. beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 2) ist der Auffassung, dass der Antrag bereits unzulässig sei, da der Beteiligte zu 3) als Vertreter des Beteiligten zu 1) auftrete und an der Beschlussfassung zur Einleitung des Verfahrens mitgewirkt habe. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet, da die gesetzliche Fiktion von § 45 Satz 2 WPO nur die zwei Voraussetzungen habe, dass es sich um einen Wirtschaftsprüfer handele und dieser angestellt sein müsse. Da diese beiden Voraussetzungen in der Person des Beteiligten zu 3. vorlägen, sei er seit dem 03.09.2007 leitender Angestellter und damit gemäß § 24 Nr. 4 BetrVG nicht mehr Mitglied des Beteiligten zu 1)

Sowohl der Wortlaut von § 45 Satz 2 WPO als auch eine systematische Auslegung der Vorschrift ergäben, dass sie auch auf angestellte Wirtschaftsprüfer in genossenschaftlichen Prüfungsverbänden anwendbar sei. § 45 Satz 2 WPO sei auch mit höherem Recht vereinbar, wobei die Ungleichbehandlung im Anwendungsbereich des § 5 BetrVG sich daraus rechtfertige, dass die Unabhängigkeit von Wirtschaftsprüfern im Angestelltenverhältnis gestärkt und betont werden sollte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Anhörung vor der Kammer vom 15.07.2008 Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

1.

Der Antrag ist zulässig.

a)Für die Zulässigkeit des Antrags kann es dahinstehen, ob der Beteiligte zu 3) bei der Beschlussfassung zur Einleitung des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens mitwirken durfte und noch Mitglied des Beteiligten zu 1) war, da der Beschluss vorsorglich auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu 3) gefasst wurde.

Die Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens und die Beauftragung eines Rechtsanwalts bedarf eines ordnungsgemäßen Beschlusses des Betriebsrates. Ist die Beschlussfassung unterblieben oder fehlerhaft erfolgt, ist der Betriebsrat in dem Beschlussverfahren nicht wirksam vertreten und ein Prozessrechtsverhältnis kommt nicht zustande. Der für den Betriebsrat gestellte Antrag ist dann als unzulässig abzuweisen (BAG 18.02.2003 - 1 ABR 17/02 - AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 11). Wirkt an der Beschlussfassung des Betriebsrats eine hierzu nicht berechtigte Person mit, führt dies in der Regel zur Nichtigkeit des Beschlusses (BAG 03.08.1999 - 1 ABR 30/98 - AP BetrVG 1972 § 25 Nr. 7), es sei denn, der Fehler hatte offensichtlich keinen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis (vgl. hierzu Fitting BetrVG 24. Aufl. § 33 Rn. 56; ErfK/Eisemann 6. Aufl. § 33 BetrVG Rn. 6).

Die Unwirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses über die Einleitung eines Beschlussverfahrens und die Beauftragung eines Rechtsanwalts kann jedoch durch einen weiteren ordnungsgemäßen Beschluss geheilt werden, wenn dieser noch vor Erlass einer den Antrag als unzulässig zurückzuweisenden Prozessentscheidung gefasst wird (BAG 18.02.2003 - 1 ABR 17/02 - AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 11).

Auf das Bestreiten einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung durch den Arbeitgeber hat der Betriebsrat unwidersprochen vorgetragen, dass er vorsorglich auch einen Beschluss zur Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens ohne Mitwirkung des Beteiligten zu 3) gefasst hat. Wenn schon die Unwirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses über die Einleitung eines Beschlussverfahrens durch einen späteren Beschluss geheilt werden kann, gilt dies erst recht, wenn der Betriebsrat vorsorglich einen zusätzlichen Beschluss ohne Mitwirkung desjenigen Betriebsratsmitgliedes fasst, um dessen Zugehörigkeit zum Betriebsrat es in dem Beschlussverfahren geht. Dass dieser vorsorgliche weitere Beschluss des Beteiligten zu 1) ohne Mitwirkung des Beteiligten zu 3) wirksam gefasst wurde, hat der Beteiligte zu 2) nicht mehr bestritten.

b)Der Antrag bedarf der Auslegung.

Nach §§ 80 Abs. 2, 46 Abs. 2 ArbGG, § 256 ZPO bedarf ein auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichteter Antrag eines Feststellungsinteresses. Dieses Feststellungsinteresse haben der Beteiligte zu 1) und der Beteiligte zu 3) lediglich hinsichtlich der Frage, ob der Beteiligte zu 3) über den 03.09.2007 hinaus noch Betriebsratsmitglied des Beteiligten zu 1) ist.

Entsprechend ausgelegt ist der Antrag zulässig.

Denn die Beteiligten sind nur unterschiedlicher Auffassung darüber, ob die Mitgliedschaft des Beteiligten zu 3) im Betriebsrat gemäß § 24 Nr. 4 BetrVG durch die Einführung von § 45 S. 2 WPO mit Wirkung zum 03.09.2007 erloschen ist. Die Bekanntgabe des Wahlergebnisses und die Zusammensetzung des Betriebsrates bis zum 03.09.2007 steht zwischen den Beteiligten nicht in Streit. Genauso wenig bedarf es einer gerichtlichen Feststellung, ob der Beteiligte zu 3) zum Vorsitzenden des Beteiligten zu 1) wirksam gewählt wurde.

2.

Der Antrag ist unbegründet.

Der Beteiligte zu 3) ist seit Inkrafttreten des § 45 Satz 2 WPO am 03.09.2007 nicht mehr Mitglied des Beteiligten zu 1) und nach § 24 Nr. 4 BetrVG wegen des Verlustes der Wählbarkeit aus dem Betriebsrat ausgeschieden.

Nach § 24 Nr. 4 BetrVG erlischt die Mitgliedschaft im Betriebsrat durch Verlust der Wählbarkeit. Fehlte die Wählbarkeit schon im Zeitpunkt der Wahl, ist dieser Mangel entweder durch eine Wahlanfechtung oder nach Ablauf der Anfechtungsfrist in einem gesonderten gerichtlichen Verfahren zur Feststellung der Nichtwählbarkeit geltend zu machen. Während die fehlende Wählbarkeit im Zeitpunkt der Wahl durch eine gerichtliche Entscheidung festgestellt werden muss, führt der nachträgliche Verlust der Wählbarkeit von Gesetzes wegen zu einem Amtsverlust.

Der Beteiligte zu 3) ist aus dem persönlichen Geltungsbereich des BetrVG durch Inkrafttreten von § 45 S. 2 WPO am 03.09.2007 nach der Betriebsratswahl ausgeschieden und hat dadurch seine Wählbarkeit verloren.

§ 45 WPO trifft in Satz 1 und 2 folgende Regelungen:

"Wirtschaftsprüfer sollen als Angestellte von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die Rechtsstellung von Prokuristen haben. Angestellte Wirtschaftsprüfer gelten als leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes."

Durch die gesetzliche (unwiderlegliche) Vermutung von Satz 2 ist der Beteiligte zu 3) am 03.09.2007 zum leitenden Angestellten geworden. Ein Betriebsratsmitglied, das zum leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG wird, kann dem Betriebsrat nicht mehr angehören (Fitting BetrVG, 24. Aufl., § 24 Rn. 33).

a)Vom Anwendungsbereich von § 45 Satz 2 WPO sind auch angestellte Wirtschaftsprüfer bei genossenschaftlichen Prüfungsverbänden erfasst. Dieses Ergebnis ergibt sich aus der Auslegung der Norm.

aa)Der Wortlaut der Norm spricht unzweifelhaft für eine Anwendbarkeit der Vorschrift auf genossenschaftliche Prüfungsverbände.

Bei der Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift ist zunächst von dem Wortlaut des Gesetzes auszugehen. Das entscheidungserhebliche Tatbestandsmerkmal des § 45 Satz 2 WPO ist das des angestellten Wirtschaftsprüfers. Dabei sind vom Regelungsgehalt diejenigen Personen erfasst, die Wirtschaftsprüfer sind und angestellt sind. Eine Ausgrenzung von Wirtschaftsprüfern bei genossenschaftlichen Prüfungsverbänden ist dem Wortlaut von § 45 Satz 2 WPO nicht zu entnehmen.

bb)Ein von dem Wortlaut abweichendes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus der systematischen Auslegung der Norm. Nach dieser Auslegungsmethode sind rechtliche Vorschriften sowohl auf ihre formale, als auch auf ihre materielle Stimmigkeit mit den umgebenden und übergeordneten Rechtsnormen zu überprüfen und entsprechend auszulegen, um eine möglichst widerspruchsfreie Gesamtrechtsordnung herbeizuführen.

Der dritte Teil der WPO, in der sich § 45 WPO befindet, ist überschrieben mit: "Rechte und Pflichten der Wirtschaftsprüfer". In § 43 a Abs. 1 WPO werden unter der Überschrift "Regeln der Berufsausübung" sowohl Wirtschaftsprüfer als Angestellte bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften als auch bei genossenschaftlichen Prüfungsverbänden gleichrangig nebeneinander genannt. Da sich diese Norm auch im dritten Teil der WPO befindet, spricht die Gesetzessystematik für eine Anwendbarkeit von § 45 Satz 2 WPO auch auf genossenschaftliche Prüfungsverbände. Anderenfalls hätte eine Einschränkung des Anwendungsbereiches, wie in Satz 1 von § 45 WPO, erfolgen müssen. Denn wie sich aus § 43 a WPO ergibt, sind Anstellungsverhältnisse mit genossenschaftlichen Prüfungsverbänden bewusst gleichrangig Regelungsgegenstand, falls nicht durch die WPO selbst im Einzelfall eine Unterscheidung vorgenommen wird. Die von dem Beteiligten zu 1) unterstellte Anknüpfung an Satz 1 ist daher gerade nicht erkennbar. Eine solche hätte nur durch eine Bezugnahme auf Satz 1 erfolgen können (z. B. durch die Formulierung: "Sie gelten als leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG.").

Schließlich hätte § 45 S. 2 WPO nur einen äußerst eingeschränkten Regelungsgehalt, wenn sich die Vorschrift nicht auf genossenschaftliche Prüfungsverbände erstreckt. Denn nach § 45 S. 1 WPO sollen Wirtschaftsprüfer eine Prokuristenstellung erhalten. Nach § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BetrVG führt eine solche Prokuristenstellung aber grundsätzlich bereits zu einem Status als leitender Angestellter. Ohne die Erstreckung auf genossenschaftliche Prüfungsverbände hätte § 45 Satz 2 WPO daher den größten Teil seines Anwendungsbereiches verloren, da in Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die Wirtschaftsprüfer aufgrund der Rechtsform der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Prokuristen sein können und bereits deshalb leitende Angestellte sind, sofern es sich nicht um reine Titularprokuristen handelt. Die Tatsache, dass andernfalls faktisch kein Anwendungsbereich der Vorschrift bestehen bleibt, spricht für die Auslegung, dass auch angestellte Wirtschaftsprüfer von genossenschaftlichen Prüfungsverbänden vom Anwendungsbereich erfasst sind.

Auch § 43 Abs. 1 WPO, eine Vorschrift über Eigenständigkeit und Weisungsfreiheit des Wirtschaftsprüfers, unterscheidet nicht nach der Art des Anstellungsverhältnisses. Weil die Kriterien der Eigenständigkeit und Weisungsfreiheit jedoch auch bei der Charakterisierung des leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 BetrVG, auf den § 45 Satz 2 WPO verweist, entscheidend sind, spricht dies auch für die weite Auslegung von § 45 Satz 2 WPO.

Zutreffend weist der Beteiligte zu 1) zwar darauf hin, dass die Überschrift von § 45 WPO bei einer Erstreckung von Satz 2 auch auf berufsgenossenschaftliche Prüfungsverbände unpassend ist, da letztere gemäß § 63 GenG als Vereine organisiert sind und eine Prokuraerteilung damit ausscheidet. Das liegt jedoch offensichtlich allein daran, dass Satz 2 nachträglich durch Gesetz vom 03.09.2007 als eine Regelung für alle angestellten Wirtschaftsprüfer angefügt wurde. Die Überschrift des § 45 WPO (Prokuristen) zielt auf den Regelungsinhalt des bisherigen Satzes 1 ab, der eben nur für Wirtschaftsprüfer als Angestellte von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gilt, die gesellschaftsrechtlich so organisiert sind, dass eine Prokuraerteilung möglich ist.

cc)Die historische Auslegung unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung führt zu keinem anderen Ergebnis. § 45 Satz 2 WPO geht auf die Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Technologie zurück:

"§ 45 bestimmt bisher lediglich, dass Wirtschaftsprüfer als Angestellte von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die Rechtsstellung von Prokuristen haben sollen. Damit wird die eigenverantwortliche Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers auch im Angestelltenverhältnis nicht hinreichend betont. Der neu angefügte Satz 2 stellt nunmehr klar, dass Wirtschaftsprüfer leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz sind."

Angesichts dieser starken Anlehnung der Gesetzesbegründung an den Wortlaut von § 45 Satz 2 als eigentlicher Norm kann kaum eine Schlussfolgerung aus den Materialien zur Beantwortung der hier streitentscheidenden Frage gezogen werden. In der Begründung ist lediglich festgehalten, dass Wirtschaftsprüfer als Angestellte von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die Rechtsstellung von Prokuristen haben sollen und im nächsten Satz wird dann kritisiert, dass damit die eigenverantwortliche Tätigkeit im Anstellungsverhältnis - nunmehr mit Verzicht auf das Merkmal des Angestellten bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft - nicht hinreichend betont wird. Einen näheren Sinn ergibt dies nur dann, wenn auch die Unabhängigkeit in einem Anstellungsverhältnis bei einem Arbeitgeber, der nicht Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist, gestärkt werden soll ( so auch Thüsing in einem unveröffentlichten Gutachten vom 08.05.2008 zur Frage der Anwendbarkeit von § 45 Satz 2 WPO auf genossenschaftliche Prüfungsverbände). Die historische Auslegung spricht daher für die Anwendung des § 45 Satz 2 WPO auch auf genossenschaftliche Prüfungsverbände.

Aufgrund der Tatsache, dass in zahlreichen neueren gesetzlichen Vorschriften der Wille des Gesetzgebers nur schwerlich zu ermitteln ist und Formulierungen nicht eindeutig und präzise erfolgen, misst die Kammer der historischen Auslegung nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Zudem kommt nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG 17.05.1960 - 2 BvL 11/59, BvL 11/60) der historischen Auslegung nur eine Komplementärfunktion zu, die hilfsweise zum Tragen kommt, wenn es gilt, die Richtigkeit eines Ergebnisses zu bestätigen oder Zweifel zu beseitigen.

Bestätigend spricht die historische Auslegung jedenfalls für das nach den anderen Auslegungsmethoden gefundene Ergebnis, wonach § 45 Satz 2 WPO auch für angestellte Wirtschaftsprüfer von genossenschaftlichen Prüfungsverbänden gilt.

b)Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 1) ist die Vorschrift des § 45 Satz 2 WPO unter Berücksichtigung des Auslegungsergebnisses verfassungskonform. In der Gleichstellung von leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG und angestellten Wirtschaftsprüfern liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Die Prüfung der Verfassungsgemäßheit orientiert sich an dem gefundenen Auslegungsergebnis. Die Auslegung und Ermittlung des Inhalts von § 45 Satz 2 WPO haben ergeben, dass vom Regelungsgehalt sowohl angestellte Wirtschaftsprüfer bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften als auch bei genossenschaftlichen Prüfungsverbänden erfasst sind. Die Gleichstellung von allen angestellten Wirtschaftsprüfern (gleich ob bei genossenschaftlichen Prüfungsverbänden oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften) und leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG stellt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar.

In einem unveröffentlichten Gutachten vom 08.05.2008 zur Frage der Anwendbarkeit von § 45 Satz 2 WPO auf genossenschaftliche Prüfungsverbände führt Thüsing dabei wie folgt aus:

"Die Anwendung von Artikel 3 Abs. 1 GG auf die vorliegende Norm ergibt sich aus folgender Überlegung: Grundsätzlich ist die Gleichstellung von wesentlich Ungleichem verfassungsrechtlich nicht zulässig. ...

Insbesondere könnte in der Gleichstellung von leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG und angestellten Wirtschaftsprüfern ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG liegen. Auch hier ist zu ermitteln, ob diese wesentlich gleich sind oder nicht. Wäre die Norm verfassungswidrig, bräuchte sie von den Gerichten nicht angewandt zu werden. Als untergesetzliche Norm bedürfte es hierfür nicht der konkreten Richtervorlage nach Artikel 100 GG. Prägende Merkmale für leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sind die weitgehende Weisungsfreiheit, das Bestehen von Entscheidungsspielräumen, sowie eine gewisse Bedeutung der Tätigkeit für Bestand und Entwicklung eines Unternehmens. Ein Rückgriff auf die einfach gesetzlichen Merkmale des leitenden Angestellten ist hier aufgrund der Normgeprägtheit des Begriffs verfassungsrechtlich zulässig. Wie sich aus § 43 Abs. 1 WPO ergibt, handelt auch der angestellte Wirtschaftsprüfer eigenverantwortlich, somit frei von Weisungen und mit eigenen Entscheidungskompetenzen versehen. Auch haben angestellte Wirtschaftsprüfer durch ihre Prüfaufgaben eine wichtige Funktion bei der Verwirklichung der jeweiligen Unternehmens- und Verbandsziele inne.

Eine Einordnung der beiden Vergleichsgruppen als wesentlich gleich ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden."

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss kann von den Beteiligten zu 1. und 3.

B e s c h w e r d e

eingelegt werden.

Für den Beteiligten zu 2. ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.

Die Beschwerde muss

innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat

beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: 0211 7770 2199 eingegangen sein.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung des Beschlusses.

Die Beschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1.Rechtsanwälte,

2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden

( L. )