LG Köln, Urteil vom 04.07.2007 - 23 O 367/04
Fundstelle
openJur 2011, 53881
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.797,28 € nebst Zinsen in Höhe von

5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.7.2005 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Ziffer 1.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Gruppenversicherung zu den M-Tarifen in der Fassung seit der Änderung im Jahre 1993 nicht Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsverhältnisses ist und die Beklagte verpflichtet ist, Psychotherapie im tariflichen Umfang nach einem Erstattungssatz von 100 % zu erstatten.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 3/10 und die Beklagte zu 7/10.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger unterhält seit dem 1.8.1988 bei der Beklagten im Rahmen einer Gruppenversicherung mit dem Frankfurter Anwaltverein e.V. (vgl. Gruppenversicherungsvertrag, Bl. 236 ff. GA) eine Krankheitskostenversicherung u. a. zu dem Tarif AM4 (vgl. Tarifbedingungen, BL. 240 ff. GA) mit einem anfänglich vereinbarten Selbstbehalt in Höhe von 2400 DM. Gemäß § 6 Abs. 6 AVB-G der bei Vertragsschluss einbezogenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Gruppenversicherung für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (AVB-G; Stand: 11/88, vgl. Bl. 244 ff. GA) wird

"bei ambulanter und bei stationärer Psychotherapie nur geleistet, wenn und soweit der Versicherer vor der Behandlung eine schriftliche Zusage gegeben hat."

Diese Regelung ist später inhaltsgleich in § 6 Abs. 7 AVB-G übernommen worden. Die Beklagte hatte aus dieser Bestimmung in der Vergangenheit das Recht abgeleitet, die Versicherungsleistung unabhängig von der erforderlichen Anzahl der Sitzungen der Höhe nach auf 75 % zu begrenzen (vgl. hierzu Bl. 57). In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Gruppenversicherung für die Krankheitskostenversicherung nach den M-Tarifen, welche auch die Tarife AM0 bis 4, regeln (vgl. Tarifbedingungen Stand: 11/86, Bl. 240 ff. GA) und in den Vertrag einbezogen worden sind, ist folgende Regelung enthalten:

"1. Tarif AM 0 bis AM 4: Ambulante Heilbehandlung

Erstattungsfähig sind Aufwendungen für

ärztliche Leistungen ... .

Aufwendungen werden

zu 100 %

ersetzt, soweit sie eine vorgesehene Selbstbeteiligung

übersteigen. ...."

Im Jahr 1992 beantragte die Beklagte beim Bundesaufsichtsamt eine Tarifänderung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Gruppenversicherung für die Krankheitskostenversicherung nach den M-Tarifen. Gemäß Ziffer 1.1 der geänderten Tarifbedingungen sollten Aufwendungen für Psychotherapien nunmehr bis zur 30. Sitzung zu 100 %, von der 31. bis zur 60. Sitzung zu 80 % und ab der 61. Sitzung zu 70 % erstattungsfähig sein. Das Bundesaufsichtsamt erhob hiergegen zunächst Bedenken woraufhin die Beklagte sodann auf ihre bisherige Regulierungspraxis verwies. Sie verwies darauf, dass die Kurzzeittherapie (40 bis 100 Sitzungen) den Großteil der Psychotherapien ausmache und sich die Vertragsänderung erst ab der 241. Sitzung zum Nachteil des Versicherungsnehmers auswirke. Im Hinblick auf die bisherige Regulierungspraxis sicherte sie durch eine geschäftsplanmäßige Erklärung zu, auch über 240 Sitzungen hinaus 75 % der Tarifregelungen zur GOÄ zu erstatten (vgl. Schreiben, Bl. 76 GA). Daraufhin genehmigte das Bundesaufsichtsamt am 27.1.1993 die Tarifänderungen (vgl. Bl. 66 ff. GA).

Der Selbstbehalt des Tarifes AM4 wurde mit Wirkung zum 1.1.1992 auf 2.700 DM, mit Wirkung zum 1.1.1994 auf 3.000 DM, mit Wirkung zum 1.1.1999 auf 3.300 DM, mit Wirkung zum 1.1.2001 auf 1.800 € und mit Wirkung zum 1.1.2003 auf 2.000 € angehoben. Mit Schreiben vom 27.10.2000 (Bl. 354 GA) und vom 15.11.2002 (Bl. 355 GA) informierte die Beklagte den Frankfurter Anwaltverein e.V. über die anstehenden Tarifänderungen in 2001 und 2003.

Seit 2002 ist der Kläger in psychotherapeutischer Behandlung. Er beantragte mit Schreiben vom 2.5.2002 die Kostenübernahme bei der Beklagten. Die Beklagte sagte mit Schreiben vom 9.8.2002 (vgl. Bl. 36 GA) die tarifmäßige Kostenerstattung für 160 Sitzungen unter Berücksichtigung des vereinbarten Selbstbehalts zu. Sie erweiterte diese Zusage mit Schreiben vom 13.1.2004 (vgl. Bl. 41 GA) auf 240 Sitzungen und mit Schreiben vom 1.09.2004 (vgl. Bl. 43 GA) auf 300 Sitzungen, wobei eine Erstattung in Höhe von 75 % ab der 241. Behandlung angekündigt wurde. Bei der Regulierung seitens der Beklagten wurde ein Selbstbehalt in Höhe von 2.000,00 € zugrunde gelegt.

Mit der Klage begehrt der Kläger, nachdem er die Klage mehrfach umgestellt und erweitert hatte, die Feststellung, dass die Beklagte im Hinblick auf vergangene und zukünftige Behandlungen zu 100 % eintrittspflichtig ist und die Tarifänderung 1993 unwirksam ist. Zudem möchte er festgestellt wissen, dass der vereinbarte Selbstbehalt 2.400 DM (= 1.227,10 €) beträgt. Hilfsweise begehrt er mit dem Zahlungsantrag gemäß der Aufstellung Bl. 268 GA für die bis Ende 2004 erfolgten 294 Stunden psychoanalytischer Behandlung Kostenerstattung auf der Basis eines 100 %-tigen Erstattungssatzes als auch eines Selbstbehaltes in Höhe von 2.400 DM sowie die Feststellung der 100 %-tigen Leistungsverpflichtung ab dem 1.1.2005.

Der Kläger ist der Ansicht, § 6 Abs. 6 bzw. Abs. 7 der von der Beklagten vorgelegten AVB-G könne nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Beklagte nach ihrem Ermessen Höhe und Umfang ihrer Leistungszusage beliebig einschränken dürfe, so dass es nicht darauf ankomme, ob die Regelung bereits 1988 wirksam in den Vertrag einbezogen worden sei. Nach den ursprünglich vereinbarten Tarifbedingungen sei die Beklagte zu 100 % eintrittspflichtig. Im übrigen seien die von der Beklagten vorgelegten AVB-G (Bl. 85 ff. GA) und die Änderung des Tarifs AM4 nicht Vertragsbestandteil geworden. Er behauptet, Informationen über eine Vertragsänderung habe er nie erhalten. Er bestreitet, dass die Voraussetzungen für die Erhöhung des Selbstbehaltes zum 1.1.2003 vorgelegen hätten.

Er beantragt zuletzt,

festzustellen, dass die im Jahre 1993 erfolgte Änderung des Tarifs AM4 unwirksam ist und die Beklagte dem Kläger deshalb die vergangenen und künftigen Kosten psychotherapeutischer Behandlungen zu 100 % abzüglich Selbstbehalt zu erstatten hat,

Hilfsweise:

1 a) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.230,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Klageerhebung (höchst hilfsweise: ab Zustellung dieses Schriftsatzes) zu zahlen,

1 b) festzustellen, dass die im Jahre 1993 erfolgte Änderung des Tarifs AM4 unwirksam ist und die Beklagte dem Kläger deshalb auch für die Zeit ab 1.1.2005 die vergangenen und künftigen Kosten psychotherapeutischer Behandlungen zu 100 % abzüglich Selbstbehalt zu erstatten hat,

festzustellen, dass der zwischen den Parteien maßgebliche Selbstbehalt des Klägers für ambulante Behandlungen 2.400 DM bzw. 1.227,10 € beträgt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Feststellungsantrag zu 1. sei unzulässig. Die geänderten Tarifbedingungen hätten lediglich deklaratorische Funktion, so dass es auf die wirksame Einbeziehung der Tarifänderung in den Vertrag nicht ankomme. Sie sei bereits aufgrund der Regelung des § 6 Abs. 7 AVB-G berechtigt, eine nach Höhe und/oder Umfang begrenzte Leistungszusage zu erteilen. Dies gehe aus der Formulierung "wenn und soweit der Versicherer vor der Behandlung eine schriftliche Zusage gegeben hat" hervor. Eine solche Begrenzung sei vor dem Hintergrund der jüngst zu die Psychotherapie-Klauseln ergangenen Rechtsprechung wirksam. Hilfsweise trägt die Beklagte vor, die Tarifänderung sei wirksam in den bestehenden Gruppenversicherungsvertrag einbezogen worden. Die Versicherten, demnach auch der Kläger, seien mit Rundschreiben im März 1993 (Bl. 77 f. GA) und zusätzlich mit der Jahresmitteilung 1993 (Bl. 79 f. GA) informiert worden. Sie ist im übrigen der Ansicht, auf die Information der Versicherten käme es im Rahmen der Gruppenversicherung nicht an. Gemäß § 2 des Gruppenversicherungsvertrages würden die aktuellen AVB und Tarifbedingungen jeweils automatisch kraft einvernehmlicher vertraglicher Vereinbarung einbezogen. Die Anpassung des Selbstbehaltes zum 1.3.2003 sei wirksam, da die Voraussetzungen der Anpassung eines betragsmäßig festgelegten Selbstbehalts entsprechend den Voraussetzungen einer Prämienanpassung vorgelegen hätten. Dazu trägt sie weiter vor. Bezüglich der vorangegangenen Erhöhungen beruft sie sich auf Verwirkung und Verjährung. Hinsichtlich des hilfsweise erhobenen Zahlungsantrages trägt sie unter Bezugnahme aller Leistungsabrechnungen (Bl. 287 ff. GA) in dem zugrundeliegenden Zeitraum vor, dass lediglich ein Betrag in Höhe von insgesamt 7.302,28 € ausgenommen worden sei.

Wegen des weiteren Parteivorbringens im einzelnen, insbesondere soweit es für die Entscheidungsgründe nicht wesentlich im Sinne des § 313 Abs. 2 ZPO ist, wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen Bezug genommen.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 20.1.2005 (Bl. 224 f. GA) Hinweise erteilt. Weiterhin hat sie mit Beschluss vom 4.10.2006 (Bl. 343 f. GA) Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Werner Stegemann vom 24.1.2007 (Bl. 361 ff. GA) verwiesen.

Gründe

Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Die Klage hat in den Hauptanträgen keinen Erfolg und war daher insoweit abzuweisen. Der Hauptantrag zu 1) ist bereits unzulässig. Der Hauptantrag zu 2) ist zumindest unbegründet. Im Hilfsantrag zu 1a) ist die Klage in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang dagegen zumindest teilweise begründet. Der Hilfsantrag zu 1b) ist in vollem Umfang begründet.

Hinsichtlich des mit Antrag zu 1) geltend gemachten Hauptantrages ist die Klage, wie die Kammer bereits mit Beschluss vom 20.1.2005 hingewiesen hatte, unzulässig. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen im Beschluss Bezug genommen, an denen die Kammer festhält.

Der für den Fall der Abweisung der Klage im Hauptantrag zu 1) zulässigerweise gestellte Hilfsantrag zu 1a) ist teilweise begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsverhältnis ein Anspruch auf Erstattung weiterer Behandlungskosten aus den streitgegenständlichen Behandlungen bis Ende 2004 in Höhe von insgesamt 6.797,28 € zu.

Nach den im streitgegenständlichen Versicherungsverhältnis maßgeblichen Vereinbarungen ist die Beklagte entgegen ihrer Auffassung verpflichtet, die Aufwendungen des Klägers für ambulante psychotherapeutische ärztliche Leistungen zu 100 % zu erstatten.

Die Anspruchsgrundlage ergibt sich aus §§ 3, 6 (1) des Gruppenversicherungsvertrages (vgl. Bl. 244 ff. GA) in Verbindung mit Ziffer 1 der AVB der Gruppenversicherung für die Krankheitskostenversicherung nach den M-Tarifen (vgl. Bl. 240 ff GA) in der Fassung 11/86, die einen Erstattungssatz für ärztliche ambulante Heilbehandlungen in Höhe von 100 % vorsehen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die geänderte Fassung der Ziffer 1.1. der AVB der Gruppenversicherung für die Krankheitskostenversicherung nach den M-Tarifen in der Fassung der Änderung im Jahre 1993 nicht Gegenstand des zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrages geworden.

Soweit die Beklagte insoweit der Auffassung ist, dass es sich bei der Tarifänderung 1993 nicht um eine Tarifänderung handle , sondern lediglich um eine deklaratorische Klarstellung, so dass sie an die strengen Voraussetzungen, die an eine nachträglich nachteilige Veränderung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen gestellt werden, nicht gebunden sei, folgt dem die Kammer nicht. Dem steht bereits entgegen, dass die Beklagte ein förmliches Genehmigungsverfahren durchgeführt hatte, mit dem sie die Genehmigung der Änderung der M-Tarife beantragt hat und in ihrem Schreiben vom 4.6.1992 (Bl. 49 GA) selbst als Rechtsgrundlage auf § 18 der AVB-G, Teil I abgestellt hat.

Die streitgegenständlich geänderte Ziffer 1.1. ist jedoch nicht gemäß § 18 der AVB-G zum Vertragsinhalt geworden. Denn diese Vorschrift, die ihrem Wortlaut nach eine einseitige Änderung der Vertragsbedingungen ermöglicht, verstößt ihrerseits gegen das sich aus § 307 BGB ergebende Transparenzgebot und ist damit unwirksam. Hiernach ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass die jeweilige Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit wie möglich erkennen lassen muss. Diesen Anforderungen wird § 18 AVB-G nicht gerecht. Denn diese Vorschrift ermöglicht eine uferlose Einschränkung der Leistungspflicht der Beklagten, indem sie sämtliche Bestimmungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Gruppenversicherung, welche in Teil II auch die Regelungen zu den einzelnen Tarifen umfassen, und somit sämtliche Bestimmungen über Versicherungsschutz und Pflichten des Versicherungsnehmers dem Änderungsvorbehalt unterwirft. Im Falle der Wirksamkeit der Änderungsklausel wäre die Beklagte damit in die Lage versetzt, ihr ursprüngliches Leistungsversprechen nachträglich einseitig zum Nachteil der Versicherten zurückzunehmen, ohne dass die Versicherten Umfang und Grenzen dieser Beschränkungsmöglichkeiten hätten erkennen können. Hierin liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB (vgl. auch LG Berlin, rus 2001, 80f.; OLG Celle, VersR 2006, 1105 ff.).

Im übrigen liegen aber auch die weiteren Voraussetzungen des § 18 AVB-G nicht vor. Nach § 18 Abs. 2 AVB setzt die Wirksamkeit der Änderung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen die Benachrichtigung der Versicherten voraus. Nach Auffassung der Kammer ergibt aber die Auslegung dieser Bestimmung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Gruppenversicherungsvertrages, dass diese dann sowohl gegenüber dem Versicherungsnehmer des Gruppenversicherungsvertrages, hier dem Frankfurter Anwaltsverein e.V., zu erfolgen hat, als auch gegenüber den einzelnen versicherten Personen. Die Beklagte hat jedoch trotz Hinweises der Kammer mit Beschluss vom 20.1.2005 weder schlüssig vorgetragen noch bewiesen, dass zum einen der Kläger über die Tarifänderung durch Schreiben im März 1993 benachrichtig worden ist, als auch dass eine Benachrichtigung gegenüber dem Anwaltsverein erfolgt ist. Soweit sie meint, dass die geänderten Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Gruppenversicherungsvertrages dem Anwaltsverein als Versicherungsnehmer nicht mitgeteilt zu werden brauchen, da diese dem Vertrag nach den Regelungen des § 2 des Gruppenversicherungsvertrages sowie in der jeweils aktuellen Fassung zugrunde liegen, ergibt sich dies aus der zitierten Bestimmung nach Auffassung der Kammer nicht. Zumal die Beklagte von dessen grundsätzlichem Benachrichtigungsbedürfnis selbst auszugehen scheint, wie sich den Schreiben im Rahmen der streitgegenständlichen Beitragsanpassungen entnehmen lässt.

Letztlich kann auch dahinstehen, ob eine Heilung der mangelnden Zustellung an den Beklagten im Jahre 1993 im Rahmen des hiesigen Verfahrens erfolgt ist, da zumindest eine Benachrichtigung des Frankfurter Anwaltsvereins e.V. als Versicherungsnehmer nicht erkennbar ist.

Eine vertragliche Beschränkung der Leistungsverpflichtung der Beklagten hinsichtlich der streitgegenständlichen psychotherapeutischen Behandlungen ergibt sich indem von der Beklagten zugrundegelegten Maßstab auch nicht aus § 6 (6) AVB-G Teil I. Diese Vorschrift verstößt, wie die Kammer im Beschluss vom 20.1.2005 bereits hingewiesen hat, ebenfalls gegen § 307 BGB und das darin normierte Transparenzgebot.

Zwar folgt dies nicht bereits daraus, dass die Leistungen des Versicherers also der Ersatz von Aufwendungen für psychotherapeutische Behandlungen grundsätzlich von einer Zusage vor Behandlungsbeginn abhängig gemacht wird. Denn dies muss der durchschnittliche Versicherungsnehmer so verstehen, dass er ohne Zusage keinen Versicherungsschutz für die genannten Behandlungen gibt. Der Anspruch auf Versicherungsschutz ist also zunächst ausgeschlossen und wird erst durch die Zusage begründet.

Allerdings ist der Klausel nicht unmittelbar zu entnehmen, zu welchen Bedingungen der Versicherer die Zusage erteilen darf. Dies kann auch nicht aus dem Sinnzusammenhang mit dem übrigen Regelwerk und ihrem auch dem Versicherungsnehmer erkennbaren Sinn und Zweck in ausreichendem Maße entnommen werden. Zwar kann der Versicherungsnehmer aufgrund der übrigen Regelungen ausreichend erkennen, dass sich der Versicherer zunächst hinsichtlich der allgemeinen Leistungsvoraussetzungen (vgl. § 3 (1) AVB-G, Teil I) eine Prüfungsmöglichkeit vor Beginn der Heilbehandlung sichern will, wenn er regelt, dass er nur leistet, "wenn" er eine schriftliche Zusage gegeben hat. Durch die weitere Regelung, dass eine Leistungsverpflichtung darüber hinaus auch nur besteht "soweit" er die Zusage erteilt, schränkt er seine Leistungsverpflichtung aber weiter ein, ohne dass diese weitere Einschränkung für den Versicherungsnehmer ausreichend erkennbar wird. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer erkennt zwar, anhand der Formulierung, dass die Erstattungspflicht auch dem Umfang nach noch begrenzt werden soll. Allerdings ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, wie diese Begrenzung aussehen kann. Diese ergeben sich im vorliegenden Fall auch nicht aus den weiteren in der Vertrag einbezogenen Regelungswerken. Insbesondere folgt aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Gruppenversicherung für die Krankheitskostenversicherung nach den M-Tarifen in der alten Fassung in Ziffer 1, dass bei ambulanter Heilbehandlung, wozu grundsätzlich auch die psychotherapeutische Behandlung zu zählen ist, was bereits grundsätzlich aus der Systematik der § 3 (1) AVB-G a.F. und § 6 (6) AVB-G a.F. folgt, Aufwendungen für ärztliche Leistungen zu 100 % erstattet werden. Gerade daraus ergeben sich also keinerlei nähere Anhaltspunkte dafür in welchem Umfang die Zusage beschränkt werden könnte. Auch Sinn und Zweck der Regelung in § 6 (6) AVB-G, Teil I a.F. geben keinen näheren Anhalt. Im übrigen kann es entgegen der Ansicht der Beklagten insoweit aber auch nicht auf eine etwaigig bestehende Regulierungspraxis ankommen, da diese dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss in der Regel nicht bekannt ist.

Entgegen der Ansicht des Klägers waren bei der Berechnung des Erstattungsanspruches Erstattungen von Differenzbeträgen auf der Grundlage des bei Vertragsbeginn zunächst vereinbarten Selbstbehaltes in Höhe von 2.400 DM (= 1.227,10 €) dagegen nicht zu berücksichtigen.

Zum einen ist dem Kläger, wie die Beklagte zu Recht geltend macht, ein Berufen auf die Unwirksamkeit der Selbstbehaltserhöhungen im Rahmen der Beitragsanpassungen im Tarif AM4 zum 1.1.1992, 1.1.1994 und zum 1.1.1999 und 1.1.2001 nach Treu und Glauben zum Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung mit Schriftsatz vom 22.10.2004 (Bl. 89 ff. GA), zugestellt am 16.11.2004, aus Verwirkungsgrundsätzen ausgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war bereits eine derart lange Zeit vergangen, dass die Beklagte nicht mehr damit rechnen musste, dass der Kläger etwaige Rechte aus den jeweiligen Selbstbehaltserhöhungen gegen sie gelten machen würde.

Hinsichtlich der Selbstbehaltserhöhhung zum 1.1.2003 steht zudem nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Selbstbehaltanpassung wirksam ist.

Die Anpassung ist nach aktuariellen Grundsätzen als mit den bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang stehend anzusehen.

Die Prämienkalkulation in der privaten Krankenversicherung unterliegt strengen Vorgaben, die zur Wahrung der Belange der Versicherten und auch im öffentlichen Interesse sicherstellen sollen, dass die Versicherungsprämie in einer Weise kalkuliert wird, die zum einen die dauernde Erfüllbarkeit der vom Versicherer versprochenen Leistungen gewährleistet und zum anderen spätere Prämiensteigerungen ausschließt, soweit sie nicht auf vom Versicherer nicht beeinflussbaren Gründen beruhen, wie etwa einer Erhöhung des Schadensbedarfs ( vgl. BGH VersR 2004, 991). Grundlage einer zutreffenden Prämienberechnung ist dabei insbesondere die Kalkulationsverordnung (KalV). Diese enthält nähere Bestimmungen zur Ermittlung der nicht nur vorübergehenden Erhöhung des Schadensbedarfs, die nach § 178 g Abs. 2 VVG Voraussetzung für eine Berechtigung zur Prämienanpassung ist.

Hieran gemessen ist der von der Kammer beauftragte Sachverständige Stegemann zu dem überzeugenden Ergebnis gekommen, dass hinsichtlich des vorliegenden Versicherungsverhältnisses die Berechnungsgrundlagen der zum 1.1.2003 neu festgesetzten Prämien des streitgegenständlichen Tarifs AM4, Männer, sowie des neuen Selbstbehaltes zutreffend und vollständig von der Beklagten festgestellt wurden unter Berücksichtigung der versicherungsmathematischen Grundlagen zur Prämienkalkulation nach den §§ 178g VVG, 12 ff. VAG i.V.m. der KalV.

Das Gutachten des Sachverständigen Stegemann überzeugt. Er hat die dem damaligen Treuhänder von der Beklagten vorgelegten Unterlagen gewürdigt und umfassend und sorgfältig ausgewertet. Auf dieser umfassenden Tatsachengrundlage hat er eine abgewogene und nachvollziehbare Beurteilung dahingehend, ob die Anpassungsvoraussetzungen jeweils gegeben waren, abgegeben. Er hat auch die von der Beklagten vorgenommenen Neuberechnungen der Prämie nach aktuariellen Grundsätzen dahingehend überprüft, ob diese mit den bestehenden Rechtsvorschriften und den vertraglichen Bestimmungen in Einklang stehen. Dabei hat er sowohl den jeweiligen Anpassungsfaktor überprüft als auch die Limitierungsmaßnahmen. Insbesondere hat er herausgestellt, dass die Ursache für die zum 1.1.2003 deutlich über der Steigerung des Verbraucherindex liegenden Erhöhung nicht in einer Verfahrensänderung zur Herleitung der aktualisierten Rechnungsgrundlagen zu sehen sei und es sich auch in diesem Zeitraum bei der durchgeführten Beitragsanpassung nicht um eine Nachholung einer unzureichenden Kalkulation im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 4 VAG gehandelt habe. Die Darstellungen des Sachverständigen waren uneingeschränkt nachvollziehbar und einsichtig.

Auch die übrigen Voraussetzungen des § 178 g IV VVG sind vorliegend erfüllt. Mit Vorlage des Schreibens vom 15.11.2002 (Bl. 355 GA) an den Frankfurter Anwaltsverein e.V. hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte ausreichend vorgetragen, dass der Anwaltsverein als Versicherungsnehmer der Tarife des Gruppenversicherungsvertrages auch hinreichend über die Anpassungen informiert worden ist. Soweit der Beklagte sich darauf beruft, dass er keine gesonderte Information erhalten habe, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Selbstbehaltanpassung ihm gegenüber. In den AVB-G findet sich keine über § 178 g IV VVG hinausgehende Regelung dahingehend, dass die versicherten Personen der Gruppenversicherungstarife in besonderer Form zu benachrichtigen wären. Der Kläger hat zudem nach eigenem Vortrag zumindest ab dem Jahre 2002 Kenntnis von der Erhöhung, durch die von der Beklagten erteilten Leistungsabrechnungen gehabt. Soweit er einwendet, dass er daraus die Höhe des Selbstbehaltes nicht habe erkennen können, ist dies zum einen nicht nachvollziehbar. Im übrigen sind sie ihm in ausreichendem Maße im laufenden Verfahren ebenfalls bekannt gegeben worden. Ein Berufen auf eine etwaige vorangegangene mangelhafte Benachrichtigung scheidet daher spätestens zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aus.

Die Höhe des Erstattungsanspruches richtet sich nach alle dem nach den offenen Beträgen hinsichtlich der streitgegenständlichen psychotherapeutischen Behandlungen auf der Grundlage eines 100 %-tigen Erstattungssatzes, welche durch die Beklagte noch nicht reguliert worden sind. Dabei ist auf die von der Beklagten vorgelegten Leistungsabrechnungen (Bl. 287 ff. GA) abzustellen. Soweit der Kläger weitergehende Ansprüche im Schriftsatz vom 31.1.2005 berechnet, beruhen diese auf bloßen Hochrechnungen, gegen die die Beklagte sich jedoch durch Vorlage ihrer Leistungsabrechnungen substantiiert gewandt hat. Dagegen hat der Kläger nicht weiter vorgetragen.

Aus den Leistungsabrechnungen ergeben sind folgende noch nicht regulierte Behandlungskosten für psychotherapeutische Behandlungen bis Ende 2004, welche insgesamt den aus dem Tenor ersichtlichen Betrag zugesprochenen Anspruch in Höhe von 6.797,28 € ausmachen:

7.11.2002 (Bl. 291 GA): 166,50 €

25.2.2003 (Bl. 294 GA): 416,25 €

17.9.2003 (Bl. 299 GA): 1.248,75 €

9.2.2004 (Bl. 302 GA): 1.609,50 €

18.5.2004 (Bl. 307 GA): 971,25 €

7.10.2004 (Bl. 309 GA): 1.110,00 €

4.3.2005 (Bl. 311 GA): 740,16 €

21.4.2005 (Bl. 313 GA): 534,87 €

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insgesamt 6.797,28 €

Der Zinsanspruch folgt insoweit aus §§ 288, 291 BGB.

Der nach Auslegung auf Feststellung, dass die Ziffer 1.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Gruppenversicherung zu den M-Tarifen in der Fassung seit der Änderung im Jahre 1993 nicht Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsverhältnisses ist und die Beklagte verpflichtet ist, Psychotherapie tarifgemäß nach einem Erstattungssatz von 100 % zu erstatten, gerichtete Hilfsantrag zu 1b) ist, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, zudem zulässig und begründet.

Der als Hauptantrag zu 2) erhobene Feststellungsantrag hinsichtlich der Fortgeltung des anfänglich vereinbarten Selbstbehaltes in Höhe von 1.227,10 € ist dagegen, wie bereits ausgeführt, zumindest unbegründet, so dass eine Entscheidung hinsichtlich der Zulässigkeit offen bleiben konnte. Die Anpassung des Selbstbehaltes zum 1.1.2003 ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aktuariell ordnungsgemäß erfolgt und im übrigen formell wirksam durchgeführt worden. Einwendungen gegen die angegriffenen vorangegangenen Anpassungen, sind - wie bereits dargelegt - ausgeschlossen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 92 Abs. 1 ZPO, hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.

Streitwert: 13.935,64 € (Hauptantrag zu 1) und Hilfsanträge insgesamt 11.230,49 €

[8.230,49 € + 3.000 € geschätzt] gemäß § 45 GKG Abs. 1,

Satz 3; Hauptantrag zu 2): 2.705,15 € [772, 90 € (Differenz

Selbstbehaltserhöhung 2000 € - 1.227,10 €) x 3,5 ])