VG Köln, Urteil vom 07.02.2008 - 13 K 197/07
Fundstelle
openJur 2011, 52798
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 4. Oktober 2006 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2006 verpflichtet, über den An-trag der Klägerin auf Erteilung einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung für das Pflanzenschutzmittel "S. Q. ", zugelassen in Irland als Parallelimport unter der Bezeichnung "B. Q1. ", im Hinblick auf das Referenzmittel "L. " unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin vertreibt von ihr importierte Pflanzenschutzmittel in der Bundesrepublik Deutschland. Für die Einfuhr eines anderweit in einem Staat der Europäischen Union zugelassenen Pflanzenschutzmittels benötigt der Importeur eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung.

Am 15. Mai 2006 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung für das Pflanzenschutzmittel "B. Q1. ", das sie aus Irland importieren und unter der Bezeichnung "S. Q. " in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr bringen wollte. Als Referenzmittel wurde das in der Bundesrepublik Deutschland zugelassene Pflanzenschutzmittel "L. " benannt.

Auf entsprechende Anfrage des für die Erteilung der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung zuständigen Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) teilte das irische Department of Agriculture & Food - Pesticide Control Service - im Juli 2006 mit, dass "B. Q1. " in Irland ein Parallelimportmittel sei, das aus Großbritannien, Deutschland und Belgien bezogen werde. Der Parallelimport von "B. Q1. " in die Irische Republik basiere auf dem identischen Produkt "L. ".

Mit Bescheid vom 4. Oktober 2006 lehnte das BVL den Antrag der Klägerin ab, weil "B. Q1. " in Irland über keine Vollzulassung verfüge, sondern lediglich als Parallelimport im Verkehr sei. Ein Parallelimport sei aber nur zulässig, wenn das zu importierende Pflanzenschutzmittel eine den Anforderungen der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (im Folgenden: Richtlinie 91/414/EWG) genügende Zulassung besitze.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie an, dass es ausreiche, wenn das zu importierende Mittel in dem Herkunftsstaat eine auch nur abgeleitete Zulassung nach der Richtlinie 91/414/EWG besitze, weil sich diese zwingend auf eine in einem anderen in Frage kommenden Herkunftsstaat existierende Vollzulassung zurückführen lasse. Die abweichende Rechtsauffassung des BVL sei mit der Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EG nicht vereinbar, was jedenfalls eine gemeinschaftskonforme Auslegung des nationalen Rechts erforderlich mache.

Mit Bescheid vom 14. Dezember 2006 wies das BVL den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, es reiche nicht aus, wenn das zu importierende Mittel im Herkunftsstaat nur über eine Parallelzulassung verfüge. Dies wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn sämtliche Mitgliedstaaten Parallelimporte einheitlich handhabten. Insbesondere wäre es erforderlich, dass einheitlich jeder Mitgliedstaat an Parallelimporte die Anforderung stelle, dass das einzuführende Produkt über eine eigene Zulassung gemäß der Richtlinie 91/414/EWG verfüge. Sowie ein Mitgliedstaat im Hinblick auf importierte Mittel nur prüfe, ob diese stofflich mit einem inländischen Referenzmittel übereinstimmten und der Frage, ob sie zugelassen seien oder nicht, keine Beachtung schenke, sei dies schon nicht mehr der Fall. In diesem Falle könne nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass am Anfang der Kette zwangsläufig ein gemäß der Richtlinie 91/414/EWG zugelassenes Pflanzenschutzmittel stehe. Die Klägerin habe nicht angegeben, in welchem möglichen Exportland das Pflanzenschutzmittel eine Vollzulassung besitze.

Am 18. Januar 2007 hat die Klägerin Klage erhoben.

Zur Begründung ihrer Klage wiederholt sie zunächst ihre Darlegungen aus dem Verwaltungsverfahren und verweist darauf, dass ihre Rechtsauffassung auch durch ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Schiwy gestützt werde. Weiter trägt sie vor, dass eine Vollzulassung für das zu importierende Pflanzenschutzmittel im Sinne der Richtlinie 91/414/EWG gegeben sei. Es handele sich um das zugunsten der Firma E. in Irland angemeldete Produkt "L. ".

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 4. Oktober 2006 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2006 zu verpflichten, der Klägerin eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung für das Pflanzenschutzmittel "S. Q. ", zugelassen in Irland als Parallelimport unter der Bezeichnung "B. Q1. ", im Hinblick auf das Referenzmittel "L. " zu erteilen,

hilfsweise,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 4. Oktober 2006 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2006 zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung für das Pflanzenschutzmittel "S. Q. ", zugelassen in Irland als Parallelimport unter der Bezeichnung "B. Q1. ", im Hinblick auf das Referenzmittel "L. " unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung beruft sie sich auf den Inhalt der angegriffenen Bescheide und vertieft ihre Auffassung.

Das Gericht hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 23. Februar 2007 abgelehnt, weil die Klägerin einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hatte (13 L 79/07).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes gleichen Rubrums (13 L 79/07) sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Bezug genommen.

Gründe

I. Die zulässige Klage hat nur mit ihrem Hilfsantrag Erfolg.

1. Mit dem Hauptantrag ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erteilung der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nach § 16c Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 des Gesetzes zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz - PflSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 1998 (BGBl. I S. 971, 1527, 3512), zuletzt geändert durch Artikel 1 § 5 Abs. 1 des Gesetzes vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2930).

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG dürfen Pflanzenschutzmittel in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich nur in den Verkehr gebracht oder eingeführt werden, wenn sie vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zugelassen sind. Nach Satz 2 gilt als zugelassen auch ein Pflanzenschutzmittel, für das die Verkehrsfähigkeit nach § 16c PflSchG festgestellt worden ist. Die Feststellung der Verkehrsfähigkeit durch das BVL setzt nach § 16c Abs. 1 Satz 1 PflSchG voraus, dass das Pflanzenschutzmittel in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen ist und mit einem in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmittel - dem so genannten Referenzmittel -übereinstimmt. Erst nach der Prüfung der Übereinstimmung kann dem Antragsteller eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung ausgestellt werden, § 16c Abs. 4 PflSchG.

Eine Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung an die Klägerin für das Pflanzenschutzmittel "B. Q1. ", das sie aus Irland importieren und unter der Bezeichnung "S. Q. " vertreiben will, kann schon deswegen nicht erfolgen, weil bislang die Übereinstimmung des Importmittels mit dem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Referenzmittel "L. " durch das BVL nicht festgestellt worden ist. Zwar ist im Rahmen des § 113 Abs. 5 VwGO bei gebundenen Entscheidungen - wie hier nach § 16 Abs. 1 PflSchG - das Gericht grundsätzlich gehalten, die Spruchreife herbeizuführen. Dies gilt aber - abgesehen von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen - dann nicht, wenn eine bestimmte sachliche Prüfung besonderen Behörden übertragen ist oder wenn es zur abschließenden Aufklärung einer mit den erforderlichen Mitteln ausgerüsteten Behörde bedarf. Dann ist eine bloße Bescheidungsverpflichtung im Urteilsausspruch bei weitergehendem Verpflichtungsantrag zulässig.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 20. Februar 1992 - 3 C 51.88 -, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 90, 18 (24); s. auch BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2007, 1054 (1066 - Rn. 107) für hochkomplexe Fragen bei der Ausweisung eines FFH-Gebietes.

Auch hier muss das Gericht die Spruchreife nicht herbeiführen. Dazu ist das Gericht schon nicht in der Lage, weil ihm zum einen die gegebenenfalls dem Geheimnisschutz unterliegenden Formulierungen von Import- und Referenzmittel nicht bekannt sind. Daher ist auch die Beauftragung eines Sachverständigen ausgeschlossen. Des Weiteren ist die im Einzelfall umfangreiche, besondere Sachkunde und Mittel erfordernde Prüfung der originären Zulassung wie Übereinstimmung eines Pflanzenschutzmittels mit dem Referenzmittel nach §§ 11, 15 und 16c PflSchG dem BVL übertragen. Auch die Vergleichsprüfung erfordert gegebenenfalls besondere Sachkunde und - etwa im Fall des § 16c Abs. 3 PflSchG - unter Umständen technische Einrichtungen, die nur dem BVL im erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen.

2. Der damit zur Entscheidung des Gerichts gestellte Hilfsantrag ist hingegen begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf erneute Bescheidung ihres Antrags auf Feststellung der Verkehrsfähigkeit, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Das BVL durfte die Erteilung der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nicht mit der Begründung ablehnen, dass die Klägerin nicht angegeben habe, wo das zu importierende Pflanzenschutzmittel eine Vollzulassung nach der Richtlinie 91/414/EWG besitzt.

a) Zutreffend gehen der Bescheid vom 4. Oktober 2006 und der Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2006 allerdings davon aus, dass unter Zulassung im Sinne von § 16c Abs. 1 PflSchG grundsätzlich die Vollzulassung nach der maßgeblichen Richtlinie 91/414/EWG zu verstehen ist. Der alleinige Verweis der Klägerin auf die Parallelzulassung des Importmittels im Ausfuhrstaat kann daher zunächst nicht ausreichen. Zwar spricht der Wortlaut des § 16c Abs. 1 PflSchG nur von "Zulassung", so dass auf den ersten Blick auch eine Parallelzulassung im Ausfuhrstaat erfasst sein könnte. Dem steht aber zum einen schon entgegen, dass der ansonsten im Gesetz einheitlich verwendete Begriff der "Zulassung" oder "zugelassen" im Sinn einer Vollzulassung nach der Richtlinie 91/414/EWG zu verstehen ist: Im das grundsätzliche Erfordernis der Zulassung regelnden § 11 Abs. 1 PflSchG wird der Begriff ebenfalls verwendet. Die Zulassungsvoraussetzungen selbst sind zentral in § 15 PflSchG aufgeführt, in dessen einzelnen Absätzen entweder auf die Richtlinie 91/414/EWG direkt abgestellt oder aber die Anforderungen der Richtlinie wortgetreu in nationales Recht übernommen worden sind. Angesichts dieses Befundes kann nicht davon ausgegangen werden, dass der in einem derartig engen Normierungszusammenhang gebrauchte Begriff unterschiedlich verstanden werden soll.

Deutlich wird das Verständnis von Zulassung als "Vollzulassung" auch in § 11 Abs. 1 Satz 2 PflSchG. Danach "gilt" als zugelassen ein Pflanzenschutzmittel, für das die Verkehrsfähigkeit nach § 16c PflSchG festgestellt worden ist. Schon die Notwendigkeit einer Fiktion macht deutlich, dass die im vereinfachten Verfahren erlangte Zulassung - wie etwa nach nationalem Recht nach § 16c PflSchG bzw. nach den entsprechenden Regelungen anderer Mitgliedstaaten - keine Vollzulassung darstellt, mithin auch die Parallelzulassung im Ausfuhrstaat - wie hier - keine Zulassung im Sinne der Richtlinie 91/414/EWG und damit der § 11 Abs. 1, § 16c Abs. 1 PflSchG darstellt. Denn ein lediglich als zugelassen geltendes Pflanzenschutzmittel ist gerade kein zugelassenes. Auch wird in § 11 Abs. 1 Satz 3 PflSchG ausdrücklich klargestellt, dass ein Pflanzenschutzmittel, das in keinem Staat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums nach der Richtlinie 91/414/EWG "zugelassen" ist, die Fiktion nicht beanspruchen kann. Die identische Verwendung des Begriffs Zulassung in den genannten Vorschriften lässt mithin nur den Schluss darauf zu, dass er innerhalb eines Gesetzes einheitlich, und zwar als Vollzulassung im Sinne der Richtlinie 91/414/EWG zu verstehen ist,

ebenso Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 12. Februar 2007 - 13 B 67/07 -, Beschlussabdruck S. 4 f.,

die gerade nur Regelungen über "Zulassungen" enthält, sich aber nicht zur Durchführung von Parallelimporten verhält.

Dieses Ergebnis wird gestützt durch die Beweggründe des Gesetzgebers für die Novellierung des Pflanzenschutzgesetzes, insbesondere auch der Einführung und Anpassung der §§ 15 und 11 PflSchG. Denn mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes aus dem Mai 1998 sollte gerade auch die Richtlinie 91/414/EWG in nationales Recht umgesetzt werden,

vgl. Bundestagsdrucksache 13/8843, S. 4 und 24,

wobei - wie ausgeführt - auch wesentliche Teile der Richtlinie in nationales Recht transformiert worden sind.

Maßgeblich bekräftigt wird diese Auslegung, wenn weiter Sinn und Zweck der Richtlinie 91/414/EWG und des § 16c PflSchG in den Blick genommen werden. Neben der Beseitigung von Handelshemmnissen (5. und 6. Begründungserwägung der Richtlinie 91/414/EWG) soll diese auch insbesondere der Vereinheitlichung des Zulassungsverfahrens (7. Begründungserwägung) dienen, wobei die Zulassungsbestimmungen ein hohes Schutzniveau gewährleisten müssen, damit vor allem die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln verhindert wird, die nicht ausreichend auf ihre Gesundheits-, Grundwasser- und Umweltgefährdung untersucht worden sind (9. Begründungserwägung). Damit ist jedenfalls einmal vor der Erteilung einer Zulassung das Durchlaufen eines der Richtlinie 91/414/EWG genügenden Verfahrens erforderlich.

§ 16c PflSchG selbst hat ersichtlich den Zweck, eine unnötige Doppelprüfung nach der Richtlinie 91/414/EWG in jedem Mitgliedstaat zu vermeiden,

vgl. Bundestagsdrucksache 16/645, S. 6,

weil eine solche Doppelprüfung auch europarechtlich eine unverhältnismäßige Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EG wäre,

Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 11. März 1999, Rs. C-100/96 - Agrochemicals, Slg. 1999, S. I-1499 (1532 f. - Rn. 32); Siegel, NVwZ 2007, 906 (907).

Eine unnötige Doppelprüfung liegt aber nur dann vor, wenn das Pflanzenschutzmittel entweder im Herkunftsstaat oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums schon einmal entsprechend den hohen Anforderungen der Richtlinie geprüft worden ist. Auch der im Lichte des Gemeinschaftsrechts zu ermittelnde Zweck des § 16c PflSchG kann daher nur erreicht werden, wenn unter Zulassung im Sinne der Norm eine Vollzulassung zu verstehen ist.

b) Ist danach für die Erteilung einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung eine Vollzulassung für das Importmittel erforderlich, bedeutet dies jedoch nicht, dass von einem Importeur in jedem Fall verlangt werden kann anzugeben, in welchem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums für das Importmittel diese Vollzulassung erteilt worden ist. Zwar muss der Importeur als derjenige, der sich auf eine Vollzulassung für sein Importmittel beruft, grundsätzlich darlegen, dass diese anspruchsbegründende Tatsache erfüllt ist. Dem hat die Klägerin hier zunächst nicht Genüge getan. Soweit sie generell geltend macht, wenn das Pflanzenschutzmittel im Ausfuhrstaat eine Parallelimporterlaubnis besitze, müsse dem aus rechtlichen Gründen stets (am Ende der Kette) eine Vollzulassung zugrunde liegen, sind dem die von der Beklagten dargestellten Gründe der Ungewissheit über die Praxis anderer Mitgliedstaaten bei der Erteilung von Parallelimporterlaubnissen entgegenzuhalten. Auch hat die Klägerin im vorliegenden Fall nicht konkret angegeben, in welchem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums für das Importmittel eine Vollzulassung erteilt worden ist. Denn in der mündlichen Verhandlung hat sie klargestellt, dass sich aus der insoweit vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ihrer Angestellten nur die Vollzulassung des Referenzmittels im Ausfuhrstaat entnehmen lässt. Dies berechtigt die Behörde aber noch nicht, die begehrte Verkehrsfähigkeitsbescheinigung zu versagen. Denn die Angabe, in welchem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums für das Importmittel eine Vollzulassung erteilt worden ist, kann dann nicht verlangt werden, wenn sie dem Importeur nicht bekannt ist und von ihm auch nicht mit zumutbarem Aufwand beschafft werden kann.

Hier kann eine derartige Angabe - von Ausnahmefällen abgesehen - in der Regel von einem Importeur, der - wie die Klägerin - als so genannter "Arbitrage-Händer" ein in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums als Parallelimport zugelassenes Pflanzenschutzmittel von einem Zwischenhändler erwirbt und einführen will, nicht verlangt werden.

Dahinstehen kann, ob sich dies bei alleiniger Betrachtung nach nationalem Recht ergibt. Nach § 16c Abs. 2 Satz 2 PflSchG, der sich im Kontext der Anforderungen an die Vergleichbarkeit von Import- und Referenzmittel (Satz 1) findet, hat der eine Bescheinigung nach Abs. 1 und 4 begehrende Antragsteller die zur Feststellung der Verkehrsfähigkeit erforderlichen Unterlagen, zu denen er Zugang hat oder deren Beschaffung ihm zugemutet werden kann, sowie die erforderlichen Proben nach weiterer Maßgabe einer Rechtsverordnung zu übermitteln. Selbst wenn diese Regelung (erforderliche "Unterlagen") auch auf die Angabe des Staates der Vollzulassung anzuwenden sein sollte, so wird von der Klägerin (regelmäßig) etwas Unzumutbares verlangt. Denn wie sie in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat und auch ohne weiteres plausibel ist, kennt die Klägerin diese Angaben - von Ausnahmefällen abgesehen - nicht. Auch wird ihr Handelspartner, von dem sie das zu importierende, parallel zugelassene Pflanzenschutzmittel erwerben will, ihr auf Anfrage regelmäßig nicht mitteilen, wo er seinerseits seine Ware bezieht, und ihr so die Möglichkeit geben, gegebenenfalls über mehrere Schritte den Staat der Vollzulassung festzustellen. Denn dann hätte die Klägerin die Möglichkeit, sich unter Übergehung ihres Handelspartners direkt an dessen Verkäufer zu wenden und ihr Produkt entsprechend günstiger zu erwerben. Die Klägerin hat damit glaubhaft dargelegt, dass es ihr mit zulässigen und zumutbaren Mitteln unter solchen Umständen nicht möglich ist, den Staat der Vollzulassung zu ermitteln. Sie hat - wie die Vertreter des BVL in der mündlichen Verhandlung grundsätzlich bestätigt haben - damit weder nach § 16c Abs. 2 Satz 2 PflSchG Zugang zu diesen Informationen noch kann ihr die Beschaffung zugemutet werden, weil es eine letztlich kaum zu erfüllende Anforderung darstellt.

Unabhängig davon ist dieses Ergebnis auch aus dem Blickwinkel des Gemeinschaftsrechts gefordert. Sowohl das Erfordernis einer erneuten Zulassung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums bereits nach der Richtlinie 91/414/EWG zugelassenen Pflanzenschutzmittels ("Doppelprüfung") wie auch das vereinfachte Verfahren für eine Parallelzulassung - wie hier der Erteilung einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung - stellen eine die Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EG beschränkende Maßnahme gleicher Wirkung dar. Als den Warenverkehr einschränkende Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne des Art. 28 EG ist jede Maßnahme oder Regelung der Mitgliedstaaten zu verstehen, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern,

EuGH, Urteil vom 11. Juli 1974, Rs. 8/74 - Dassonville, Slg. 1974, S. 837 - Rn. 5.

Selbst das vereinfachte Verfahren der Parallelzulassung ist nur unter den eine Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit im Einzelfall rechtfertigenden Voraussetzungen des Art. 30 EG zulässig. Insoweit hat es der Europäische Gerichtshof im Hinblick auf die Schutzgüter der Richtlinie 91/414/EWG allerdings für rechtmäßig erachtet, dass die zuständige Behörde prüft, ob Import- und Referenzmittel, ohne in allen Punkten übereinzustimmen, zumindest nach der gleichen Formel und unter Verwendung des gleichen Wirkstoffs hergestellt wurden und überdies die gleichen Wirkungen haben, wobei etwaige Unterschiede bei den für die Anwendung des Mittels relevanten Bedingungen in bezug auf Landwirtschaft, Pflanzenschutz und Umwelt - einschließlich der Witterungsverhältnisse - zu berücksichtigen sind.

EuGH, Urteil vom 11. März 1999, Rs. C-100/96 - Agrochemicals, a.a.O., S. I-1533 - Rn. 33.

Gleichzeitig hat der Gerichtshof betont, dass die zuständige Behörde des Einfuhrmitgliedstaats über legislative und administrative Mittel verfügt, mit denen der Hersteller des Pflanzenschutzmittels, für das bereits eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde, der offizielle Vertreter des Herstellers oder der Lizenzinhaber gezwungen werden können, die Angaben zu machen, über die sie verfügen und die die Behörde für notwendig hält. Die zuständige Behörde könne ferner auf die Unterlagen zurückgreifen, die im Rahmen des Antrags auf Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen des bereits zugelassenen Pflanzenschutzmittels eingereicht wurden. Auch müsste der in Art. 12 der Richtlinie 91/414/EWG vorgeschriebene Informationsaustausch der zuständigen Behörde des Einfuhrmitgliedstaats die Möglichkeit bieten, sich die für die Prüfung notwendigen Unterlagen zu verschaffen.

EuGH, wie vor, S. I-1533 - Rn. 34 f.

Die Forderung, die Klägerin müsse zumindest auch den Staat der Vollzulassung benennen, stellt vor diesem Hintergrund jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung eine weitergehende Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EG in Gestalt einer Maßnahme gleicher Wirkung dar, die nicht nach Art. 30 EG gerechtfertigt ist. Eine Maßnahme gleicher Wirkung in Form einer Behinderung ist jede negative Beeinflussung der Handelsströme durch Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit bestimmter Marktteilnehmer

EuGH, Urteil vom 20. Mai 1976, Rs. 104/75 - De Peijper, Slg. 1976, S. 613 - Rn. 12 f.

Mit der genannten Forderung wird der Handel der Klägerin offenkundig behindert. Diese Behinderung ist jedenfalls unverhältnismäßig nach Art. 30 EG, wobei offen bleiben kann, ob die fraglichen Angaben überhaupt aus den Gründen des Art. 30 EG (öffentliche Sicherheit, Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen) als reine Ausgestaltung der verwaltungsverfahrensrechtlichen Darlegungslast von der Klägerin gefordert werden können. Denn jedenfalls ist die Maßnahme nicht gerechtfertigt im Sinne der Vorschrift, weil nicht verhältnismäßig.

Zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Rahmen des Art. 30 EG vgl. nur Streinz, EUV/EGV, 2003, Art. 30 Rn. 49 f. m. w. Nachw.

Eine derartige Forderung ist nicht erforderlich und im Übrigen auch unangemessen. Denn - wie dargelegt - wird von der Klägerin regelmäßig etwas Unmögliches verlangt, was nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen kann.

Dagegen hat das BLV, wie in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen erläutert, als milderes Mittel die Möglichkeit, sich die notwendige Kenntnis über die Existenz einer Vollzulassung für das zu importierende Pflanzenschutzmittel zu verschaffen, das im Ausfuhrstaat (nur) über eine Parallelzulassung verfügt. Denn zum einen verfügt es schon aufgrund der eigenen, bei ihm als zentraler Pflanzenschutzmittelzulassungsbehörde der Bundesrepublik Deutschland vorhandenen, teilweise nach Art. 12 Richtlinie 91/414/EWG erlangten Informationen über weitergehende Informationsmöglichkeiten als der Importeur. Zum anderen besteht für das BLV, wie sich auch aus dem hier geführten Verwaltungsverfahren ergibt, die Möglichkeit, sich an die jeweils zuständigen Behörden des Ausfuhrstaates mit der Bitte um weitergehende Informationen zu wenden und notfalls den Weg der Zulassungen bis zur Vollzulassung nach der Richtlinie 91/414/EWG zurückzuverfolgen - eine Möglichkeit, die der Klägerin als im Wettbewerb stehender (Zwischen-)Händlerin aus den oben dargelegten Gründen nicht offen steht. Dies entspricht auch dem üblichen Verlauf eines Verwaltungsverfahrens, nachdem der Antragsteller seiner Darlegungslast nachgekommen ist. Nur um letztlich dieses Verwaltungsverfahren abzukürzen, können an die Klägerin als Importeurin keine unzumutbaren, weil unerfüllbaren Anforderungen gestellt werden.

Dem steht auch nicht entgegen, dass das BVL in einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung das vollzugelassene Produkt und den Staat der Vollzulassung benennen und damit gegebenenfalls Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Zulassungsinhabers offenbaren müsste. Denn eine solche Verpflichtung besteht nicht. Insoweit haben die Vertreter des BVL in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt, dass eine Ver- kehrsfähigkeitsbescheinigung nur Import- und Referenzmittel ausdrücklich benennen müsse und im Übrigen die alleinige Feststellung ohne genauere Angaben enthalten könne, dass das sich als Parallelimport im Ausfuhrstaat im Verkehr befindliche Pflanzenschutzmittel über eine Vollzulassung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums verfüge. Damit kann dahinstehen, ob und auf welcher Stufe dieser Einwand überhaupt die Beschränkung des freien Warenverkehrs rechtfertigen könnte.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

III. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 ZPO.

IV. Die Berufung war nach § 124a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Sie wirft die Frage der Anforderungen an einen Parallelimport von Pflanzenschutzmitteln auf, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne der Rechtseinheit der Klärung bedarf.