OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.07.2007 - 20 A 2070/06
Fundstelle
openJur 2011, 53680
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Der Antrag wird auf Kosten der Beklagten abgelehnt.

Der Streitwert beträgt im Zulassungsverfahren 750.000,-- Euro.

Gründe

Der Antrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen auf der Grundlage des Antragsvorbringens nicht. Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, die angefochtene Anordnung der Beklagten, die städtischen Einrichtungen zur Sammlung von PPK-Abfällen gegen ein angemessenes Entgelt mitzubenutzen, könne nicht auf § 21 KrW-/AbfG gestützt werden. Die hiergegen erhobenen Einwände der Beklagten greifen nicht durch. Die Kritik, das Verwaltungsgericht habe diese Auffassung nicht begründet, trifft unabhängig davon nicht zu, ob und inwiefern eine gesehene Lückenhaftigkeit der Begründung überhaupt Bedenken gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Aufhebung der angefochtenen Anordnung tragen könnte. Denn das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung sehr wohl begründet. Insbesondere hat es sich entgegen dem Vorbringen der Beklagten, die diesbezüglich allein die Ausführungen UA Seite 8 betrachtet und die Passage UA Seite 9 oben übergeht, (auch) damit befasst, ob eine Pflicht des Systembetreibers nach § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV gerade mittels ordnungsbehördlicher Anordnung durchgesetzt werden kann. Hierzu hat es sich ergänzend die Begründung seines im zugehörigen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlusses vom 24. November 2004 - 17 L 3190/04 - zu eigen gemacht. Im Mittelpunkt dieses Beschlusses steht die Erörterung eben der Frage, ob die zuständige Behörde ermächtigt ist, eine Pflicht nach § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV ordnungsrechtlich einseitig, also mit dem von der Beklagten verwandten Mittel der ordnungsbehördlichen Anordnung, zu regeln. Die Bezugnahme auf den Beschluss vom 24. November 2004 steht zwar nach dem Wortlaut des erstinstanzlichen Urteils im Zusammenhang mit den Erwägungen zur Befugnis, ein Entgelt für die Mitbenutzung der vorgehaltenen Einrichtungen festzusetzen. Inhaltlich bezieht sich der Standpunkt des Verwaltungsgerichts aber unmissverständlich auf die angefochtene Anordnung insgesamt. Das Verwaltungsgericht hat nämlich ein Vorgehen im Wege der ordnungsbehördlichen Anordnung ausdrücklich uneingeschränkt für unvereinbar gehalten mit dem Erfordernis, die Systeme aufeinander abzustimmen, und hierzu auf § 6 Abs. 3 Sätze 4 bis 9 VerpackV verwiesen, was die hier in Rede stehende Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV einschließt, und hinsichtlich einer Anordnung der Mitbenutzung als solcher und der Zahlung eines bestimmten Entgeltes nicht unterschieden. Die solchermaßen auf § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV insgesamt bezogene Argumentation der fehlenden Befugnis zur Regelung spezifisch durch einen Verwaltungsakt entspricht dem durch die Bezugnahme voll umfänglich einbezogenen Beschluss vom 24. November 2004. Die verknüpfende Beurteilung von Mitbenutzung und Entgeltzahlung entspricht ferner der angefochtenen Anordnung, bei der es in Orientierung an § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV um die Mitbenutzung gegen Entgelt geht und zu deren Begründung die Beklagte auf eine Befugnis zur Regelung der "Mitbenutzungsverpflichtung nach § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV" verwiesen hat. Angesichts dessen bringt das Urteil hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass das Verwaltungsgericht die angefochtene Anordnung in vollem Umfang u. a. wegen des Fehlens der erforderlichen Regelungsbefugnis durch Verwaltungsakt für rechtswidrig hält und deswegen aufgehoben hat. Hiervon geht die Beklagte im Rahmen ihrer Abweichungsrüge auch selbst aus.

Bei dem Gesichtspunkt der Regelungsbefugnis durch Verwaltungsakt handelt es sich danach um ein die Aufhebung der angefochtenen Anordnung eigenständig neben sonstigen Begründungsansätzen tragendes Begründungselement. Das ist inhaltlich nicht zweifelhaft, weil die Befugnis, einen Sachverhalt ordnungsbehördlich durch Verwaltungsakt zu regeln, ein selbständiges Kriterium für die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes ist, und wird hiermit übereinstimmend vom Verwaltungsgericht so vertreten ("auch", UA Seite 9 oben). Damit können, weil - worauf nachstehend eingegangen wird - gegen diesen Gesichtspunkt kein durchgreifender Zulassungsgrund gegeben ist, die von der Beklagten beanstandeten Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Erforderlichkeit der Anordnung und zur Person des aus § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV Berechtigten hinweggedacht werden, ohne dass sich am Ergebnis der Aufhebung der angefochtenen Anordnung etwas ändern würde. Soweit die Beklagte sich dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht eine Anordnung nach § 21 KrW-/AbfG lediglich zur Durchsetzung von Pflichten in Betracht zieht, und auf die Durchsetzung von Rechten verweist, kommt es hierauf schon deshalb nicht an, weil das Verwaltungsgericht bezogen auf § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV das angenommene Merkmal "Pflicht" nicht tragend verneint, sondern im Ansatzpunkt erkennbar bejaht (UA Seite 8 2. Absatz).

Der Richtigkeit der Auffassung, ihr fehle die Befugnis zur Regelung durch ordnungsbehördliche Anordnung, setzt die Beklagte nichts Substanzielles entgegen. Im Zusammenhang ihres Vorbringens zu ernstlichen Zweifeln geht sie auf diesen Aspekt überhaupt nicht ein. Nimmt man das auf die sonstigen Zulassungsgründe bezogene Vorbringen hinzu, ergibt sich ebenfalls nichts Konkretes, was die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts in diesem Punkt erschüttern könnte. Im Hinblick auf besondere Schwierigkeiten beschränkt sich die Beklagte auf die nicht näher erläuterte Äußerung, die Beurteilung des Aspekts der Anordnung der Mitbenutzung und der Zahlung des Entgeltes sei unzutreffend. Der pauschale Verweis auf eine sich aus der Gerichtsakte und Gutachten ergebende Komplexität der Angelegenheit führt schon deshalb nicht weiter, weil es Sinn und Zweck der Begründung eines Berufungszulassungsantrages ist, in substantieller Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen aufzuzeigen (darzulegen), und es nicht Aufgabe des Senats ist, mögliche Gegenargumente gegen die verwaltungsgerichtliche Würdigung aus den Akten herauszusuchen. Dabei ist hier zu berücksichtigen, dass das Verwaltungsgericht in seinem in Bezug genommenen Beschluss vom 24. November 2004 ausführlich und anhand unterschiedlicher Methoden zur Auslegung des § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV auf die hier in Rede stehende Fragestellung eingegangen ist. Bei den Ausführungen zu einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache benennt die Beklagte zwar die "Durchsetzung der Rechte/Pflichten nach § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV im Wege der Anordnung" als eine von mehreren für klärungsbedürftig gehaltenen Fragestellungen. Auch insoweit enthält sie sich jedoch näherer Erwägungen dazu, dass und warum das Auslegungsergebnis des Verwaltungsgerichts nicht mit der Rechtslage übereinstimmt, und leitet den geltend gemachten Klärungsbedarf allein aus dem Umstand her, dass eine einschlägige höchstrichterliche oder obergerichtliche Entscheidung zu diesem Punkt noch nicht ergangen sei. Das Fehlen einer solchen Entscheidung besagt über das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Rechtsauffassung nichts Wesentliches. Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 28. Juli 2006, folglich mehr als 2 Monate nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils, weitergehend vorgetragen hat, kann dies ihrem Zulassungsbegehren schon wegen der Fristgebundenheit der Darlegung von Zulassungsgründen nicht zum Erfolg verhelfen.

Nach dem Vorstehenden weist die Rechtssache auch keine besonderen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf. Hierbei ist maßgeblich die Beurteilung der Befugnis der Beklagten zur Regelung durch ordnungsbehördliche Anordnung in den Blick zu nehmen, weil das Urteil, wie ausgeführt, von diesem Aspekt eigenständig getragen wird. In dieser Richtung ist zu gegebenen besonderen Schwierigkeiten in dem für die Darlegung von Zulassungsgründen ausschlaggebenden Schriftsatz vom 6. Juni 2006 nichts Greifbares dargetan; die behauptete Komplexität ist nicht erläutert. Das Unterbleiben der Übertragung auf den Einzelrichter ist ohnehin nicht aussagekräftig.

Ebenso wenig hat die Rechtssache nach dem oben Gesagten grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Beklagte verdeutlicht insbesondere nicht, dass die von ihr u. a. angesprochene Fragestellung der Befugnis zur Durchsetzung des § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV durch ordnungsbehördliche Anordnung über die Ausführungen des Verwaltungsgerichts hinaus einer Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf; Gegenmeinungen etwa im Schrifttum benennt sie nicht. Der Umstand, dass über diese Frage (noch) nicht vom Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht entschieden worden ist, lässt den Schluss auf einen solchen Klärungsbedarf nicht zu. Es ist anerkannt, dass nicht jede Frage rechtlicher Art ober- bzw. höchstrichterlich geklärt werden muss, um hinreichend geklärt zu sein. Das ist namentlich dann der Fall, wenn sich die Frage ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt.

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 124 Randnr. 10, § 132 Randnr. 10.

Hierzu ist dem Vorbringen im Schriftsatz vom 6. Juni 2006 nichts zu entnehmen und erschließt sich auch sonst nichts. Die Tragweite der aufgeworfenen Fragen für eine Vielzahl vergleichbarer Rechtsverhältnisse zwischen der Klägerin und kommunalen Entsorgungsträgern ändert daran nichts. Im übrigen hat die Beklagte nicht dargetan, dass aus dem gesamten, von ihr thematisierten Regelungskomplex des § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV auch bei anderen öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgern gerade für diesen Punkt das Erfordernis einer grundsätzlichen Klärung angenommen wird. Die weiteren Fragestellungen sind, weil der Gesichtspunkt der Befugnis zur Regelung durch ordnungsbehördliche Anordnung, wie ausgeführt, nicht mit beachtlichen Rügen angegriffen wird und das Urteil eigenständig trägt, nicht entscheidungserheblich.

Die gesehene Abweichung zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt jedenfalls im Hinblick auf die Befugnis zur Durchsetzung des § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV mittels ordnungsbehördlicher Anordnung nicht vor. Die zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betrifft nicht diese Vorschrift, sondern bezieht sich auf die ordnungsbehördliche Untersagung eines unter Verstoß gegen § 6 Abs. 3 VerpackV betriebenen Sammelsystems. Die Beklagte leitet aus dieser Entscheidung für den hier zu bewertenden Sachverhalt lediglich eigene Schlussfolgerungen ab.

Die Verfahrensrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) greift schon deshalb nicht, weil die gesehenen Mängel in keinem inhaltlichen Zusammenhang stehen mit der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zur Frage, ob § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV durch ordnungsbehördliche Anordnung durchgesetzt werden darf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1 GKG. Bei der Bemessung des Streitwertes berücksichtigt der Senat, dass die wirtschaftliche Bedeutung der Sache für die Klägerin unter Einbeziehung der im angefochtenen Bescheid festgelegten Berechnungsfaktoren für das Entgelt - vor allem Nrn. I.2 g und h, 5 b - und der mehrjährigen Geltungsdauer der Anordnung vor dem Hintergrund eines alternativ zu ermittelnden Kostenanteils nicht verlässlich mathematisch abzuleiten, sondern zu schätzen ist. Mit Blick auf die aus den Berechnungsfaktoren im angefochtenen Bescheid abzuleitende Größenordnung von Entgeltzahlungen erscheint ein Betrag in der festgesetzten Höhe erforderlich, aber auch ausreichend.