OLG Hamm, Urteil vom 04.06.2007 - 5 U 42/07
Fundstelle
openJur 2011, 50030
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 1 O 20/06
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.01.2007 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hagen abgeändert.

Die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars N vom 02.05.1997 (UR-Nr.: ...#/97) wird für unzulässig erklärt, soweit sie aus Ziffer V der Urkunde wegen der in Höhe der Grundschuld übernommenen persönlichen Haftung des Klägers betrieben wird.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

540 ZPO)

A)

Die Parteien streiten darüber, ob die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars N vom 07.05.2007, UR-Nr. ...#/1997 unzulässig ist, soweit der Kläger in dieser Urkunde, vertreten durch Herrn E, die persönliche Haftung für die Zahlung des Grundschuldbetrags nebst Zinsen übernommen und sich der Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen hat. Bei Herrn E handelt es sich um den Alleinvertretungsberechtigten der Verkäuferin, die der Kläger in einem notariell beurkundeten Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrags vom 22.04.1997 zum Erwerb eines ¼-Miteigentumsanteils an einer zu errichtenden Eigentumswohnung bevollmächtigt hatte. Der Darlehensvertrag, der eine Verpflichtung zur Bestellung einer Grundschuld, nicht aber eine solche zur Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen des Klägers enthielt, datiert vom 29.04./02.05.1997. Der Nettokreditbetrag betrug 64.000 DM. Die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung erfolgte in der Grundschuldbestellungsurkunde vom 07.05.1997.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien einschließlich der genauen Fassung der erstinstanzlich gestellten Sachanträge nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtene Entscheidung.

Das Landgericht hat die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen und den hiergegen vom Kläger eingelegten Einspruch zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Sachantrag weiter verfolgt. Er rügt, dass sich das Landgericht nicht damit auseinandergesetzt habe, dass er nicht verpflichtet gewesen sei, ein abstraktes Schuldversprechen in Form einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung abzugeben. Dies ergebe sich aus §§ 4 I Nr. 1 g), 6 II 6 VerbrKrG a.F. Die im Kaufvertrag enthaltene Bevollmächtigung der Verkäuferin zur Abgabe eines abstrakten Schuldversprechens begründe eine Verpflichtung, sich der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen, nicht.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.

Wegen des weiteren Tatsachenvortrags der Parteien einschließlich der genauen Fassung der zweitinstanzlich gestellten Sachanträge nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

B)

Die Berufung ist begründet. Die gem. §§ 767 I, 795, 794 I Nr. 5 ZPO zulässige Vollstreckungsgegenklage ist begründet.

I. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob der Kläger den Anspruch auf § 812 I 1 Alt. 1 BGB oder auf § 813 I 1 BGB stützen kann. Ersteres ist der Fall, wenn man in der Regelung des § 6 II 6 VerbrKrG eine Einwendung sieht, letzteres trifft zu, wenn man diese Vorschrift als Einrede begreift. In beiden Fällen ist die Klage begründet, da der Beklagten in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation kein Anspruch auf eine persönliche Haftungsübernahme sowie auf Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung zustand, so dass sie diese ohne Rechtsgrund erlangte bzw. mit einer dauernden Einrede behaftete Sicherheit herauszugeben hat.

1. Nach § 4 I 4 Nr. 1 g) VerbrKrG muss die vom Verbraucher zu unterzeichnende Erklärung die zu bestellenden Sicherheiten angeben. Nach § 6 II 6 HS 1 VerbrKrG können Sicherheiten bei fehlenden Angaben hierüber nicht gefordert werden. Diese Regelung ist hier einschlägig. Unstreitig handelt es sich bei dem Darlehensvertrag vom 29.04./02.05.1997 um einen in den Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes fallenden Vertrag im Sinne des § 1 I VerbrKrG. Der Anwendbarkeit des § 6 II 6 HS. 1 VerbrKrG steht die Ausnahmevorschrift des § 6 II 6 HS. 2 VerbrKrG nicht entgegen, da der Nettokreditbetrag 100.000 DM nicht überstieg.

2. Der Darlehensvertrag vom 29.04./02.05.1997 enthielt entgegen § 4 I 4 Nr. 1 g) VerbrKrG keinen Hinweis auf eine Verpflichtung des Darlehensnehmers zur Bestellung einer Sicherheit in der Form einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung. Dieses hatte zur Folge, dass die Beklagte eine solche Zwangsvollstreckungsunterwerfung vom Kläger nicht fordern durfte (§ 6 II 6 HS. 1 VerbrKrG).

3. Die Frage, ob einem Darlehensnehmer, wenn er gleichwohl nach Abschluss des Darlehensvertrags eine nicht in diesem genannte Sicherheit bestellt, ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch zusteht, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Während ein Teil der Literatur und Rechtsprechung einen Bereicherungsanspruch des Darlehensnehmers in dieser Konstellation verneint (vgl. mit jeweils differenzierenden Begründungen OLG Dresden, Urteil vom 23.03.2001, Az.: 8 U 2844/00, Juris Rz. 72; Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 2. Auflage, § 494 Rz. 12; Scholz, Verbraucherkreditverträge, 2. Auflage, Rz. 243; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, § 494 Rz. 33; von Rottenburg, in: Graf von Westphalen/Emmerich/von Rottenburg, Verbraucherkreditgesetz, 2. Auflage, § 6 Rz. 41; Drescher, Verbraucherkreditgesetz und Bankenpraxis, Rz. 171), wird das Bestehen eines solchen Anspruchs in anderen Teilen der Rechtslehre bejaht (vgl. mit unterschiedlichen Begründungen Mü-Ko-Ulmer, BGB, 4. Auflage, § 494 Rz. 33; Bamberger/Roth-Möller/Wendehorst, BGB, § 494 Rz. 13; Bülow/Artz, Heidelberger Kommentar zum Verbraucherkredit, 6. Auflage, § 494 BGB Rz. 67; Erman-Saenger, BGB, 11. Auflage § 494 Rz. 17; Seibert, Handbuch zum Gesetz über Verbraucherkredite, zur Änderung der Zivilprozessordnung und anderer Gesetze, § 6 VerbrKrG Rz. 8). Der Bundesgerichtshof hat diese Streitfrage bislang offen gelassen (BGH, Urt. vom 18.12.2001, Az.: XI ZR 156/01, Juris Rz. 10). Der Senat bejaht das Bestehen eines Bereicherungsanspruchs.

a) Bei § 6 II 4 VerbrKrG handelt es sich seinem Wortlaut nach entweder um eine Einwendung oder um eine dauernde Einrede, die dem Darlehensnehmer das Recht einräumt, die Bestellung einer im Darlehensvertrag nicht angegebenen Sicherheit zu verweigern. Das Gesetz regelt in § 812 I 1 Alt. 1 BGB bzw. § 813 I BGB a.F. (§ 813 I 1 BGB n.F.), dass in den Fällen, in denen ohne Rechtsgrund bzw. trotz Bestehens einer dauernden Einrede der Schuldner gleichwohl etwas zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit geleistet wird, der Schuldner diese Leistung zurückfordern kann. Gründe, diese Vorschriften nicht anzuwenden, sind nach Ansicht des Senats nicht ersichtlich.

Soweit die Gegenmeinung einen Anspruch des Darlehensnehmers mit der Begründung verneint, es könne eine Parallele zum Rückforderungsausschluss bei Zahlung auf eine unvollkommene Verbindlichkeit (§ 656 I 2 BGB, § 762 I 1 BGB) bzw. auf eine verjährte Forderung (§ 222 II 1 BGB) gezogen werden (vgl. OLG Dresden, a.a.O.; Drescher, a.a.O.), überzeugt dies nicht. Denn in den Fällen einer unvollkommenen bzw. verjährten Verbindlichkeit schließt das Gesetz selbst einen Rückforderungsanspruch aus (§ 565 I 2 BGB, 762 I 2 BGB, § 222 II BGB a.F. bzw. § 214 II BGB n.F.). Eine solche, eine bereicherungsrechtliche Rückforderung ausnahmsweise ausschließende Sonderregelung enthält das Verbraucherkreditgesetz nicht.

b) Ebenfalls überzeugt es nicht, wenn darauf verwiesen wird, es bestehe auch unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen des Darlehensnehmers keine Notwendigkeit einer Rückübertragung, da sich der Darlehensnehmer, wenn er eine nicht im Darlehensvertrag genannte Sicherheit bestelle, selber in der Lage sehe, die ihm nachträglich abverlangte Sicherheit zu stellen (so aber OLG Dresden, a.a.O.). Dieses Argument verfängt schon deshalb nicht, weil es dem Umstand nicht hinreichend Rechnung trägt, dass das Gesetz dem Darlehensgeber als Sanktion für die Nichtangabe der Sicherheit im Darlehensvertrag einen Anspruch auf Bestellung einer solchen Sicherheit gerade verwehrt. Wollte man gleichwohl einen Rückforderungsanspruch des regelmäßig rechtsunkundigen Darlehensnehmers gegenüber dem rechtskundigen Darlehensgeber verneinen, würde eine solche sich einseitig an den Interessen des Darlehensgebers orientierende Lesart des § 6 II 6 VerbrKrG diese Vorschrift weitgehend ins Leere laufen lassen, obgleich es in der Hand des Darlehensgebers liegt, sich vor Unterzeichnung des Darlehensvertrags über die Bonität des Darlehensnehmers und damit über die von ihm benötigten Sicherheiten ausreichende Informationen zu beschaffen und die Formvorschrift des § 4 I 4 Nr. 1 g) VerbrKrG einzuhalten. Dies ist nach Auffassung des Senats mit Sinn und Zweck des § 6 II 6 VerbrKrG nicht zu vereinbaren.

c) In der vorliegenden Konstellation kann auch keine Rede davon sein, dass Sinn und Zweck des § 492 I 5 Nr. 7 BGB eine Sanktion nicht erfordern. Begründet wird diese Auffassung damit, dass ein Informationsbedürfnis des Darlehensnehmers gar nicht erst besteht, wenn er die Sicherheit schon bestellt hat und ihm dieser Umstand nebst den daraus folgenden Belastungen bei Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags bekannt ist (Kessal-Wulf, a.a.O.). Im vorliegenden Fall hatte der Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags keine Kenntnis davon, dass die Beklagte von ihm die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen verlangen würde. Ihm war lediglich bekannt, dass die Beklagte als Sicherheit die Bestellung einer Grundschuld verlangte. Daran ändert der Umstand nichts, dass das Kaufvertragsangebot des Klägers eine Vollmacht für den Verkäufer enthielt, für ihn die persönliche Haftungsübernahme und die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung zu erklären.

d) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Personalsicherheiten ihren Rechtsgrund in sich selbst tragen und es den Abschluss eines gesonderten Sicherungsvertrags nicht bedarf (BGH NJW 2005, 1576, 1578; BGH NZG 2007, 140, 141, vgl. auch OLG Dresden, Urteil vom 23.03.2001, Az.: 8 U 2844/00, Juris Rz. 72). Das Bestehen eines solchen Schuldgrundes zieht auch der Kläger nicht in Zweifel und kann auch nicht in Zweifel gezogen werden. Entscheidend ist die vom Gesetzgeber geforderte und hier fehlende Angabe der Sicherheit im Darlehensvertrag, die der Durchsetzung eben dieses Anspruchs entgegenstand.

II. Der Anspruch des Klägers ist - soweit er auf § 812 I 1 Alt. 1 BGB zu stützen ist - nicht gem. § 814 I BGB ausgeschlossen. Es fehlt im vorliegenden Verfahren jeglicher Sachvortrag, dass Herr E, auf dessen Wissen gem. § 166 I BGB abzustellen ist, bei Unterzeichnung der Grundschuld Kenntnis vom Inhalt des Darlehensvertrags hatte und daher wusste, dass die Beklagte die hier streitgegenständlichen Sicherheiten nicht im Darlehensvertrag angegeben hatte. Erst Recht ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass Herr E Kenntnis davon hatte, dass die Beklagte in solchen Fällen vom Darlehensnehmer keine weiteren, im Darlehensvertrag nicht angegebene Sicherheiten fordern darf.

III. Dem von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Gewährung einer Schriftsatzfrist hat der Senat nicht entsprochen, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 283 ZPO bzw. des § 139 V ZPO nicht vorliegen. Insbesondere bedurfte es vorliegend keines gesonderten Hinweises. Das gesamte Berufungsverfahren war auf eine einzige Rechtsfrage beschränkt, nämlich darauf, ob bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 II 6 VerbrKrG dem Darlehensnehmer ein Bereicherungsanspruch zusteht oder nicht.

IV. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1, 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war zuzulassen, da nach Auffassung des Senats die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 II ZPO vorliegen.