OLG Köln, Beschluss vom 28.12.2006 - 2 Ws 665/06
Fundstelle
openJur 2011, 49278
  • Rkr:

Bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers im Vollstreckungsverfahren (entsprechend § 140 Abs. 2 StPO) kann ein ortsansässiger Verteidiger bestellt werden, wenn nicht der Verurteilte ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Beiordnung eines nicht ortsansässigen Verteidigers hat.

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wurde in Griechenland durch das seit dem 12.1.1999 rechtskräftige Urteil des Oberlandesgerichts Kerkyra zu einer 20-jährigen Zuchthausstrafe wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt. Diese Strafe wurde durch Beschluss des Landgerichts Mönchengladbach vom 1.10.2001 in Höhe von 15 Jahren unter Anrechnung der in Griechenland verbüßten Untersuchungshaft und Strafhaft in Deutschland für vollstreckbar erklärt. Der Beschwerdeführer verbüßt die Strafe derzeit in der Justizvollzugsanstalt Aachen. Zwei Drittel dieser Strafe werden am 5.1.2007 verbüßt sein. Das Strafende ist auf den 6.1.2012 notiert.

Die Strafvollstreckungskammer hat durch Beschluss vom 22.11.2006 die Einholung eines Gutachtens zur Persönlichkeit des Verurteilten und zur Gefährlichkeitsprognose angeordnet. Der Verurteilte hat im Anhörungstermin vom selben Tage um Beiordnung von Rechtsanwalt V. aus Berlin als Pflichtverteidiger gebeten. Er hat sich zudem mit der Beiordnung eines Pflichtverteidigers aus dem Landgerichtsbezirk Aachen einverstanden erklärt, nachdem ihm die Strafvollstreckungskammer mitgeteilt hatte, dass die Beiordnung des Berliner Verteidigers vermutlich nicht in Frage komme. Sodann hat die Kammer dem Beschwerdeführer Rechtsanwalt Q. aus Aachen beigeordnet. Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 30.11.2006, die mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14.12.2006 ergänzend begründet worden ist. Der Beschwerdeführer beantragt die Beiordnung von Rechtsanwältin I. aus Berlin. Er macht geltend, zu dieser bestehe seit vielen Jahren ein Mandatsverhältnis. Die Anwältin habe ihn insbesondere seit dem Jahre 2004 in vollzuglichen Angelegenheiten vertreten. Kostengründe, die eine Beiordnung eines ortsansässigen Pflichtverteidigers rechtfertigen könnten, müssten demgegenüber zurückstehen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 19.12.2006 beantragt, den Beiordnungsbeschluss aufzuheben und dem Verurteilten Rechtsanwältin I. beizuordnen.

II.

Die Beschwerde ist nach § 304 Abs. 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Die Ermessensentscheidung des Landgerichts, dem Beschwerdeführer Rechtsanwalt Q. beizuordnen, ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des Verurteilten und der Generalstaatsanwaltschaft musste die Strafvollstreckungskammer dem Wunsch, Rechtsanwalt V. bzw. Rechtsanwältin I. aus Berlin beizuordnen, nicht entsprechen werden.

Entsprechend § 140 Abs. 2 StPO kann dem Verurteilten im Vollstreckungsverfahren ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden. Bei der Auswahl des Pflichtverteidigers ist hierbei grundsätzlich der vom Verurteilten benannte Verteidiger zu bestellen (vgl. § 142 Abs. 1 S. 2 und 3 StPO). Dies folgt aus dem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf ein faires Verfahren (vgl. BVerfGE 9, 36, 38; 39, 238, 243; 68, 237, 256; BGHSt 48, 170, 172). Hiernach hat der Verurteilte das Recht, sich von dem von ihm benannten Anwalt seines Vertrauens vertreten zu lassen. Ein Rechtsanspruch auf Beiordnung des gewünschten Rechtsanwalts hat der Betroffene allerdings grundsätzlich nicht (BVerfGE 9, 36, 38; 39, 238, 243). § 142 Abs. 1 S. 1 StPO schränkt den Kreis der Pflichtverteidiger zudem insofern ein, als der zu bestellende Verteidiger möglichst aus dem Kreis der bei einem Gericht des Gerichtsbezirks zugelassenen Rechtsanwälte auszuwählen ist. Das Gesetz sieht in der Gerichtsnähe ein wesentliches Auswahlkriterium, weil diese eine sachdienliche Verteidigung erleichtert (OLG Düsseldorf NStZ-RR 1998, 21; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2007, § 142, Rdn. 5). Soweit der Verurteilte einen nicht ortsansässigen Pflichtverteidiger benennt, kommt zwar auch dann dem Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Verurteilten und dem benannten Verteidiger besonders Gewicht zu, das Gericht kann jedoch unter Abwägung dieses Interesses mit den Vorteilen der Tätigkeit eines ortsansässigen Verteidigers von der Beiordnung des benannten Verteidigers absehen (vgl. OLG Rostock StraFo 2002, 85, 86; OLG Frankfurt StV 1985, 449; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2007, § 142, Rdn. 12). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Auswahlentscheidung zugunsten von Rechtsanwalt Q. nicht zu beanstanden:

Der Verurteilte hat bereits ein Vertrauensverhältnis zu Rechtsanwältin I. in Berlin nicht hinreichend dargelegt. Dies hätte ihm indes oblegen, soweit er gerade unter Hinweis auf dieses Vertrauensverhältnis die Beiordnung von Rechtsanwältin I. begehrt (vgl. Karlsruher Kommentar-Laufhütte, StPO, 5. Aufl. 2003, § 142, Rdn. 5). Insofern wurde mit der Beschwerde lediglich vorgetragen, Rechtsanwältin I. habe den Verurteilten seit 2004 in vollzugsrechtlichen Angelegenheiten vertreten. Dieser Vortrag reicht zur Annahme eines besonderen Vertrauensverhältnisses nicht aus. Demgegenüber ist nämlich festzustellen, dass der Verurteilte im vorliegenden Vollstreckungsverfahren bislang von einem anderen Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. C. in Ratingen, vertreten worden ist. Hinzu tritt, dass der Beschwerdeführer in seiner Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer noch um die Beiordnung von Rechtsanwalt V. aus Berlin gebeten hatte. Hierbei handelt es sich zwar um den Sozius von Rechtsanwältin I.. Allerdings wird auch vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich, aus welchem Grunde gerade zu Rechtsanwältin I. ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehen soll.

Da insoweit ein Vertrauensverhältnis nicht hinreichend festgestellt werden kann, konnte die Strafvollstreckungskammer Rechtsanwalt Q. als ortsansässigen Verteidiger beiordnen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Beiordnung die Vertretung des Beschwerdeführers erleichtert. Dies gilt zum einen im Hinblick auf den nach Begutachtung des Verurteilten anstehenden weiteren Anhörungstermin vor der Kammer. Dieser Termin kann von einem ortsansässigen Verteidiger mit weitaus geringerem Abstimmungsbedarf und Aufwand wahrgenommen werden als von einem Berliner Verteidiger. Entgegen der Auffassung in der Beschwerdebegründung ist im Rahmen der Beiordnungsentscheidung auch nicht nur auf diesen einen Termin abzustellen. Soweit die Strafvollstreckungskammer etwa zu dem Ergebnis kommen sollte, dass eine Strafaussetzung zur Bewährung zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Betracht kommt, könnte die Tätigkeit des Pflichtverteidigers über die Wahrnehmung dieses Anhörungstermins hinausgehen. Denkbar ist die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens, in dessen Rahmen eine weitere Anhörung in Betracht kommt. Ferner könnte der Beschwerdeführer auch nach Ablehnung einer Strafaussetzung zur Bewährung zum jetzigen Zeitpunkt erneute diesbezügliche Anträge stellen, in deren Rahmen es wiederum zu Anhörungen kommen könnte. Die nunmehr zu treffende Entscheidung über die Beiordnung eines Pflichtverteidigers hat diese Möglichkeiten zu berücksichtigen. Sie rechtfertigen die Beiordnung eines ortsansässigen Verteidigers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.