OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.11.2006 - I-20 U 22/06
Fundstelle
openJur 2011, 51170
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landge-richts Düsseldorf vom 18. Januar 2006 - 12 O 521/05 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Be-klagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstre-ckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz der Kosten einer anwaltlichen Abmahnung (Anlage K 2, GA Bl. 29) in Anspruch. Die Klägerin mahnte die Beklagte zunächst mit Schreiben vom 13.05.2005 (Anlage K 1, GA Bl. 26) unter der Überschrift "Urheberrechtliche Eigenabmahnung" wegen der Wiedergabe eines Lichtbildes im Rahmen eines Verkaufsangebots der Beklagten bei der Internetplattform ebay mit der Begründung ab, ihr stünden an dem in das Internet eingestellten Lichtbild "sämtliche Nutzungsrechte" zu. Die Beklagte bestreitet den Zugang dieses Schreibens. Mit Schreiben vom 25.05.2005 mahnte der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte wegen Verwendung des Lichtbilds und eines Verstoßes gegen § 6 TDG ab. Wegen des näheren Inhalts der Abmahnung und der dieser beigefügten vorformulierten "Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung" wird auf die Anlage K 2 (GA Bl. 29 bis 33) Bezug genommen. Der anwaltlichen Abmahnung war keine Vollmacht beigefügt. Mit unmittelbar an die Klägerin übermittelten Telefax-Schreiben vom 27.05.2005 gab die Beklagte die als Anlage K 3 (GA Bl. 34) vorgelegte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab, in der sie sich u.a. verpflichtete, "es ... zu unterlassen, nachhaltig - insbesondere über die Internetplattform ebay - Telefondienste für deutsche Internetnutzer anzubieten ...". Die der anwaltlichen Abmahnung beigefügte vorformulierte Unterlassungserklärung bezog sich hingegen auf das Angebot von "Telediensten". Mit weiterem Telefax-Schreiben vom 27.05.2005 (Anlage B1, GA Bl. 121) wies die Beklagte gegenüber dem jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Abmahnung vom 25.05.2005 "mangels Vorlage einer den Regelungen des § 174 BGB entsprechenden Vollmachtsurkunde" zurück und teilte mit, sie habe mit gleicher Post eine Unterlassungsverpflichtungserklärung an die Klägerin übermittelt. Mit Schreiben vom 14.06.2005 forderte der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin - nunmehr unter Beifügung einer Vollmachtsurkunde - die Beklagte auf, in ihrer Unterlassungserklärung das Wort "Telefondienste" durch das Wort "Teledienste" zu ersetzen. Dem kam die Beklagte mit Telefax-Schreiben vom 16.06.2005 (Anlage B 3, GA Bl. 124, 125) nach.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 651,80 € nebst Zinsen nach einem Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 20. Juli 2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt und die gewerbliche Betätigung der Klägerin sowie ihren Sachvortrag betreffend die Inhaberschaft der Rechte an dem in das Internet eingestellten Lichtbild bestritten. Sie hat bei der Berechnung der Anwaltsgebühren für die Abmahnung den in Ansatz gebrachten Gegenstandswert bemängelt und bestritten, dass die Klägerin die Anwaltskosten bezahlt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung u.a. ausgeführt, es sei unschädlich, dass der anwaltlichen Abmahnung zunächst keine Vollmacht beigefügt gewesen sei. Die Beklagte hätte insoweit noch kurze Zeit zuwarten können. Die Klägerin habe mit Schreiben vom 14. Juni 2005 sodann eine Originalvollmacht vorgelegt.

Hiergegen wendet die Beklagte sich mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der sie weiterhin die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf rügt und ihren erstinstanzlichen Sachvortrag wiederholt und vertieft.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 18.01.2006 (12 O 521/05) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie vertritt die Ansicht, die wettbewerbsrechtliche Abmahnung sei weder einer Willenserklärung noch einer geschäftsähnlichen Handlung gleichzusetzen. Die Vorlage des Originals einer Vollmachtsurkunde sei für die Wirksamkeit der Abmahnung und für die Erstattungspflicht hinsichtlich der hierbei entstandenen Kosten nicht erforderlich. Hierauf komme es aber nicht einmal an. Denn der Beklagten habe - unstreitig - eine Originalvollmacht vorgelegen, als sie eine Unterlassungserklärung abgegeben habe, die die Wiederholungsgefahr erst ausgeräumt habe. Die vorgerichtliche Tätigkeit ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten sei daher adäquat kausal für die außergerichtliche Ausräumung der Wiederholungsgefahr gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die zwischen ihnen in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

Die in der Berufungsinstanz aufrechterhaltene Rüge der fehlenden örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf ist unerheblich (§ 513 Abs. 2 ZPO).

Der geltend gemachte Anspruch steht der Klägerin nicht aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, § 97 Abs. 1 UrhG oder nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 Satz 1, §§ 677, 670 BGB) zu.

Grundsätzlich sind die Kosten einer begründeten anwaltlichen Abmahnung nach den vorgenannten Vorschriften zu ersetzen, soweit - im Rahmen des Schadensersatzanspruchs aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG - als Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung anzusehen sind oder es sich gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG bzw. nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag um erforderliche Aufwendungen handelt.

Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch ist aber stets, dass die Abmahnung nach Form und Inhalt berechtigt war (vgl. Piper/Ohly, UWG, 4. Auflage 2006, § 12, Rdnr. 20).

Ob in Vertretungsfällen die Beifügung der Vollmachtsurkunde im Original erforderlich ist, weil die Abmahnung wirkungslos ist, wenn der Schuldner - wie im Streitfall - die Erklärung des Vertreters wegen der Nichtvorlage der Vollmachtsurkunde unverzüglich zurückweist (§ 174 BGB analog), ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Teilweise wird angenommen, dass auch eine vom Schuldner mangels Vollmachtsvorlage zurückgewiesene Abmahnung wirksam ist (OLG Köln, WRP 1985, 360, 361; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1990, 1323, 1324; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 8. Auflage, Kapitel 41, Rdnr. 6, 6 a m.w.N.). Begründet wird dies insbesondere damit, dass der Zweck der Abmahnung, den Verletzer - im eigenen Interesse - auf eine drohende Klage hinzuweisen und ihm die Gelegenheit zu einer außergerichtlichen Streitbeilegung durch Abgabe einer Unterwerfungserklärung zu geben, auch durch eine Abmahnung erfüllt werde, für die eine Vollmacht nicht nachgewiesen werde (vgl. Teplitzky, a.a.O.).

Der Senat hält demgegenüber nach nochmaliger Überprüfung an der in den Beschlüssen vom 13.07.2000 (GRUR-RR 2001, 286) und vom 19.04.1999 (NJW E-WettbR 1999, 263) vertretenen Auffassung fest, dass die wettbewerbsrechtliche Abmahnung ebenso wie die Mahnung (vgl. hierzu BGH NJW 1987, 1546, 1547; 1967, 1800, 1802) eine einseitige rechtsgeschäftsähnliche Handlung ist, auf die § 174 ZPO entsprechende Anwendung findet. Die hiergegen von der Gegenansicht angeführte Erwägung, dass eine Abmahnung keine unmittelbar rechtsgestaltende Wirkung entfalte, weshalb der Abgemahnte nicht vergleichbar schutzwürdig wie der Adressat eines einseitigen Rechtsgeschäfts sei (vgl. Busch, GRUR 2006, 477, 479), greift nach Auffassung des Senats nicht durch. Es ist allgemein anerkannt, dass § 174 BGB für geschäftsähnliche Handlungen entsprechend gilt (vgl. nur BGH NJW 1987, 1546, 1547; NJW 2001, 289, 290; Palandt/Heinrichs, 65. Auflage, § 174, Rdnr. 2 m.w.N.). Geschäftsähnliche Handlungen sind in erster Linie Aufforderungen und Mitteilungen, die auf Ansprüche oder Rechtsverhältnisse Bezug nehmen und vielfach im Bewusstsein der dadurch ausgelösten Rechtsfolgen ausgesprochen werden, jedoch nicht unmittelbar auf den Eintritt dieser Rechtsfolgen gerichtet sind oder gerichtet sein müssen (BGH, NJW 2001, 289, 290 m.w.N.). Unter diese Definition fällt auch eine Abmahnung wegen eines Wettbewerbsverstoßes oder wegen Verletzung gewerblicher Schutzrechte. Sie löst - neben dem anerkannten Anspruch auf Erstattung der erforderlichen Abmahnkosten - weitere Rechtsfolgen aus, indem sie das gesetzliche Schuldverhältnis, das durch die Verletzungshandlung zwischen Gläubiger und Schuldner entstanden ist, konkretisiert. Aus dieser wettbewerbsrechtlichen Sonderbeziehung ergeben sich für den Schuldner nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) bestimmte Aufklärungs- und Antwortpflichten, deren Verletzung unter Umständen auch zu Schadensersatzansprüchen des Gläubigers führen kann. So muss z.B. der Schuldner den Gläubiger nach Erhalt einer Abmahnung fristgerecht darüber aufklären, dass er sich einem anderen Gläubiger bereits unterworfen hat, damit der Abmahnende von der Erhebung einer Klage mit einer ihm ungünstigen Kostenfolge Abstand nehmen kann. Zur Beantwortung der Abmahnung ist der Abgemahnte in solchen Fällen innerhalb angemessener Frist stets verpflichtet, gleichviel ob er sich unterwirft oder die Eingehung einer Unterlassungsverpflichtung ablehnt (vgl. BGH GRUR 1987, 54, 55 - Aufklärungspflicht des Abgemahnten; Piper/Ohly, UWG, 4. Auflage 2006, Rdnr. 19). Im Hinblick auf diese Rechtswirkungen der Abmahnung und die rechtliche und wirtschaftliche Bedeutsamkeit der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hat der Schuldner ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob der Vertreter zur Abmahnung bevollmächtigt ist. Auf der anderen Seite ist nicht erkennbar, dass die Beifügung einer Originalvollmachtsurkunde eine erhebliche Mühewaltung für den Abmahnenden bedeutet (ebenso Piper/Ohly, a.a.O. m.w.N.).

Die entsprechende Anwendung des § 174 BGB scheidet auch nicht unter Berücksichtigung der Überlegung aus, dass die Abmahnung in der Regel - so auch im Streitfall - zugleich das Angebot zum Abschluss eines strafbewehrten Unterlassungsvertrags enthält (vgl. Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage, § 12, Rdnr. 1.27). Denn das Angebot tritt lediglich neben die Abmahnung, ohne dass diese deshalb ihren Charakter als geschäftsähnliche Handlung einbüßte (Pieper/Ohly, a.a.O., § 12, Rdnr. 9).

Die im Streitfall von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausgesprochene Abmahnung ist daher nach ihrer Zurückweisung durch das Schreiben der Beklagten vom 27.05.2005 entsprechend § 174 Satz 1 BGB unwirksam geworden. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die unwirksame Abmahnung besteht nicht.

Dieser ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt begründet, dass die Beklagte auf das - dem Gericht nicht vorgelegte - Anwaltsschreiben vom 14.05.2006, dem eine Originalvollmacht beigefügt war, die von ihr bereits abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung, die einen offensichtlichen Übertragungsfehler ("Telefondienste" statt Teledienste) berichtigt hat. Zum einen wird es sich bei diesem Anwaltsschreiben nicht - Gegenteiliges ist nicht vorgetragen - um eine erneute Abmahnung gehandelt haben, die nach den vorgenannten Vorschriften zur Kostenerstattung verpflichtet. Zum anderen war die Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2400 VVRVG spätestens mit der Abfassung der Abmahnung vom 25.05.2005 entstanden. Da das Schreiben vom 14.06.2005 dieselbe Angelegenheit betraf, ist hierdurch keine weitere Gebühr ausgelöst worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Da die höchstrichterlich - soweit ersichtlich - noch nicht entschiedene Frage, ob die Vorschrift des § 174 BGB entsprechend auf eine Abmahnung anwendbar ist, von grundsätzlicher Bedeutung ist und von der Rechtsprechung bisher uneinheitlich beantwortet wird, wird gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zugelassen.

B. Sch. H.