LG Essen, Urteil vom 15.11.2007 - 4 O 168/07
Fundstelle
openJur 2011, 54770
  • Rkr:
Tenor

hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2007

durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht E., die Richterin am Landgericht C. und den Richter Dr. N.

für R e c h t erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Beklagte schrieb mit kartellvergaberechtlicher Bekanntmachung vom 5.7.2005 (Anlage K2) den sechsstreifigen Ausbau der Bundesautobahn 1 von km 269 bis zu den Tank- und Rastanlagen Münsterland europaweit aus. Das Bietverfahren sah vor, dass Angebote bis zum 25.8.2005 (ursprünglich: 18.8.2005) einzureichen sein sollten, verbunden mit einer auf den 30.11.2005 bestimmten Bindefrist. An diesem Tage sollte auch die Zuschlagsfrist ablaufen (vgl. vorformuliertes Angebotsschreiben Anlage K3). Zum Auftragsinhalt bestimmten die Ausschreibungsunterlagen in Ziffer 2 der Besonderen Vertragsbedingungen (Anlage K4), dass das Gesamtprojekt spätestens 12 Werktage nach Zuschlagserteilung begonnen und 445 Werktage nach Zuschlagserteilung beendet sein sollte. Ein kalendergenauer Anfangs- und Endtermin war nicht festgelegt; die entsprechenden Formularfelder waren freigelassen.

Auf dieser Grundlage gab die Klägerin am 24.8.2005 mit auf den 30.11.2005 bestimmter Bindefrist ein Angebot über die ausgeschriebenen Arbeiten zu einer Angebotssumme von rund 11 Mio. EUR ab (Anlage B1). Aufgrund Verzögerungen bei der Bereitstellung von Haushaltsmitteln wurde über den Zuschlag jedoch zunächst nicht innerhalb der auf den 30.11.2005 bestimmten (Binde- und Zuschlags-) Frist entschieden. Die Beklagte wandte sich daher mit Schreiben vom 15.11.2005 an alle Bieter und bat um Verlängerung der Bindefrist um 4 Monate bis zum 31.3.2006 (Anlage K5). Die Klägerin erklärte sich mit der Verlängerung der Zuschlags- und Bindefrist am 28.11.2005 einverstanden (Anlage K6).

Am 29.12.2005 benachrichtigte die Beklagte gem. § 13 VgV alle Teilnehmer des Bietverfahrens, dass die Klägerin das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe und daher den Zuschlag erhalten solle (Anlage K7). Daraufhin wurde durch einen unterlegenen Bieter ein Nachprüfungsverfahren vor der VK Münster in Gang gesetzt, welches am 10.2.2006 durch Antragsrücknahme endete.

Am 14.2.2006 erteilte die Beklagte der Klägerin den Zuschlag (Zuschlagsschreiben vom 13.2.2006, Anlage K8). Hierauf reagierte die Klägerin durch das aus Anlage B3 ersichtliche Bestätigungsschreiben vom 17.2.2006, welches zugleich eine Mehrkostenanmeldung enthielt. Zur Begründung führte sie aus, dass ihre Kalkulation einen Beginn der Arbeiten spätestens Mitte Dezember 2005 vorgesehen habe. Wegen der verzögerten Auftragserteilung entstünden erhebliche Mehrkosten, die sobald wie möglich beziffert würden.

In der Folge machte die Klägerin mit der 5. bis 8. und 10. bis 12. Abschlagsrechnung Mehrkosten für bituminöses Mischgut, Verkehrssicherungsarbeiten, Schüttgüter und Betonteile geltend. Nach dem Stand der 12. Abschlagsrechnung beziffert die Klägerin diese Mehrkosten auf insgesamt 1.318.029,22 EUR.

Sie ist der Auffassung, der Anspruch auf Zahlung von Mehrvergütung sei verankert "in den gegenseitigen Kooperationspflichten der Vertragsparteien unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich wegen der Vergabeverzögerung die dem Vergabeverfahren nach der Vorstellung der Beteiligten zugrunde liegenden Umstände überholt haben". Das Vergabeverzögerungsrisiko trage nämlich die Beklagte. Dogmatisch zutreffend sei Grundlage des Anspruchs "der Wegfall einer Geschäftsgrundlage im formstrengen Vertragsanbahnungsverfahren nach dem Kartellvergaberecht". Für die Ermittlung des Anspruchs der Höhe nach sei auf § 2 Nr. 5 VOB/B abzustellen. Vor diesem Hintergrund sei die Beklagte zur Zahlung der Mehrkosten nebst Verzugszinsen - zeitlich jeweils bezogen auf die einzelnen Abschlagsrechnungen - verpflichtet.

Die Klägerin beantragt mit ihrer der Beklagten am 31.5.2007 zugestellten Klage,

die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag von € 1.318.029,22 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, sowie Zinsen gemäß § 288 BGB aus - €204.962,72 seit dem 30.8.2006 bis zum 29.9.2006, - € 396.064,16 seit dem 30.09.2006 bis zum 24.10.2006, - € 418.350,68 seit dem 25.10.2006 bis zum 29.11.2006, - € 428.832,54 seit dem 30.11.2006 bis zum 12.03.2007, - € 974.167.29 seit dem 13.03.2007 bis zum 29.03.2007, - € 1.043.378,40 seit dem 30.03.2007 bis Rechtshängigkeit.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Klägerin könne Vergütung nur nach Maßgabe ihres im Bieterwettbewerb ursprünglich abgegebenen Angebotes verlangen. Für Ansprüche auf Zahlung von Mehrvergütung sei eine Grundlage nicht ersichtlich.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den durch konkludente Bezugnahme vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage ist nicht begründet.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Mehrkosten infolge verzögerter Zuschlagserteilung, sondern lediglich Anspruch auf Zahlung der Vergütung gemäß Angebot vom 24.8.2005. Auf dieses Angebot hin ist nämlich durch Zuschlag vom 14.2.2006 ein Vertrag über die Ausführung der Bauleistungen zustande gekommen.

a) Das gemäß § 19 Nr. 3 VOB/A zunächst im Sinne von § 148 BGB auf den 30.11.2005 befristete Angebot vom 24.8.2005 konnte durch Zuschlag am 14.2.2006 angenommen werden, weil die Klägerin sich durch Schreiben vom 28.11.2005 mit der Verlängerung der Bindefrist bis zum 31.3.2006 einverstanden erklärt hatte.

Der Zuschlag erfolgte dabei auf das ursprüngliche Angebot. Denn die Klägerin hatte einer Verlängerung der Bindefrist vorbehaltlos zugestimmt. Eine den Inhalt des Angebots abändernde oder auch nur relativierende Interpretation der Zustimmungserklärung verbietet sich, weil ein Vorbehalt wegen des Nachverhandlungsverbotes des § 24 Nr. 3 VOB/A und des zwingenden Ausschlussgrundes für verspätete Angebote nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a VOB/A nicht hätte erklärt werden dürfen (vgl. nur BayObLG, NZBau 2002, 689).

Vor diesem Hintergrund überzeugt es nicht, eine ohne ausdrücklichen Vorbehalt erklärte Zustimmung zur Verlängerung der Zuschlags- und Bindefrist dahingehend auszulegen, sie schaffe - letztlich doch in Abänderung des Angebots - "lediglich eine Vertrauensgrundlage für den Auftraggeber, dass der Bieter weiterhin bereit ist, den Auftrag entsprechend seinem Angebot auszuführen, soweit sich dessen Grundlagen nicht nachweislich geändert haben" (so aber OLG Hamm, NJW-RR 2007, 819, 820). Es ist vielmehr im Gegenteil unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens treuwidrig, einen Vorbehalt, den man im Rahmen des Vergabeverfahrens nicht hätte erklären dürfen, nach Abschluss desselben geltend zu machen. Dies zumal ein etwaiger geheimer Vorbehalt unbeachtlich ist (vgl. § 116 BGB).

b) Der Zuschlag vom 14.2.2006 stellt auch keine Annahme des Angebots der Klägerin unter Änderungen dar, was nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag gilt. Allerdings wird eine derartige Konstellation im Bauvertragsrecht im Falle zeitlich verzögerter Auftragsvergabe angenommen, wenn das ursprüngliche Angebot nach dem Kalender bestimmte Ausführungsfristen enthält und mit dem Zuschlag infolge der zeitlichen Verzögerung eine neue Bauzeit festgelegt wird (BGHZ 162, 259 = NJW 2005, 1653, 1655; OLG Hamm, NJW-RR 2007, 819). So liegt der Fall hier jedoch nicht.

Vorliegend bestimmte die Beklagte mit der Zuschlagserteilung nämlich keine vom Angebot der Klägerin abweichenden Ausführungsfristen. Hierzu bestand auch keine Veranlassung, da die Ausführungsfristen nach dem Inhalt des Angebotes der Klägerin vom Zeitpunkt der Zuschlagserteilung - hier dem 14.2.2006 - an zu berechnen waren. So war unter Ziffer 2 der Besonderen Vertragsbedingungen (Anlage K4), die Grundlage des Angebots waren, lediglich bestimmt, dass die Arbeiten spätestens 12 Werktage nach Zuschlagserteilung beginnen und spätestens 445 Werktage nach Zuschlagserteilung beendet sein sollten. Die für die Angabe genauer Daten vorgesehenen Formularfelder "frühestens" bzw. "spätestens am … (Datum)" enthielten demgegenüber keine Eintragungen. Ein fester Anfangs- oder Endtermin war danach nicht Angebotsinhalt. Vielmehr waren die Bauzeiträume variabel, abhängig lediglich vom Zeitpunkt der Zuschlagserteilung. Dieser aber war nach dem Inhalt des klägerischen Angebotes terminlich unbestimmt.

Zur terminlichen Bestimmung des Zeitpunktes der Zuschlagserteilung im Sinne eines letztmöglichen Zuschlagszeitpunktes kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf die ursprünglich auf den 30.11.2005 bestimmte Zuschlagsfrist abgestellt werden: Die Zuschlagsfrist erfüllt im Rahmen eines Vergabeverfahrens lediglich eine verfahrenstechnische Funktion. Während die Regelung des § 11 VOB/A über Vertragsfristen den Inhalt des Auftrags im Blick hat, betrifft die Bestimmung des § 19 VOB/A über die Zuschlagsfrist das Procedere der Auftragserteilung (vgl. BayObLG, NZBau 2002, 689, 690). Dementsprechend ist anerkannt, dass die Zuschlags- und Bindefrist - anders als der Inhalt der abgegebenen Angebote, vgl. § 24 Nr. 3 VOB/A - auch im Verlaufe eines Vergabeverfahrens noch einvernehmlich verlängert werden kann (vgl. nur OLG Düsseldorf, NZBau 2002, 578; BayObLG, NZBau 2000, 49; Weyand, ibronline-Kommentar Vergaberecht, Stand 19.11.2007, § 19 VOB/A, Rz. 4942 m.w.N.).

Natürlich ist es nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen möglich, dass im Einzelfall nach dem Inhalt des jeweiligen Angebots ein Zusammenhang zwischen verfahrensbezogener Zuschlagsfrist und der Ausführungsfrist besteht. Anders jedoch vorliegend: Denn wie bereits dargelegt waren nach Ziffer 2 der Besonderen Auftragsbedingungen fixe Anfangs- oder Endtermine für die Bauausführung gerade nicht vorgesehen, obwohl derartige Termine - hätte man einen Konnex herstellen wollen - in Abhängigkeit von der ursprünglichen Zuschlagsfrist problemlos hätten berechnet und angegeben werden können.

2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch nach § 2 Nr. 5 VOB/B. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind schon deshalb nicht dargetan, weil die Bauzeit Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung war. Eine Leistungsbestimmung der Beklagten scheidet damit von vornherein aus.

Auch eine entsprechende Anwendung von § 2 Nr. 5 VOB/B überzeugt nicht. Sie begegnet bereits grundsätzlichen Bedenken, weil die Bestimmungen der VOB/B mangels Rechtsnormqualität nicht analogiefähig sind. Darüber hinaus besteht jedenfalls vorliegend in Anbetracht der individualvertraglich ausgehandelten Bauzeitenregelung auch kein Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung. Insoweit unterscheidet sich der zur Entscheidung anstehende Fall grundlegend von solchen Fällen, in denen der Bauvertrag seinem Inhalt nach auf eine überholte Ausführungszeit gerichtet ist und daher insoweit der Anpassung bedarf (so im Falle von BayObLG, NZBau 2002, 689 ff.; OLG Jena, NZBau 2005, 341 ff.).

3. Schließlich kommt auch keine Anpassung der durch die Beklagte nach Maßgabe des Angebots vom 24.8.2005 geschuldeten Vergütung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht. Für die Möglichkeit, eine Vertragspflicht unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls oder der Änderung der Geschäftsgrundlage an die veränderten Verhältnisse anzupassen, ist nur unter ganz eng begrenzten Voraussetzungen Raum. So hat die Rechtsprechung seit jeher daran festgehalten, dass der das gesamte Schuldrecht beherrschende Grundsatz der Vertragstreue nur dann zurücktreten muss, wenn anders ein untragbares, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbares Ergebnis nicht zu vermeiden wäre (vgl etwa BGH, NJW 1958, 1772; BGH, NJW 1974, 1186, NJW 1977, 2262; BGH, NJW-RR 1993, 881; jeweils m.w.N.). Insbesondere sind Umstände, die nach dem Vertragszweck erkennbar in den Risikobereich nur des einen Vertragsteiles fallen, nicht geeignet, dem hierdurch betroffenen Vertragsteil eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu ermöglichen.

So aber liegt der Fall hier. Denn das Risiko von Preissteigerungen für die zu erbringende Sachleistung fällt in die Sphäre der Klägerin als Sachleistungsschuldnerin. Der Umstand allein, dass die Klägerin durch eine Veränderung der kalkulatorischen Grundlagen des Auftrags wirtschaftlich ungünstiger gestellt ist, als sie bei Angebotsabgabe erwartet hatte, gibt nicht die Befugnis, gemäß § 313 BGB in den geschlossenen Vertrag rechtsgestaltend einzugreifen. Wollte man es für zulässig halten, einen Vertrag allein wegen einer Verzögerung des Vergabeverfahrens aus Billigkeitserwägungen umzugestalten, würde dies zu einer für das öffentliche Auftragswesen untragbaren Unsicherheit führen.

Auch Besonderheiten des Kartellvergabeverfahrens rechtfertigen keine andere Wertung: Ein allgemeines Vergabeverzögerungsrisiko, welches der Sphäre des öffentlichen Auftraggebers zuzuordnen wäre, gibt es nicht. Ein solches Risiko lässt sich zunächst nicht aus dem das Vergaberecht nach § 97 Abs. 2 GWB prägenden Gebot der Gleichbehandlung aller teilnehmenden Bieter ableiten. Es mag infolge Vergabeverzögerung im Einzelfall vorkommen, dass der zunächst bestplatzierte Bieter aus dem Wettbewerb ausscheidet, weil er die seinem Angebot zugrunde liegende Kalkulation nicht mehr halten kann. Dies beeinträchtigt die Chancengleichheit der Wettbewerber - vom Sonderfall missbräuchlicher Verzögerung abgesehen - jedoch nicht (so aber OLG Jena, NZBau 2005, 341, 344): Das Risiko der Vergabeverzögerung trifft alle Teilnehmer eines Vergabeverfahrens gleichermaßen; sofern es sich wegen eines durch einen Mitbieter angestrengten Nachprüfungsverfahrens realisiert, ist es dem Vergabeverfahren nach dem Rechtsschutzsystem des GWB sogar immanent. Es wäre vor diesem Hintergrund umgekehrt ein Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit im Vergabeverfahren, wenn infolge Vergabeverzögerung einem einzigen Bieter das Recht zu Nachverhandlungen zugestanden würde. Außerdem darf nicht außer Acht bleiben, dass eine Vergabeverzögerung aus Sicht des bestplatzierten Bieters nicht nur Risiko, sondern auch Chance sein kann: Verschiebt sich etwa die Ausführungszeit eines Bauvorhabens in eine Schönwetterperiode, ist dies häufig mit nicht unerheblichen Minderkosten verbunden. Gleichwohl steht hier weder dem Auftraggeber noch einem Mitbewerber das Recht zu Nachverhandlungen zu. Auch dies stellt keine Beeinträchtigung der Chancengleichheit im Vergabeverfahren dar.

Im Übrigen wäre bei anderer Beurteilung für den Auftraggeber entgegen der Vergabezentralnorm des § 97 Abs. 5 GWB völlig unkalkulierbar, welches der eingereichten Angebote bei Erteilung des Zuschlags das Wirtschaftlichste ist. Würde dem bestplatzierten Bieter ein Anspruch auf Vertragsanpassung allein infolge Vergabeverzögerung zugebilligt, wäre der Auftraggeber damit letztlich gezwungen, einen Vertrag zu unbekannten Konditionen abzuschließen. Dies obwohl er sich zuvor hat versichert lassen, dass der bezuschlagte Bieter an seinem Angebot unverändert festhalte.

Es kommt hinzu, dass ein derartiger Zwang zum Vertragsschluss sowohl der Zivilrechtsordnung im Allgemeinen als auch dem Vergabeverfahren im Besonderen fremd ist: Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass die Ausschreibung das Stadium im Vorfeld der Auftragsvergabe betrifft, in dem es dem Auftraggeber nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen unbenommen bleiben muss, von der Vergabe des in Aussicht genommenen Auftrags abzusehen. Ein allgemeiner Anspruch auf Zuschlagserteilung kann der VOB/A nach Wortlaut und Regelungszusammenhang selbst dann nicht entnommen werden, wenn der Auftraggeber die Ausschreibung nicht nach § 26 VOB/A aufheben kann (BGHZ 139, 259 = NJW 1998, 3636, 3638 f.; BGH, NZBau 2003, 168; BGH, NZBau 2003, 293, 294; zustimmend etwa Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 16. Auflage 2007, § 26 VOB/A Rn. 4). Die hiernach anerkannte Vertragsfreiheit des Auftraggebers aber würde weitgehend entwertet, wollte man einem Bieter trotz vorbehaltloser Zustimmung zur Bindefristverlängerung ein Recht auf nachträgliche Vertragsanpassung zubilligen.

Allerdings darf der Teilnehmer bei einer öffentlichen Ausschreibung darauf vertrauen, dass er eine realistische Chance auf eine Amortisation seiner oft sehr erheblichen Aufwendungen zur Ausarbeitung eines sorgfältig kalkulierten Angebots hat (BGH, NJW 1998, 3636, 3637). Die Verletzung dieses Vertrauens rechtfertigt jedoch nicht die Annahme eines allgemeinen "Vergabeverzögerungsrisikos" in der Sphäre des öffentlichen Auftraggebers (so aber BayObLG, NZBau 2002, 689, 690 f.; OLG Jena, NZBau 2005, 341, 344). Sie bildet nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1998, 3636 ff.) lediglich den maßgeblichen Grund für die regelmäßig auf das negative Interesse gerichtete Ersatzpflicht des Ausschreibenden nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (§§ 311, 280 Abs. 1 BGB). Und auch diese Haftung greift nur dann, wenn sich außerhalb der Vergabebestimmungen liegende Risiken realisieren - so vorliegend der Umstand, dass die Beklagte das Vorhaben ohne Sicherstellung der erforderlichen Finanzierung ausgeschrieben hat. Hätte die Klägerin daher vorliegend die infolge mangelnder Finanzierung eingetretene Vergabeverzögerung zum Anlass genommen, aus dem Bietverfahren auszuscheiden, hätte sie mitunter einen Anspruch auf Ersatz der im Vertrauen auf ordnungsgemäße Ausschreibung gemachten Aufwendungen gehabt. Diesen Weg hat die Klägerin jedoch nicht beschritten, sondern sich stattdessen vorbehaltlos an ihr Angebot über den 30.11.2005 hinaus bis zum 31.3.2006 gebunden. Damit aber hat sie gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht, das Risiko innerhalb der Bindefrist auftretender Preissteigerungen zu übernehmen. Hieran muss sie sich nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen festhalten lassen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Vollstreckbarkeitsausspruch auf § 709 ZPO.