OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.07.2008 - 10 B 999/08
Fundstelle
openJur 2011, 57140
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 5 L 617/08
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Beigeladenen hat keinen Erfolg.

Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung, mit der das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 12. Februar 2008 zur Errichtung des Wohnhauses "G. -X. -Straße 55/57" angeordnet hat.

Klarzustellen ist vorab, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens allein die Baugenehmigung vom 12. Februar 2008 ist. Zwar hat der Antragsgegner dem Beigeladenen nach der erstinstanzlichen Entscheidung unter dem 19. Juni 2008 eine sogenannte "1. Nachtragsgenehmigung" erteilt. Diese stellt jedoch in der Sache eine Baugenehmigung für ein aliud und nicht eine bloße Modifizierung der Ursprungsbaugenehmigung dar, weil mit den zugelassenen Änderungen gerichtlich beanstandete Nachbarrechtsverletzungen ausgeräumt werden sollen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. Juni 1996 -11 B 1276/96 -, BRS 58 Nr. 189; Böddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW,

Stand: Juli 2008, § 75 Rdnr 312 ff. m.w.N.

Gleichwohl geht der Senat unter den hier gegebenen Umständen im vorliegenden Verfahren nicht davon aus, dass das Rechtsschutzbedürfnis für den Antragsteller deshalb entfällt, weil von der angefochtenen Baugenehmigung kein Gebrauch mehr gemacht wird. Denn der Beigeladene hat sich bereits in seiner Beschwerdeschrift ausdrücklich vorbehalten, nach Aufhebung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts die Abgrabung, soweit sie zwischenzeitlich aufgrund der - nur zur Vermeidung eines Baustopps beantragten - Nachtragsbaugenehmigung wieder verfüllt werden, entsprechend der Baugenehmigung vom 12. Februar 2008 erneut vorzunehmen.

In der Sache steht der Antragstellerin auch in Würdigung des Beschwerdevorbringens ein Abwehranspruch gegen das genehmigte Bauvorhaben des Beigeladenen zu, weil es zu ihren Lasten gegen Abstandflächenvorschriften verstößt. Die östliche Außenwand des genehmigten Bauvorhabens hält die erforderliche Abstandfläche gegenüber der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin nicht ein.

Zu Unrecht wendet der Beigeladene ein, der Bereich der Abgrabung und Abböschung müsse bei der Errechnung der Abstandfläche unberücksichtigt bleiben, weil die Abgrabung im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 5 BauO NRW ausschließlich der Belichtung diene. Zur Begründung führt er aus, auch die Bereiche der Abgrabungen, in denen sich weder Zugänge noch Fenster befänden, nähmen Licht weg, wenn sie wieder verfüllt würden. Dies gelte auch für die Bereiche zwischen den 3 m auseinander liegenden Fenstern der beiden Gästezimmer im Untergeschoss. Unterhalb der Fenster des Untergeschosses sei es aus technischen Gründen zur Einhaltung der Normen und Richtlinien für die Bauausführung geboten, die Abgrabungen nicht zu verfüllen. Der Bereich könne nicht betreten werden und es bestünden auch keine Möglichkeiten zur Einsichtnahme aus dem Kellergeschoss auf das Nachbargrundstück. Es sei auch keine Tatbestandsvoraussetzung des § 6 Abs. 4 Satz 5 BauO NRW, dass eine Abgrabung ausschließlich Belichtungszwecken dienen müsse.

Diese Ausführungen liegt ein grundlegendes Fehlverständnis der Bestimmung des § 6 Abs. 4 Satz 5 BauO NRW zugrunde. Die Regelung bezweckt nach der Begründung des Entwurfs der Landesregierung (LT-Drs. 14/2433) zum einen eine Klarstellung im Sinne der bisherigen Rechtsprechung zu sog. untergeordneten oder unselbständigen Abgrabungen.

Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 18. April 1991 - 11 A 969/87 -, BRS 52 Nr. 180; Beschluss vom 8. August 1995 - 7 B 1831/95 -.

Danach darf die Vertiefung lediglich einen Teil des Baukörpers selbst darstellen, diesem unmittelbar zugeordnet sein, technisch mit ihm in Verbindung stehen und der Funktion des angrenzenden Raumes unmittelbar dienen wie z.B. bei einem Kellerschacht oder einer Kellertreppe. Kennzeichnend hierfür ist, dass durch die Abgrabung das Profil des Baugrundstücks nur punktuell und im Verhältnis zur übrigen Grundstücksfläche in untergeordnetem Umfang und nicht in einem großräumigen Zusammenhang verändert wird.

Bei der hier in Rede stehende Abgrabung über eine Länge von mehr 13 m mit erheblicher Breite und Tiefe kann von einer untergeordneten und nur punktuellen Veränderung des Niveaus des Baugrundstücks in dem dargelegten Sinne keine Rede sein.

Inwieweit über die vorstehenden Grundsätze hinaus gemäß § 6 Abs. 4 Satz 5 BauO NRW Abgrabungen bei der Ermittlung der Wandhöhe außer Betracht bleiben, soweit sie nach § 9 Abs. 3 BauO NRW die Geländeoberfläche zulässigerweise verändern, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Vertiefung. Die Beschwerdebegründung verhält sich hierzu nicht. Es ist bei summarischer Prüfung auch nichts dafür ersichtlich, dass ein sachlicher Grund im Sinne des § 9 Abs. 3 BauO NRW für die Veränderung der Geländeoberfläche gegeben sein könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.