OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.01.2008 - 9 A 2206/07
Fundstelle
openJur 2011, 55878
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 500.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die Beklagte hat keinen Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO im Sinne von § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt.

1. Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die streitige Gebühr verletze das in § 3 Satz 1 VwKostG konkretisierte Äquivalenzprinzip, weil sie sich (noch immer) vollständig von den tatsächlichen Kosten des Verwaltungsaufwands, die die Gebühr um das 1000fache übersteige, entfernt habe, ist nicht ernstlich zweifelhaft. Sie wird nicht durch den Einwand der Beklagten in Frage gestellt, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts komme es nicht allein auf das Verhältnis zwischen den Kosten des Verwaltungsaufwands und der Gebühr an; vielmehr bedürfe es einer wertenden Betrachtung unter Berücksichtigung aller verfolgten Gebührenzwecke, hier des Lenkungszwecks und des Vorteilsausgleichs, um zu beurteilen, ob sich eine Gebühr zu den Kosten des Verwaltungsaufwands als „sachgemäß" erweise.

Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht in seinem vom Beklagten angeführten Beschluss vom 6. Februar 1979 bereits im Ausgangspunkt angeführt, gerade der Zweck der Kostendeckung mache die Gebühr aus und unterscheide sie von der Steuer. Das bedeute zwar nicht, dass die Gebühren die Kosten der Leistung nicht überschreiten dürften. Der Gebührengesetzgeber dürfe „über die Kostendeckung hinausreichende Zwecke" mit einer Gebührenregelung anstreben. Allgemeine Grenzen ergäben sich aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Bei der Beurteilung der Frage, ob die mit einer Gebührenregelung verfolgten Zwecke außer Verhältnis zu einer Gebühr stünden, seien alle mit der Regelung verfolgten, verfassungsrechtlich zulässigen Zwecke als Abwägungsfaktoren in die Verhältnismäßigkeitsbetrachtung einzubeziehen. Aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG folge, dass Gebühren nicht völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Leistung festgesetzt werden dürften, und dass sich die Verknüpfung zwischen den Kosten der Leistung und den dafür auferlegten Gebühren nicht in einer Weise gestalte, die, bezogen auf den Zweck der gänzlichen oder teilweisen Kostendeckung, sich unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt als sachgemäß erweise.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 -, BVerfGE 50, 217.

Aus dieser Rechtsprechung lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht ableiten, dass ein verfassungsrechtlich zulässiger Lenkungszweck und ein mit einer Gebührenregelung bezweckter Vorteilsausgleich eine Gebühr auch dann noch als „sachgemäß" zu rechtfertigen vermögen, wenn diese um das Tausendfache über den durch die gebührenpflichtige Amtshandlung verursachten Kosten liegt. Vielmehr bringt das Bundesverfassungsgericht in der angeführten Entscheidung deutlich zum Ausdruck, dass eine Gebühr „nicht völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt" werden darf. Damit ist zugleich klar, dass sich eine solche von den Kosten der Leistung völlig unabhängige Gebühr bezogen auf den Zweck der Kostendeckung unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt als sachgemäß erweisen kann, selbst wenn man alle mit der Gebührenregelung verfolgten Zwecke in die Verhältnismäßigkeitsbetrachtung einbezieht. In sachlicher Übereinstimmung hiermit und im Anschluss an diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen von § 3 Satz 1 VwKostG i.V.m. § 43 Abs. 3 Satz 4 TKG angenommen, bei der Bemessung der Gebühr dürfe der mit ihr verfolgte Zweck der Kostendeckung - ggf. neben etwaigen weitergehenden Gebührenzwecken - zumindest nicht gänzlich aus dem Auge verloren werden. Dass sich der Kostendeckungszweck auf die Höhe der Gebühr auswirken müsse, sei schon wegen eines „Mindestmaßes an Sachgerechtigkeit und innerer Regelungskonsistenz" geboten. Ferner folge dies daraus, dass die Höhe der Gebühr „wegen der Begrenzungs- und Schutzfunktion der grundgesetzlichen Finanzverfassung [...] wesentlich von der besonderen Finanzierungsverantwortlichkeit bestimmt [werde], die der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des konkreten Gebührentatbestands eingefordert" habe. Für die Beurteilung der Frage, ob sich eine Gebühr unzulässigerweise völlig von den Kosten des Verwaltungsaufwands gelöst habe, sei eine wertende Beurteilung des Verhältnisses zwischen den Kosten und der Gebühr erforderlich.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2003 - 6 C 5.02 -, NVwZ 2003, 1385.

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die streitige Gebühr bei der nach dieser Rechtsprechung gebotenen wertenden Beurteilung nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten der Verwaltungsleistung steht, weil sie diese um das 1000fache übersteigt und sich damit völlig von den Kosten des Verwaltungsaufwands gelöst hat. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Gebühr um gleichfalls das 1000fache unter dem wirtschaftlichen Wert der Nummernzuweisung liegt und eine daran gemessen vergleichsweise niedrige Gebühr nur eingeschränkt Lenkungszwecken dienen kann. Da zwischen den Kosten des Verwaltungsaufwands und dem wirtschaftlichen Wert der Leistung eine derart extreme Diskrepanz liegt, lassen sich der angestrebte Vorteilsausgleich und der beabsichtigte Lenkungszweck bei der Gebührenregelung nur begrenzt zur Geltung bringen, nämlich insoweit, als der die Gebühr kennzeichnende Finanzierungszweck zumindest nicht gänzlich aus dem Auge verloren wird. Die weitergehenden Gebührenzwecke lassen sich nach der angeführten Rechtsprechung lediglich in Ergänzung zu dem die Gebühr ausmachenden Zweck der Kostendeckung verfolgen. Nicht zu rechtfertigen ist es hingegen, wegen des geringen Werts einer Verwaltungsleistung die Finanzierungsfunktion gegenüber anderen Gebührenzwecken praktisch völlig zurücktreten zu lassen.

2. Dem Zulassungsvorbringen lassen sich nicht die behaupteten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) entnehmen.

a) Eine Besonderheit der Rechtssache mag in tatsächlicher Hinsicht darin liegen, dass die Kosten des Verwaltungsaufwands für die Zuteilung von Mobilfunknummern zu dem wirtschaftlichen Wert der Leistung in einem extremen Verhältnis stehen und die Kosten des Verwaltungsaufwands von der Zahl zugeteilter Nummern unabhängig sind. Aus dieser möglichen Besonderheit ergeben sich jedoch keine überdurchschnittlichen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht. Auch unter Berücksichtigung dieses Zusammenhangs wirft die Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 30. April 2003 - 6 C 5.02 - herangezogenen Maßstäbe auf die lediglich geringfügig abgeschwächte neue rückwirkende Gebührenregelung keine besonderen Schwierigkeiten auf. Vielmehr lässt sich ohne Weiteres im Zulassungsverfahren beurteilen, dass sich auch eine Gebühr der in Rede stehenden Art, die (nur) um das 1000fache über den Kosten der Verwaltungsleistung liegt, noch immer völlig von diesen Kosten gelöst hat. Der Umstand, dass sich im Hinblick darauf bei der Zuteilung von Mobilfunkrufnummern andere Gebührenzwecke nicht oder nur eingeschränkt erreichen lassen, ist eine notwendige Folge des extremen Verhältnisses zwischen den geringen Verwaltungskosten und dem vergleichsweise hohen Wert der zugeteilten Nummer. Die Beklagte erkennt dies selbst als Folge einer konsequenten Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Rechtliche Schwierigkeiten, die im Zulassungsverfahren nicht zu bewältigen wären, werden damit nicht bezeichnet.

b) Ferner lässt die Frage, inwieweit der wirtschaftliche Wert einer gebührenpflichtigen Leistung und sonstige Gebührenzwecke die Angemessenheit des Verhältnisses zwischen den Kosten der Leistung und der Gebühr beeinflussen können, keine entscheidungserheblichen besonderen rechtlichen Schwierigkeiten erkennen. Es ist in der Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts als auch des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass prinzipiell alle mit einer Gebührenregelung verfolgten verfassungsrechtlich zulässigen Zwecke bei der Beurteilung der Frage einzubeziehen sind, ob sich eine Gebühr sachlich rechtfertigen lässt. Ebenso ist jedoch geklärt, dass sich eine Gebühr, selbst wenn sie weitergehende Gebührenzwecke verfolgt, nicht völlig von den Kosten des Verwaltungsaufwands lösen darf. Insoweit besteht entgegen der Einschätzung der Beklagten kein sachlicher Unterschied in der Rechtsprechung beider Gerichte. Dass sich eine die Kosten des Verwaltungsaufwands um das 1000fache übersteigende Gebühr, um die es hier geht, völlig von diesen Kosten gelöst hat und deshalb auch durch weitere Gebührenzwecke nicht mehr zu rechtfertigen ist, lässt sich auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ohne besondere Schwierigkeiten bereits im Zulassungsverfahren beurteilen. Dies ist oben unter 1. näher ausgeführt worden.

c) Soweit die Beklagte besondere Schwierigkeiten in der Anwendung des § 20 Abs. 1 Satz 1 VwKostG geltend macht, weist sie selbst darauf hin, dass sich die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Verjährungsfragen nur bei Annahme einer angemessenen Gebühr entscheidungserheblich stellen würden. Sie lässt jedoch nicht erkennen, dass dies bei Durchführung eines Berufungsverfahrens der Fall sein würde. Denn nach den obigen Ausführungen lässt sich schon im Zulassungsverfahren hinreichend verlässlich abschätzen, dass die Gebühr nicht angemessen ist.

3. Die Berufung ist ferner nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

a) Die als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage,

ob die Gebührenhöhe zu den Kosten des Verwaltungsaufwands in einem unangemessenen Verhältnis steht, wenn das Verhältnis der Gebühr zu den Kosten des Verwaltungsaufwands 1.000:1 beträgt, die Gebühr zum wirtschaftlichen Wert der Sache die gleiche Relation aufweist und die Kosten des Verwaltungsaufwands unabhängig von dem Umfang der gewährten Leistung und dem daraus folgenden wirtschaftlichen Wert sind,

bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren. Die einschlägigen rechtlichen Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, sind im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 2003 - 6 C 5.02 - grundsätzlich geklärt worden. Die Anwendung der dort entwickelten Grundsätze auf eine Gebühr, die die Kosten des Verwaltungsaufwands (nur) um das 1000fache übersteigt, erfordert eine wertende Beurteilung im Einzelfall. Eine darüber hinausreichende allgemeine Frage wird hierdurch nicht aufgeworfen, weil die vom Äquivalenzprinzip gezogene Obergrenze für die Gebührenbemessung nicht abschließend festgelegt werden kann.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2003 - 6 C 5.02 -, a.a.O.

b) Die weiter aufgeworfene Frage,

ob andere, mit der Gebührenerhebung verfolgte Zwecke das Verhältnis der Kosten des Verwaltungsaufwands zu der Höhe der Gebühr beeinflussen bzw. rechtfertigen können, so dass sich das Verhältnis als sachgemäß erweist oder ob das Verhältnis durch die mathematische Relation der Kosten zu der Gebührenhöhe beschränkt ist,

ist bereits grundsätzlich in dem Sinne geklärt, dass andere Gebührenzwecke das Verhältnis der Kosten des Verwaltungsaufwands zur Höhe der Gebühr rechtfertigen können, solange sich die Gebühr nicht völlig von den Kosten des Verwaltungsaufwands löst. Dies entspricht - wie dargelegt - der in der Sache übereinstimmenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts.

c) Soweit die Beklagte schließlich als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet,

ob die vierjährige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 VwKostG anwendbar ist, wenn fristgemäß ein Gebührenbescheid erlassen, die Forderung erfüllt und der Bescheid später aufgehoben wurde,

fehlt es bereits an der Darlegung, dass sich diese Frage entscheidungserheblich in einem Berufungsverfahren stellen würde, nachdem sie vom Verwaltungsgericht als nicht entscheidungserheblich angesehen worden ist.

4. Die Berufung ist schließlich nicht wegen Abweichung von zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zuzulassen (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).

Indem das Verwaltungsgericht angenommen hat, auch ein etwaiger Lenkungszweck könne für sich genommen nicht rechtfertigen, dass sich die Gebühr vollständig von dem zugrunde liegenden Verwaltungsaufwand löse, ist es nicht von einem in den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 10. März 1998 - 1 BvR 178/97 -, NJW 1998, 2128 (2130), und vom 6. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 -, a.a.O., aufgestellten Rechtssatz abgewichen, wonach das Verhältnis zwischen Verwaltungsaufwand und Kosten auch im Hinblick auf andere Gebührenzwecke sachgerecht sein könne. Hieraus ergibt sich gerade nicht, dass andere Gebührenzwecke eine Gebühr auch dann noch sachlich rechtfertigen können, wenn diese sich von dem zugrunde liegenden Verwaltungsaufwand völlig gelöst hat. Vielmehr steht der Ansatz des Verwaltungsgerichts in Einklang mit der von der Beklagten angeführten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das ebenfalls ausgeführt hat, Gebühren dürften nicht völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).