LG Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2008 - 21 S 171/07
Fundstelle
openJur 2011, 53811
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.03.2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts O - 85 C ......#/......- teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 15.03.2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts O - 85 C ......#/......- wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist für die Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin ist die Kfz-Haftpflichtversicherung eines Herrn L2 aus L4. Am 09.08.2003 kam es zu einem Verkehrsunfall zwischen dem Kraftfahrzeug dieses Versicherungsnehmers der Klägerin und dem Pkw Audi A 4 Kombi 1.9 TDI mit dem amtlichen Kennzeichen xxx, welcher im Eigentum der E GmbH stand und von der L GmbH gehalten wurde. Der Versicherungsnehmer der Klägerin haftete zu 75 % für die Unfallschäden am gegnerischen Fahrzeug.

Die Firma L beauftragte die Beklagten, die ein Kfz-Sachverständigenbüro betreiben, mit der Erstattung eines Schadensgutachtens des von ihnen geleasten Fahrzeugs.

Die Beklagten erstellten am 14.08.2003 ein schriftliches Gutachten, in dem sie unter anderem ausführen, dass der Restwert dieses Pkw 3.500,-- Euro inklusive Mehrwertsteuer beträgt.

Die Verwertung des beschädigten Pkw erfolgte durch die Agrarhandel Korn I sodann zum Preis von 3.500,-- Euro brutto, bevor die Klägerin höhere Gebote anbringen konnte.

Die Klägerin behauptet, für den Pkw sei ein Restwert von 9.000,-- Euro brutto erzielbar gewesen. Die Klägerin errechnet einen Schaden von 4.741,-- Euro, nämlich die Differenz zwischen dem tatsächlich erzielten Restwert und dem erzielbaren Restwert. Hierfür verlangt sie von den Beklagten, entsprechend der Haftungsquote 75 %. Dies ergibt einen Betrag von 3.962,92 Euro. Zusätzlich verlangt sie als Schadensersatz 407,17 Euro für ein vorprozessual eingeholtes Gutachten.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagten seien schadensersatzpflichtig, weil sie den zu erzielenden Restwert nicht sorgfältig ermittelt hätten. Der Pkw hätte ohne besondere Anstrengungen auf dem regional allgemein zugänglichen Markt zu einem Preis von 9.000,-- Euro brutto veräußert werden können. Die Beklagten hätten bei der Wertermittlung auch die Online-Restwertbörsen nutzen müssen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an sie 3.962,92 Euro nebst Zinsen in

Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

seit dem 16.07.2004 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, eine Einbeziehung der Online-Restwertbörsen sei nicht erforderlich gewesen. Sie hätten das Angebot eines regionalen und zweier lokaler Restwertaufkäufer eingeholt, welche sich sämtlich auf 3.500,-- Euro belaufen hätten.

Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. Q vom 11.04.2006 sowie dessen mündliche Ergänzung und Erläuterung vom 22.07.2007 Bezug genommen (Bl. 234-253 und 317-319 GA).

Durch Urteil vom 15.03.2007, auf das hiermit zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht O die Beklagten zur Zahlung von 1.563,25 Euro nebst Zinsen verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien innerhalb der Frist des § 517 BGB Berufung eingelegt und diese jeweils auch rechtzeitig begründet.

Die Parteien wiederholen und vertiefen im wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagten und Berufungskläger beantragen,

unter Abänderung des am 15.03.2007 verkündeten Urteils des

Amtsgerichts O, Aktenzeichen 85 C ......#/......; die Klage

abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt ihrerseits,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts O vom 15.03.

2007 (85 C ......#/......) die Beklagten als Gesamtschuldner zu

verurteilen, über die bereits ausgeurteilten 1.562,25 Euro nebst

Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

seit dem 10.05.2005 hinaus weitere 2.400,67 Euro nebst Zinsen

in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem

10.05.2005 (also insgesamt 3.962,92 Euro nebst Zinsen in Höhe

von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.05.2005)

zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat die Berufung der Beklagten Erfolg.

1.

Auch die Beklagten ziehen nicht in Zweifel, dass sie der Klägerin, auch wenn sie mir ihr selbst keinen Vertrag abgeschlossen haben, grundsätzlich zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet sein können. Vorliegend kommen die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zur Anwendung (vgl. Palandt, H, 66. Auflage, § 328 BGB, Rdnr. 34; OLG D, Schadenpraxis 2006, 434 ff.).

2.

Die Kammer teilt die Auffassung der Beklagten, dass diesen bei der Ermittlung des Restwertes des in Rede stehenden Pkw Audi A 4 nicht der Vorwurf einer schuldhaften Pflichtverletzung gemacht werden kann. Dementsprechend kann auch aus den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter kein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegenüber den Beklagten bestehen.

a)

Die Kammer ist zunächst der Auffassung, dass ein Sachverständiger bei der Ermittlung eines Restwertes eines beschädigten Kraftfahrzeuges sogenannte Online-Angebote nicht zu berücksichtigen hat.

Der vom Unfallbeteiligten beauftragte Sachverständige hat einen Restwert des zerstörten Fahrzeuges zu ermitteln und dabei die dem Geschädigten obliegenden Pflichten zu beachten. Er muss dabei grundsätzlich nur Verkaufsmöglichkeiten einbeziehen, die auch vom Fahrzeugeigentümer zumutbar hätten erreicht werden können. Dabei besteht grundsätzlich keine Verpflichtung des Unfallgeschädigten, einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen (vgl. BGHZ, 163, 362-369; OLG D, a.a.O.).

Wenn der Fahrzeugeigentümer selbst Internetangebote nicht berücksichtigen muss, sind diese auch vom Gutachter nicht einzubeziehen, denn der Sachverständige hat schließlich den Fahrzeugrestwert aus der Position des Geschädigten zu ermitteln (so auch OLG L3, VersR 2005, 706). Der Pflichtenkreis des Sachverständigen erweitert sich nicht dadurch, dass die Versicherung des Schädigers in die Schutzwirkung des Vertrages mit einbezogen wird.

Hier sind auch in der Person der Geschädigten keine Besonderheiten ersichtlich, die es ausnahmsweise rechtfertigen würden, sie als verpflichtet anzusehen, Online-Angebote einzuholen.

b)

Die Beklagten haben den Restwert auch nicht aufgrund einer schuldhaften Pflichtwidrigkeit bei der Ermittlung auf dem regionalen Markt zu niedrig angegeben.

Für die Ermittlung des Restwertes auf dem sogenannten regionalen Markt genügt die Einholung von drei Angeboten (vgl. OLG D, a.a.O.). Dies haben die Beklagten hier getan und auch durch entsprechende Kopien von Angeboten belegt.

Da sich die Klägerin auf ein schuldhaftes, pflichtwidriges Handeln der Beklagten beruft, müsste diese einen anderen Geschehensablauf vortragen und beweisen.

Die Beklagten haben substantiiert vorgetragen und durch entsprechende Kopien belegt, dass sie bei entsprechenden regionalen Anbietern Restwertangebote im Hinblick auf das beschädigte Fahrzeug eingeholt haben und dass sie bei diesen Anfragen entsprechend der Anlage "B 4" (Bl. 136 GA) den Schadenszustand beschrieben haben.

Soweit die Klägerin dies im Schriftsatz vom 27.06.2005 bestritten hat, ist dies jedenfalls nicht tauglich unter Beweis gestellt. Es werden keine Namen und Anschriften der "Händler" benannt, die insoweit "befragt" werden sollen.

Aus der Sicht der Kammer ist auch nicht ersichtlich, dass ein sachgerechtes Restwertangebot nur dann präsentiert werden kann, wenn auch Lichtbilder des beschädigten Fahrzeuges beigelegt werden.

Nach Auffassung der Kammer hat die Klägerin auch durch das in erster Instanz vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten nicht den Beweis erbracht, dass die Beklagten bei der Ermittlung des Restwertes des beschädigten Fahrzeuges schuldhaft pflichtwidrig gehandelt haben.

Soweit der Sachverständige Dr. Q in seinem schriftlichen Gutachten vom 11.04.2006 und im Rahmen seiner mündlichen Anhörung vom 22.02.2007 Ausführungen zu a) dazu macht, dass er im Internet über die Firma B GmbH Angebote eingeholt hat, ist dies unerheblich. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass dies von den Beklagten im Rahmen des mit der Fahrzeughalterin geschlossenen Gutachtenvertrages nicht geschuldet war. Die Erkenntnisse, die der Sachverständige Dr. Q seinerseits durch die Anfrage bei der Firma P GmbH in Erfahrung gebracht hat, können daher zu Lasten der Beklagten nicht verwertet werden. Dies betrifft beispielsweise die Ausführungen auf den Seiten 9 und 10 seines schriftlichen Gutachtens.

Weiterhin hat der Sachverständige ausgeführt, dass es sich bei dem hier in Rede stehenden Fahrzeug um ein zum Schadenszeitpunkt aktuelles Fahrzeugmodell einer gesuchten Baureihe mit einer sehr nachgefragten Motorisierung gehandelt hat. Es müsse von einer guten bis sehr guten Marktgängigkeit ausgegangen werden.

Außerdem sei trotz des äußerlich dramatisch erscheinenden Schadensbildes der vorliegende Frontschaden als für einen Fachmann sehr gut instand- setzbar zu bewerten.

Aus den Ausführungen des Sachverständigen, insbesondere auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung im Termin vom 22.02.2007 ergibt sich jedoch nicht, dass es sich den Beklagten aufdrängen musste, dass die von ihnen eingeholten schriftlichen Restwertangebote in Höhe von jeweils 3.500,-- Euro zu niedrig waren. Es ist nicht im ausreichenden Maße ersichtlich, dass es den Beklagten auffallen musste, dass die drei eingeholten Angebote angesichts des Schadenszustandes des Pkw erheblich zu gering waren. So hat der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung insbesondere auch ausgeführt, dass die Kalkulation möglicher Interessenten und die von diesen zu berücksichtigenden Spannen sehr breit auseinandergehen.

Festzuhalten bleibt daher, dass den Beklagten bei der Ermittlung des Restwertes auf dem sogenannten regionalen Markt der Vorwurf eines schuldhaften, pflichtwidrigen Verhaltens nicht nachgewiesen ist.

Sie sind der Klägerin gegenüberdahernicht schadensersatzpflichtig.

III.

Aus den obigen Ausführungen zu Ziffer II. ergibt sich weiterhin, dass die Berufung der Klägerin unbegründet ist. Ihr steht bereits dem Grunde nach kein Schadensersatzanspruch gegenüber den Beklagten zu.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 709 ZPO.

Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Rechtsfrage, ob einem Sachverständigen, der primär nur die Interessen des Geschädigten wahrzunehmen hat, weitergehende Pflichten zur Recherche in Online-Börsen allein deshalb treffen, weil sich die Schutzwirkung des Gutachterauftrages auch auf die Versicherung des Gegners erstreckt (bejahend u.a. LG Y, Urteil vom 22.02.2005, Aktenzeichen 3 S 62/04; LG E2, Urteil vom 8.12.2004, 11 S 119/03).