ArbG Duisburg, Urteil vom 07.02.2008 - 1 Ca 2482/07
Fundstelle
openJur 2011, 53552
  • Rkr:

1. Eine Leistungsklage ist auch dann der Feststelungsklage vorrangig, wenn bezifferbare Leistungen aus der Vergangenheit Gegenstand des Verfahrens sind, die mit einer zulässigen Klage auf Feststellung künftiger Leistungen verbunden werden (Gegen BAG, 3 AZR 57/06).

2. Der Betriebsrat ist zur Vertretung bereits ausgeschiedener Mitarbeiter nicht mehr legitimiert, sodass eine ablösende verschlechternde Betriebsvereinbarung nicht zu deren Lasten wirkt. Der kollektivrechtliche Anspruch aus einer Betriebsvereinbarung wandelt sich - soweit er Leistungen auch nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zusagt - mit dem Ausscheiden in einen schuldrechtlichen Anspruch um.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.01.2008 Energiekostenerstattung nach der Betriebsvereinbarung vom 06.05.1976 zu gewähren.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.

4. Gegenstandswert: 1.950,00 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Energiekostenbeihilfen.

Der Kläger war bei der Beklagten von 1973 bis 1997 beschäftigt, zuletzt als Leiter des Rechtsbereichs und Prokurist.

Sein Ausscheiden erfolgte altersbedingt. Bei der Beklagten gab es eine Betriebsvereinbarung vom 13.02.1969 in der Fassung vom 06.05.1976, in der den Belegschaftsmitgliedern einschließlich der Versorgungsempfänger und deren Hinterbliebenen, ein Preisnachlass in Höhe von 50 % des Rechnungsbetrages der Energiekosten bzw. eine Erstattung der entsprechenden Kosten zugesagt worden war. Auf den Inhalt der Betriebsvereinbarung (Bl. 5 ff. der Gerichtsakte), wird Bezug genommen.

Im Februar 2001 wurde die Betriebsvereinbarung durch eine neue Betriebsvereinbarung abgelöst, nach der den aktiven Beschäftigten eine Stromkostenerstattung in Höhe von max. 511,00 € jährlich, den Versorgungsempfängern in Höhe von 358,00 € jährlich maximal, zugesagt worden war. Auf den Inhalt der Betriebsvereinbarung vom 20.02.2001 (Anlage 2 zum Schriftsatz 29.01.2008), Bezug genommen. Im März 2006 wurde eine weitere Vereinbarung zwischen Betriebsrat und der Beklagten über den künftigen Wegfall der Stromkostenerstattung abgeschlossen. Hiernach wurde die Stromkostenerstattung für die Versorgungsempfänger mit Wirkung vom 31.12.2006 gestrichen. Die aktiven Beschäftigten erhielten die Zusage einer Sonderzahlung, die Versorgungsempfänger die Zusage eines Weihnachtsgeldes für die Jahre 2007 bis 2009 in Höhe von 200,00 €, 125,00 € und 75,00 €. Auf den Inhalt der Betriebsvereinbarung vom 24.03.2006 und 20.11.2006, wird ebenfalls Bezug genommen.

Der Kläger wurde ab dem Jahre 2000 entsprechend der jeweils geltenden Betriebsvereinbarungen hinsichtlich der Energiekosten behandelt. Es hat, dies wurde in der Verhandlung vom 07.02.2008 unstreitig, regelmäßig seine Behandlung entsprechend der Betriebsvereinbarung von 1976 reklamiert.

Er ist der Auffassung, die Abänderungen der Betriebsvereinbarung von 1976 hätten für ihn keine rechtlichen Wirkungen, nachdem er aus dem Betrieb der Beklagten ausgeschieden war.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger seit dem 01.01.2000 weiterhin nach der beigefügten Energieerstattungsbetriebs>vereinbarung vom 06.05.1976 die darin festgelegte werktypische Sozialleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Betriebsvereinbarungen von 2001 und 2006 fänden auch auf die Ansprüche des Klägers Anwendung. Insbesondere könne auch der Betriebsrat für ausgeschiedene Mitarbeiter verschlechternde Regelungen herbeiführen.

Hinsichtlich der Ansprüche bis zum Jahre 2003 beruft sich die Beklagte auf die Verjährung, darüber hinaus hält sie den Feststellungsantrag für unzulässig, jedenfalls soweit es sich um Ansprüche aus der Vergangenheit handelt.

Hinsichtlich der umfangreichen Rechtsausführungen der Beklagten wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 29.01.2008.

Gründe

Die Klage ist nur insoweit zulässig, wie es sich um Ansprüche des Klägers ab 2008 handelt, insoweit ist die Klage auch begründet, im Übrigen ist die Klage unzulässig und hinsichtlich der Ansprüche des Klägers für die Jahre 2000 bis 2003 auch unbegründet.

Hinsichtlich der Ansprüche des Klägers für die Jahre 2008 ff. ist die Klage zulässig und begründet. Der Feststellungsantrag kann insoweit nicht der Einwand des Vorrangs der Leistungsklage entgegen gehalten werden. Zwar ist grundsätzlich die Leistungsklage der Feststellungsklage vorrangig, wenn diese erhoben werden kann. Dies gilt jedoch nicht für Klagen auf künftige Leistungen nach §§ 257 - 259 ZPO (BAG vom 12.12.2006, 3 AZR 57/06). Vorliegend könnte der Kläger, da er die künftig anfallenden Energiekostenerstattungen noch nicht beziffern kann, da es sich insoweit um wechselnde Beträge handelt, auch eine Leistungsklage auf künftige Leistungen nicht erheben. Der Kläger hat ein Feststellungsbedürfnis auch hinsichtlich der künftigen Leistungen, da er insoweit entsprechend finanziell disponieren muss. Streitig ist zwischen den Parteien insoweit auch ein Rechtsverhältnis, nämlich die Verpflichtung der Beklagten aus der Betriebsvereinbarung.

Die Klage ist hinsichtlich der Jahre 2000 - 2007 jedoch nicht zulässig. Insoweit stünde der Vorrang der Leistungsklage der Zulässigkeit der Feststellungsklage entgegen (Zöller, § 256, Rz. 7 a), da insoweit eine bessere Rechtsschutzmöglichkeit für den Kläger besteht. Der Kläger könnte einen vollstreckbaren Leistungstitel unmittelbar erwirken. Seine Ansprüche sind für die Vergangenheit, einschließlich des Jahres 2007, unmittelbar zu beziffern und zu berechnen. Der Kläger begehrt für die Vergangenheit insoweit lediglich ein Rechtsgutachten, was unzulässig ist. Dies gilt umso mehr, wenn der Kläger, so wie hier geschehen, ausdrücklich offen lässt, ob er die Ansprüche der Vergangenheit überhaupt realisieren will. Dem steht auch nicht entgegen, dass das BAG in der o.g. Entscheidung mit Verweis auf die Entscheidung vom 22.02.2000 (3 AZR 39/99), ausführte, eine Aufspaltung des Feststellungsanspruchs in einen Leistungsantrag hinsichtlich der bereits fälligen Ansprüche und im Übrigen in einen Feststellungsantrag, sei aus Gründen der Prozessökonomie nicht erforderlich. Dieser durch das Bundesarbeitsgericht lediglich mit Verweis auf die Entscheidung vom 03.04.1990 (3 AZR 273/88), die wiederum auf die Entscheidung vom 11.10.1988 (3 AZR 539/86) verweist und im Übrigen nicht weiter begründete Rechtsauffassungen des Bundesarbeitsgerichtes, wird ausdrücklich nicht gefolgt. Soweit der Kläger die Möglichkeit hat, einen vollstreckbaren Titel zu erwirken, ist er mit einer Feststellungsklage, die einen weiteren Prozess nach sich zieht, in dem ein vollstreckbarer Titel erwirkt werden könnte, ausgeschlossen. Die Prozessökonomie gebietet es gerade im Gegenteil, einen vollstreckbaren Titel zu erwirken, sobald dies möglich ist. Dies könnte auch in gleichen Verfahren im Wege der Klagehäufung erfolgen, so dass die prozessökonomischen Argumente ausschließlich für den Vorrang der Leistungsklage sprechen.

Für die Zulässigkeit der Feststellungsklage spricht auch nicht, dass es sich bei der Beklagten um ein Unternehmen der öffentlichen Hand handelt. Das Unternehmen steht nicht im ausschließlichen Eigentum eines Trägers der öffentlichen Hand, es hat an keiner Stelle im Verfahren erklärt, sich einem möglichen Feststellungsurteil zu unterwerfen.

Die Ansprüche des Klägers hinsichtlich der Jahre 2000 bis 2003 sind auch aufgrund der §§ 196, 201 BGB a.F. in Verbindung mit Art. 229 § 6 Abs. 3 IGBGB bzw. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB n.F., verjährt. Die Beklagte hat sich auf die Verjährung berufen. Die tatsächlichen Voraussetzungen der Verjährung wurden vom Kläger auch im Termin nicht bestritten. Gründe für die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung wurden nicht dargelegt.

Ab dem Jahre 2008 ff. ist die Klage aus den o.g. Gründen zulässig. Der Kläger hat insoweit auch einen Anspruch auf Energiekostenerstattung nach der Betriebsvereinbarung vom 06.05.1976. Der Antrag des Klägers wurde in die Fassung des Tenors ausgelegt aus Gründen des besseren Verständnisses.

Der Kläger hat einen Anspruch, Energiekostenerstattung nach der Betriebsvereinbarung vom 1976 zu erhalten im dort festgeschriebenen Umfang.

Der Kläger unterfiel dem Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung von 1976. Die tatsächlichen Voraussetzungen für den Bezug der Energiekostenbeihilfe entsprechend der Betriebsvereinbarung von 1976 wurden nicht bestritten.

Der Kläger unterfiel auch dem Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung. Dass er ggf. als leitender Angestellter entsprechend § 5 Abs. 3 BetrVG vom Wirkungsbereich der Betriebsvereinbarung ausgeschlossen war, ist von keiner Seite dargelegt worden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger, selbst wenn er bei seinem Ausscheiden ggf. leitender Angestellter war, er dies im gesamten Zeitraum ab 1976, gewesen wäre.

Die Betriebsvereinbarung von 1976 wurde auch nicht durch die folgenden Betriebsvereinbarungen zu Lasten des Klägers abgeändert. Die abändernden Betriebsvereinbarungen 2001 und 2006 wirken nicht mehr zu Lasten des Klägers. Zwar löst grundsätzlich eine Betriebsvereinbarung neueren Datums eine vorhergehende Betriebsvereinbarung mit dem gleichen Regelungsgegenstand ab. Auch sind Verschlechterungen in Betriebsvereinbarungen nicht ausgeschlossen. Jedoch wirken ablösende Betriebsvereinbarungen nur für die aktive Belegschaft. Sie greift nicht in die Besitzstände in die Pensionäre oder Versorgungsempfänger ein, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der ablösenden Betriebsvereinbarung bereits im Ruhestand befunden haben (BAG vom 13.05.1997, 1 AZR 75/97, Betriebsberater 1997, S. 2328, BAG, Großer Senat vom 16.03.1956 - GS 1/55 - = AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG 1952, BAG vom 25.10.1988, 3 AZR 683/86). Dies folgt daraus, dass der jeweilige aktive Betriebsrat von den ausgeschiedenen Ruheständlern nicht mehr mit gewählt wurde und daher nicht mehr zur Vertretung der ausgeschiedenen Arbeitnehmer legitimiert ist. Durch das Ausscheiden des Arbeitnehmers ändert sich die Rechtsgrundlage der zugesagten Leistung von einem kollektivrechtlichen in einen schuldrechtlichen Anspruch, der damit grundsätzlich, unabhängig von der Betriebsvereinbarung, schuldrechtlich weiter gilt. Eine abändernde Regelung zwischen dem Kläger und der Beklagten ist jedoch nicht dargelegt und ergibt sich auch nicht aus einer eventuellen widerspruchslosen Entgegennahme der Leistungen nach der Betriebsvereinbarung 2001. Vielmehr hat der Kläger regelmäßig seine Leistungen entsprechend der Betriebsvereinbarung 1976 reklamiert, wenn auch nicht eingeklagt.

Darüber hinaus ergibt sich die fehlende Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung 2001 und 2006 zu Lasten des Klägers auch daraus, dass es sich bei dem verbilligten Bezug von Energie bei Betriebsrentnern um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung handelt (3 AZR 476/05), auch wenn derartige Leistungen auch für aktive Mitarbeiter gewährt werden. Der Leistungsanspruch der Betriebsrentner wird durch das Erreichen des Rentenalters und den Eintritt in den Ruhestand ausgelöst und realisiert damit ein biometrisches Risiko. Dass dies auch von der Beklagten so gesehen wurde, ergibt sich unmittelbar aus der Differenzierung der Leistungen für aktive Beschäftigungsmitglieder und Betriebsrentner, zumindest in den Betriebsvereinbarungen 2001 und 2006. Insoweit wären Eingriffe in die zugesagten Leistungen allenfalls nach den Grundsätzen, die für das Betriebsrentenrecht entwickelt sind, zulässig (BAG, a.a.O.). Hierbei sind insbesondere auch Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dies führt jedoch dazu, dass bei Versorgungsempfängern im Regelfall nur noch geringfügige Verschlechterungen der zugesagten Leistungen möglich sind (BAG vom 12.10.2004, 3 AZR 557/03 = BAG AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG, Hinterbliebenenversorgung, ebenso BAG vom 12.12.2006, 3 AZR 57/06). Gründe für die Streichung oder Reduzierung der Energiekostenbeihilfe hat die Beklagte jedoch nicht in nachvollziehbarem Umfang dargelegt. Insbesondere eine wirtschaftliche Notlage, die die Fortzahlung der zugesagten Gelder nicht mehr tragbar erscheinen ließ (BAG vom 16.03.1956, a.a.O.), wurden nicht dargetan. Die Beklagte legt vielmehr selbst dar, dass Sozialleistungen zurückgeführt werden sollten, um eine Reduzierung des Gewinnes im Jahre 2000 bis 2001 entgegenzuwirken, die im Rahmen des Verkaufs von Anteilen der Beklagten an andere Unternehmen, unerwünscht war. Es handelte sich keineswegs um eine wirtschaftliche Notlage, sondern um eine Kürzung der Personalkosten, um auf dem Kapitalmarkt attraktiver zu sein, mithin bei der Veräußerung von Unternehmensanteilen einen höheren Wert erzielen zu können. Dies rechtfertigt eine Reduzierung von zugesagten Leistungen der Altersversorgung in keiner Weise.

Im zugesprochenen Umfang war die Klage daher begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, wobei das teilweise Unterliegen des Klägers in der Kostenquote entsprechend zu berücksichtigen war.

Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 4 GKG.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil kann von beiden Parteien

B e r u f u n g

eingelegt werden.

Die Berufung muss

innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat

beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: (0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung

Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

- E. -