LAG Hamm, Urteil vom 16.01.2007 - 8 Sa 74/07
Fundstelle
openJur 2011, 50830
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 3 Ga 2/07

1. Werden durch Maßnahmen des Arbeitskampfs Gemeinwohlbelange ernsthaft gefährdet (Beeinträchtigung der Notfallversorgung durch Streik beim Blutspendendienst), so können bei Fehlen einer Vereinbarung der Kampfparteien im Wege einer einstweiligen Verfügung streikbeschränkende Maßnahmen in Form einer gerichtlich angeordneten Notstandsregelung getroffen werden.

2. Als Gegenstand der gerichtlich verfügten Notstandsregelung kommt neben einer zeitlichen und/oder quantitativen Streikbeschränkung (Verbot des Vollstreiks) das Gebot an den bestreikten Arbeitgeber in Betracht, die unter dem Schutz der Notstandsregelung fortgeführte Produktion ausschließlich zur Notfallversorgung zu verwenden.

3. Um die Einhaltung des an den Arbeitgeber als Verfügungskläger und Vollstreckungsgläubiger gerichteten Gebots zu gewährleisten, kann die Vollziehung der gerichtlich angeordneten Streikbeschränkung davon abhängig gemacht werden, dass der Gläubiger - ähnlich den Regeln der Sicherheitsleistung - die Einhaltung des an ihn gerichteten Gebots durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft macht.

Tenor

Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird auf die Berufung der Verfügungsbeklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 09.01.2007

- 3 Ga 2/07 - teilweise abgeändert:

1. Das vom Arbeitsgericht erlassene Streikverbot sowie die Verpflichtung zur Rücknahme des unbefristeten Streikaufrufs werden mit sofortiger Wirkung wie folgt eingeschränkt:

a) Auf der Grundlage einer hiermit angeordneten Notstandsregelung bleiben Arbeitsniederlegungen im Bereich des Entnahmedienstes für die vom Arbeitsgericht festgelegte Dauer weiterhin untersagt, soweit hierdurch arbeitstäglich mehr als zwei der dienstplanmäßig für den Betrieb M2xxxxx vorgesehenen Blutspendensammeleinsätze betroffen sind.

b) Soweit neben dem Entnahmedienst auch weitere Abteilungen/Bereiche des Betriebs M2xxxxx in den Arbeitskampf einbezogen werden, ist die aus der Anlage ersichtliche Notbesetzung zu gewährleisten. Zur Arbeit sind vorrangig arbeitswillige Arbeitnehmer heranzuziehen; soweit dies zur Aufrechterhaltung des Notdienstes nicht genügt, obliegt die Auswahl unter den streikwilligen Arbeitnehmern der Verfügungsbeklagten.

c) Die Verwendung der aufgrund der Notstandsregelung gesammelten Blutspenden wird für die Geltungsdauer der Notstandsregelung wie folgt beschränkt: Die gesammelten Blutspenden dürfen allein zu Zwecken der Notfallversorgung sowie für solche ärztlichen Eingriffe abgegeben werden, von welchen auf der Grundlage der nachfolgenden Regelung davon auszugehen ist, dass sie nicht aufgeschoben werden können.

2. Zur Sicherung der vorstehenden Notstandsregelung und Verwendungsbeschränkung wird die Vollziehung der einstweiligen Verfügung davon abhängig gemacht, dass die Verfügungsklägerin durch eine - der Gegenseite zuzustellende - eidesstattliche Versicherung ihres gesetzlichen Vertreters glaubhaft macht, dass sie Blutkonserven für die Geltungsdauer der getroffenen Anordnung ausschließlich mit der Maßgabe abgibt, dass die Empfänger sich ihr gegenüber schriftlich verpflichten, die aktuell gelieferten Blutprodukte ausschließlich zu Zwecken der Notfallversorgung sowie für solche ärztlichen Eingriffe zu verwenden, welche aus medizinischen Gründen und/oder einzelfallbezogener Unzumutbarkeit für den Patienten nicht aufgeschoben werden können, solange die vorstehende Notstandsregelung Bestand hat.

3. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges bleibt es bei der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben, auch soweit die Hauptsache für erledigt erklärt worden ist.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes über die Untersagung von Streikmaßnahmen.

Die Verfügungsklägerin betreibt in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH einen Blutspendedienst mit Betrieben in M2xxxxx, H2xxx und R1xxxxxx/B7xxxxxxxxx. Sie deckt mit der Produktion von Blutpräparaten ca. 80% des von Krankenhäusern im Lande NRW benötigen Bedarfs an Blutkonserven ab.

Zwischen den Parteien des Rechtsstreits ist bisher kein Tarifvertrag abgeschlossen. Nach erfolgloser Aufforderung zu Tarifverhandlungen hatte die beklagte Gewerkschaft erstmals für den 05.07.2006 zu Warnstreiks an allen drei Standorten der Verfügungsklägerin mit dem Ziel aufgerufen, einen Haustarifvertrag abzuschließen. Durch Entscheidungen der Arbeitsgerichte Münster, Hagen und Düsseldorf wurde seinerzeit die Durchführung dieser Streiks mit der Begründung untersagt, durch den Streik werde die Versorgung der Krankenhäuser mit lebenswichtigen Blutpräparaten gefährdet. Nachdem die Parteien des Verfahrens Arbeitsgericht Münster 3 BVGa 03/06 im Rechtsmittelzuge die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, sind durch Kostenbeschluss vom 18.12.2006 die Verfahrenskosten gegeneinander aufgehoben worden (LAG Hamm 8 Sa 2052/06 – vormals 8 (13) TaBV 66/06). Im Zuge der weiteren Verhandlungen rief die beklagte Gewerkschaft erneut zu einem Warnstreik am 16.10.2006 auf, ohne dass dieser – ebenso wenig wie das im Dezember 2006 durchgeführte Schlichtungsverfahren – zu einer Einigung der Parteien führte. Auch über den Inhalt einer Notdienstvereinbarung wurde keine Einigkeit erzielt. Die Verfügungsklägerin hatte insoweit vorgeschlagen, dass täglich insgesamt zwei Entnahmeteams je Standort bestreikt werden dürfen, nach den Vorstellungen der Verfügungsbeklagten sollten jeweils zwei der drei Betriebe bestreikt werden können, wobei für den Katastrophenfall die sofortige Wiederaufnahme der Arbeit vorgesehen war.

Mit Schreiben vom 03.01.2007 forderte die Verfügungsbeklagte erneut den Abschluss eines Haustarifvertrages und stellte die Wiederaufnahme des Arbeitskampfes in Aussicht, welcher alsdann – mit Unterbrechungen – ab dem 04.01.2007 in den drei Betrieben der Verfügungsklägerin aufgenommen wurde. Die Verfügungsklägerin leitete hierauf vor den Arbeitsgerichten Münster, Hagen und Düsseldorf Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Verfügungsbeklagte mit dem Ziel ein, Streikmaßnahmen vorläufig untersagen zu lassen.

Nach Angaben der Verfügungsklägerin stellte sich der Bestand an Blutkonserven wie folgt dar:

Stand 04.01.2007 (erster Streiktag)

Ort Bestand Donnerstagabend R1xxxxxx 1876 H2xxx 2970 M2xxxxx 3539 Gesamt 8385

Für Dienstag, den 09.01.2007 – den Tag nach Eingang des Eilantrages beim Arbeitsgericht Münster – war unter Berücksichtigung arbeitskampfbedingt ausgefallener Sammelaktionen mit einem Absinken der Bestände wie folgt zu rechnen:

Ort Prognostizierter Bestand R1xxxxxx 854 H2xxx 172 M2xxxxx 1495 Gesamt 2521

Zur weiteren Entwicklung der verfügbaren Vorräte hat die Verfügungsklägerin vorgetragen, unter Einbeziehung externer Zukäufe werde ein Bestand von 4091 Einheiten erreicht. Nach Abzug von ca. 1200 unverkäuflichen Beständen stünden damit lediglich Blutkonserven für einen Versorgungszeitraum von ca. 1½ Tagen zur Verfügung. Bei Fortführung des Streiks drohe damit eine erhebliche Gefährdung der Notfallversorgung. Bereits im gegenwärtigen Zeitpunkt könne auf Großunfälle und Katastrophen nicht mehr reagiert werden. Der Versuch, über den vorgetragenen Umfang hinaus weitere Blutprodukte von anderen Blutspendediensten zu kaufen, sei erfolglos geblieben, so dass nur durch eine vorübergehende Aussetzung des Streiks für 14 Tage der aktuelle Versorgungsengpass überwunden werden könne.

Die Verfügungsklägerin hat im ersten Rechtszuge – soweit für das Berufungsverfahren von Belang – sinngemäß beantragt,

die Verfügungsbeklagte zu verpflichten, den Streikaufruf an ihre Mitglieder für den Streik ab dem 04.01.2007 in unbefristeter Weise zu widerrufen

sowie der Verfügungsbeklagten zu untersagen, 14 Tage nach dem Streik vom 07.01.2007 im Betrieb M2xxxxx ihre Mitglieder und sonstigen Arbeitnehmer der Verfügungsklägerin zu Streiks, Warnstreiks oder sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen

sowie der Verfügungsbeklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000 € anzudrohen.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Durch Urteil vom 09.01.2007, auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Verfügungsbeklagte antragsgemäß zum Widerruf des unbefristeten Streikaufrufs sowie – unter Abweisung des Antrages im Übrigen – zur Unterlassung eines Streikaufrufs für einen Zeitraum von acht Tagen nach dem Streik vom 09.01.2007 unter gleichzeitiger Androhung von Ordnungsgeld verurteilt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, auf der Grundlage des vorgetragenen und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachten Vorbringens stehe der Verfügungsklägerin ein Anspruch auf Unterlassung der beabsichtigten Streikmaßnahme für die Dauer von acht Tagen zu. Aufgrund der glaubhaft gemachten Tatsache, dass der Bestand an Blutkonserven so stark abgesunken sei, dass hiermit eine ausreichende Versorgung der Krankenhäuser nicht mehr gewährleistet sei, verstoße der Streik gegen das auch im Arbeitskampf zu beachtende Verbot unverhältnismäßiger Eingriffe und stelle sich damit als rechtswidrige Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Da zwischen den Kampfparteien eine Notfallregelung nicht zustande gekommen sei, bestehe nach Überzeugung der Kammer das ernstzunehmende Risiko, dass es bei Fortführung des Streiks zu einer konkreten Gefährdung von Menschenleben kommen könnte. Nach den glaubhaft gemachten Angaben der Verfügungsklägerin sei auch ein weiterer Zukauf von Blutprodukten nicht möglich, der gegenteilige Vortrag der Verfügungsbeklagten sei unsubstantiiert. Auch wenn nicht verkannt werde, dass ein gerichtlicher Eingriff in das grundgesetzlich verbürgte Streikrecht nur unter besonders engen Voraussetzungen in Betracht komme, sei hier ein gerichtlicher Eingriff in den Arbeitskampf geboten, um die Grundversorgung der Bevölkerung mit Blutkonserven sicherzustellen. Wenn keine oder nur wenige Blutspendetermine stattfänden, sinke zwangsläufig die zur Versorgung der Bevölkerung zur Verfügung stehende Blutmenge dramatisch ab. Dies rechtfertige zwar kein unbefristetes Streikverbot, wohl aber eine Aussetzung des Streiks für acht Tage. Nach Ablauf dieses Zeitraums könne davon ausgegangen werden, dass zunächst wieder soviel Blutkonserven vorhanden seien, um den aktuellen Engpass zu beheben. Demgegenüber müsse es die Verfügungsklägerin nicht hinnehmen, dass im Zuge des Arbeitskampfes nicht allein wirtschaftlicher Druck ausgeübt, sondern darüber hinaus auch der drohende Zusammenbruch der Blutspendenversorgung als Druckmittel eingesetzt werde. Abweichend vom Antrag der Verfügungsklägerin sei allerdings eine Aussetzung des Streiks nur für acht Tage geboten. Da die Verfügungsklägerin selbst in der von ihr vorgeschlagenen Notdienstvereinbarung davon ausgegangen sei, dass die Streikteilnahme von zwei (von dreizehn) Blutspendensammelteams pro Tag hingenommen werden könne, ohne dass es zu einem Versorgungsengpass komme, führe die beantragte Unterbrechung des Streiks für 14 Tage mit sämtlichen 13 Teams zu einer erheblich weitergehenden Einschränkung des Streiks, als dies zur Aufrechterhaltung der notwendigen Versorgung erforderlich sei. Mangels abweichender Angaben der Parteien müsse deshalb davon ausgegangen werden, dass dann, wenn alle 13 Teams an den kommenden acht Tagen Blutspenden-Sammelaktionen durchführten, wieder ein regulärer Bestand an Blutkonserven vorhanden sei. Dass es bei Fortführung des Streiks erneut zu Engpässen kommen könne, liege in der Natur des Arbeitskampfes begründet und rechtfertige es nicht, bereits vorab weitergehende Einschränkungen des Arbeitskampfs anzuordnen.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts hat allein die Verfügungsbeklagte Berufung eingelegt.

Zur Begründung ihrer Berufung führt die Verfügungsbeklagte aus, das vom Arbeitsgericht verfügte vorläufige Streikverbot stelle einen unzulässigen Eingriff in das verfassungsrechtlich verbürgte Streikrecht dar. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht die Tatsache unberücksichtigt gelassen, dass der ausgerufene Streik keineswegs darauf abziele, das Einsammeln von Blutspenden vollständig zu unterbinden, im Gegenteil belege der von ihr erstellte Entwurf einer Notdienstvereinbarung, dass auch aus Sicht der Verfügungsbeklagten eine Gefährdung der Bevölkerung in jedem Falle auszuschließen sei. Das von der Verfügungsklägerin vorgetragene Zahlenwerk zur Entwicklung der vorhandenen Bestände beruhe ersichtlich zum Teil auf Schätzungen, welche als wenig plausibel anzusehen seien. Abgesehen davon, dass im Hinblick auf die Verpflichtung der Blutspendendienste zur Zusammenarbeit die Versorgung mit Blutkonserven bei Großunfällen und Katastrophen in jedem Falle sichergestellt sei, orientiere sich die Berechnung der Verfügungsklägerin erklärtermaßen nicht am Maßstab der Sicherung einer Notversorgung, sondern gehe von der "üblicherweise erforderlichen Versorgung" der Bevölkerung aus. Die Aufrechterhaltung der "üblichen" Versorgung oder Bevorratung sei aber nicht Sinn und Zweck von Notfallregelungen und diesbezüglicher gerichtlicher Eingriffe in den Arbeitskampf. In Anbetracht der Tatsache, dass nach eigenen Angaben der Verfügungsklägerin lediglich 6% der in Deutschland eingesetzten Blutpräparate für Unfallopfer benötigt würden, könne der hierfür erforderliche Bedarf ohne weiteres von anderen im Bundesgebiet tätigen Blutspendendiensten des D10xxxxxx R2xxx K3xxxxx und der staatlichkommunalen Blutbanken abgedeckt werden. Auch die Darstellung der Verfügungsklägerin, ein weiterer Zukauf von Blutpräparaten sei nicht möglich, sei ersichtlich unvollständig, da die in der Vergangenheit angesprochenen Zulieferer ständig neue Blutpräparate produzierten und im Übrigen auch ihrerseits verpflichtet seien, eventuelle Versorgungsengpässe durch eigene gesteigerte Aktivitäten zu kompensieren. Soweit es die Größenordung des erforderlichen Notlagenbedarfs angehe, könne zur Berechnung auf die Anzahl der am Wochenende vom 06./07.01.2007 abgegebenen Blutkonserven abgestellt werden. Da Lieferungen am Wochenende mit höheren Kosten verbunden seien, könne davon ausgegangen werden, dass allein in diesem Umfang bei den Krankenhäusern ein unvorhersehbarer Bedarf vorgelegen habe. Danach sei aber schon die Tagesmenge einer Station ausreichend, um den Notfallbedarf abzudecken. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht im Übrigen auch nicht den Gesichtspunkt der vorausschauenden Lagerhaltung berücksichtigt. Auch wenn eine solche wegen der begrenzten Haltbarkeit der Blutkonserven möglicherweise unwirtschaftlich sei, müsse dieser Gesichtspunkt im Bereich der Notfallversorgung zurücktreten. Gleichwohl habe es die Verfügungsklägerin unterlassen, besondere Anstrengungen für einen höheren Eintrag an Spenden zu unternehmen. Im Gegenteil habe die Verfügungsklägerin trotz des absehbaren streikbedingten Rückgangs an Blutspenden die Belieferung der Krankenhäuser im üblichen Rahmen fortgesetzt.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Münster – 3 Ga 2/07 – abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend. Sowohl im Zeitpunkt der arbeitsgerichtlichen Entscheidung als auch im gegenwärtigen Zeitpunkt sei die erforderliche Notfallversorgung der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet. Weder verfügten die von der Verfügungsklägerin belieferten Krankenhäuser selbst über eine ausreichende Anzahl von Blutprodukten, noch sei eine Belieferung durch Dritte möglich. In welchem Umfang die an die Krankenhäuser gelieferten Blutprodukte tatsächlich allein für akute Notfälle oder zum Teil auch für weniger dringliche Operationen verwendet würden, könne die Verfügungsklägerin nicht beurteilen. Dann könne aber der Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Sicherstellung der Krankenhäuser mit Blutprodukten nicht von derartigen Angaben abhängig gemacht werden. Auch wenn danach ein konkreter Nachweis nicht möglich sei, dass durch die Streikmaßnahmen bereits aktuell Menschenleben gefährdet seien, müsse es für die begehrte und vom Arbeitsgericht verfügte Beschränkung des Arbeitskampfs genügen, dass ohne gerichtlichen Eingriff eine erhebliche Gefährdung von Menschenleben nicht auszuschließen sei.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 16.01.2007 hat die Verfügungsklägerin ergänzend vorgetragen, der aktuelle Bestand an Blutkonserven in M2xxxxx habe am Morgen um 7.15 Uhr 1022 Einheiten betragen, was nicht einmal einem vollen Tagesbedarf entspreche. Nachdem von Seiten der Verfügungsbeklagten die Richtigkeit der angegebenen Zahl bestritten worden ist, hat die ärztliche Direktorin die Richtigkeit dieser Angaben an Eides statt versichert.

Gründe

Die Berufung der Verfügungsbeklagten hat insoweit Erfolg, als sie sich gegen das (zeitlich befristete) vollständige Streikverbot für den Betrieb M2xxxxx richtet und so für die Dauer des verfügten Verbots uneingeschränkt Streikmaßnahmen untersagt. Soweit mit der Berufung die ersatzlose Aufhebung des vom Arbeitsgerichts erlassenen Streikverbots begehrt wird, bleibt die Berufung ohne Erfolg.

Nach übereinstimmender Erklärung der Hauptsacheerledigung hinsichtlich des bereits verstrichenen Verbotszeitraums beschränkt sich das Berufungsverfahren auf den verbleibenden Verbotszeitraum bis einschließlich zum 17.01.2007. Nachdem nämlich allein die Verfügungsbeklagte gegen das arbeitsgerichtliche Urteil Berufung eingelegt und die Verfügungsklägerin ihrerseits ausdrücklich erklärt hat, sie greife die teilweise Abweisung ihres – auf einen längeren Verbotszeitraum zielenden – Antrags nicht mit der Berufung an, ist Gegenstand des Berufungsverfahrens allein die Frage zur Zulässigkeit des Streiks bis zum Ablauf des 17.01.2007.

II

In der Sache erweist sich die Berufung der Verfügungsbeklagten nur zum Teil als begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht zugunsten der Klägerin dem Grunde nach die Voraussetzungen eines Verfügungsanspruchs und die Notwendigkeit einer gerichtlichen Streikbeschränkung (Verfügungsgrund) mit der Begründung bejaht, dass bei unveränderter Fortführung des Arbeitskampfes eine Gefährdung der Notfallversorgung nicht auszuschließen ist. Abweichend vom Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils hält die Kammer jedoch ein (zeitlich befristetes) vollständiges Streikverbot für zu weitreichend. Vielmehr sind zur Wahrung der gefährdeten Gemeinwohlinteressen weniger weit reichende Streikbeschränkungen genügend.

1. In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil kommt als Grundlage für die begehrte Streikbeschränkung das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb als "absolutes Recht" im Sinne der §§ 823, 1004 BGB in Betracht, welches nicht allein eine gewerbliche und auf Gewinnerzielung gerichtete Betätigung schützt, sondern auch am Gemeinwohl orientierte Betätigungen in seinen Schutzbereich einbezieht. Der Verfügungsklägerin ist – gemeinsam mit anderen Blutspendensammeldiensten - die Aufgabe übertragen, die Versorgung der Bevölkerung und Krankenhäuser mit Blutkonserven sicherzustellen. Damit nimmt die Verfügungsklägerin eine ihr übertragene Aufgabe des Gemeinwohls wahr.

Wie im Beschluss der erkennenden Kammer vom 18.12.2006 (8 Sa 2052/06) näher ausgeführt worden ist, unterliegen Arbeitskampfmaßnahmen in derartigen Fällen spezifischen Einschränkungen, um unverhältnismäßige Eingriffe in das Gemeinwohl zu verhindern (Kissel, Arbeitskampfrecht § 28 Rz 25 f., § 43 Rz 120 ff., 133). Werden die sich hieraus ergebenden Grenzen durch Maßnahmen des Arbeitskampfes überschritten, stellt dies im Verhältnis zum Träger der Gemeinwohlaufgabe einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, gegen welchen Abwehrrechte aus §§ 1004, 823 BGB geltend gemacht werden können. Die Verfügungsklägerin macht mit dem Hinweis auf die Gefährdung der Versorgung mit Blutkonserven nicht etwa – wie irgendein Außenstehender oder mittelbar kampfbetroffener Dritter – fremde Rechte als "Vertreter des Gemeinwohls" geltend, vielmehr liegt in Anbetracht der übertragenen Gemeinwohlaufgabe eine Beeinträchtigung der eigenen gemeinwohlorientierten unternehmerischen Betätigung vor (vgl. Kissel a.a.O. § 27 Rz 14 a. E.)

2. In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil muss unter den vorliegenden Umständen von einer aktuellen Gefahr für das Gemeinwohl ausgegangen werden.

a) Eine solche Gefährdung der Notfallversorgung ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil die beklagte Gewerkschaft zugesagt hat, Streikmaßnahmen zeitgleich nur in zwei von drei der in M2xxxxx, H2xxx und D7xxxxxxxx befindlichen Betriebe durchzuführen. Die mit konkreten Zahlen belegte und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachte Entwicklung der Vorräte an den einzelnen Standorten rechtfertigt vielmehr – bezogen auf den gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt – die Befürchtung, dass bei Fortführung des Arbeitskampfes in unveränderter Form ohne gerichtliche Eingriffe kurzfristig nicht einmal mehr ein ausreichender Vorrat zur Notfallversorgung im engeren Sinne zur Verfügung steht. Bei einem aktuellen Bestand von 1022 Blutkonserven und einem üblichen "bedarfsorientierten" täglichen Abgang von Blutkonserven in derselben Größenordnung ist ohne weiteres ersichtlich, dass jedenfalls der Betrieb M2xxxxx kurzfristig nicht mehr in der Lage ist, überhaupt noch Blutkonserven aus eigenem Bestand zur Verfügung zu stellen.

b) Entgegen dem Standpunkt der Verfügungsbeklagten lässt sich die so umschriebene Gefahr des Zusammenbruchs der örtlichen Notfallversorgung auch nicht mit dem Hinweis darauf ausräumen, dass auf der Grundlage der Regelungen des Transfusionsgesetzes die verschiedenen Blutspendendienste zusammen zu arbeiten und sich bei Katastrophen- und Notfällen zu unterstützen haben. Allein der Umstand, dass durch die Zusammenarbeit der Blutspendendienste eine zusätzliche Absicherung für Katastrophenfälle und auch für den Fall vorgesehen ist, dass – z.B. aus technischen Gründen – einzelne Blutspendendienste ihren Versorgungsauftrag nicht erfüllen können, bedeutet nicht, dass der vollständige Ausfall der örtlichen Versorgung – bzw. die konkrete Gefahr eines solchen – hinzunehmen ist. Ebenso wenig wie örtliche Brandschutzmaßnahmen nicht mit der Begründung für entbehrlich erklärt werden können, das Spritzenhaus der Freiwilligen Feuerwehr sei nicht weit entfernt und im Umkreis stünden leistungsfähige Berufsfeuerwehren zur Verfügung, können die Gefahren, welche sich aus einem Ausfall einer ortsnahen Notfallversorgung ergeben, nicht mit der Begründung zur Seite geschoben werden, bundesweit sei genügend Blut vorhanden, welches wegen der vorgeschriebenen Zusammenarbeit der Blutspendendienste in Notfällen herbeigeschafft werden könnte.

c) Ebenso wenig kann es für die Beurteilung einer drohenden Notlage auf den Gesichtspunkt ankommen, inwiefern die Verfügungsklägerin durch eigenes Handeln zum aktuellen Versorgungsengpass beigetragen hat. Richtig ist zwar, dass die Verfügungsklägerin, nachdem es bereits im Sommer und Herbst des letzten Jahres zu Warnstreiks gekommen war, mit einer Zuspitzung der Auseinandersetzung rechnen musste und dementsprechend zu Vorsorgemaßnahmen Anlass hatte. Eine langfristige Lagerung von Vorräten scheidet indessen schon mit Rücksicht auf die nur kurze Haltbarkeit der Blutkonserven aus. Darüber hinaus würde wohl auch die Bevölkerung, auf deren Spendenwilligkeit die Verfügungsklägerin angewiesen ist, u.U. mit Befremden auf die Vorstellung reagieren, die Verfügungsklägerin sammle über den bestehenden Bedarf hinaus Blutspenden, um der Gefahr eines arbeitskampfbedingten Versorgungsengpasses zu begegnen. Auch der Umstand, dass die Verfügungsklägerin selbst zur Zuspitzung des Versorgungsengpasses dadurch beigetragen hat, dass sie noch während des Arbeitskampfes und auch während der vom Arbeitsgericht verfügten "Streikpause" trotz verringerten Spendenaufkommens ihre Blutkonserven in unverändertem Umfang nach Maßgabe der ihr vorliegenden Bedarfsanforderungen abgegeben hat, kann nicht dazu führen, die entstandene Situation als "selbstverschuldet" anzusehen und in Anwendung des Rechtsgedankens des § 162 BGB ihr den "Notfalleinwand" arbeitskampfrechtlich abzuschneiden. Der Rechtsgedanke des § 162 BGB betrifft allein das Verhältnis der am streitigen Rechtsverhältnis beteiligten Personen und Interessen. Soweit es um mögliche Gefahren für die Versorgung der Bevölkerung in Notfällen geht und die Verfügungsklägerin damit Gemeinwohlaufgaben wahrnimmt, kann es für etwaige gerichtliche Eingriffe in einen Arbeitskampf nicht darauf ankommen, wessen Verhalten in erster Linie zum Entstehen der Notlagensituation beigetragen hat.

d) Auf der Grundlage des vorgetragenen und glaubhaft gemachten Zahlenwerks kann schließlich auch nicht angenommen werden, die Verfügungsklägerin könne schon allein durch Änderung ihres eigenen Verhaltens – nämlich einer Rationierung des vorhandenen Bestandes an Blutkonserven – die entstandene Gefährdungslage ausräumen. Abgesehen davon, dass eine exakte Erfassung des Notfallbedarfs erklärtermaßen auf Schwierigkeiten stößt, kommt zwar – wie nachfolgend zur Begründung der vom Gericht getroffenen Anordnungen auszuführen ist – als Teil einer Notstandsregelung auch eine Beschränkung der Abgabe von Blutkonserven in Betracht. Mit Rücksicht auf die Tatsache, dass die am Arbeitskampf beteiligten Parteien selbst jedoch keine Regelung getroffen haben, welche einer Notlagengefahr entgegenwirkt, und allein die von der Verfügungsbeklagten einseitig in Aussicht gestellte Beschränkung des Arbeitskampfes auf zwei von drei Betrieben des Unternehmens jedenfalls gegenwärtig nicht genügt, um die Notfallversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, kann der Verfügungsklägerin das Recht, auf der Grundlage der §§ 1004, 823 BGB im Gemeinwohlinteresse eine Einschränkung des Arbeitskampfes zu verlangen, nicht abgesprochen werden.

3. Nach alledem bedarf es einer gerichtlichen Regelung, welche zur Vermeidung von Gefahren des Gemeinwohls die lokale Versorgung mit Blutkonserven für Notfälle und nicht aufschiebbare medizinische Eingriffe sicherstellt.

a) Hieran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass von Seiten der beklagten Gewerkschaft die Bereitschaft zum Ausdruck gebracht worden ist, in Not- oder Katastrophenfällen den Streik auszusetzen. Wie sich aus dem Vorbringen der Verfügungsbeklagten ergibt, versteht sie den Begriff des Notfalls in einem deutlich eingeschränkteren Sinne, als dies nach den vorstehenden Ausführungen maßgeblich ist. In Anbetracht der unterschiedlichen Auffassungen der Parteien, unter welchen Voraussetzungen von einem "Notfall" oder einer Gefährdung der Versorgung der Bevölkerung mit Blutkonserven auszugehen ist, und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass aus diesem Grunde auch die Verhandlungen über eine Notfallvereinbarung nicht zu einer Einigung geführt haben, ist offensichtlich, dass hier nur mit Hilfe einer gerichtlichen Eilmaßnahme der dargestellten Gemeinwohlgefährdung begegnet werden kann. Hierbei steht die Überlegung im Vordergrund, dass nicht erst der tatsächliche Ausfall der Versorgung durch Aufbrauchen der Vorräte, sondern bereits die ernstliche Gefahr einer solchen Situation die Notwendigkeit einer entsprechenden Regelung bzw. eines gerichtlichen Eingriffs in den Arbeitskampf begründet.

b) Welche Maßnahmen zur Sicherung einer ausreichenden Notfallversorgung geboten sind, hängt – wie das vorliegende Streikgeschehen zeigt – von einer Vielzahl sich laufend verändernder Umstände ab. Auch in Zeiten außerhalb des Arbeitskampfs sind sowohl die Anzahl der gesammelten Blutspenden als auch der Gesamtverbrauch – also "Eingang" und "Abgang" von Blutkonserven – Schwankungen ausgesetzt, wobei die Angabe der Verfügungsklägerin durchaus plausibel erscheint, dass ihr keine konkreten Informationen darüber vorliegen, welcher Anteil der gelieferten Blutkonserven zur Versorgung akuter Notfälle oder nicht verschiebbarer Operationen einerseits und elektiver medizinischer Eingriffe andererseits verwendet wird. Bei ungestörten "Produktions- und Absatzverhältnissen" besteht für eine entsprechende Erhebung kein Bedarf, vielmehr wird die Verfügungsklägerin bemüht sein, den Anforderungen der Krankenhäuser möglichst weitgehend zu entsprechen, soweit dies aus dem Spendenaufkommen und Zukäufen möglich ist. Auch der Verfügungsbeklagten stehen ersichtlich keine konkreten Zahlenangaben zur Verfügung, welche eine zuverlässige Abgrenzung des Notfallbedarfs i.w.S. und des darüber hinausgehenden Bedarfs an Blutkonserven ermöglichen. Allein das Fehlen zuverlässiger Zahlen kann jedoch weder dazu führen, den Arbeitskampf ohne erforderliche Notstandsregelung fortzuführen, noch kann andererseits dem Standpunkt der Verfügungsklägerin gefolgt werden, der Arbeitskampf müsse jeweils solange ausgesetzt werden, bis der zur üblichen Versorgung der Bevölkerung erforderliche Vorrat an Blutspenden vorhanden sei. Wie sich anschaulich an der Tatsache zeigt, dass die vom Arbeitsgericht verfügte Aussetzung des Streiks ab dem 09.01.2007 nichts daran geändert hat, dass nach wie vor von einer Gefährdung der Notfallversorgung auszugehen ist, kann allein mit einer zeitweisen Streikunterbrechung die bestehende Problematik nicht bewältigt werden.

c) Dem Standpunkt der Verfügungsklägerin, der Streik müsse bei Absinken der Vorräte unter einen bestimmten Mindestbestand jeweils für 8 oder 14 Tage ausgesetzt werden, um eine Aufstockung der Reserven zu ermöglichen, kann auch deshalb nicht gefolgt werden, weil damit letztlich ein effektiver Arbeitskampf überhaupt verhindert würde. Mit einem Wort von Gamillscheg lässt sich der Streik "nicht wie eine Taschenlampe an- und ausknipsen". Eben aus diesem Grunde dürfen gerichtlich verfügte Eingriffe in den Arbeitskampf nur im Rahmen des unbedingt Erforderlichen erfolgen.

d) Die sich hieraus ergebende rechtliche Begrenzung gerichtlicher Eingriffe in das Kampfgeschehen steht im Übrigen unter dem Vorbehalt, dass sich deren Notwendigkeit nicht von vornherein für die gesamte Dauer des Arbeitskampfs bestimmen lässt. Ob und in welchem Umfang möglicherweise in anderen Betrieben des Unternehmens, bei anderen Blutspendendiensten oder bei den bislang belieferten Krankenhäusern durch dort organisierte zusätzliche Blutspenden-Sammelaktionen die dargestellten Gemeinwohlgefahren reduziert oder ausgeschlossen werden können, lässt sich im Vorhinein nicht sicher beurteilen, zumal auch die bislang ergangenen gerichtlichen Entscheidungen zum Streik bei den weiteren Betrieben der Verfügungsklägerin in H2xxx und R1xxxxxx/B7xxxxxxxxx uneinheitlich ausgefallen sind mit der Folge, dass gegenwärtig die Auswirkungen des Streiks auf die Versorgungslage in den streikbetroffenen Betrieben insgesamt nur schwer abzuschätzen sind. Entsprechendes gilt für den Gesichtspunkt, dass die Entwicklung des erforderlichen Mindestvorrats an Blutkonserven vom Umfang des angemeldeten und befriedigten Bedarfs abhängt. Schließlich lassen sich auch die Auswirkungen der hier vom Gericht angeordneten "Verwendungsbeschränkung" (Abgabe von Blutkonserven nur für Notfälle und nicht aufschiebbare Eingriffe) nicht im Vorhinein zuverlässig beurteilen. Dementsprechend kann eine vom Gericht verfügte Notfallregelung zunächst nur an eine aktuelle Beurteilung der Versorgungsgefährdung anknüpfen. Bei länger wirkenden Streikbeschränkungen müssen die Parteien des Arbeitskampfs ggfls. auf die Möglichkeit verwiesen werden, eine Änderung der gerichtlichen Regelung gemäß § 927 ZPO herbeizuführen.

4. Unter Beachtung der Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit kommen danach – anstelle des begehrten und vom Arbeitsgericht zum Teil zugesprochenen vollständigen befristeten Streikverbots – allein streikbeschränkende Maßnahmen in Betracht, welche auf eine Herabsetzung der Streikintensität zielen. Die vom Gericht angeordnete Streikbeschränkung ist dementsprechend darauf gerichtet, dass das Sammeln von Blutspenden durch die im Betrieb M2xxxxx tätigen Mitarbeiter nicht vollständig verhindert wird, sondern allein eine begrenzte Anzahl von Blutspenden-Sammelteams bestreikt werden darf. Diese "quantitative Streikbeschränkung" dient dem Ziel, die Aufrechterhaltung der zur Notfallversorgung erforderlichen "Mindestproduktion" zu gewährleisten, ohne andererseits die Kontinuität und Effektivität der Kampfmaßnahmen durch ein vorübergehendes vollständiges Kampfverbot übermäßig einzuschränken.

a) Was den Umfang der gebotenen Streikbeschränkung betrifft, gilt Folgendes: Eine zuverlässige Einschätzung, welche Anzahl von Blutkonserven zur Gewährleistung einer Notfallversorgung vorgehalten werden muss, ist der Kammer auf der Grundlage des vorgetragenen Sachverhalts nicht möglich. Hieraus kann aber nicht abgeleitet werden, Beschränkungen des Arbeitskampfes seien nur in dem Umfang anzuordnen, welcher zweifelsfrei zur Aufrechterhaltung der Notfallversorgung erforderlich ist. Da es um die Abwehr einer Gefahrenlage geht, welche an einen bereits stark abgesunkenen Vorrat an Blutkonserven anknüpft und die sich bei uneingeschränkter Fortführung des Arbeitskampfes weiter zuspitzen würde, muss die unbeschränkte Fortführung des Arbeitskampfes davon abhängig gemacht werden, dass (wieder) eine ausreichende Notfallversorgung gewährleistet ist. Dies kann – bezogen auf den gegenwärtigen Zeitpunkt – jedenfalls in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang angenommen werden, nachdem die Verfügungsklägerin selbst im Rahmen der von ihr angebotenen Notfallregelung eine entsprechende Beschränkung des Streiks vorgeschlagen hatte. Demgegenüber kann die Kammer auf der Grundlage des gegenwärtigen Sach- und Streitstandes nicht die Überzeugung gewinnen, die dargestellte Gefährdung der Notfallversorgung lasse sich auch mit einem weniger weitreichenden Eingriff in das Streikgeschehen vermeiden. Jedenfalls unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die hier maßgebliche Streikbeschränkung praktisch nur noch für die Dauer von 1,5 Arbeitstagen Geltung beansprucht, erscheint es als wenig realistisch, dass die Verfügungsklägerin bereits innerhalb dieses Zeitraums deutlich mehr Blutspenden einsammeln kann, als zur Auffüllung eines ausreichenden Notvorrats erforderlich. Ob bei Fortführung des Arbeitskampfes und nach Anwachsen der Vorräte künftig u.U. weniger weitreichende Streikbeschränkungen zur Sicherung der Versorgung ausreichen würden, bedarf hier keiner Entscheidung.

b) Soweit der Arbeitskampf nicht allein den Sammeldienst, sondern auch die weiteren Abteilungen oder Bereiche wie z. B. das Zentrallabor oder den Vertrieb betrifft, fehlt es ebenfalls an einer Regelung der Kampfparteien zur Aufrechterhaltung der Notfallversorgung. Insoweit orientiert sich die gerichtliche Entscheidung am Inhalt des verhandelten, jedoch nicht zustande gekommenen Vereinbarungsentwurfs, gegen dessen Sachgerechtigkeit von den Parteien selbst keine Einwendungen erhoben worden sind. Für den Bereich des Zentrallabors fehlt es allerdings an entsprechenden Vorgaben. Jedenfalls unter Berücksichtigung der nur kurzen Dauer der verfügten Streikbeschränkung bestehen deshalb keine Bedenken dagegen, dass der erforderliche Personalbedarf – mangels sachbezogener anderer Anhaltspunkte - zunächst von Seiten des Arbeitgebers bestimmt wird.

Danach ergibt sich folgende Notbesetzung:

Bereich / Abteilung Notdienste Serologie/Kreuzproben 2 Arbeitnehmer/innen je Früh- und Spätschicht zuzüglich 1 Arbeitnehmer/in Rufbereitschaft Ausgabe/Vertrieb 7.00 – 10.00 Uhr 3 Arbeitnehmer/innen, dann 1 Arbeitnehmer/in je Schicht Stammzellen/Hämapherese 1 Team werktäglich zuzüglich Rufbereitschaften im üblichen Umfang EDV 1 Arbeitnehmer/in werktäglich und 1 Arbeitnehmer/in werktäglich für das Zentrallabor zuzüglich Rufbereitschaften im üblichen Umfang Zentrallabor Personalstärke im erforderlichen Umfang nach Bestimmung des Arbeitgebers

c) Die – ohne Zweifel weitreichende – Einschränkung des Arbeitskampfes aus Gründen der Sicherung der Notfallversorgung kann allerdings nur unter der weitergehenden Voraussetzung als gerechtfertigt angesehen werden, dass die Verfügungsklägerin ihrerseits die unter dem Schutz der gerichtlich verfügten Notstandsregelung gesammelten Blutspenden nicht zur Deckung des üblichen Bedarfs an Blutkonserven abgibt, sondern dafür Sorge trägt, dass diese tatsächlich nur der Notfallversorgung i.w.S. zugeführt werden.

Rechtstechnisch kommt insoweit allerdings kein an die Verfügungsklägerin gerichtetes – vollstreckbares – Gebot oder Verbot in Betracht. Zwar sind bei einer Regelungsverfügung im Sinne des § 940 ZPO grundsätzlich gerichtliche Anordnungen – unabhängig von der Parteirolle - gegenüber beiden Konfliktbeteiligten möglich, wenn nur so die Voraussetzungen für eine funktionstüchtige Interimsregelung geschafften werden können. Im vorliegenden Zusammenhang geht es indessen nicht darum, der beklagten Gewerkschaft ein eigenständig durchsetzbares Recht in Bezug auf die beschränkte Abgabe der im Arbeitskampf gesammelter Blutspenden zu verschaffen. Vielmehr handelt es sich bei der verfügten Verwendungsbeschränkung um eine von der Verfügungsklägerin zu belegende Voraussetzung dafür, dass sie von der Verfügungsbeklagten die Unterlassung gemeinwohlgefährdender Kampfmaßnahmen verlangen bzw. von der auf ihren Antrag erlassenen streikbeschränkenden Anordnung im Wege der Zwangsvollstreckung Gebrauch machen kann. Dementsprechend war die Vollziehung der verfügten Streikbeschränkung von der Glaubhaftmachung der angeordneten Verwendungsbeschränkung abhängig zu machen. Eine solche Bindung der Vollziehung von Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes an bestimmte Voraussetzungen wird im Bereich der Arrestanordnung ohne weiteres für zulässig erachtet (zur Sicherheitsleistung: Zöller/Vollkommer § 921 ZPO Rz 4; § 929 ZPO Rz 9). Für die einstweilige Verfügung, welche eine vorläufige Regelung nach §§ 935, 940 ZPO zum Gegenstand hat, muss sinngemäß Entsprechendes gelten.

Bei der Ausgestaltung der Verwendungsbeschränkung in formeller Hinsicht hat die Kammer ausreichen lassen, dass sich die Verfügungsklägerin von den belieferten Krankenhäusern die Einhaltung der Verwendungsbeschränkung schriftlich zusichern lässt. Allein die theoretische Gefahr einer missbräuchlichen Handhabung rechtfertigt ohne konkrete Anhaltspunkte keine weitere Verschärfung der Anforderungen etwa in dem Sinne, dass von Seiten sämtlicher belieferter Krankenhäuser eidesstattliche Versicherungen zu fordern sind. Auch insoweit ist auf die Ausführungen zum Prognose-Charakter der Einschätzung der Gefahrensituation und die Möglichkeit einer Abänderung der gerichtlichen Maßnahme nach § 927 ZPO zu verweisen.

II

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 a, 92 Abs. 1 ZPO i. V. m § 46 Abs. 2 ArbGG.

Dr. Dudenbostel Kalkbrenner Worbis

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