OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2007 - 7 A 678/07
Fundstelle
openJur 2011, 50419
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Aus den mit dem Zulassungsantrag dargelegten Gründen ergeben sich die behaupteten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht.

Mit Ordnungsverfügung vom 25. Oktober 2005 hat der Beklagte der Klägerin gestützt auf die Nebenbestimmung BA0024 zur Baugenehmigung vom 23. März 2005 unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,00 Euro untersagt, während der Nachtzeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr Lieferungen am M. -Markt in T. vorzunehmen. Die Klägerin meint, das Verwaltungsgericht habe sie zu Unrecht als Handlungsstörerin angesehen. Zwar habe sie eine Ursache für die nächtlichen Warenanlieferungen gesetzt, denn sie habe den Lieferanten Schlüssel (für eine Eingangstür neben der Anlieferungsschleuse) gegeben (die die nächtlichen Warenanlieferungen ermöglichten). Sie sei aber dennoch keine "Zweckveranlasserin"; Verursache ein Dritter die Störung - hier die Lieferanten -, müsse der Zweckveranlasser die Störung zumindest billigend in Kauf nehmen, bevor er als Störer in Anspruch genommen werden dürfe.

Ob es auf die von der Klägerin erarbeitete Unterscheidung ankommt, ob nämlich ihre Lieferanten überhaupt Störer sind, bedarf keiner Entscheidung. Verursacher ist nach allgemeinem Polizei- und Ordnungsrecht derjenige, dessen Verhalten die Gefahr "unmittelbar" herbeiführt, also bei einer wertenden Zurechnung die polizeirechtliche Gefahrenschwelle überschritten hat. Personen, die entferntere, nur mittelbare Ursachen für den eingetretenen Erfolg gesetzt, also nur den Anlass für die unmittelbare Verursachung durch andere gegeben haben, sind in diesem Sinne keine Verursacher. Nach der gebotenen wertenden Betrachtungsweise kann allerdings auch ein als "Veranlasser" auftretender Hintermann (mit) verantwortlich sein, wenn dessen Handlung zwar nicht die polizeirechtliche Gefahrenschwelle überschritten hat, aber mit der durch den Verursacher unmittelbar herbeigeführten Gefahr oder Störung eine natürliche Einheit bildet, die die Einbeziehung des Hintermanns in die Polizeipflicht rechtfertigt. Eine derartige natürliche Einheit besteht typischerweise beim "Zweckveranlasser" als demjenigen, der die durch den Verursacher bewirkte Polizeiwidrigkeit gezielt ausgelöst hat.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. April 2006 - 7 B 30.06 -, AbfallR 2006, 143.

Die Klägerin will der Sache nach wohl behaupten, sie habe die Störung nicht zielgerichtet verursacht, denn jedenfalls nicht billigend in Kauf genommen. Aus dem Zulassungsantrag geht jedoch nicht hervor und ist auch nicht ersichtlich, weshalb bei wertender Betrachtung nicht zumindest davon ausgegangen werden muss, die Klägerin nehme das Verhalten ihrer Lieferanten jedenfalls billigend in Kauf. Denn die Klägerin musste erkennen, dass ihre Lieferanten Waren nachts anliefern, obwohl sie, die Klägerin, nach ihrem Vortrag auf das nächtliche Lieferverbot hingewiesen hat. Wenn sie dennoch die die Nachtanlieferung erst ermöglichenden Schlüssel von ihren Lieferanten nicht zurückfordert, nimmt sie dieses Geschehen jedenfalls hin.

Neben der Sache liegen die Ausführungen der Klägerin, aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts folge letztlich ein unzulässiger Kontrahierungszwang. Dem Urteil ist keine Aussage dahin zu entnehmen, die Klägerin habe mit ihren Lieferanten eine vertragliche Vereinbarung abzuschließen, die eine Einhaltung des Nachtanlieferungsverbots sicherstelle. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr lediglich auf die Möglichkeit eines solchen Vertragsabschlusses abgestellt. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht vor allem aber ausgeführt, dass es der Klägerin möglich sei, die Schlüssel zurückzuverlangen (Seite 6 Abs. 4 des Urteilsabdrucks). Weshalb dies der Klägerin nicht ohne Weiteres möglich sein sollte, ist nicht ersichtlich. Über die bloße Behauptung hinaus - mehr, als auf das nächtliche Anlieferungsverbot hinzuweisen habe sie, die Klägerin, nicht tun können -, ergibt sich hierzu aus dem Zulassungsantrag nichts Substantiiertes.

Die Klägerin meint ferner, selbst wenn sie als Zweckveranlasserin anzusehen sein sollte, hätten ermessensgerecht doch nur die "Vordermänner", das seien die Lieferanten, in Anspruch genommen werden dürfen. Der Zweckveranlasser dürfe nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der "eigentliche" Handlungsstörer nicht "greifbar" sei. Einen solchen Ausschlussgrund kennt das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht jedoch nicht. Vielmehr ist es gerade in den Fällen der so genannten Zweckveranlassung so, dass neben dem Hintermann auch der Vordermann einen Störungsbeitrag leistet, der je nach dem Ergebnis der geforderten bewertenden Betrachtungsweise auch seine ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit begründen kann, ohne den Hintermann von seiner Verantwortlichkeit zu befreien. Aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des 20. Senats des Oberverwaltungsgerichts vom 7. März 1996 - 20 A 657/95 - ergibt sich nichts anderes. Dort lag der Sachverhalt vielmehr so, dass ein sonstiger Ordnungspflichtiger, der "neben oder anstelle der" (dortigen) Klägerin zumindest ernstlich (als Ordnungspflichtiger) zu erwägen gewesen wäre, nicht ersichtlich (war).

Die Klägerin sieht die Erwägung des Verwaltungsgerichts als ernstlich zweifelhaft an, dass die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes auch mit der Leistungsfähigkeit des Ordnungspflichtigen begründet werden könne; abzustellen sei auf das konkrete wirtschaftliche Interesse an der Nichtbefolgung der Ordnungsverfügung. Die Klägerin übersieht, dass der Charakter des Zwangsgeldes ein Beugemittel ist. Sein Zweck ist es, den Ordnungspflichtigen zu veranlassen, der Ordnungsverfügung nachzukommen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. Dezember 1988 - 7 A 2555/87 -, BRS 49 Nr. 233.

Aus diesem Grunde ist sehr wohl neben weiteren Erwägungen auch die der Leistungsfähigkeit des Ordnungspflichtigen ein Gesichtspunkt, der bei der Festsetzung der Höhe des Zwangsgelds berücksichtigt werden kann. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil auf weitere Gesichtspunkte abgestellt, nämlich die Häufigkeit des pflichtwidrigen Verhaltens der Klägerin sowie die Bedeutung der Angelegenheit im Hinblick auf das Interesse der Nachbarschaft, vor unzumutbaren Lärmbelästigungen verschont zu bleiben. Weshalb nicht auch diese Gesichtspunkte für die Höhe des Zwangsgeldes - neben der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache für die Klägerin - in die Ermessensentscheidung des Beklagten einfließen durften, legt der Zulassungsantrag nicht dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 52 Abs. 1 GKG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig.