OLG Köln, Beschluss vom 23.01.2007 - 81 Ss 6/07
Fundstelle
openJur 2011, 50708
  • Rkr:
Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Gummersbach zurückverwiesen.

Gründe

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zur Begründung ihres Antrags ausgeführt:

"Das Amtsgericht Schöffengericht in Gummersbach hat den Angeklagten am 28.09.2006 aufgrund am 26.07.2006, 09. und 11.08.2006, 01.09., 20.09. und 28.09.2006 durchgeführten Hauptverhandlungsterminen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

Die hiergegen gerichtete, form- und fristgerecht eingelegt Sprungrevision des Angeklagten, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird, ist vorerst begründet.

Die Revision macht schon mit der insoweit ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge zu Recht geltend, dass der Beweisantrag des Verteidigers vom 28.09.2006 auf Vernehmung des Zeugen B. L., wohnhaft: N.-weg in H.-O., von dem Amtsgericht Gummersbach rechtsfehlerhaft abgelehnt worden ist.

Den als Anlage 3 zum Protokoll vom 28.09.2006 genommenen Beweisantrag auf Vernehmung des Bruders B. L. des Zeugen C. L. hat das Amtsgericht Gummersbach in seinem Urteil vom 28.09.2006 mit folgender Begründung abgelehnt:

"Dem im Rahmen des Schlussvortrags des Verteidigers gestellten Beweisantrag (Anlage 3 zum Protokoll, Bl. 174 f. d. A.) war nicht nachzugehen, sondern dieser war zurückzuweisen, da er ersichtlich nur zum Zweck der Prozessverschleppung gestellt wurde. Denn der Verteidigung und dem Angeklagten war bereits am ersten Verhandlungstag, dem 26. Juli 2006, bekannt geworden, dass der Zeuge B. L. als Zeuge für den Umstand, dass der Zeuge C. L. mit ihm nach dem mutmaßlichen Tatgeschehen gesprochen hatte, benannt worden, und der Antrag auf Vernehmung dieses Zeugen wurde (ohne, dass sich insoweit maßgebliche neue Aspekte ergeben hätten) erst über zwei Monate später gestellt, nachdem mehrere Fortsetzungstermine anberaumt und durchgeführt worden waren sowie dem Beweisantrag auf Verlesung der schriftlichen Einlassung des Bruders des Angeklagten D. E. welche teilweise in arabischer Sprache abgefasst war, so dass sich deren genauer und vollständiger Inhalt erst nach Übersetzung per Fax durch den Dolmetscher A. H. erschloss entsprochen worden war."

Diese Ablehnung unter dem Gesichtspunkt der Verschleppungsabsicht ist rechtsfehlerhaft.

Der Umstand, dass die Verteidigung einen Beweisantrag früher hätte stellen können, reicht regelmäßig für sich genommen zur Annahme von Verschleppungsabsichten nicht aus. Der Ablehnungsgrund der Prozessverschleppung setzt voraus, dass neben dem Gericht auch der Antragsteller selbst keinerlei günstige Auswirkungen des Beweisergebnisses auf den Prozessverlauf erwartet, er vielmehr mit seinem Antrag ausschließlich die Verzögerung des Prozesses bezweckt und dass durch die beantragte Beweiserhebung eine nicht nur unerhebliche Verzögerung eintreten würde (vgl. BGH, Strafverteidiger 2002, Seite 181, 182 m. w. N.).

Nach der herrschenden und strengen Rechtsprechung setzt die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Verschleppungsabsicht folgendes voraus:

Seine Eignung zu einer erheblichen Hinauszögerung des Verfahrensabschlusses sowie die Überzeugung des Gerichts, dass die Beweiserhebung nichts sachdienliches erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und mit dem Antrag ausschließlich eine Verzögerung des Verfahrens bezweckt (vgl. SenE vom 20.04.2000 Ss 166167/00 m. w. N.).

Dementsprechend muss der Ablehnungsbeschluss die für eine Verschleppungsabsicht sprechenden Fakten und Umstände so vollständig darlegen, dass der Antragsteller sein weiteres Prozessverhalten danach ausrichten und das Revisionsgericht die rechtlichen Grundlagen nachprüfen kann.

All dem genügt die vorliegende Entscheidung nicht.

Schon der Gesichtspunkt, ob die beantragte Vernehmung des Zeugen geeignet war, den Verfahrensabschluss erheblich zu verzögern, wird in den Ablehnungsgründen überhaupt nicht erwähnt. Der Aufenthaltsort des Zeugen in H.-O. war bekannt und es sind keine Gründe ersichtlich, warum die Hauptverhandlung nicht innerhalb der Frist des § 229 Abs. 1 StPO hätte fortgesetzt werden können. Eine erhebliche Verzögerung ist aber nicht zu erwarten, wenn eine Hauptverhandlung unter Einhaltung dieser Frist mit der beantragten Beweiserhebung fortgesetzt werden kann (vgl. SenE, a. a. O., m. w. N.).

Der Zeuge B. L. ist ersichtlich auch kein völlig ungeeignetes Beweismittel und das Amtsgericht Gummersbach hat überdies keinerlei Feststellungen dazu getroffen, dass die Beweiserhebung nichts sachdienliches bringen kann. Da die unter Beweis gestellte Tatsache Bedeutung insbesondere für die Glaubwürdigkeit des Zeugen C. L. haben kann, kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf dem Verfahrensmangel beruht.

Die Sachrüge bedarf danach keiner Entscheidung mehr. "

Dem stimmt der Senat zu.

Ergänzend ist anzumerken: Die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags ist schon deshalb rechtsfehlerhaft erfolgt, weil ein solcher Antrag wegen Prozessverschleppungsabsicht nicht erst - wie hier - in der Urteilsurkunde abgelehnt werden darf. Die Ablehnungsbegründung muss vielmehr schon in der Hauptverhandlung mitgeteilt werden, damit der Antragsteller den Vorwurf entkräften kann (SenE v. 03.04.2002 - Ss 139/02 = StraFo 2002, 294 = StV 2002, 355; Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, § 244 Rn. 44 a mit weiteren Nachweisen).