ArbG Aachen, Urteil vom 11.10.2007 - 8 Ca 2020/07 d
Fundstelle
openJur 2011, 55750
  • Rkr:
Tenor

1. Es wird festgestellt, dass sich die Vergütung des Klägers als leitender Abteilungsarzt der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin ab dem 01.06.2007 nach der jeweiligen Entgeltgruppe IV des Tarifvertrages für die Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV Ärzte/VKA) berechnet.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.500,00 EUR (i. W. achttausendfünfhundert Euro, Cent wie nebenstehend) brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins aus je 850,00 EUR seit dem

01.09.2006,

01.10.2006,

01.11.2006,

01.12.2006,

01.01.2007,

01.02.2007,

01.03.2007,

01.04.2007,

01.05.2007

und 01.06.2007

zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Streitwert: 30.600,00 EUR.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob und inwieweit der Kläger als leitender Abteilungsarzt in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus nach dem "Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände" (TV-Ärzte/VKA) einzugruppieren und zu vergüten ist.

Seit dem 01.05.1990 ist der Kläger anfangs befristet Arbeitsverträge für die Beklagte als Arzt tätig gewesen, und zwar zuletzt seit November 2004 als leitender Abteilungsarzt der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin, wobei der Kläger mit seinen Kollegen B. und Dr. A. diese Abteilung als Kollegialärzte leiteten.

Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers fand zuletzt der BAT Anwendung. Am 19.01.2007 trafen die Beklagte einerseits sowie der Kläger und seine Kollegen Dr. A. und B. eine Vereinbarung, die auszugsweise wie folgt lautet (Blatt 12 – 16 der Akte):

"Präambel

Zwischen den Parteien besteht seit vielen Jahren ein Beschäftigungsverhältnis, wonach die Kollegialärzte zuletzt seit November 2004 als leitende Abteilungsärzte der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin tätig sind.

§ 1

Soweit nachfolgend nicht ausdrücklich abweichende Vereinbarungen zwischen den Parteien getroffen werden, gelten ergänzend die bisherigen vertraglichen Vereinbarungen entsprechend der jeweiligen individuellen Verträge der Kollegialärzte mit dem Krankenhaus fort.

§ 2

Die Parteien sind sich einig, dass die Kollegialärzte auch zukünftig als leitende Abteilungsärzte der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin tätig sind. Diese führen die Dienstbezeichnung "leitender Abteilungsarzt". Das Dienstverhältnis ist bürgerlichrechtlicher Natur. Die Parteien sind darüber einig, dass an den die Abteilung betreffenden Besprechungen – klinikintern als auch klinikextern – jeweils einer von den Kollegialärzten für den Einzelfall zu benennender Vertreter der drei "leitenden Abteilungsärzte" teilnimmt. Die leitenden Abteilungsärzte sind untereinander berechtigt, jeweils einen Sprecher für derartige Besprechungen, entweder einzelfallbezogen oder generalisierend, zu benennen. Dieser ist dann jeweils auch zur Teilnahme an den Chefarztsitzungen autorisiert. Die bisherigen dienstvertraglichen Bezüge der Kollegialärzte auf der Basis der bisher geltenden Bestimmungen sowie auf Basis der diese ergänzenden und/oder ersetzenden tarifvertraglichen Bestimmungen gelten unverändert fort.

Etwaige durch den Wegfall des BAT notwendige Tarifvertragsnachfolgeregelungen sowie die korrekte Eingruppierung bleiben gesonderten Absprachen der Parteien vorbehalten.

Soweit die Kollegialärzte Bereitschaftsdienste und/oder Rufbereitschaftsdienste leisten, werden diese auch weiterhin entsprechend der jeweiligen tarifvertraglichen Regelungen vergütet."

§§ 3 und 4 der Vereinbarung regeln die private Liquidationsberechtigung der drei Kollegialärzte, wobei es in § 4 Absatz 1 unter anderem heißt:

"Hinsichtlich der Höhe der Verteilung des Gesamtbetrages unter den Kollegialärzten verbleibt es bei dem bisherigen Verteilungsquotienten. Danach erhält Herr Dr. A. 50 Prozent und Herr B. sowie Herr xxx jeweils 25 Prozent."

§ 5 lautet wie folgt:

"Die Parteien sind darüber einig, dass im Falle des Ausscheidens eines oder mehrerer der Kollegialärzte der oder die verbleibenden Ärzte dann die Abteilung unverändert allein weiterleiten.

Die hierdurch entstehende Stellenvakanz wird nicht durch Anstellung eines neuen Kollegialarztes, sondern durch Anstellung eines neuen Facharztes ausgeglichen."

Nach Kündigung des BAT durch den Marburger Bund einigten sich die Gewerkschaft ver.di und die VKA am 01.08.2006 auf den "TVöD-BT-K". Am 17.08.2006 einigten sich der Marburger Bund und die VKA auf den "TV-Ärzte/VKA", der rückwirkend zum 01.08.2006 in Kraft trat. Die jeweiligen Überleitungstarifverträge sehen vor, dass der BAT durch beide Tarifwerke ersetzt wird und der TVöD seinerseits rückwirkend ab dem 01.08.2006 durch den TV-Ärzte/VKA ersetzt wird.

Mit der am 29.05.2007 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger geltend, dass auf sein Arbeitsverhältnis der TV-Ärzte/VKA Anwendung finde und zwar bereits ab dem 01.08.2006. Die Beklagte habe dem Kläger nachträglich von August 2006 an monatlich 5.650,00 EUR brutto Grundgehalt gezahlt, wobei die Beklagte von einer Eingruppierung in Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA ausgegangen sei.

Der Kläger ist der Auffassung, dass dem Kläger ab dem 01.08.2006 Vergütung auf der Grundlage der Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte/VKA in Höhe von 6.500,00 EUR brutto zustehe, da der Kläger als leitender Abteilungsarzt in Entgeltgruppe IV nach § 16 TV-Ärzte/VKA einzugruppieren sei.

Nach § 16 d TV-Ärzte/VKA ist in diese Entgeltgruppe der leitende Oberarzt als derjenige Arzt einzugruppieren, dem die ständige Vertretung des leitenden Arztes (Chefarztes) vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist. Ausweislich der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung sei der Kläger als leitender Abteilungsarzt der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin beschäftigt. Der Umstand, dass er und zwei Kollegen die Abteilung im Kollegialsystem leiteten, vermöge nichts daran zu ändern, dass auch der Kläger leitender Abteilungsarzt sei und ihm diese Aufgabe von der Beklagten ausdrücklich kraft Vertrages übertragen worden sei.

Voraussetzung für die Eingruppierung in Entgeltgruppe IV sei jedoch nicht einmal die Funktion als leitender Abteilungsarzt, wie sie der Kläger mit seinen Kollegen ausübe und inne habe. Ausreichend sei bereits, wenn dem Kläger die ständige Vertretung des leitenden Arztes vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden sei. Vorliegend sei der Kläger jedoch nicht nur zumindest ständiger Vertreter des anderen bzw. der anderen Kollegialärzte, sondern ausweislich der Vereinbarung selbst leitender Abteilungsarzt. Damit müsse er erst recht in die Entgeltgruppe IV eingruppiert werden.

Der Kläger weist darauf hin, dass die Beklagte dem Kollegialarzt Dr. A. ab 01.01.2007 Vergütung nach der Entgeltgruppe IV gewähre, nicht jedoch dem Kläger und seinem Kollegen B.. Wenn die Beklagte davon ausgehe, dass der Kollege Dr. A. als Leiter der Abteilung und sozusagen primus inter pares anzusehen sei, hätte der Kollege Dr. A. eben oberhalb der Entgeltgruppe IV eingruppiert werden müssen, wenn der Wortlaut des Tarifvertrages eindeutig vorgebe, dass in Entgeltgruppe IV lediglich der Vertreter des Leiters einzugruppieren sei.

Der TV-Ärzte/VKA finde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Zwar habe die Beklagte mit ihrer Argumentation recht, dass der Tarifvertrag nicht für Chefärzte gelte. Dies bedeute allerdings nur, dass bei beispielsweiser beiderseitiger Tarifbindung eine automatische Tarifgeltung ausgeschlossen wäre. Vorliegend ergäbe sich allerdings aus der individualvertraglichen Vereinbarung der Parteien, dass sich die Vergütung nach der maßgeblichen tariflichen Regelung richte. Obwohl auch der BAT ebenfalls nicht für Chefärzte gegolten habe, sei bereits vor Inkrafttreten des TV-Ärzte/VKA eine Vergütungsabrede für Chefärzte üblicherweise nach dem BAT erfolgt.

Folglich hätten die Parteien in Kenntnis der Tatsache, dass weder der BAT noch der TVöD noch der TV-Ärzte/VKA automatische Rechtswirkung für Chefärzte entfalte, ausdrücklich individualvertraglich unter § 2 Abs. 3 der Vereinbarung vom 19.01.2007 vereinbart, dass die dienstvertraglichen Bezüge sich gleichwohl nach diesen tarifvertraglichen Bestimmungen oder den diese ersetzenden tariflichen Bestimmungen richten soll.

Soweit die Beklagte behaupte, dass die höhere Eingruppierung des Kollegen Dr. A. darauf beruhe, dass er nach der überkommenen und fortgeführten Tätigkeit als früherer ausdrücklich zum Vertreter des Chefarztes bestellter Oberarzt diese Funktion schon innegehabt hätte, sei dies falsch, da spätestens durch die Vereinbarung vom 19.01.2007 zum Ausdruck komme, dass das bis dahin gelebte Konzept gerade nicht fortgeführt werde, sondern die Abteilung im Kollegialarztsystem geführt werden solle.

Auch könne die Beklagte aus der Protokollerklärung zu Buchstabe d) des § 16 TV-Ärzte/VKA nichts für sich herleiten. Wenn dort vorgesehen sei, dass das Tätigkeitsmerkmal innerhalb einer Klinik in der Regel nur von einem Arzt erfüllt werden könne, lasse diese Regelung abweichend von der Regel eben auch zu, dass eine Vertretung durch mehrere Ärzte erfolgen könne. Die Vereinbarung vom 19.01.2007 sehe gerade eine Abweichung von diesem Regelfall vor.

Demgemäß habe der Kläger einen Anspruch auf Eingruppierung in Entgeltgruppe IV und entsprechende Vergütung, die sich für den Zeitraum August 2006 bis Mai 2007 auf die monatliche Differenz von jeweils 850,00 EUR brutto belaufe.

Der Kläger beantragt,

es wird festgestellt, dass sich die Vergütung des Klägers als leitender Abteilungsarzt der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin ab dem 01.06.2007 nach der jeweiligen Entgeltgruppe IV des Tarifvertrages für die Ärztinnen und Ärzte an Kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigungen der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) berechnet;

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.500,00 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins aus je 850,00 EUR seit dem

01.09.2006, 01.10.2006, 01.11.2006, 01.12.2006, 01.01.2007, 01.02.2007, 01.03.2007, 01.04.2007, 01.05.2007 und

01.06.2007

zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger sei zuletzt bis November 2004 als Assistenzarzt des Fachbereichs Radiologie tätig gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die Radiologie in der "klassischen" Struktur personell aufgebaut gewesen. Unterhalb des damaligen Chefarztes Dr. C. sei dessen bestellter Oberarzt Dr. A. tätig gewesen, des Weiteren der Kläger neben weiteren Ärzten als Arzt mit einer Vergütung nach der Tarifstufe BAT I a. Nach dem altersbedingten Ausscheiden des damaligen Chefarztes habe die Beklagte beraten, wie die zukünftige Struktur der Radiologie aussehen solle, wobei auch eine Schließung der Abteilung nicht ausgeschlossen gewesen sei. Der Geschäftsführer der Beklagten habe sich für eine Aufrechterhaltung der Radiologie als eigene unmittelbare Abteilung des Krankenhauses eingesetzt und hätte den Aufsichtsrat überzeugen können, beschränkt zunächst für die Dauer von zwei Jahren den Fachbereich Radiologie als unmittelbar zum Krankenhaus gehörend fortzuführen. Im Hinblick auf diese "Testphase" habe die Beklagte davon abgesehen, einen neuen Chefarzt zu bestellen und habe die Abteilungsleitung ab 01.11.2004 auf ein Kollegialsystem aus drei Ärzten, bestehend dem Kläger, dem Kollegen B. und dem Kollegen Dr. A., übertragen. Einen neuen Arbeitsvertrag hätten alle drei Mitarbeiter nicht unterzeichnet, insbesondere keinen "Chefarzt-Vertrag". Ab diesem Zeitpunkt seien der Kläger und der Kollege B. erstmals Privat-Liquidationsberechtigt gewesen. Dr. A. habe im Oktober 2004 von der kassenärztlichen Vereinigung die Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung für radiologische und nuklearmedizinische Leistungen erhalten, wobei diese Ermächtigung bis 31.12.2006 befristet gewesen sei. Zum Jahreswechsel 2006/2007 hätten die Beklagte und die Kollegialärzte über die weitere Zusammenarbeit und über Einzelpunkte der Dienstverhältnisse, insbesondere in Bezug auf die Leitungsfunktion im Kollegialsystem, diskutiert und gerungen. Wesentlich sei gewesen, dass die Kollegialärzte einschließlich des Klägers keine "Chefarzt-Verträge" hätten unterzeichnen wollen, in denen zum Beispiel als Kompensation für die Einräumung des Liquidationsrechtes keinerlei Entgelte für Mehrarbeit, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft enthalten seien. Letztlich hätten sich die Parteien auf die Vereinbarung vom 19.01.2007 geeinigt.

Zu diesem Zeitpunkt sei dem Kläger und seinen Kollegen durchaus bewusst gewesen, dass die Eingruppierung von "klassischen Chefärzten" in den Nachfolgeregelungen des BAT vom Grunde her als auch der Höhe her äußerst streitig waren. Ihnen sei der Standpunkt der Beklagten und der deutschen Krankenhausgesellschaft bekannt gewesen, dass Chefärzte von der Regelung des TV-Ärzte/VKA ausdrücklich ausgenommen worden seien und keinerlei Tariferhöhungen gegenüber dem BAT Stufe 1 erfahren hätten.

Die vom Kläger begehrte Eingruppierung stehe diesem nicht zu. Nachdem der Kläger und seine Kollegen auf einer Besitzstandswahrung nach früherer tariflicher Eingruppierung in den Verhandlungen zum Jahreswechsel 2006/2007 bestanden hätten, habe sich die Beklagte an dieser Auffassung vorläufig orientiert. Sie habe mithin die tarifliche Eingruppierung nach den Aufgaben vorgenommen, die der Kläger und seine Kollegen vor dem 01.04.2004 innegehabt hätten, als die Abteilung noch vom klassischen Einzelchefarzt geleitet worden sei. Zum damaligen Zeitpunkt sei Dr. A. als einziger der drei Kollegialärzte ausdrücklich als leitender Oberarzt bestellt gewesen, während dem Kläger und dem Kollegen B. eine solche Funktion nicht übertragen worden sei. Herr Dr. A. habe deshalb die höhere Eingruppierung in Entgeltgruppe IV erhalten, weil er nach der überkommenen und fortgeführten Tätigkeit als früherer ausdrücklich zum Vertreter des Chefarztes bestellter Oberarzt diese Funktion schon innegehabt habe. Unter Hinweis auf die Protokollerklärung zu § 16 d) TV-Ärzte/VKA verweist die Beklagte darauf, dass die Funktion als Oberarzt lediglich von einer Person, aber nicht von zwei Ärzten wahrgenommen werden könnte.

Auch fehle es an einer ausdrücklichen Übertragung der ständigen Vertretung des leitenden Arztes im Sinne des § 16 d) TV-Ärzte/VKA. Da ein "Vertreter" schon nach Wortsinn und Logik nur derjenige sein kann, der einen anderen bei dessen Abwesenheit vertritt, könne dies auf den Kläger und seine beiden Kollegen nicht zutreffen, weil sie übereinstimmend für sich reklamierten, im Kollegialsystem tätige "leitende" Abteilungsärzte zu sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist im Umfang der zuletzt gestellten Anträge begründet.

Die Klage ist hinsichtlich des Antrages zu 1) als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig, wobei sich die Kammer der Rechtsprechung des BAG anschließt, nach der die Eingruppierungsfeststellungsklage trotz der Möglichkeit der in die Vergangenheit gerichteten Leistungsklage zulässig ist, wenn durch sie der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (vgl. BAG, 24.06.2004 – 8 AZR 280/03; 06.07.2005 – 4 AZR 54/04).

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Eingruppierung in die Entgeltgruppe IV gemäß § 16 d) TV-Ärzte/VKA.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der BAT durch den TVöD-BT-K einerseits und andererseits der TVöD-BT-K durch den TV-Ärzte/VKA zum 01.08.2006 abgelöst wurde.

Der Beklagten kann in ihrer Argumentation jedoch nicht gefolgt werden, dass der Kläger als leitender Abteilungsarzt, und somit als "Chefarzt", keinen Anspruch auf die Anwendung der tariflichen Vorschriften hätte. In Kenntnis des Umstands, dass die drei Kollegialärzte als leitende Abteilungsärzte tätig sind und waren, haben die Parteien am 19.01.2007 in § 2 Abs. 3 der Vereinbarung ausdrücklich verabredet, dass die bisherigen dienstvertraglichen Bezüge auf der Basis der bisher geltenden tariflichen Bestimmungen sowie auf der Basis der diese ergänzenden und/oder ersetzenden tariflichen Bestimmungen unverändert fortgelten. Ungeachtet des Umstands, dass die Kollegialärzte in den Verhandlungen, die der Vereinbarung vom 19.01.2007 vorangegangen waren, auf diesen Punkt erheblich Gewicht gelegt haben, hat sich die Beklagte letztlich hierauf eingelassen, wobei ihr klar war, dass wie bei "klassischen" Chefarzt-Verträgen, die sich in der Vergangenheit auf den BAT bezogen haben, die tariflichen Vorschriften auf Chefärzte an sich keine Anwendung finden. Durch § 2 Abs. 3 der Vereinbarung vom 19.01.2007 haben die Parteien die tariflichen Vorschriften jedoch in Bezug genommen, so dass sie auch heute noch für die Eingruppierungs-, bzw. Vergütungsfragen heranzuziehen sind.

Richtig ist die Auffassung der Beklagten jedoch, dass die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe IV in § 16 TV-Ärzte/VKA vorliegend nicht unmittelbar einschlägig sind. Denn bei strenger Wortauslegung ergibt sich, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen sind, dass der "leitende Oberarzt" gedanklich einen "leitenden Arzt", d. h. einen "Chefarzt" voraussetzt. Ein Chefarzt im Sinne der überkommenen traditionellen Organisation einer Klinikabteilung gibt es jedoch in dieser Abteilung bei der Beklagten nicht. Vielmehr wird die Abteilung Radiologie und Nuklearmedizin bei der Beklagten durch drei Kollegialärzte geleitet.

Aus der tatsächlichen Gestaltung der Leitung der Abteilung Radiologie und Nuklearmedizin bei der Beklagten ist aber der Erst-Recht-Schluss zu ziehen, dass der Kläger nach Entgeltgruppe IV einzugruppieren und zu vergüten ist. Die Beklagte hatte die bewusste Entscheidung getroffen, nach dem Ausscheiden des damaligen "klassischen" Chefarztes im November 2004 die Chefarztposition künftig nicht neu zu besetzen. Anstelle dessen hat sie sich für ein Kollegialsystem entschieden, indem sie für den Verzicht auf die Besetzung eines "klassischen" Chefarztpostens eine wenn auch befristete, so aber doch auf nicht unerhebliche Dauer angelegte Vertretungsregelung getroffen hat, die die Leitung der Abteilung in die Hände von leitenden Abteilungsärzten legt.

Die Kammer kann dahinstehen lassen, ob es sich bei diesem Kollegialsystem nicht nur um eine ständige Vertretung handelt, sondern ob es sich sogar originär um die Übertragung von Chefarztaufgaben und Chefarztfunktionen auf die drei Kollegialärzte handelt, ohne dass die Beklagte dies im Vertrag oder in der betrieblichen Praxis tatsächlich so genannt haben mag. Auf jeden Fall ergibt sich aus § 2 Abs. 2 der Vereinbarung vom 19.01.2007, dass zumindest eine ständige und regelmäßige Vertretung für die Abteilung durch jeden der Kollegialärzte wahrgenommen werden sollte. Sowohl durch die praktische Handhabung der Parteien ab November 2004, der keine schriftliche arbeitsvertragliche Fixierung zu Grunde lag, als auch durch die Vereinbarung vom 19.01.2007 steht für die Kammer jedenfalls fest, dass die Beklagte dem Kläger die Funktion als Kollegialarzt und leitenden Abteilungsarzt der Abteilung Radiologie und Nuklearmedizin ausdrücklich im Sinne des § 16 d) TV-Ärzte/VKA übertragen hat. Diese Vertretungsregelung erfüllt auch die Anforderungen, die die Tarifvertragsparteien zur Protokollerklärung zu Buchstabe d) aufgestellt haben, dass nämlich diese Funktion nach Entgeltgruppe IV nur dem Arzt zukommen kann, der den leitenden Arzt, also den "klassischen" Chefarzt, in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertritt.

Dass nach dieser Protokollerklärung dieses Tätigkeitsmerkmal innerhalb einer Klinik "in der Regel" nur von einem Arzt erfüllt werden kann, steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Denn die Beklagte hat sich durch die Vereinbarung vom 19.01.2007 bewusst und gewollt auf ein Kollegialarztsystem eingelassen, das gerade davon ausgeht, dass Funktionen eines leitenden Oberarztes im Sinne der tariflichen Vorschrift eben gerade nicht nur durch eine Person, sondern durch drei Personen wahrgenommen werden.

Der Kläger hat demgemäß einen Anspruch auf Eingruppierung in Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte/VKA und einen entsprechenden Vergütungsanspruch.

Daraus folgt, dass der Kläger gegen die Beklagte ab August 2007 einen Vergütungsanspruch in Höhe von 6.500,00 EUR brutto gemäß der Anlage A zum TV-Ärzte/VKA hat, weshalb ihm die Monatsdifferenzvergütungen für den Zeitraum August 2006 bis Mai 2007 einschließlich zustehen und die Nachzahlungsbeträge mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen sind.

Der Klage war somit insgesamt stattzugeben.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sowie auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 42 Abs. 3 S. 1 und Abs. 5 S. 1 GKG.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil kann von der Partei

B e r u f u n g

eingelegt werden.

Für die Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Berufung muss

innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat

beim Landesarbeitsgericht xxx eingegangen sein.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind.

Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

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