AG Solingen, Urteil vom 30.11.2007 - 11 C 193/06
Fundstelle
openJur 2011, 52299
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Klä-ger € (in Worten: Euro) nebst Jahreszinsen daraus in Höhe von Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des Bür-gerlichen Gesetzbuches seit dem zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamt-schuldner.

3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung des Klägers in Höhe von des jeweils zu vollstreckenden Betra-ges.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Haftung für die Folgen eines Straßenverkehrsunfalles, der sich am gegen Uhr auf dem an der Straße in gelegenen Parkplatzgelände der Firma ereignet hat. Unfallbeteiligt waren die Ehefrau des Klägers als Fahrerin von dessen Pkw , amtliches Kennzeichen , einerseits und andererseits der Erstbeklagte als Fahrer und Halter des bei der Zweitbeklagten kraftfahrzeughaftpflichtversicherten Pkw , amtliches Kennzeichen .

Der geräumige Kundenparkplatz wird von der Straße und von der straße aus durch Zu-/Ausfahrten erschlossen. Um den äußeren Rand herum führt ein Fahrweg in Form eines sehr langgestreckten Ovals, dessen beide Längsseiten durch rechtwinklig quer und untereinander parallel verlaufende Zufahrtswege verbunden werden. Zwischen diesen Zufahrtswegen jeweils befinden sich die Parkplätze.

An den Zu- und Abfahrten zu dem Gelände finden sich Hinweisschilder darauf, dass auf dem Parkplatzgelände die "StVO" gilt. Ferner ist durch ein Streckenverbotszeichen entsprechend § 41 Abs. 1 Nr. 7, Zeichen 274 der Straßenverkehrsordnung (StVO) eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h bestimmt.

Zu dem Unfall kam es, als die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs von der Zufahrt straße aus kommend in nordöstlicher Richtung den Fahrweg parallel zur Straße befuhr.

Gegenüber der Zufahrt/Ausfahrt Straße mündet in diesen Fahrweg von Nordwesten - aus der Sicht der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs von links - ein Verbindungsweg, über den sich der Erstbeklagte näherte. Die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs passierte die Zufahrt/Ausfahrt Straße. Dabei kam es zum Zusammenstoß beider Fahrzeuge in der Weise, dass das Fahrzeug des Beklagten mit der Front etwa mittig das klägerische Fahrzeug von links "traf".

Dabei wurden beide Fahrzeuge beschädigt.

Am klägerischen Fahrzeug entstand ein wirtschaftlicher Totalschaden in Höhe von €. Der Kläger macht Nutzungsausfall geltend in Höhe von € und eine Unkostenpauschale in Höhe von €.

Der Kläger beruft sich auf sein Vorfahrtsrecht, welches der Erstbeklagte verletzt habe. Dies folge aus dem Umstand, dass auf dem Parkplatz, der allgemein zugänglich sei, die Straßenverkehrsordnung gelte, ferner, dass unter den konkreten Umständen eine Verständigungspflicht ohnehin nicht gegolten habe.

Der Kläger will am ein Ersatzfahrzeug angeschafft haben, so dass ihm für den Zeitraum von sechs Tagen Nutzungsausfall zustehe.

Die Zweitbeklagte hat vorgerichtlich unter Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Nutzungsausfallentschädigung und auf der Grundlage einer fünfzig prozentigen Mitverantwortung für die Unfallfolgen an den Kläger € gezahlt, so dass der Kläger nunmehr beantragt,

zu entscheiden wie erkannt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie verweisen darauf, dass die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen habe. Der Erstbeklagte habe nicht damit rechnen müssen, dass sich das klägerische Fahrzeug von rechts aus der Sicht seiner Fahrerin auf der Gegenfahrspur genähert habe, dies zudem mit einer überhöhten Geschwindigkeit von wenigstens 40 km/h.

Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten vorbereitenden Schriftsätze und deren zu den Akten gelangten Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einvernahme einer Zeugin an Ort und Stelle, ferner durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom und auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. Wolfgang Nover vom Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.

Die Beklagten schulden dem Kläger den Ersatz des gesamten ihm bei dem Unfallereignis entstandenen Schadens. Dies ist das Ergebnis einer Abwägung der von den Parteien zu vertretenden Haftungsrisiken und eines gegebenenfalls unfallursächlichen Verschuldens der beteiligten Fahrzeugführer nach § 17 des Straßenverkehrsgesetzes, einer Vorschrift, die vorliegend anwendbar ist, weil sich das Unfallereignis weder als die Folge höherer Gewalt darstellt noch festgestellt werden kann, dass die beteiligten Fahrzeugführer daran kein Verschulden träfe.

Dies bedeutet grundsätzlich, dass die Parteien einander auf Schadensersatz haften, der Kläger als Halter seines Fahrzeugs gemäß § 7 StVG, der Beklagte zu 1. als Fahrer und Halter seines Fahrzeugs, zumindest ebenfalls nach § 7 StVG und die Beklagte zu 3. nach § 3 des Pflichtversicherungsgesetzes in Verbindung mit den vorgenannten Vorschriften.

Bei der Abwägung nach § 17 StVG hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, wie weit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

Dabei ist zunächst die von beiden Fahrzeugen ausgehende Betriebsgefahr gegeneinander abzuwägen. Ungeachtet des Umstandes, dass es sich bei dem Fahrzeug der Beklagten um ein sehr kleines Fahrzeug handeln mag, ist ein ins Gewicht fallender Unterschied zwischen der von diesem Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr und derjenigen, die vom klägerischen Fahrzeug ausgehen, letztlich nicht festzustellen.

Alsdann ist ein gegebenenfalls unfallursächliches Verschulden der beteiligten Fahrzeugführer gegeneinander abzuwägen.

Der Erstbeklagte hat gegen §§ 1, 8 Abs. 1 S. 1 verstoßen, indem er der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs ihr Vorfahrtsrecht genommen hat. Auf dem gerichtsbekannten Großparkplatz, der einer praktisch nicht begrenzten Öffentlichkeit zugänglich ist, gilt die Straßenverkehrsordnung - sogar ungeachtet eines entsprechenden Hinweises, der an den Zufahrten allerdings angebracht ist.

Zusätzlich gilt auf Parkplätzen allerdings ein Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme, wodurch den besonderen Gegebenheiten bei der Benutzung solcher Parkplätze Rechnung getragen werden soll, insbesondere den dort stets stattfindenden Rangiermanövern und insbesondere mit Rücksicht auf den Umstand, dass die Benutzer solcher Parkplätze der Suche nach freien Parkplätzen eine gesteigerte Aufmerksamkeit widmen.

Es ist freilich nicht ersichtlich, dass der vorliegende Unfall mit Derartigem in Zusammenhang stünde: Die Fahrer der beteiligten Fahrzeuge benutzten die Fahrwege wie solche außerhalb eines Parkplatzgeländes im öffentlichen Straßenverkehr. Der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs stand mithin das Vorfahrtsrecht zu. Ihr stand dies zu auf der gesamten Fahrbahnbreite des von ihr benutzten Weges. Ungeachtet der auch nach Auffassung des Gerichts widersprüchlichen Fahrbahnmarkierung war der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs nicht etwa verboten, statt nach rechts auf die Straße auszufahren, geradeaus zu fahren. Im Übrigen behaupten die Beklagten selbst nicht, dass sich etwa der Erstbeklagte gerade auf die unklare Fahrbahnmarkierung verlassen habe, ja nicht einmal, dass ihm diese überhaupt bewusst gewesen sei, anderenfalls er sich ohnehin darauf nicht hätte verlassen dürfen.

Das von den Beklagten angesprochene Rechtsfahrgebot, welches die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs verletzt haben mag, schützt die Beklagten freilich nicht: Der Schutzzweck dieser Norm ist der Schutz des Gegenverkehrs, nicht aber der Schutz wartepflichtiger Verkehrsteilnehmer, die sich von links nähern.

Allenfalls mag diese Fahrweise indirekt für das Unfallereignis mitursächlich gewesen sein, weil der Erstbeklagte damit nicht gerechnet haben mag.

Dem Kläger kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die Fahrerin seines Fahrzeugs zu schnell gefahren sei.

Der Sachverständige hat in seinem überzeugenden Gutachten den Hergang des Verkehrsunfalls über an Ort und Stelle gewonnener Erkenntnisse, über vorhandene Lichtbilder und die Einbindung in die Örtlichkeit in relativ engen Grenzen zu rekonstruieren vermocht. Er hat dabei die durch Lichtbilder überlieferten Beschädigungen an den beteiligten Fahrzeugen als Ausgangspunkt zur Ermittlung der Kollisionsgeschwindigkeit genommen, welche für den Pkw der Beklagten zwischen 22 und 27 km/h gelegen hat und in erster Näherung auch der Näherungsgeschwindigkeit entspricht. Die Geschwindigkeit des klägerischen Pkw hat der Sachverständige über die Reaktionsaufforderung, die Kollision, die Reaktionszeit und die Endlage bei Auswahl eines vernünftigen Parameters zur Bremsverzögerung auf um 20 km/h bestimmen können. Der Sachverständige hat ferner feststellen können, dass sich die Kollision etwa 2,4 Meter innerhalb des zweispurigen Hauptfahrweges, der parallel zur Straße führt, ereignet hat. Alsdann hat der Sachverständige ausgeführt, dass es dem Erstbeklagten unter der Voraussetzung, dass er sich an die auf dem Parkplatz ausgewiesene Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h gehalten hätte, möglich gewesen wäre, in Annäherung an die Einfahrt zum Hauptverkehrsweg den von rechts kommenden Pkw des Klägers rechtzeitig zu erkennen und mit Abbremsung sein Fahrzeug noch vor der Kollision zum Stillstand zu bringen, so dass ihm der Unfall sowohl zeitlich wie auch räumlich vermeidbar gewesen wäre.

Weiter hat der Sachverständige allerdings auch ausgeführt, dass selbst, wenn sich die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h gehalten hätte, diese keine Möglichkeit mehr gehabt hätte, die Kollision zu vermeiden, da auch dann zwischen der für sie entstehenden Reaktionsaufforderung, nämlich der Einfahrt des Pkw der Beklagten in die Fahrspur des Hauptverkehrsweges, und der Kollision nur ein Zeitraum lag, der geringer als die Reaktionszeit von 0,8 Sekunden war.

Bei der Abwägung bedeutet dies, dass beide Parteien durch die Betriebsgefahr ihrer Fahrzeuge belastet werden, dass dem Erstbeklagten zwei unfallursächliche Regelverstöße vorzuwerfen sind, nämlich zum einen die Verletzung des Vorfahrtsrechts der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs und eine Überschreitung der an Ort und Stelle zugelassenen Höchstgeschwindigkeit, während dem Kläger außer der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs nur ein allerdings geringfügiges Verschulden der Fahrerin seines Fahrzeugs belastet, das darin gesehen werden mag, dass sie zu weit links gefahren ist.

Dieses wiederum ist ein Regelverstoß, auf den sich die Beklagten nicht berufen können, weil der Schutzzweck des Rechtsfahrgebotes ein anderer ist, nämlich der Schutz des Gegenverkehrs. Was die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit angeht, die der Sachverständige auch hinsichtlich des klägerischen Fahrzeugs festgestellt hat, so war diese für den Unfallhergang offenbar nicht ursächlich, weil sich der Unfall in gleicher Weise auch ereignet haben würde, wenn die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs nicht schneller als 10 km/h gefahren wäre. Auch dann hätte sie den Unfall nicht verhindern können.

Unter diesen Umständen erscheint es gerechtfertigt, wenn die den Kläger belastende Betriebsgefahr seines Fahrzeugs als vernachlässigbar außer Betracht bleibt, so dass allein die Beklagten für die Unfallfolgen einzustehen haben.

Dem Kläger gebührt auch Ersatz der Nutzungsausfallentschädigung, denn er hat durch eine mit der Klageschrift überreichte Kopie des Fahrzeugscheins für den Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen , Pkw geschlossen, schadstoffarm Euro , Fabrikat , nachgewiesen, dass dieses Fahrzeug am - sechs Tage nach dem Unfall - auf ihn zugelassen worden ist.

Zinsen auf die Klageforderung schulden die Beklagten unter Verzugsgesichtspunkten.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert: 1.751,51 €

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