OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.03.2007 - I-10 W 117/06
Fundstelle
openJur 2011, 51090
  • Rkr:

ZPO § 917

1. Zur Frage, ob ein zureichender Arrestgrund i.S. des § 917 Abs. 2 ZPO vorliegt, wenn das Urteil in der Volksrepublik China vollstreckt werden müsste.

2. Der bloße Wegzug ins Ausland ist zumindest dann nicht geeignet, einen Arrestgrund nach § 917 Abs. 1 ZPO zu begründen, wenn ausreichendes Inlandsvermögen vorhanden ist.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 2 b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 05.09.2006 wird kosten-pflichtig zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die nach §§ 567 Abs. 1, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, da die Antragstellerin aus den zutreffenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung, denen sich der Senat nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen anschließt, einen zur Anordnung eines - mit der Beschwerde allein erstrebten - dinglichen Arrestes (§ 917 ZPO) nicht dargelegt hat. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine hiervon abweichende Beurteilung.

1.

Soweit die Antragstellerin rügt, das Landgericht habe ohne die Herbeiführung einer Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 ZPO nicht entscheiden dürfen, kommt dem im Hinblick darauf, dass die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts im Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen ist (§ 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO), keine Bedeutung zu.

2.

Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerde weiterhin gegen die Bejahung der Verbürgung der Gegenseitigkeit im Sinne des § 917 Abs. 2 ZPO. Die Gegenseitigkeit ist verbürgt, wenn die - vorliegend nach Art. 268 Zivilprozessgesetz der Volksrepublik China (ZPG) zu beurteilende - Anerkennung und Vollstreckung eines deutschen Urteils in dem betreffenden Land auf keine wesentlich größeren Schwierigkeiten stößt als umgekehrt unter den gleichen Umständen die an den Kriterien des § 328 ZPO zu messende Anerkennung und Vollstreckung eines Urteils der Volksrepublik China in der Bundesrepublik (vgl. BGHZ 42, 194 [196]; BGH, BGH, NJW 1999, 3198 [3201]; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 328 Rz. 30; Daentzer, in: ZZPInt 2 1997, 367 [375]). Fehlt es an entsprechenden Rechtshilfeabkommen wie hier, ist allein auf die praktische Handhabung abzustellen. Ist eine solche Praxis nicht feststellbar oder ist zumindest keine negative Praxis bekannt, ist davon auszugehen, dass die ausländischen Gerichte eine nach dem Gesetzesrecht gegebene Anerkennungsbereitschaft auch tatsächlich praktizieren (vgl. BGHZ 49, 50 [52]; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 328 Rz. 30; Schütze, in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., E 1 Rz. 79; Daentzer, a.a.O., S. 375). Bezogen auf die Volksrepublik China bedeutet das, dass mangels einer bisher erfolgten Verweigerung der Anerkennung eines deutschen Urteils und ausgehend von der mit der Beschwerde nicht angegriffenen Prämisse des Landgerichts, dass deutsche Urteile den übrigen Kriterien des Art. 268 ZPG regelmäßig genügen (vgl. hierzu Daentzer, a.a.O., S. 369 f), eine Gegenseitigkeitsverbürgung anzunehmen ist (i. Erg. ebenso: Geimer, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., Anh. V; Baumbach/Lauterbach u.a., ZPO, 65. Aufl., Anh. § 328 ZPO Rz. 3; Daentzer, a.a.O., S. 375 f.; Schütze, in: Geimer/Schütze, a.a.O., E 1 Rz. 154; a.A.: Münzel, RIW 1997, 73; Glück/Semler, RIW 2006, 438). Nichts anderes folgt daraus, dass in der Kommentarliteratur zu § 268 ZPG auch bei fehlenden negativen Erfahrungen nicht prinzipiell von der Gegenseitigkeit ausgegangen wird, sondern im Gegenteil die positive Feststellung der Gegenseitigkeit als Voraussetzung für eine Vollstreckung angeführt wird (vgl. hierzu Daentzer, a.a.O., S. 376 mit umfänglichen Nachweisen). Ist es nämlich - wie die Antragstellerin selbst unter Berufung auf die Auskunft des bfai (Anl. 9, Bl. 61 GA) vorträgt - gelungen, zwei chinesische Urteile in Deutschland zu vollstrecken, liegen positive Erkenntnisse hinsichtlich der Gegenseitigkeit vor.

b.

Zu Gunsten der Antragstellerin kommt auch nicht § 917 Abs. 1 ZPO zum Tragen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin vermag der Wegzug ins Ausland jedenfalls unter den vorliegenden Umständen nicht die Besorgnis zu begründen, dass ohne die Verhängung eines Arrestes die Vollstreckung eines künftigen Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Denn der bloße Wegzug in das Ausland ist zumindest dann nicht geeignet, einen dinglichen Arrestgrund nach § 917 Abs. 1 ZPO zu begründen, wenn ausreichendes Inlandsvermögen vorhanden ist (vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 1996, 775; Vollkommer, in: Zöller, a.a.O., § 917 Rz. 5). Die Antragstellerin trägt zu dem Vermögen des Antragsgegners lediglich vor, dass er Ansprüche gegen die B. GmbH auf Zahlung des Geschäftsführergehalts besitze und zudem über einen Gesellschaftsanteil an der B. GmbH verfüge. Eine Vermögensverschiebung kommt insofern - ungeachtet der Werthaltigkeit der Rechte - nicht in Betracht. Sachvortrag zu weiteren Vermögenswerten, insbesondere zu solchen, hinsichtlich derer eine Vermögensverschiebung ins Ausland zu besorgen ist, unterbreitet sie nicht. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner - mag er auch in dem durch ihn als Geschäftsführer gestellten Insolvenzantrag einen bloß kurzfristigen Auslandsaufenthalt angeführt haben - sich ordnungsgemäß unter Angabe seiner neuen Anschrift ins Ausland abgemeldet hat, ohne seinen Aufenthaltsort zu verschleiern. Allein der Umstand, dass er erst kurz vor seinem Fortzug ins Ausland seinen Schuldbeitritt erklärt hat, vermag angesichts dessen den Vorwurf unlauteren Verhaltens nicht zu begründen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Beschwerdewert: 12.000,00 €.