VG Düsseldorf, Urteil vom 02.10.2007 - 2 K 2070/07
Fundstelle
openJur 2011, 54085
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die am 00. Juni 1980 geborene und in Polen aufgewachsene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie begehrt die Zulassung zum Auswahlverfahren für die Einstellung in den gehobenen Polizeidienst des beklagten Landes.

Sie ist 161 cm groß und wiegt 49 kg.

Zum Einstellungstermin 1. September 2007 bewarb sie sich über das Internet beim Institut für Aus- und Fortbildung der Polizei Nordrhein-Westfalen (IAF, heute: Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen - LAFP) um Einstellung in den gehobenen Polizeidienst. Mit Bescheid vom 15. Januar 2007 teilte das IAF der Klägerin mit, sie entspreche nicht den allgemeinen Bedingungen für eine Einstellung in den Polizeivollzugsdienst, da sie die erforderliche Mindestgröße unterschreite.

Hiergegen legte die Klägerin unter dem 22. Januar 2007 Widerspruch ein mit der Begründung, in den Hinweisen für eine Bewerbung zum Auswahlverfahren bei der Polizei NRW sei zwar für Frauen eine körperliche Mindestgröße von 163 cm angegeben, doch könne dies als Richtwert verstanden werden und werde von ihr allenfalls geringfügig unterschritten. Zudem sei ihr von ihrem Einstellungsberater mitgeteilt worden, dass noch 2006 Polizeianwärterinnen in Nordrhein-Westfalen eingestellt worden seien, die die Mindestgröße unterschritten hätten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2007 wies das IAF den Widerspruch zurück. Aus §§ 11 Abs. 1 und 3 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über die Laufbahn der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des Landes Nordrhein- Westfalen (vom 4. Januar 1995, GV.NRW. 1995, 42, nachfolgend: LVOPol) ergebe sich, dass eingestellt werden könne, wer für den Polizeivollzugsdienst geeignet sei. Das Innenministerium des beklagten Landes (Ministerium) habe mit Erlass vom 9. März 2006 - 45.2-26.00.02 (300/H 9) - die Einstellungsvoraussetzungen festgelegt. Dazu gehöre auch eine körperliche Mindestgröße, die bei weiblichen Bewerbern das Maß von 163 cm umfasse. Die Klägerin sei mit 161 cm für eine Einstellung zu klein. Das Kriterium der Mindestgröße gelte erstmalig für den Einstellungsjahrgang 2007. Daher treffe zwar zu, dass zum Einstellungstermin 1. September 2006 auch Bewerberinnen mit einer Körpergröße von unter 163 cm eingestellt worden seien, doch wirke sich dies auf den vorliegenden Fall nicht aus.

Die Klägerin hat am 18. Mai 2007 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Sie weist darauf hin, dass das Ministerium die Einstellungsvoraussetzungen nicht mit Erlass habe festsetzen können. Darüber hinaus könne die dort festgelegte Mindestgröße nur als Richtlinie verstanden werden. Bei nur geringfügiger Unterschreitung müsse im Rahmen einer Ermessensentscheidung geprüft werden können, ob nicht doch eine Teilnahme am Auswahlverfahren in Betracht komme. Die Mindestgröße von 163 cm benachteilige sie in ihrer Berufswahlfreiheit unangemessen, da auch eine Polizistin mit einer Körpergröße von 161 cm in der Lage sei, den ihr übertragenen Aufgaben nachzukommen. Deshalb liege darin ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (vom 14. August 2006, BGBl I S. 1897, nachfolgend: AGG), das nach dessen § 24 Nr. 1 auch für Landesbeamte gelte. Eine mittelbare Diskriminierung von Frauen gegenüber Männern im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG liege darin, dass prozentual deutlich mehr Männer die erforderliche Mindestgröße von 168 cm erreichten als Frauen die Mindestgröße von 163 cm. Während 3 % der männlichen Bewerber die 168 cm unterschritten, seien 22 bis 23 % der weiblichen Bewerber kleiner als 163 cm. Das lasse sich Erhebungen des Statistischen Bundesamtes, vor allem aber der Internetseite „www.grosswuchs.de" entnehmen. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, weshalb bei der Frage der körperlichen Mindestgröße zwischen Frauen und Männern differenziert werde, wenn es für die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben auf eine bestimmte Körpergröße ankomme. Überdies greife die aufgestellte Mindestgröße in das Recht der Klägerin auf freie Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. Dieses Recht könne durch oder aufgrund eines Gesetzes zwar eingeschränkt werden, doch handele es sich bei dem Erlass des Ministeriums über die Mindestgrößen nicht um eine derartige Rechtsnorm. In anderen Bundesländern sei die Mindestgröße demgegenüber bereits in die jeweilige Laufbahnverordnung eingearbeitet, wie etwa in Rheinland-Pfalz. Auch seien in der Regel Ausnahmegenehmigungen möglich. Andere Bundesländer sähen zudem als gesetzliche Mindestgröße für weibliche Bewerber lediglich 1,60 m vor (Baden- Württemberg, Berlin, Hessen, Schleswig-Holstein). In Bremen oder Mecklenburg- Vorpommern gebe es keine Mindestgröße. Wie der Internetauftritt der nordrhein- westfälischen Polizei zeige, werde die Mindestgröße als formales Bewerbungskriterium dargestellt, was dafür spreche, dass insoweit kein Ermessen ausgeübt werde. Außerdem handele es sich um eine subjektive Zulassungsregelung, die nach der Stufentheorie des Art. 12 GG unverhältnismäßig sei, weil sie nicht dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter diene. Es fehle auch an der Geeignetheit der Maßnahme, weil weder Ausnahmen von der starren Regelung über die Mindestgröße vorgesehen seien noch ausgeschlossen sei, dass Bewerber mit einer Körpergröße von weniger als 163 cm die polizeilichen Aufgaben bewältigen könnten. Letzteres ergebe sich daraus, dass in anderen Bundesländern geringere Mindestgrößen vorgesehen seien. Sie, die Klägerin, sei durchaus in der Lage, die erforderlichen Aufgaben zu bewältigen, ob es sich um Eingriffs- und Angriffstechniken, Festnahmetechniken, Schießen mit Schutzkleidung, AMOK-Training oder Fahr- und Sicherheitstraining handele. Die vom Beklagten gestellten Anforderungen an die englischen Sprachkenntnisse erfülle sie zwar nicht, weil sie in Polen zur Schule gegangen sei, wo sie bis zum Abitur nur vier Jahre Englisch gehabt und später im Rahmen ihrer Ausbildung zur Bürokauffrau noch zehn weitere Monate Englischunterricht erhalten habe. Indes verstoße auch die Regelung zu den Englischkenntnissen gegen das AGG, wonach auch Benachteiligungen aus Gründen der ethnischen Herkunft ausgeschlossen seien. Für Bewerber aus Polen bedeute die Regelung zu den Englischkenntnissen eine mittelbare Benachteiligung in diesem Sinne, weil ihnen - anders als deutschen Bewerbern - durch das dortige Schulsystem nicht die erforderliche sprachliche Qualifikation vermittelt werde. Im übrigen sei zu berücksichtigen, dass sie, die Klägerin, die polnische Sprache beherrsche, was wegen der vielen in Deutschland lebenden polnischstämmigen Menschen bei der Polizei von Nutzen sei.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, sie, die Klägerin, unter Aufhebung des Bescheides des Instituts für Aus- und Fortbildung der Polizei Nordrhein-Westfalen vom 15. Januar 2007 in Form des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2007 am Auswahlverfahren zur Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst des beklagten Landes für das Jahr 2007 - hilfsweise zu einem späteren Zeitpunkt - teilnehmen zu lassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt unter Hinweis auf Art. 33 Abs. 2 GG und § 7 LBG vor, die Auslese der Bewerber sei unter anderem nach ihrer Eignung vorzunehmen. Die körperliche und gesundheitliche Eignung verlange, dass die Bewerber über ausreichende physische und psychische Kräfte verfügen müssten, um die Anforderungen ihrer Laufbahn zu erfüllen. In diesem Zusammenhang habe das Ministerium im Jahr 2005 das LAFP beauftragt, zur Frage der Mindestgrößen Stellung zu nehmen. In der Folge habe es dann mit Erlass vom 9. März 2006 eine körperliche Mindestgröße festgelegt. Hintergrund sei gewesen, dass es in der Vergangenheit wiederholt Probleme bei der polizeilichen Aufgabenbewältigung im operativen Dienst und in der Aus- und Fortbildung gegeben habe. So habe es bei vom Durchschnitt deutlich abweichenden Körpergrößen im Bekleidungsbereich Schwierigkeiten gegeben, besonders bei den Einsatzhelmen und den dazu gehörigen ABC-Schutzmasken. Nach dem Liegendschießen mit der großen Schutzweste hätten kleine Beamtinnen und Beamte wegen der großen Gewichtsbelastung nicht mehr selbständig aufstehen können. In Einzelfällen sei es bei sehr kleinen Beamtinnen dazu gekommen, dass diese die Pistole beim gezielten Schießen nicht so lange hätten hochhalten können, bis sie fünf Schüsse abgegeben hätten. Auch habe in wenigen Einzelfällen bei kleinen Beamten der Fahrersitz des Volkswagen T4 nicht so weit nach vorn geschoben werden können, dass die Pedalen sicher hätten bedient werden können. Weitere Auswirkungen habe eine zu geringe Körpergröße bei den Eingriffstechniken. Zwar sei es in gewissen Grenzen möglich, körperliche Unterlegenheit durch das Erlernen der Techniken auszugleichen, doch dürfe die Größendifferenz zu den Störern nicht zu groß sein, da es auf die Hebelwirkung bei der Kraftübertragung ankomme. So sei es beispielsweise bei der „Festnahmetechnik 360°" erforderlich, über die Führung des Kopfes den Gegner in eine instabile Position zu bringen. Erreiche man aufgrund zu geringer eigener Größe den Kopf seines Gegenübers nicht, sei diese Technik nicht wirksam. Beim Transport von Personen könne es ferner zu unkontrollierten Stürzen kommen, wenn auf Grund der Hebelwirkungen die Last der transportierten Person nicht gehalten werden könne. Bei Festnahmetechniken eines Eingreiftrupps komme es darauf an, dass sich die Beamten dicht hintereinander vorwärts und rückwärts bewegen könnten. Ein zu großer Unterschied der Beinlängen der einzelnen Beamten führe dazu, dass Beamte stolperten und stürzten, was einen Zugriff vereiteln und sogar zu einer Gefährdung des Eingreiftrupps führen könne. Ohne die Festlegung einer Mindestgröße wären des weiteren Bewerber mit einem derart geringen Körpergewicht einzustellen, dass eine effektive Verhütung und Abwehr von Gefahren mittels geeigneter Schutzausstattung nicht mehr möglich sei, weil bislang eine Polizeidiensttauglichkeit bei Untergewicht (BMI unter 18,0 kg/m2) nach der Polizeidienstvorschrift 300 (PDV 300) ausgeschlossen gewesen sei. Die von den Beamten zu tragenden Schutzausstattungen hätten ein Gewicht von 20 bis 25 kg. Bei Übungen und Einsätzen mit Körperschutzausstattung, bei denen es auf hohe körperliche Beweglichkeit bei den sich schnell verändernden Einsatzlagen ankomme, seien Beamte mit geringer Körpergröße und damit einem geringen Körpergewicht nur kurzfristig einsetzbar. Eine weitere Reduktion des Gewichts der Ausstattung bei Beibehaltung der polizeilich geforderten Schutzfunktionen sei nach derzeitigem Stand der Technik nicht möglich. Ähnliches gelte für das Tragen des Feuerlöschers innerhalb des Feuerlöschtrupps, das für Beamte mit geringer Körpergröße eine prozentual höhere körperliche Belastung darstelle und die Verwendungsdauer zusätzlich einschränke; auch die 2 x 2 m große Feuerlöschdecke bedeute bei zu kleinen Personen ein deutlich erhöhtes Sturzrisiko. Beim AMOK- Training im Zweierteam trete bei zu großen Unterschieden in der Körpergröße der Beteiligten das Problem auf, dass sich der Beamte mit der kleineren Körperlänge gut, der Beamte mit der größeren Körperlänge aber schlecht gedeckt fühle. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände sei die Einführung einer Mindestgröße, die nach den bei der Ausbildung gesammelten Erkenntnissen für männliche Bewerber auf 168 cm und für weibliche auf 163 cm festgelegt worden sei, unabdingbar gewesen. Hierin liege weder ein Verstoß gegen das AGG noch gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Gemäß § 8 AGG sei eine unterschiedliche Behandlung zulässig, wenn der Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstelle, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen sei. Diese Voraussetzungen seien - wie geschildert - gegeben, weil Fehler bei der Berufsausübung erhebliche Vermögenswerte oder Leib und Leben Dritter gefährden könne. Insbesondere liege keine mittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung vor, weil 3 % der 18-jährigen Jungen kleiner als 168 cm und 3 % der 18-jährigen Mädchen kleiner als 163 cm seien. Ein Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit liege nicht vor, denn subjektive, an die Person eines Bewerbers anknüpfende Beschränkungen der Berufswahl seien zulässig, wenn sie dem Schutz eines überragenden Gemeinschaftsgutes dienten sowie streng berufsbezogen und verhältnismäßig seien. Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit sei ein solch überragendes Gemeinschaftsgut, desgleichen die Verfolgung von Straftaten. Insbesondere bei der 49 kg schweren Klägerin sei die zu erwartende Belastung durch die persönliche, ca. 20 kg schwere Schutzausstattung arbeitsmedizinisch und physiologisch nicht mehr vertretbar.

Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 14. September 2007 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Bei Recherchen des Gerichts hat sich ergeben, dass dem in der „Monatsschrift Kinderheilkunde", Ausgabe August 2001, enthaltenen Aufsatz „Perzentile für den Bodymass-Index für das Kindes- und Jugendalter unter Heranziehung verschiedener deutscher Stichproben" von Kromeyer-Hauschild u.a. entnommen werden kann, dass die 3. Perzentile für die Körperhöhe 18-jähriger Mädchen bei 156,10 cm und für die Körperhöhe 18-jähriger Jungen bei 167,85 cm liegt; zwischen 10 und 50 % der 18-jährigen Mädchen sind hiernach kleiner als 163 cm, ca. 3% der 18-jährigen Jungen sind kleiner als 168 cm.

Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere der Sitzungsniederschrift, und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Der auf Zulassung am Auswahlverfahren zur Einstellung für das Jahr 2007 gerichtete Hauptantrag hat keinen Erfolg.

Er ist allerdings zulässig. Insbesondere hat er sich noch nicht durch Zeitablauf erledigt, weil die Klägerin trotz des mittlerweile verstrichenen Einstellungstermins 1. September 2007 im Falle des Obsiegens das hierfür erforderliche Auswahlverfahren noch nachholen könnte. Das ergibt sich aus Auskünften des Beklagten vom 25. September 2007 und in der mündlichen Verhandlung.

Die Klage ist jedoch nicht begründet, weil die ablehnende Entscheidung des Beklagten rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Diese hat nämlich keinen Anspruch auf Zulassung zum Auswahlverfahren zur Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst des beklagten Landes für das Jahr 2007.

Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 2 LVO Pol kann in den Vorbereitungsdienst für den Laufbahnabschnitt II eingestellt werden, wer bestimmten - hier unstreitig vorliegenden - Anforderungen genügt und darüber hinaus für den Polizeivollzugsdienst geeignet ist.

Die Entscheidung darüber, ob jemand als Beamter in den öffentlichen Dienst eingestellt wird, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Die im Rahmen dieser Ermessensentscheidung vorzunehmende Beurteilung der Eignung des Bewerbers (Art. 33 Abs. 2 GG, § 7 Abs. 1 LBG) ist ein Akt wertender Erkenntnis. Er ist vom Gericht nur beschränkt darauf zu überprüfen, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat.

Stdg. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urteil vom 29. September 1960 - 2 C 79.59 -, BverwGE 11, 139; OVG NRW, Beschluss vom 12. Januar 2000 - 6 A 4245/97 -.

Es ist dem pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn überlassen, in welcher Weise er den Grundsatz des gleichen Zugangs zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verwirklicht, sofern nur das Prinzip selbst nicht in Frage gestellt ist. Insoweit bleibt es auch Sache des Dienstherrn, darüber zu befinden, welche Anforderungen er an die Eignung für die Laufbahnen der Polizeivollzugsbeamten stellt. Er kann sein Ermessen durch Verwaltungsvorschriften binden, um sicher zu stellen, dass die Bewerber sachgemäß ausgewählt und dabei einheitlich und gleichmäßig behandelt werden,

vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1990 - 2 C 13.87 -, DVBl. 1990, 867; VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 17. Mai 1983 - 4 S 983/83 -; OVG NRW, Beschluss vom 12. Januar 2000 - 6 A 4245/97 -.

Nach diesen Grundsätzen unterliegt die Entscheidung des Beklagten, die Klägerin nicht zum Auswahlverfahren zuzulassen, keinen rechtlich durchgreifenden Bedenken. Der Beklagte hat durch ermessensbindenden Erlass des Ministeriums vom 9. März 2006 die Eignung betreffende Einstellungsvoraussetzungen ab dem Einstellungsjahrgang 2007 festgelegt, zu denen eine körperliche Mindestgröße gehört, die bei weiblichen Bewerbern 163 cm beträgt, sowie nachzuweisende Sprachkenntnisse in der EU-Amtssprache Englisch mit Level B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder sechs Jahre Englischunterricht ab Sekundarstufe I. Die Klägerin erfüllt mit einer Körperlänge von 161 cm weder die Anforderungen an die Mindestgröße noch weist sie mit nur vier Jahren Englischunterricht zuzüglich zehn Monaten Englisch im Zuge einer kaufmännischen Ausbildung hinreichende englische Sprachkenntnisse auf.

Der Klägerin fehlt die Eignung bereits wegen ihrer zu geringen Körpergröße.

Die in dem genannten Erlass festgelegte Mindestgröße ist nicht als bloßer Richtwert zu verstehen, der im Einzelfall unterschritten werden kann. Vielmehr heißt es dort, die körperliche Mindestgröße müsse zum Zeitpunkt der Bewerbung vorliegen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass noch zum Einstellungstermin des Vorjahres Bewerberinnen angenommen wurden, deren Körpergröße weniger als 163 cm betragen hat, weil die durch Erlass festgelegten Mindestgrößen erstmalig für den Einstellungstermin des Jahres 2007 gelten.

Der Beklagte hat bei Festsetzung der Mindestgrößen von 163 cm für Frauen und 168 cm für Männer durch Erlass vom 9. März 2006 keinen falschen Sachverhalt zu Grunde gelegt. Zwar heißt es in der Klageerwiderung, 3 % der 18-jährigen Jungen seien kleiner als 168 cm und 3 % der 18-jährigen Mädchen kleiner als 163 cm. Unabhängig davon, ob das sachlich falsch ist, war dieses Argument nicht Gegenstand der Entscheidungsfindung bei der Festlegung der Mindestgrößen durch den Erlass vom 9. März 2006. Regierungsmedizinaldirektor Dr. Heidinger hat auf Befragen in der mündlichen Verhandlung ausführlich den Gang der Entscheidungsfindung bis hin zum Erlass geschildert und glaubhaft versichert, die Wachstumskurven, aus denen sich die jeweiligen Perzentilen der 18-jährigen Jungen und Mädchen entnehmen lassen, hätten vor dem 9. März 2006 nicht vorgelegen. Dem folgt das Gericht. Nach dem Akteninhalt bestand die Notwendigkeit, mit den Wachstumsdiagrammen zu argumentieren, nämlich erst zu einem späteren Zeitpunkt, als die Klägerin mit Schriftsatz vom 4. Juni 2007 eine mittelbare Benachteiligung wegen ihres Geschlechts gerügt hatte. Darüber hinaus finden sich Angaben zu den 3. Perzentilen auch nicht in der Begründung des hier angegriffenen Ausgangsbescheides oder des Widerspruchsbescheides. Damit ist die Ablehnung der Klägerin nicht auf die vermeintlich gleichen Perzentilen bei der Mindestgröße für Männer und bei der Mindestgröße für Frauen gestützt worden. Dass dies später in der Klageerwiderung auf Grund der Argumentation der Klägerin zum AGG geschah, ist für die Frage, ob der Beurteilung der Eignung ein unrichtiger Sachverhalt zu Grunde lag, ohne Belang.

Es ist nicht zu beanstanden, dass die hier relevanten Einstellungsvoraussetzungen durch Erlass - und nicht unmittelbar durch Gesetz oder Verordnung - festgesetzt worden sind. Wie bereits ausgeführt, befindet der Dienstherrn nach pflichtgemäßem Ermessen darüber, welche Anforderungen er an die Eignung für die Laufbahnen der Polizeivollzugsbeamten stellt. Er kann sein Ermessen durch Verwaltungsvorschriften binden, um sicher zu stellen, dass die Bewerber sachgemäß ausgewählt und dabei einheitlich und gleichmäßig behandelt werden. Das hat er beispielsweise für die gesundheitlichen Anforderungen an die Polizeidiensttauglichkeit und Polizeidienstfähigkeit anerkanntermaßen durch die Polizeidienstvorschrift 300 getan. Nichts anderes gilt für die Festlegung der Mindestgröße ab dem Einstellungsjahrgang 2007. Nachdem ausweislich der Klageerwiderung wiederholt Probleme bei der polizeilichen Aufgabenbewältigung im operativen Dienst sowie in der Aus- und Fortbildung aufgetreten waren, beauftragte das Ministerium im Jahre 2005 das Aus- und Fortbildungsinstitut der Polizei mit einer Stellungnahme zur Festlegung von Mindestgrößen und bestimmte in der Folge mit Erlass vom 9. März 2006 die körperliche Mindestgröße auf 163 cm für weibliche Bewerber und 168 cm für männliche Bewerber mit dem Ziel, die bis dahin aufgetretenen Probleme sachgerecht und landeseinheitlich zu lösen. Die hierauf beruhende Einschätzung des Beklagten, die Klägerin sei wegen Unterschreitung der Mindestgröße ungeeignet für den Polizeivollzugsdienst, verkennt weder den anzuwendenden Begriff der Eignung noch legt sie der Beurteilung einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde; auch werden allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht missachtet oder sachwidrige Erwägungen zu Grunde gelegt.

Die durch den Erlass vom 9. März 2006 aufgestellten Eignungsanforderungen sind mit höherrangigem Recht vereinbar.

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf einen unzulässigen Eingriff in die sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebende Freiheit der Berufswahl berufen. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner grundlegenden Entscheidung zu Art. 12 GG darauf hingewiesen, dass Art. 33 GG für Berufe, die „öffentlicher Dienst" sind, in weitem Umfang Sonderregelungen ermögliche; das in diesem Bereich hiernach mögliche Maß an Freiheit der Berufswahl für den Einzelnen werde durch den gleichen Zugang aller zu allen öffentlichen Ämtern bei gleicher Eignung (Art. 33 Abs. 2 GG) gewährleistet,

vgl. Urteil vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 -, BVerfGE 7, 377 ff. („Apothekenurteil").

Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass in den Fällen, in denen es sich - wie hier - um die Wahl eines Berufes im öffentlichen Dienst handelt, Art. 33 Abs. 2 GG als speziellere Regelung Art. 12 Abs. 2 GG vollständig verdrängt,

vgl. Beschluss vom 2. Februar 1977 - II B 22.76 -, Buchholz 232 § 7 BBG Nr. 6.

Damit gilt vorliegend allein Art. 33 Abs. 2 GG, wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte hat. Zur Beurteilung der Eignung der Klägerin kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.

Ferner verstößt die Anforderung einer Mindestgröße nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Dessen Ziel ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen (§ 1 AGG). Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten entsprechend u.a. für Landesbeamte (§ 24 Nr. 1 AGG). Jedoch ist eine Benachteiligung aus den in § 1 AGG genannten Gründen nicht feststellbar.

Die Klägerin wurde nicht etwa wegen einer Behinderung benachteiligt. Bei ihrer Körpergröße von 161 cm, deretwegen sie als ungeeignet für den Polizeivollzugsdienst angesehen wurde, handelt es sich nicht um eine Behinderung im Sinne des AGG. Diese setzt eine Abweichung von der typischen körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit voraus,

vgl. Thüsing, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1, Allgemeiner Teil, 2. Halbband: AGG, 5. Auflage 2007, § 1 Rn. 79; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, Kommentar zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, 2007, § 1 Rn. 53 und 54,

was aber allein auf Grund einer unterdurchschnittlichen Körpergröße nicht angenommen werden kann.

Auch wurde die Klägerin nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt.

Eine unmittelbare Benachteiligung (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG) ist insoweit nicht erkennbar. Sie hat nicht wegen ihrer Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht eine weniger günstige Behandlung erfahren als ein Mann.

Auch wurde die Klägerin wegen ihres Geschlechts nicht mittelbar benachteiligt. Eine mittelbare Benachteiligung liegt gemäß § 3 Abs. 2 AGG vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

Allerdings hat die Klägerin in der Sache Recht, wenn sie darauf verweist, dass prozentual deutlich mehr Männer die für sie erforderliche Mindestgröße von 168 cm erreichen als Frauen die Mindestgröße von 163 cm. Nach den Angaben des vom Gericht um Informationen gebetenen Prof. C, dem Sektionsleiter Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum I1, vom 28. September 2007 stammen die verbreitetsten Wachstumskurven in Deutschland von Brandt und Reinken und sind zuletzt 1992 publiziert worden. Aktuellere Daten sind 2001 in der Monatsschrift Kinderheilkunde (Ausgabe August 2001) von Kromeyer-Hauschild u.a. veröffentlicht worden. Beide Quellen bestätigen den Einwand der Klägerin. Die ältere Wachstumskurve von Brandt und Reinken findet sich im Internet auf der Seite www.forumwachsen.de. Ihr lässt sich entnehmen, dass die Körpergröße bei 18-jährigen Mädchen in der 3. Perzentile bei etwa 156 cm und bei 18-jährigen Jungen bei etwa 168 cm liegt. Demnach sind 3 % der 18-jährigen Mädchen kleiner als 156 cm und 3 % der 18- jährigen Jungen kleiner als 168 cm. Die vom Beklagten festgesetzten Körpergrößen werden hiernach von 10 bis 25 % der 18-jährigen Mädchen, aber nur von 3 % der 18-jährigen Jungen unterschritten. Nichts anderes ergibt sich aus der neueren Quelle in der Augustausgabe der Monatsschrift Kinderheilkunde 2001, auf die sich der Beklagte in den seiner Klageerwiderung beigefügten Wachstumsdiagrammen stützt. Dem Beitrag von Kromeyer-Hauschild u.a. (Gerichtsakte Bl. 66 bis 77) lässt sich entnehmen, dass die Körpergröße der 3. Perzentile bei Jungen bei 167,85 cm und bei Mädchen bei 156,10 cm liegt. Die Körpergröße von 163 cm unterschreiten zwischen 10 und 50 % der Mädchen im Alter von 18 Jahren, die Körpergröße von 168 cm 3 % der Jungen im Alter von 18 Jahren. Dies hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt und erläutert, zu den von ihm in der Klageerwiderung verwandten - falschen - Angaben durch einen Link im Internet zu einer offenbar fehlerhaften Seite gelangt zu sein.

Somit steht zwar fest, dass durch die für beide Geschlechter unterschiedlich festgesetzten Mindestgrößen deutlich mehr Frauen als Männer als ungeeignet ausgeschlossen werden. Dennoch handelt es sich hierbei nicht um eine mittelbare Benachteiligung von Frauen im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG, weil dies durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Festsetzung der Mindestgröße zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist.

Grundsätzlich ist die Festsetzung von Mindestkörpergrößen bei Polizeibeamten sachlich gerechtfertigt, um eine störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zu gewährleisten. Vor dem Erlass vom 9. März 2006 ist es in den verschiedensten Bereichen bei der Polizeiausbildung und im operativen Einsatz zu Problemen bei unterdurchschnittlich kleinen Polizeibeamten beiderlei Geschlechts gekommen. Hierzu hat der Beklagte in der Klageerwiderung vom 20. August 2007 umfangreiche, detaillierte und überzeugende Ausführungen gemacht, auf die Bezug genommen wird. Derartige, größenbedingte Probleme lassen sich durch die Einführung von Mindestgrößen jedenfalls für den Polizeinachwuchs beheben. Dass es sich bei der störungsfreien Aufgabenwahrnehmung durch die Polizei um ein rechtmäßiges Ziel handelt, bedarf keiner weiteren Ausführungen.

Es ist darüber hinaus auch sachlich gerechtfertigt, die Mindestgrößen für weibliche und männliche Bewerber in einer Weise festzusetzen, die prozentual mehr Frauen ausschließt als Männer. Hätte der Beklagte die Mindestgrößen so gewählt, dass sie gleichermaßen jeweils von 3 % der Männer und von 3 % der Frauen unterschritten worden wären, hätte sich für weibliche Bewerber eine Körpergröße von ca. 156 cm ergeben. Diese Größe liegt deutlich unter dem niedrigsten Wert von 160 cm, den andere Bundesländer als Mindestgröße für weibliche Polizeibeamte festgesetzt haben, und hätte deshalb zur Einstellung weiblicher Polizisten geführt, die in einer Reihe von Bereichen zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung außer Stande gewesen wären. Hätte der Beklagte hingegen die Mindestgröße für Frauen auf 160 oder 163 cm festgesetzt und sich bei der Mindestgröße für Männer daran orientiert, dass sie vom gleichen Prozentsatz männlicher Bewerber unterschritten wird wie die 160 oder 163 cm von den weiblichen Bewerbern (etwa 10 % oder 20 %), hätte die Grenze für Männer bei ca. 174 oder 176 cm gelegen. Damit wären männliche Bewerber ausgeschlossen worden, die größer als 168 cm und damit - unstreitig - zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben in der Lage sind. Um wegen ihrer Größe ungeeignete weibliche Bewerber auszuschließen und andererseits die wegen ihrer Größe geeigneten männlichen Bewerber einzubeziehen, war es sachlich gerechtfertigt, prozentual mehr Frauen auszuschließen als Männer.

Die Festsetzung einer Mindestgröße von 163 cm für Frauen ist zur Erreichung einer störungsfreien Aufgabenwahrnehmung durch die Polizei erforderlich. Erforderlich in diesem Sinne ist ein Mittel dann, wenn das Ziel sonst nicht erreicht werden könnte,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Juli 2007 - 6 A 4680/04 -, www.nrwe.de, zum fast wortgleichen § 10 Satz 2 AGG.

Der Beklagte hat einerseits erkannt, dass unterdurchschnittlich kleine Polizeibeamte beiderlei Geschlechts Probleme bei der Bewältigung verschiedener polizeilicher Aufgaben haben; insoweit gab es Handlungsbedarf. Andererseits wurde in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass es eine wissenschaftlich gesicherte Datenbasis, die genaue (Mindest-)Größenangaben für die verschiedenen Verrichtungen enthält, derzeit noch nicht gibt. In dieser Situation hat man nach den Angaben des Regierungsmedizinaldirektors Dr. I2 einen Vergleich mit den von anderen Bundesländern und der Bundespolizei festgesetzten Mindestgrößen vorgenommen, bei denen die Mindestgröße für Frauen im Bereich zwischen 160 cm und 165 cm lag. Letztlich hat man sich an dem von der Bundespolizei gewählten Wert von 163 cm orientiert, der in etwa in der Mitte des Spektrums der von den übrigen Bundesländern gewählten Größen liegt. Diese Vorgehensweise erscheint sachgerecht. Da andere Kriterien zur Bemessung der Mindestgröße derzeit nicht zur Verfügung stehen, durfte sich der Beklagte auf die praktischen Erfahrungen anderer Bundesländer mit Mindestgrößen stützen und auf dieser Grundlage davon ausgehen, dass zur Behebung der größenbedingten Probleme bei weiblichen Bewerbern eine Mindestgröße von 163 cm erforderlich ist.

Soweit die Klägerin rügt, der Beklagte könne nicht einerseits vorgeben, sich bei Festsetzung der Mindestgrößen an den Notwendigkeiten polizeilicher Aufgabenwahrnehmung zu orientieren, andererseits aber für beide Geschlechter unterschiedliche Mindestgrößen vorsehen, dringt sie nicht durch. Mit dieser Argumentation kommt sie einem Anspruch auf Teilnahme am Auswahlverfahren nicht näher, da eine einheitliche Mindestgröße zwischen den für Frauen festgesetzten 163 cm und den für Männer festgesetzten 168 cm läge. Die 161 cm große Klägerin würde demnach hiervon nicht profitieren. Im übrigen hat die Beklagtenseite nachvollziehbar begründet, warum es nicht zu einer einheitlichen Mindestgröße kam: Sie hätte zu einem überproportional hohen Anteil an zugelassenen männlichen Bewerbern geführt.

Mit der Festsetzung der Mindestgröße von 163 cm für weibliche Bewerber geht der Beklagte schließlich nicht über das hinaus, was zur Erreichung einer störungsfreien Aufgabenwahrnehmung durch die Polizei angemessen ist. Einer möglichst störungsfreien Bewältigung polizeilicher Aufgaben kommt eine hohe Bedeutung zu, weil es dabei um die Abwehr von Gefahren für u.U. hochrangige Rechtsgüter wie Leib oder Leben geht. Eine Beschränkung auf Bewerber, die auf Grund ihrer Körpergröße die Gewähr bieten, den polizeilichen Notwendigkeiten gewachsen zu sein, steht hierzu nicht außer Verhältnis, zumal den ausgeschlossenen Bewerbern die Möglichkeit offen steht, sich anderen beruflichen Tätigkeiten zuzuwenden.

Beim Ausschluss der Klägerin vom Auswahlverfahren wegen ihrer Körpergröße handelt es sich somit nicht um eine mittelbare Benachteiligung wegen ihres Geschlechts gemäß §§ 1 und 3 Abs. 2 AGG.

Einer Zulassung der Klägerin zum Auswahlverfahren für das Jahr 2007 steht auch entgegen, dass sie infolge ihrer unzureichenden englischen Sprachkenntnisse für die Laufbahn des gehobenen Polizeivollzugsdienstes ungeeignet ist.

Hierauf stützt der Beklagte nunmehr seine ablehnende Entscheidung ausweislich der Äußerung seiner Vertreterin in der mündlichen Verhandlung ebenfalls. Das ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat von Anfang an sprachliche Defizite bei Klägerin gesehen (vgl. BA Heft 1, Bl. 3). Er hat die fehlende Eignung zwar nach dem Inhalt der Bescheide ausschließlich mit der fehlenden Körpergröße begründet. Das Ergänzen der Begründung ist aber möglich. Hinreichende englische Sprachkenntnisse sind der Eignung zuzurechnen. Diese ist Tatbestandsmerkmal für die Zulassung zum Auswahlverfahren. Fehlt die Eignung, ist der geltend gemachte Zulassungsanspruch nicht gegeben, und zwar unabhängig davon, ob sich die Behörde zur Verneinung dieses Tatbestandsmerkmals von Anfang an auf die nunmehr geltend gemachten Gründe gestützt hat.

Der Klägerin fehlen die erforderlichen Sprachkenntnisse. Wie bereits ausgeführt, ging sie in Polen zur Schule und hat dort lediglich vier Jahre Englischunterricht erhalten. Hinzu kamen zehn Monate Englischunterricht im Zuge einer kaufmännischen Ausbildung. Demgegenüber hat der Beklagte durch Erlass vom 9. März 2006 als Einstellungsvoraussetzung nachzuweisende Sprachkenntnisse in der EU-Amtssprache Englisch mit Level B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder sechs Jahre Englischunterricht ab Sekundarstufe I festgelegt. Da es sich bei dieser Sprachqualifikation - wie bei der Mindestgröße - um ein Eignungskriterium handelt, durfte der Beklagte es auf dem Erlasswege festsetzen. Auf die vorstehenden Ausführungen hierzu kann verwiesen werden.

Die Einstellungsvoraussetzung „englische Sprachkenntnisse" verstößt ebenso wenig wie die Mindestgröße gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Es ist bereits zweifelhaft, ob die fehlenden englischen Sprachkenntnisse eine Benachteiligung „aus Gründen der ethnischen Herkunft" im Sinne des § 1 AGG beinhalten, wie die Klägerin unter Berufung auf ihre polnische Herkunft vorträgt. Zwar trifft es zu, dass das polnische Schulsystem nicht in dem Maße englische Sprachkenntnisse vermittelt wie das deutsche. Dies ist aber eine Frage des Schulsystems und nicht der Ethnie. Maßgebend für den Begriff der Ethnie ist zudem die Wahrnehmung als „andere Gruppe" in Gebräuchen, Herkunft, Erscheinung, Hautfarbe, äußerem Erscheinungsbild oder Sprache,

vgl. Schleusener, a.a.O., § 1 Rn. 42.

Dass Deutsche polnischer Herkunft als „andere Gruppe" in diesem Sinne wahrgenommen werden, erscheint zumindest dann ausgeschlossen, wenn sie über gute deutsche Sprachkenntnisse verfügen und integriert sind. Auf die Situation insbesondere im Ruhrgebiet mit vielen polnischstämmigen Bürgern, die nicht als andere Gruppe wahrgenommen werden, sondern die Region prägen, kann verwiesen werden.

Letztlich kann aber offen bleiben, ob die polnische Herkunft der Klägerin als Ethnie zu sehen ist. Jedenfalls handelt es sich bei dem Erfordernis englischer Sprachkenntnisse für die Zulassung zum Auswahlverfahren nicht um eine - hier allein in Betracht kommende - mittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG. Diese Eignungsvoraussetzung ist nämlich durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Gute englische Sprachkenntnisse sind bei Polizeibeamten des gehobenen Dienstes notwendig, um mit nichtdeutschsprachigen Personen, mit denen sie dienstlich in Kontakt kommen, kommunizieren zu können. Die Beklagtenseite hat im Termin zur mündlichen Verhandlung ergänzend erläutert, im mittlerweile zusammengewachsenen Europa sei Englisch die verbreiteste Sprache. In Deutschland gebe es viele ausländische Gäste, insbesondere auch in Düsseldorf. Mit diesen könne man sich in der Regel auf Englisch am besten verständigen. Die internationale Verquickung werde immer größer, was ebenfalls die Notwendigkeit englischer Sprachkenntnisse begründe. Auch gebe es verstärkt internationale Einsätze der Polizei, die etwa gemeinsam mit holländischen oder belgischen Kollegen stattfänden, welche ebenfalls englischsprachig seien. Mithin ist es ein legitimes Ziel, Polizeibeamte mit guten Englischkenntnissen zu haben, damit diese ihren nur bei Beherrschung dieser Sprache lösbaren Aufgaben mit Auslandsbezug nachkommen können. Die mit Erlass vom 9. März 2006 aufgestellten Anforderungen an die Sprachkenntnisse - sechs Jahre Englischunterricht oder Level B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen - sind des weiteren erforderlich, da nur bei über einen längeren Zeitraum in der Schule erworbenen Sprachkenntnissen oder einem vergleichbaren Nachweis des „Levels B 1" eine hinreichende Vertiefung zu erreichen ist, die ein qualifiziertes Gespräch ermöglicht. Sie sind auch angemessen, da sie nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass jeder potenzielle Bewerber, der nicht über diese sprachliche Qualifikation verfügt wie etwa Personen mit Migrationshintergrund, die Möglichkeit hat, diese Kenntnisse noch zu erwerben.

Nach alledem durfte der Beklagte die fehlende Eignung der Klägerin für den gehobenen Polizeivollzugsdienst sowohl mangels Erreichen der Mindestgröße als auch wegen ihrer nicht hinreichenden Englischkenntnisse annehmen. Ihr steht deshalb kein Anspruch auf Teilnahme am Auswahlverfahren zur Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst für das Jahr 2007 zu.

Der hilfsweise gestellte Antrag, die Klägerin am Auswahlverfahren für spätere, nach dem 1. September 2007 liegende Einstellungszeitpunkte teilnehmen zu lassen, hat ebenfalls keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig, weil es sich dabei um vorbeugenden Rechtsschutz gegen einen erwarteten, ablehnenden Verwaltungsakt handelt,

vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage, Rn. 33 vor § 40.

Hintergrund des Hilfsantrages war, dass die Klägerin erwog, vor einem künftigen Einstellungsverfahren die erforderlichen englischen Sprachkenntnisse zu erwerben, sodass es nur noch auf die Frage der erforderlichen Mindestgröße ankäme. Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Klage besteht derzeit schon deshalb nicht, weil offen ist, ob die Klägerin die Sprachqualifikation überhaupt erwerben wird. Aus diesem Grund kam auch die Umdeutung des Hilfsantrages in einen Antrag nach § 43 Abs. 1 VwGO nicht in Betracht, der auf die Feststellung gerichtet wäre, eine Teilnahme der Klägerin an künftigen Einstellungsverfahren nicht wegen Unterschreitung der körperlichen Mindestgröße abzulehnen. Die isolierte Klärung einer solchen Rechtsfrage wäre nicht feststellungsfähig,

vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rn. 13.

Überdies ergibt sich die fehlende Zulässigkeit des Hilfsantrages auch aus dem Fehlen eines Vorverfahrens (vgl. § 126 Abs. 3 BRRG, §§ 68 ff. VwGO), weil die Klägerin dieses Anliegen erstmalig im Verhandlungstermin geäußert und sich außerhalb des gerichtlichen Verfahrens nicht mit einem entsprechenden Anliegen an den Beklagten gewandt hat. Dieser hat hierüber demgemäß bislang weder erstmalig noch in Form eines Widerspruchsbescheides entschieden.

Darüber hinaus wäre ein solcher Antrag auch in der Sache ohne Erfolg, weil die Klägerin jedenfalls wegen Unterschreitung der vom Beklagten festgesetzten Mindestgröße für den Polizeivollzugsdienst ungeeignet ist. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Das Gericht lässt die Berufung nicht gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zu, weil es die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht für gegeben erachtet. Insbesondere kommt dem Verfahren keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Entscheidung nicht allein auf die Unterschreitung der körperlichen Mindestgröße gestützt und diese Frage daher nicht entscheidungserheblich ist.