VG Düsseldorf, Beschluss vom 18.10.2007 - 1 L 1751/07
Fundstelle
openJur 2011, 53614
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die von den Antragstellern am gestrigen Nachmittag gestellten Anträge zu 1. bis 4. haben insgesamt keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile, Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, vergleichbar dringenden Gründen notwendig erscheint. Dies setzt voraus, dass der Antragsteller die in Anspruch genommene Rechtsposition (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

Diese Voraussetzungen liegen zunächst hinsichtlich des unter 1.a) gestellten Antrages nicht vor. Ein entsprechender Anspruch auf die von den Antragstellern begehrte gerichtliche Feststellung ist nicht glaubhaft gemacht. Für die Feststellung der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens ist nach § 26 Abs. 1 Satz 1 GO NRW allein der Rat und nicht das Verwaltungsgericht zuständig.

Auch der unter 1. b) gestellte und insoweit zutreffenderweise auf eine entsprechende Verpflichtung des Antragsgegners zu 1. abzielende Hilfsantrag hat keinen Erfolg. Durch einstweilige Anordnungen werden grundsätzlich nur vorläufige Regelungen getroffen. Wenn das Antragsbegehren - wie hier das des Hilfsantrages unter 1. b) - auf die Vorwegnahme der Hauptsache zielt, kann das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nur ausnahmsweise bejaht werden. Umstände, die nach diesem erhöhten Maßstab die Notwendigkeit der begehrten einstweiligen Anordnung begründen können, haben die Antragsteller nicht dargelegt. Da der Kaufvertrag über das den Gegenstand des von den Antragstellern vertretenen Bürgerbegehrens darstellende „Grundstück vor dem H Friedhof" bereits am 15.10.2007 beurkundet wurde (Urkundenrolle Nummer 0000 für 2007 des Notars T1 aus E), sind momentan keine weiteren Maßnahmen der Antragsgegner zur konkreten Umsetzung der von den Antragstellern zu verhindern gesuchten Eigentums- und Besitzübertragung ersichtlich, deren Unterbindung zur Verhinderung wesentlicher Nachteile i.S.d. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nötig erschiene.

Die Antragsteller haben auch keinen gegenüber dem Antragsgegner zu 1. bestehenden Anspruch auf Feststellung der Zulässigkeit des von ihnen vertretenen Bürgerbegehrens glaubhaft gemacht.

An die Plausibilität eines solchen Anspruchs sind nach der gesetzgeberischen Wertung in der gestern in Kraft getretenen Neufassung des § 26 GO NRW besondere Anforderungen zu stellen. Denn die Erklärung des Bürgerbegehrens als zulässig löst nicht nur das in § 26 Abs. 6 Satz 3 ff GO NRW vorgeschriebene Procedere - das sich kaum rückgängig machen ließe - sondern auch eine Entscheidungssperre aus. Jene Konsequenzen verbieten, bei offener Sach- und Rechtslage in den Willensprozess der Vertretungskörperschaft einzugreifen.

Es kann hier aber keinesfalls gesagt werden, dass schon auf der Basis des im Eilverfahrens erreichbaren Erkenntnisstandes ein Obsiegen der Antragsteller in einer Weise wahrscheinlich wäre, dass Zweifel zurückzutreten hätten. Im Rahmen der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes möglichen rechtlichen Prüfung kann schon nicht geklärt werden, ob gemäß der vom Antragsgegner zu 1. eingenommen Ansicht § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO NRW der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entgegensteht. Danach ist ein Bürgerbegehren über die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen unzulässig. Ob und unter welchen Voraussetzungen dieser Unzulässigkeitsgrund im Wege einer erweiternden Auslegung auch anzunehmen ist, wenn ein Bürgerbegehren mittelbar auf eine Bauleitplanung - oder deren Verhinderung - gerichtet ist, ist in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt.

Vgl. hierzu VG Düsseldorf, Urteil vom 02.03.2007 - 1 K 4143/06 -, OVG NRW, Beschluss vom 17.07.2007 - 15 B 874/07 - .

Deshalb bedarf dieser Aspekt der weiteren Klärung im Hauptsacheverfahren.

Hinzukommt, dass vieles auch für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 26 Abs. 5 Nr. 9 GO NRW spricht, wonach ein Bürgerbegehren unzulässig ist über Anträge, die u.a. ein gesetzwidriges Ziel verfolgen. Ein solches Ziel läge vor, wenn die Gemeinde auf Grund des abgeschlossenen Kaufvertrages (s.o.) zur Eigentums- und Besitzübertragung verpflichtet wäre, dem Ziel des Bürgerbegehrens also aus rechtlichen Gründen nicht mehr entsprechen könnte.

Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 19.03.2004 - 15 B 522/04 -.

Zwar ist der notarielle Kaufvertrag nach seinem Wortlaut (§ 2 Rechtswirksamkeit) unter einer aufschiebenden Bedingung (planungsgemäße Durchführung der Bauleitplanung) geschlossen. Allerdings dürfte auch eine aufschiebend bedingte Eigentums- und Besitzverschaffungspflicht unter die Regelung des § 26 Abs. 5 Nr. 9 GO NRW fallen, weil diese Vorschrift die auch hier mögliche Kollision mit anderen rechtlichen Verpflichtungen im Interesse der Gemeinde vermeiden will. Dies wird hier durch die Überlegung verstärkt, dass jedenfalls den Antragstellern nach § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO NRW und den Antragsgegnern nach § 162 BGB eine Einflussnahme auf den Bedingungseintritt verwehrt sein dürfte.

Weiterhin hat auch der unter 2. gestellte Antrag keinen Erfolg. Der Antrag ist insoweit mangels Antragsbefugnis der Antragsteller bereits unzulässig. Eine mögliche rechtsfehlerhafte Annahme der Voraussetzungen einer Dringlichkeitsentscheidung nach § 60 Abs. 1 Satz 2 GO NRW kann nur vom Rat geltend gemacht werden, weil hierdurch allein organschaftliche Befugnisse des Rates beeinträchtigt werden können.

Vgl. Held/Becker u.a., GO NRW Kommentar, § 60 GO, Nr. 4.2.

Unabhängig davon haben die Antragsteller auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der von Ihnen ausdrücklich begehrten Aufhebung der am 15.10.2007 durch den Antragsgegner zu 2. und ein weiteres Ratsmitglied getroffenen Dringlichkeitsentscheidung steht § 60 Abs. 1 Satz 4 GO NRW entgegen, wonach der Rat die Dringlichkeitsentscheidung nicht (mehr) aufheben kann, wenn schon Rechte anderer durch die Ausführung des Beschlusses entstanden sind. Dies ist hier, wie ausgeführt, aufgrund des notariellen Kaufvertrages vom 15.10.2007 der Fall.

Auch der Antrag zu 3. kann keinen Erfolg haben. Die Antragsteller haben insoweit weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Der begehrten Verpflichtung, alle zur Durchsetzung des Kaufvertrages über das Grundstück dienenden Maßnahmen zu unterlassen - welche das sein sollen, wird nicht dargelegt -, stehen die vertraglich begründeten Verkäuferpflichten entgegen. Der Käufer kann ungeachtet des Schicksals des Bürgerbegehrens die Erfüllung der Verkäuferverpflichtungen verlangen. Hängen diese zwar von dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung ab, ist den Antragsgegnern als Vertreter bzw. Entscheidungsorgan der Verkäuferin darüber hinaus kein Spielraum eröffnet, die Umsetzung des Kaufvertrages durch Unterlassen der geschuldeten Handlungen zu verhindern. Zudem ist eine Grundlage für den von den Antragstellern geltend gemachten Unterlassungsanspruch deshalb nicht ersichtlich, weil dem Bürgerbegehren, solange es nicht für zulässig erklärt ist, nach dem eindeutigen Gesetzwortlaut der seit 17.10.2007 geltenden Fassung des § 26 Abs. 6 GO NRW eben keine Sperrwirkung zukommt, die die Antragsgegner an der Umsetzung der Entscheidung, das Grundstück zum Zwecke der Bebauung zu verkaufen, hindert.

Im Hinblick auf die fehlende Sperrwirkung des Bürgerbegehrens ist ebenso ein Anspruch der Antragsteller, Maßnahmen mit dem Ziel der Rückabwicklung des Kaufvertrages einzuleiten, nicht zu erkennen. Ein solcher lässt sich insbesondere nicht aus dem Gedanken einer Folgenbeseitigung ableiten. Denn es ist nicht erkennbar, dass die von den Antragstellern gerügte Vorgehensweise, die Möglichkeit zum Abschluss des Kaufvertrages durch kurzfristigen Dringlichkeitsbeschluss nach § 60 GO NRW herbeizuführen, das Bürgerbegehren in zu missbilligender Weise beeinträchtigt hätte. Der Abschluss des Kaufvertrages, der das Bürgerbegehren ins Leere gehen lässt, hätte durch einen entsprechenden regulären Ratsbeschluss in der heutigen Ratssitzung ebenfalls ermöglicht werden können. Die Auswirkungen eines so nur wenige Tage später herbeigeführten Kaufvertragsabschlusses wären für das Bürgerbegehren von gleicher Bedeutung.

Im Übrigen haben die Antragsteller nicht dargelegt, welche kurzfristig drohenden Nachteile den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des Antrags zu 3. rechtfertigen könnten (siehe bereits oben). Angesichts des Umstandes, dass der Kaufvertrag unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass ein den Nutzungsplänen der Käuferin entsprechender Bebauungsplan durch die Antragsgegnerin zu 1 beschlossen wird, ist nicht absehbar, dass sich die Wirkungen des Kaufvertrages in kurzer Zeit dergestalt perpetuieren könnten, dass Maßnahmen zur Rückabwicklung des Vertrages unmöglich würden.

Es kann offen bleiben, ob der Antrag zu 4. schon deshalb scheitern muss, weil der Sicherungscharakter des einstweiligen Anordnungsverfahrens einem Tenor entgegensteht, der sich in einer bloßen Feststellung erschöpft (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO), wenn ein Leistungsanspruch denkbar ist. Denn die begehrte Feststellung kann schon deshalb nicht getroffen werden, weil der Antragsgegner zu 2. nach § 63 Abs. 1 Satz 1 GO NRW zur Außenvertretung berechtigt ist. Soweit sich der Antrag auf die Rechtmäßigkeit des durch den Antragsgegner zu 2. und ein weiteres Ratsmitglied herbeigeführten Dringlichkeitsbeschlusses bezieht, fehlt es wie ausgeführt an einer Rechtsposition der Antragsteller, aus der Ihnen ein Anspruch auf die begehrte Feststellung erwachsen könnte. Denn es ist für die Auswirkungen des Kaufvertrages auf das Bürgerbegehren ohne Bedeutung, ob die rechtlichen Voraussetzungen für den den Vertragsabschluss ermöglichenden Dringlichkeitsbeschluss vorlagen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ist nach §§ 52 Abs. 1, 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG erfolgt und berücksichtigt, dass vorläufiger Rechtsschutz gegenüber verschiedenen Antragsgegnern begehrt wird .