OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.06.2007 - 21 A 1634/05
Fundstelle
openJur 2011, 48787
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Berufung wird auf Kosten des Klägerszurückgewiesen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durchSicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zuvollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht dasbeklagte Land vor der Vollstreckung in gleicher WeiseSicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der 1959 geborene, ledige Kläger steht als Regierungsoberinspektor im Dienst des beklagten Landes. Er bezieht Besoldung nach der Besoldungsgruppe A 10 BBesO A, 10. Stufe. Unter dem 00.00.00 legte er beim Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (Landesamt) wegen der Höhe der Sonderzahlung für das Jahr 2003 Widerspruch ein und beantragte ferner zum nächsten Fälligkeitszeitpunkt der Julibezüge die Zahlung des ihm zustehenden Urlaubsgeldes. Er führte zur Begründung aus, durch die Streichung des Urlaubsgeldes werde die maßgebliche Besoldung verringert. In den vergangenen Jahren seien Leistungen in den Bereichen Besoldung, Versorgung und Beihilfen teilweise erheblich gemindert worden. In der Gesamtschau der Auswirkungen sei eine weitere Kürzung nicht mehr vertretbar. Er werde als Landesbeamter gegenüber Angestellten und den Beamten des Bundes sowie anderer Bundesländer unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ungleich behandelt.

Das Landesamt wies den Widerspruch betreffend die Sonderzahlung für das Jahr 2003 durch Widerspruchsbescheid vom 00.00.00 zurück. Das Begehren betreffend das Urlaubsgeld blieb unbeschieden.

Der Kläger hat am 13. September 20.. Klage erhoben und beide Begehren weiterverfolgt. Das Verwaltungsgericht hat über die Sonderzahlung 2003 in dem Verfahren 26 K 6021/04 und über das Urlaubsgeld 2004 im vorliegenden abgetrennten Verfahren entschieden. Über die wegen der Sonderzahlung 2004 erhobene Klage ist noch nicht entschieden worden (26 K 1885/05 VG Düsseldorf).

Der Kläger hat auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren Bezug genommen und beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, ihm für das Jahr 2004 einen Betrag in Höhe von 255,65 EUR als Urlaubsgeld nebst 5 v.H. Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes seit dem 13. September 2004 zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, die einschlägigen Vorschriften des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen sähen kein Urlaubsgeld mehr vor.

Das Verwaltungsgericht hat durch das am 2. April 20.. zugestellte Urteil die Klage abgewiesen, die zwar als Untätigkeitsklage zulässig, aber unbegründet sei. Das Urlaubsgeldgesetz (UrlGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai 2002 (BGBl. I S. 1780) trage den verfolgten Anspruch nicht, weil das Land Nordrhein-Westfalen von der ihm durch das Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (BBVAnpG 2003/2004) vom 10. September 2003 (BGBl. I S. 1798, 1805) eröffneten Befugnis zur Gesetzgebung Gebrauch gemacht habe. Das Gesetz über die Gewährung einer Sonderzahlung und über die Bezüge der Staatssekretäre und entsprechender Versorgungsempfänger in den Jahren 2003 und 2004 für das Land Nordrhein-Westfalen (SZG NRW) vom 20. November 2003 (GVBl. NRW 2003 S. 696) sehe keine Sonderzahlung in der Form eines Urlaubsgeldes vor. Die nunmehr eingetretene Rechtslage sei verfassungsgemäß, weil auch bei einer Gesamtschau durch die Streichung eines Urlaubsgeldes in Höhe von 255,65 EUR die Schwelle des amtsangemessenen Unterhalts nicht unterschritten sei.

Der Kläger hat am 28. April 20.. die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und trägt zu deren Begründung mit dem am 1. Juli 20.. - innerhalb der verlängerten Frist - eingegangenen Schriftsatz vor:

Das SZG NRW verstoße gegen den Alimentationsgrundsatz in Art. 33 Abs. 5 GG und sei deshalb nichtig. Damit greife wieder das Urlaubsgeldgesetz. Betrachte man die wirtschaftliche Entwicklung in den letzten Jahren, zeige sich im Vergleich mit der allgemeinen Einkommenssituation und der Entwicklung der Arbeitsentgelte, dass mit der Streichung des Urlaubsgeldes und der Kürzung der Sonderzahlung die Grenze einer angemessenen Alimentation unterschritten werde. Der erste Senat des erkennenden Gerichts habe in seinem Urteil vom 12. November 2003 (NVwZ-RR 2004, 546) mit Blick auf die beihilferechtliche Kostendämpfungspauschale Zweifel an der Zulässigkeit weiterer Einschnitte geäußert. Der Kläger vertieft die Berufungsbegründung weiter dahin, zwischen der Einkommensentwicklung außerhalb des öffentlichen Dienstes und der Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst bestehe seit 1996 ein Missverhältnis. Beamte müssten auch in Zeiten einer angespannten Haushaltslage nicht stärker als andere Gruppen zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte beitragen. Sparmaßnahmen im Beamtenbereich hätten seit 1996 zu Entlastungen im Landeshaushalt von mindestens 5 - 7 Mrd. EUR geführt. Der größte Teil der Sparmaßnahmen sei im Tarifbereich nicht nachvollzogen worden. Weil es auf eine generalisierende Betrachtung ankomme, verfange der Hinweis des Beklagten auf seine individuelle Lebenssituation nicht.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und das beklagte Land zu verurteilen, an ihn für das Jahr 2004 ein Urlaubsgeld von 255,65 EUR nebst 5 v.H. Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes seit dem 13. September 2004 zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es verteidigt das angefochtene Urteil und verweist darauf, dass Zahlungen wie das Urlaubsgeld nicht dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG unterlägen. Durch das BBVAnpG 2003/2004 seien die Bezüge zum 1. April 2003, 1. April 2004 und 1. August 2004 angehoben worden. Außerdem habe der Kläger im April 2003 und November 2004 Einmalzahlungen erhalten. Im Falle des Klägers, der unverheiratet sei und keine Kinder habe, sei die Besoldung verfassungskonform. Die Steigerung der Lebenshaltungskosten sei durch die Besoldungserhöhungen und Steuerentlastungen kompensiert worden. Im Vergleich mit einem Angestellten im öffentlichen Dienst schneide der Kläger als Beamter nicht schlechter ab.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Gründe

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). Eine Entscheidung in der Sache ist möglich, obwohl das Verfahren 26 K 6021/04 des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, in dem es um die Sonderzahlung für das Kalenderjahr 2003 geht, noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, weil das Verwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt hat, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen (Art. 100 Abs. 1 GG). Die Vorlagefrage, ob das Sonderzahlungsgesetz - NRW für das Jahr 2003 eine unzulässige Rückwirkung entfaltet, berührt den hier streitigen Gegenstand nicht. Sollte das Bundesverfassungsgericht die Auffassung des Verwaltungsgerichts teilen, hätte dies keine Konsequenzen für die Ersetzung des Urlaubsgeldgesetzes des Bundes in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai 2002 (BGBl. I S. 1780) durch das Sonderzahlungsgesetz - NRW, weil ein Verfassungsverstoß nur den Satzteil "2003," in § 6 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes beträfe, das Inkrafttreten des Gesetzes im übrigen aber nicht in Frage stellte.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Das auf die Zahlung eines Urlaubsgeldes im Kalenderjahr 2004 gerichtete Begehren des Klägers findet nicht die erforderliche gesetzliche Grundlage. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 BBesG in der bis zum Inkrafttreten des Art. 13 BBVAnpG 2003/2004 am 16. September 2003 geltenden Fassung gehörte das Urlaubsgeld zu den sonstigen Bezügen, die ihrerseits einen Teil der Besoldung neben den in § 1 Abs. 2 BBesG geregelten Dienstbezügen bildeten. Gemäß § 2 Abs. 1 BBesG wird die Besoldung der Beamten, Richter und Soldaten durch Gesetz geregelt. Diese Bestimmung konkretisiert den in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten Vorbehalt des Gesetzes, mit dem Vereinbarungen und dergleichen über eine vom Besoldungsrecht abweichende Höhe der Besoldung unvereinbar sind.

Vgl. Brockhaus in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Teil C § 94 RdNr. 14.

Das Urlaubsgeldgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai 2002 (BGBl. I S. 1780) hat im Kalenderjahr 2004 nicht fortgegolten, weil das Land Nordrhein-Westfalen von der ihm durch § 67 BBesG idF des Art. 13 BBVAnpG 2003/2004 eröffneten Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat. Das bereits zitierte Sonderzahlungsgesetz - NRW enthält eine Regelung über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung und sperrt wegen Art. 18 Abs. 2 BBVAnpG 2003/2004 die vorübergehende weitere Anwendung des grundsätzlich mit dem Inkrattreten des Art. 18 BBVAnpG 2003/2004 am 16. September 2003 aufgehobenen Urlaubsgeldgesetzes.

Das Sonderzahlungsgesetz - NRW steht im Einklang mit dem Grundgesetz.

Die Besoldung und Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die in einem öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, gehörte - abgesehen vom Fall des Art. 73 Nr. 8 GG - nach Art. 74a Abs. 1 GG in der hier noch einschlägigen Fassung vom 26. Juli 2002 (BGBl. I S. 2863) zur konkurrierenden Gesetzgebung. Die konkurrierende Gesetzgebung besagt, dass die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung haben, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG Fassung 2002). Durch den Erlass des Urlaubsgeldgesetzes hat der Bund von seiner Befugnis, eine Regelung über die Besoldung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes aus Anlass des Jahresurlaubs zu treffen, abschließend Gebrauch gemacht. § 67 BBesG idF des Art. 13 Nr. 7 BBVAnpG 2003/2004 und Art. 18 Abs. 2 BBVAnpG 2003/2004 enthielten Bestimmungen im Sinne von Art. 72 Abs. 3 GG (Fassung 2002), die es den Ländern erlaubten, das subsidiär fortgeltende Urlaubsgeldgesetz durch (landesrechtliche) Regelungen zur Gewährung von jährlichen Sonderzahlungen zu ersetzen. Mit dem Erlass der zitierten Bestimmungen des BBVAnpG 2003/2003 hat der Bund den ihm eingeräumten Ermessensspielraum bei der Einschätzung der Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung (vgl. Art. 72 Abs. 2 GG Fassung 2002) fehlerfrei genutzt. Der Bund hat sich auf Veranlassung des Bundesrats

- vgl. die Darstellung der Entstehungsgeschichte bei Leihkauff in Schwegmann/Summer, BBesG, § 68a RdNrn. 2c ff. -

von den hier interessierenden Gebieten der Besoldung - Urlaubsgeld und Sonderzuwendung - zurückgezogen, um den unterschiedlich finanzstarken und mit hohen Personalausgaben belasteten Ländern Handlungsspielräume zu eröffnen. Da sich der Handlungsspielraum auf Sonderzahlungen beschränkte, die im Kalenderjahr die Bezüge eines Monats nicht übersteigen durften und nur um Sonderbeträge für Kinder (je Kind 25,56 EUR) und einen Betrag von bis zu 332,34 EUR/255,65 EUR als Ersatz für das Urlaubsgeld aufgestockt werden durften, geht es insgesamt nicht etwa um Zahlungen, die den mit dem Bundesbesoldungsgesetz verfolgten Anspruch des Bundes hätten in Frage stellen können, die Besoldung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Hinblick auf die Maßstäbe des Art. 72 Abs. 2 GG (Fassung 2002) grundsätzlich einheitlich zu regeln.

Das Sonderzahlungsgesetz - NRW steht nicht im Widerspruch zu Art. 33 Abs. 5 GG. Nach der hier noch einschlägigen Fassung war das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln. Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, welche den Kernbestand von Strukturprinzipen erfassen, die allgemein oder doch ganz überwiegend während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind, gehört das Alimentationsprinzip.

Das Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn (bzw. den für diesen

handelnden zuständigen Gesetzgeber), für den angemessenen Unterhalt des Beamten oder Richters und seiner Familie zu sorgen. Es enthält zum einen einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber, begründet zum anderen aber auch ein grundrechtsgleiches Recht der Beamten und Richter, soweit deren subjektive Rechtsstellung betroffen ist. Im Rahmen seiner Verpflichtung zur amtsangemessenen Alimentation hat der Gesetzgeber - ausgehend von einem grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraum - die Attraktivität des Beamten- bzw. Richterverhältnisses für qualifizierte Kräfte und das Ansehen des Amtes in der Gesellschaft zu festigen, Ausbildungsstand, Beanspruchung und Verantwortung des Amtsinhabers zu berücksichtigen und dafür Sorge zu tragen, dass jeder Beamte (Richter) außer den Grundbedürfnissen ein "Minimum an Lebenskomfort" befriedigen und seine Unterhaltspflichten gegenüber seiner Familie erfüllen kann.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 u.a. -, BVerfGE 99, 300; BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 2 C 34.01 -, BVerwGE 117, 305, jeweils m.w.N.

Die Dienstbezüge sowie die Alters- und Hinterbliebenenversorgung sind hiervon ausgehend so zu bemessen, dass sie einen nach dem Dienstrang, der mit dem Amt verbundenen Verantwortung wie auch nach der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit und entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse sowie des allgemeinen Lebensstandards angemessenen Lebensunterhalt gewähren. Nur so bilden sie die Voraussetzung dafür, dass sich der Beamte (Richter) ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und in wirtschaftlicher Sicherheit und Unabhängigkeit die ihm im Staatsleben zufallende Funktion erfüllen kann.

Vgl. BVerfG, z. B. Beschlüsse vom 12. Februar 2003

- 2 BvL 3/00 -, BVerfGE 107, 218, und vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039, 1045/75 -, BVerfGE 44, 249, jeweils m.w.N. Ferner BverfG, Urteil vom 6. März 2007 - BvR 556/=4 -, ZBR 2007, 128.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 30. März 1977 (a.a.O. S. 265 f.) ausgeführt:

"Der Gesetzgeber (muß) auch berücksichtigen, daß heute nach allgemeiner Anschauung zu den Bedürfnissen, die der arbeitende Mensch soll befriedigen können, nicht nur die Grundbedürfnisse des Menschen nach Nahrung, Kleidung und Unterkunft, sondern im Hinblick auf den allgemeinen Lebensstandard und die allgemeinen Verbrauchs- und Lebensgewohnheiten auch ein Minimum an 'Lebenskomfort' gehört: z.B. Ausstattung des Haushalts mit dem üblichen elektrischen Gerät einschließlich seiner Unterhaltung, Radio- und Fernsehgerät samt laufenden Kosten, Zeitungs- und Zeitschriftenbezug, Theaterbesuch und Besuch ähnlicher Veranstaltungen, Kraftwagen, Urlaubsreise, Bausparvertrag, Lebensversicherung und Krankenversicherung, Ausgaben für Fortbildung, soziale und politische Aktivitäten und vernünftige Freizeitbeschäftigung. Alimentation in der Wohlstandsgesellschaft bedeutet mehr als Unterhaltsgewährung in Zeiten, die für weite Kreise der Bürgerschaft durch Entbehrung und Knappheit gekennzeichnet waren. Das Alimentationsprinzip liefert einen Maßstabsbegriff, der jeweils den Zeitverhältnissen gemäß zu konkretisieren ist ... .

Ob die Dienstbezüge ... nach diesem Maßstab ausreichend sind, läßt sich nur anhand des Nettoeinkommens beurteilen, also des Einkommens, das dem Beamten zufließt und das er ausgeben kann, also insbesondere des Einkommens nach Abzug der Steuern."

Für den vorliegenden Fall ist von Interesse, dass das Bundesverfassungsgericht als Teil des beamtenrechtlichen Lebensbedarfs ausdrücklich eine "Urlaubsreise" anerkannt hat, d.h. eine mit Fahrt- und Mehrkosten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung verbundene auswärtige Phase der Erholung. Dass der Beamte die Erholung auch im gewohnten Umfeld (landläufig "Balkonien" genannt) suchen könnte, genügt den Anforderungen nicht. Dass die dem Beamten zustehende Besoldung für eine auswärtige Phase der Erholung reichen muss, besagt aber noch nichts über die Dauer, die Entfernung und den Standard einer bedarfsgerechten Urlaubsreise. Weil die Kosten einer Urlaubsreise von der Verpflichtung zur amtsangemessenen Alimentation umfasst sind, kommt es nicht darauf an, dass eine spezielle Zahlung aus Anlass eines Urlaubs (150,- DM) erst durch das Sechste Bundesbesoldungserhöhungsgesetz vom 15. November 1977 (BGBl. I S. 2117) eingeführt worden ist und diese speziellen Zahlung wie im übrigen auch die frühere Sonderzuwendung anläßlich des Weihnachtsfestes nicht unter dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG stehen.

BVerfG, Beschluss vom 30. März 1977, a.a.O., S. 263; Battis in Sachs, Grundgesetz, 3. Auflage, Art. 33 RdNr. 72.

Sollte die dem alleinstehenden und kinderlosen Kläger als einem Beamten des gehobenen Dienstes im Jahre 2004 zustehende Besoldung bei der hier nur möglichen pauschalen Betrachtung nicht gereicht haben, um eine Urlaubsreise zu unternehmen, und die Grenze der Art. 33 Abs. 5 GG entsprechenden Alimentation gerade deshalb unterschritten worden sein, weil durch das Sonderzahlungsgesetz - NRW die Grundlage für die Zahlung von Urlaubsgeld nach dem Urlaubsgeldgesetz und die Zahlung einer Sonderzuwendung nach dem Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung in der Fassung des Gesetzes vom 16. Februar 2002 (BGBl. I S. 686) beseitigt worden ist, wäre das Sonderzahlungsgesetz - NRW verfassungswidrig und damit nichtig. Bei diesem Ablauf der Gesetzgebungsverfahren läge der verfassungsrechtliche Mangel nämlich nicht darin, dass sich der Bund, soweit es ein spezielles Urlaubsgeld und eine Sonderzuwendung betrifft, von der Gesetzgebung zurückgezogen hat. Vielmehr standen allein die Länder (und für seine Beamten und Richter der Bund) in der Verantwortung, bei einer Abschaffung (Urlaubsgeld) oder deutlichen Kürzung (Sonderzuwendung/Sonderzahlung) dieser speziellen Besoldung verfassungskonform zu verfahren. Weil auch bei einer erforderlichen Gesamtbewertung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers im Kalenderjahr 2004 die Alimentation verfassungskonform war, besteht kein Grund, das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.

Das Bundesverfassungsgericht ist in seinen Entscheidungen vom 30. März 1977, a.a.O., und 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 -, BVerfGE 81, 363, davon ausgegangen, dass die Einkommensverhältnisse der Beamtenfamilie mit einem oder zwei Kindern in allen Stufen der Besoldungsordnung zum damaligen Zeitpunkt im wesentlichen amtsangemessen waren. In seinem Beschluss vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 u.a. -, BVerfGE 99, 300, hat es sich mit den Jahren 1978 bis 1996 befasst und anhand der Erhebungen des statistischen Bundesamtes festgestellt, dass in diesem Zeitraum die Einkommen in der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig stärker als die Preise gestiegen seien. Der Gesetzgeber habe sich bei allen Erhöhungen der Besoldung und Versorgung davon leiten lassen, diese an die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anzupassen (S. 317 ff.). Wenn auch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich lediglich bemerkt hat, im zu beurteilenden Zeitraum könne "auch nicht von einer 'Überalimentation' der bislang als Maßstab dienenden vierköpfigen Beamtenfamilie ausgegangen werden", besagt dies nicht, dass sich das Gericht in der Frage, ob denn die Alimentation gewahrt ist, einer Bewertung enthalten hätte. Es führt nämlich weiter aus, dass die Besoldung dieser Beamtengruppe lediglich entsprechend den allgemeinen finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen erhöht worden sei (a.a.O. S. 320). Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies, dass das Jahr 1996 als Basisjahr einer amtsangemessenen Alimentation der Beamten und Richter (mit bis zu zwei Kindern) genommen werden kann und alsdann die weitere Entwicklung der Einkommens- und Preisverhältnisse zu betrachten ist.

Es kommt auf die Entwicklung der Verhältnisse bis Ende 2003 an, weil für die Frage, ob der Landesgesetzgeber bei Erlass des Sonderzahlungsgesetzes - NRW vom 20. November 2003 und der damit einhergehenden Streichung des Bundes- Urlaubsgeldes von dem ihm eingeräumten weiten Ermessen verfassungskonform Gebrauch gemacht hat, nur die Umstände erheblich sein können, die sich dem Gesetzgeber bis Ende 2003 dargestellt haben. Sollten sich die Verhältnisse im Jahr 2004, für das der Kläger eine Unteralimentierung mit Blick auf den Bedarf "Urlaub" geltend macht, die Verhältnisse wesentlich geändert haben, wirkte dies nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des Sonderzahlungsgesetzes - NRW zurück. Der Kläger hätte vielmehr unter Hinweis auf eine solche wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse ein neues Verwaltungsverfahren - generell gerichtet auf höhere Besoldung - betreiben müssen.

Die Besoldung der Beamten ist in der Zeit von 1996 bis zum 1. April 2003 um 12, 72 % und bis zum 1. August 2004 um 14, 99 % gestiegen.

Vgl. die Darstellung der Besoldungserhöhungen beginnend mit dem BBVAnpG 1996/1997 am 1. März/1. Juli 1997 bis zum Inkrattreten des ersten Schrittes von Besoldungserhöhungen durch das BBVAnpG 2003/2004 am 1. April/1. Juli 2003 bei Schwegmann/Summer, BBesG, § 14 BBesG II/1 RdNr. 8.

Dieser Steigerungsfaktor ist um Einkommenseinbußen zu bereinigen, die dadurch entstanden sind, dass 1996 noch eine Sonderzuwendung mit einem Bemessungsfaktor von 95 % der Dezemberbezüge gezahlt wurde,

vgl. Clemens/Millack/Engelking/Lantermann/Henkel, BBesG, Vorbem. vor § 67 Anm. 2.5.3.,

während die gleichartige Sonderzahlung von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen im Jahr 2004 nur noch 50 % der Dezemberbezüge betrug. Stellt man die Zahlungen auf ein Jahresgehalt um, erhielten die Beamten im Jahr 1996 1295 % eines Monatsgehalts, im Jahr 2004 dagegen nur 1250 % eines Monatsgehalts. 45 % eines Monatsgehalts entsprachen 1996 3, 47 % des Jahresgehalts. Nach Abzug dieses Betrages von dem Steigerungsfaktor verbleibt ein Netto-Besoldungszuwachs im Jahr 2003 von 9, 24 % und im Jahr 2004 von 11, 52 %. Die Streichung des Urlaubsgeldes ist an dieser Stelle nicht einzubeziehen, weil sie Gegenstand des Streits ist.

Bis 2003 ist der Verbraucherpreisindex um 9, 65 %, bis 2004 um 11, 44 % gestiegen.

Vgl. Statistisches Jahrbuch 2005 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 512 mit einem Basiswert für die Bundesrepublik Deutschland für 1996 von 95, 3 und einem Index von 104, 5 für 2003 sowie von 106, 2 für 2004.

Der Verbraucherpreisindex ist aussagekräftig, weil in ihn - gewichtet - alle wesentlichen Güter, wie sie in der Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. März 1977 aufgeführt worden sind, einfließen (vgl. a.a.O. S. 571 ff.). Dazu gehören auch Pauschalreisen, die bis 2003 überdurchschnittlich um 14, 30 % teurer geworden sind.

Statistisches Jahrbuch 2000 S. 616: Preisindex für das hier interessierende Basisjahr 1996 99, 4, Statistisches Jahrbuch 2001 S. 636: Preisindex für das Jahr 2000 106, 8 (jeweils 1995 = 100). Überträgt man die auf ein neues Basisjahr (2000) bezogenen Steigerungen des Preisindexes, wie sie im Statistischen Jahrbuch 2004 (S. 573) dargestellt sind, auf das Basisjahr 1996, ergibt dies mit Bezug auf diese Basis folgende Steigerungen: 2001 auf 110, 64, 2002 auf 114, 07 und 2003 auf 114, 30.

Gegenüber dem Jahr 2003 ist aber im Jahr 2004 ein Preisrückgang zu verzeichnen.

Statistisches Jahrbuch 2005 S. 510.

In den Verbraucherpreisindex fließen auch Versicherungsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Gesundheit ein. Diese Dienstleistungen sind im Zeitraum 1996 bis 2003 um 30, 85 % teurer geworden.

Statistisches Jahrbuch 2000 S. 616: Preisindex für das hier interessierende Basisjahr 1996 104, 8, Statistisches Jahrbuch 2001 S. 636: Preisindex für das Jahr 2000 122, 4 (jeweils 1995 = 100). Überträgt man die auf ein neues Basisjahr (2000) bezogenen Steigerungen des Preisindexes, wie sie im Statistischen Jahrbuch 2004 (S. 573) dargestellt sind, auf das Basisjahr 1996, ergibt dies mit Bezug auf diese Basis folgende Steigerungen: 2001 auf 126, 81, 2002 auf 130, 6, 2003 auf 130, 85 und 2004 auf 139, 54 (Statistisches Jahrbuch 2005 S. 510)

Der deutlich überdurchschnittliche Anstieg der Preise für Versicherungsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Gesundheit ist im vorliegenden Zusammenhang in den Blick zu nehmen, weil die amtsangemessene Alimentation nach ständiger Rechtsprechung einen Durchschnittssatz enthalten muss, der es dem Beamten ermöglicht, für die zu erwartenden Aufwendungen im Krankheitsfall durch den Abschluss einer Krankenversicherung Vorsorge zu treffen. Der Umstand, dass Beamte ausweislich der Entwicklung der Preise für eine Krankenversicherung im Jahr 2003 deutlich mehr aufwenden mussten als im Jahr 1996 und auch Pauschalreisen überdurchschnittlich teurer geworden sind, stellt für sich gesehen die Verfassungsmäßigkeit der im Jahr 2003 getroffenen Entscheidung des Landesgesetzgebers nicht in Frage, eine Sonderzahlung in der Form des Urlaubsgeldes nicht mehr zu zahlen. Eine nähere Betrachtung der Elemente des Verbraucherpreisindexes und deren Gewichtung zeigt nämlich, dass durchaus Spielräume bestehen, etwa Einsparungen auf den Feldern Freizeit, Unterhaltung und Kultur sowie Beherbungs- und Gaststättendienstleistungen möglich sind, um anderweit gestiegene Kosten aufzufangen. Letztlich ist entscheidend, dass der Anstieg des Verbraucherpreisindexes und der Anstieg der Besoldung nicht so deutlich auseinanderfallen, dass - gemessen an den Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG - eine zumutbare Anpassung der Konsumgewohnheiten ausgeschlossen wäre. Dem Beamten kann ohne weiteres zugemutet werden, die Urlaubsreise kostengünstiger zu planen. Dies betrifft z.B. das Reiseziel, die Qualität der Unterbringung und Verpflegung sowie die Dauer der Reise. Bezeichnend ist, dass der Kläger nicht etwa geltend macht, er habe im Jahr 2004 keine Urlaubsreise antreten können oder einen Kredit aufnehmen müssen. Im übrigen ist es offensichtlich, dass die Kosten einer Urlaubsreise, die ihren Zweck, der Erholung des Beamten zu dienen, erreichen soll, deutlich mehr als 255,65 EUR betragen. Ein Beamter in der Besoldungsgruppe des Klägers musste somit schon im Jahre 1996, sollte sich der Antritt einer Urlaubsreise überhaupt lohnen, ohnehin den wesentlich größeren Teil der Reisekosten aus den ihm laufend zustehenden Bezügen finanzieren. Damit liegt es auf der Hand, dass die mit dem Sonderzahlungsgesetz - NRW einhergehende finanzielle Einbuße die Fähigkeit des Klägers nicht in Frage stellt, mit dem schon bisher eingesetzten Teil der laufenden Bezüge eine Urlaubsreise zu finanzieren, die etwas bescheideneren Ansprüchen genügt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung einer gegenüber der früheren Sonderzuwendung gekürzten Sonderzahlung. Diese Veränderung wurde bereits durch einen Abschlag von den Besoldungserhöhungen im Zeitraum 1996 - 2004 berücksichtigt.

Die Vereinbarkeit der Besoldung des Klägers mit dem Alimentationsprinzip wird auch nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass in seiner Besoldungsgruppe die beihilferechtliche Kostendämpfungspauschale in § 12a Abs. 1 der Beihilfenverordnung mit Wirkung vom 1. Januar 2003 von 100,- EUR auf 150,- EUR angehoben worden ist (Gesetz vom 18. Dezember 2002, GV NRW S. 660). Die Anhebung der Kostendämpfungspauschale hat zwar zur Folge, dass der Kläger einen entsprechend höheren Teil der Besoldung für Aufwendungen im Krankheitsfall verwenden muss. Dies stellt die oben getroffene Aussage aber nicht in Frage, dass dem Kläger im Jahr 2004 ausreichend Mittel zur Verfügung standen, um den angemessenen Lebensbedarf zu decken.

Nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt es bei der Prüfung der Frage, ob die Besoldung der Beamten mit dem Alimentationsprinzip vereinbar ist (Art. 33 Abs. 5 GG), auf die Netto-Bezüge an. Die damit zusätzlich erforderliche Auswertung des Einkommensteuertarifs zeigt, dass in der Zeit von 1996 bis 2003 eine steuerliche Entlastung eingetreten ist, die auch den Kläger betrifft. Bei einem zu versteuernden Einkommen von 35.000,- EUR - betrug die Einkommensteuer 1996 8.927,- EUR (Grundtabelle). 2002 handelte es sich um 8.210,- EUR, 2004 um 7.686,- EUR.

Zitiert nach BMF - I A 5 vom 27. Februar 2004 (www.abgabenrechner.de/TarifgeschichteoF.pdF).

Unter Berücksichtigung dieser Steuerersparnis sind die vom Kläger hinzunehmenden Einbußen im Hinblick auf das Alimentationsprinzip tragbar. Bei einer Besoldung von 35.148 EUR standen dem Kläger nach Abzug der tariflichen Einkommensteuer etwa 27.500 EUR zur Verfügung. Mit diesem Nettoeinkommen konnte der zur Gruppe der alleinstehenden und kinderlosen Beamten des gehobenen Dienstes gehörende Kläger ein Leben deutlich oberhalb des sozialhilferechtlichen Existenzminimums führen, das mit Regelsatz (296,- EUR; vgl. Verordung über die Regelsätze der Sozialhilfe vom 3. Juni 2003, GV NRW S. 304) und angemessenen Unterkunfts- und Heizungskosten (vgl. für den zur Zeit geltenden Mietrichtwert inkl. Nebenkosten zzgl. Heizung von 331,- EUR für den Alleinstehenden Landeshauptstadt Düsseldorf, http://www.duesseldorf.de/sozialamt/sozialhilfe/finhilfen/miete unterkunftskosten) sowie pauschalierten einmaligen Beihilfen (20 % des Regelsatzes) bei etwa 650 EUR monatlich lag. Er konnte sich auch Annehmlichkeiten wie etwa eine Urlaubsreise leisten. Dem Einwand des Klägers, die Vereinbarkeit der ihm zustehenden Besoldung mit dem Alimentationsprinzip hänge nicht entscheidend von seiner individuellen Lebenssituation ab, ist nur insoweit zu folgen, als es nicht auf Dispositionen des Klägers ankommen kann, die dazu führen, dass ihm die mit der Änderung des Einkommensteuertarifs verbundene Steuerersparnis entgangen ist. Dies betrifft die Entscheidung des Klägers, Immobilien zu halten und - mit Verlust - zu vermieten wie auch mit Verlusten verbundene Veräußerungsgeschäfte zu tätigen. Etwas anderes gilt dagegen für den Familienstand und das Vorhandensein von Kindern, weil hier Sachverhalte betroffen sind, die der Gesetzgeber in den Blick nehmen muss. Wenn man aber dem Bundesverfassungsgericht darin folgt, dass die Alimentation der verheirateten und gegenüber zwei Kindern zum Unterhalt verpflichteten Beamten 1996 noch verfassungskonform war, gilt dies erst recht für die alleinstehenden Beamten. Es liegt auf der Hand, dass der Vergleichsgruppe der verheirateten Beamten zustehenden Vorteile - Familienzuschläge für den Ehepartner und die Kinder, Ehegattensplitting und Steuerersparnis durch Kinderfreibeträge (Kindergeld) - nicht geeignet sind, den zur Vergleichsgruppe gehörenden Beamten annähernd die Lebensführung zu verschaffen, die dem Kläger als einem Alleinstehenden vergönnt ist. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass der verheiratete und zum Unterhalt von Kindern verpflichtete Beamte ungeachtet dieser Vorteile für die Familienangehörigen Mittel einsetzen muss, die er als Alleinstehender für sich hätte verwenden können, und dieser Spielraum erst mit dem dritten Kind erschöpft ist.

Der Hinweis des Klägers auf Beamte des Bundes und anderer Bundesländer führt nicht weiter, weil es sich um andere Rechtskreise handelt und Art. 3 Abs. 1 GG diese Fallgestaltung nicht erfasst.

Die Besoldung in dem hier interessierenden Jahr 2004 leidet nicht daran, dass sie von der Einkommensentwicklung der Tarifkräfte im öffentlichen Dienst oder der Privatwirtschaft abgekoppelt wäre. Bei der Vielzahl der Faktoren, die der Gesetzgeber aus Anlass der ihm von der Verfassung abverlangten Entscheidung über die Anpassung der Beamtenbezüge zu berücksichtigen hat, kommt den Leistungsverpflichtungen gegenüber den sonstigen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes besondere Bedeutung zu. Hinter deren materieller Ausstattung darf die Alimentation der Beamten, die unter denselben Voraussetzungen Zugang zu öffentlichen Ämtern haben und denen prinzipiell die Ausübung hoheitlicher Befugnisse vorbehalten ist, nicht greifbar zurückbleiben. Allerdings besteht keine Verpflichtung, die Ergebnisse der Tarifverhandlungen für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes spiegelbildlich auf die Beamtenbesoldung und -versorgung zu übertragen. Vielmehr hat der Gesetzgeber in eigener Verantwortung zu prüfen und zu entscheiden, welche Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen von Bediensteten bestehen und ob die Entwicklung der Lebenshaltungskosten, der Einkommen in der Privatwirtschaft und der Leistungen anderer Alterssicherungssysteme wichtige Anhaltspunkte dafür liefert, die Beamtenbesoldung nicht an die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst anzugleichen.

BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 2 C 34.01 -, BVerwGE 117, 305, 309.

Die Einkommen der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst haben sich in der Zeit von 1996 bis 2004 wie folgt entwickelt:

Jahr Index Inkrafttreten Steigerungssatz

1996 100

1997 101,3 1.1.1997 1,3 %

1998 102,82 1.1.1998 1,5 %

1999 106,01 1.4.1999 3,1 %

2000 108,13 1.8.2000 2 %

2001 110,72 1.9.2001 2,4 %

2002

2003 113,38 1.1.2003/1.4.2003 2,4 %

2004 114,51/115,65 1.4.2004 und

1.8.2004 1 %

und 1 %

Dies bedeutet, dass die Gehälter im Tarifbereich um 13,38 % bis 2003 und um 15,65 % bis 2004 gestiegen sind (wie auch bei den Beamten sind Einmalzahlungen außen vor). Dies entspricht in etwa den Steigerungsraten bei der Beamtenbesoldung, bei der ein prozentualer Abschlag nur deshalb zu machen ist, weil die Sonderzuwendung/Sonderzahlung gekürzt wurde. Im Tarifbereich ist die Sonderzuwendung im Jahr 2004 weiterhin fixiert auf das Jahr 1993 gezahlt worden. Außerdem ist im Tarifbereich das Urlaubsgeld gezahlt worden. Darin liegt keine gravierende Abweichung, wenn man berücksichtigt, dass es um verschiedene Regelungssysteme mit abweichenden Gesetzmäßigkeiten (Streikrecht) geht und dem Dienstherrn zugestanden werden muss, im Beamtenbereich "Maßstäbe" für künftige Tarifverhandlungen zu setzen.

Ein individueller Vergleich der Besoldung des Klägers mit der Vergütung eines Angestellten zeigt ebenfalls keine rechtlich erheblichen Abweichungen auf:

Mit dem Amt eines Regierungsoberinspektors (A 10) ist die Vergütungsgruppe IV b vergleichbar (§ 11 BAT). Nach dem Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT hätte dem Kläger am 1. Juli 2004 eine Grundvergütung von 2.383,15 EUR zugestanden. Der Ortszuschlag hätte 473,21 EUR betragen. Außerdem hätte dem Kläger die Zulage von 70,51 EUR zugestanden, die er als Beamter erhält. Insgesamt ergibt sich

eine Angestelltenvergütung i. H. v. 2.926,87 EUR; dem steht eine Besoldung i. H. v. 2.823,99 EUR (ohne vermögenswirksame Leistung) gegenüber.

Bei dem Vergleich ist zu berücksichtigen, dass von der Vergütung der Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung abzuziehen ist (ca. 10 %). Der Abzug für die gesetzliche Krankenversicherung ist nicht zu berücksichtigen, weil auch der Kläger als Beamter mit Beiträgen belastet ist.

Der Vergleich mit dem gewerblichen Sektor offenbart hinsichtlich der Einkommensentwicklung ebenfalls keine rechtlich bedeutsamen Diskrepanzen.

Der Index der durchschnittlichen Bruttoverdienste der Angestellten im Produzierenden Gewerbe, Handel, Kredit und Versicherungsgewerbe ist von 1996 bis 2003 von 91, 6 auf 108, 8 und von 1996 bis 2004 von 91, 6 auf 111, 3 gestiegen (Statistisches Jahrbuch 2005, S. 532). Die Steigerungsraten betragen 18, 78 bzw. 21, 51 %. Dies übersteigt die um die Sonderzuwendung bereinigte Steigerung der Beamtenbesoldung um 9, 54 Prozentpunkte bzw. 10, 07 Prozentpunkte. Da der Spielraum des Gesetzgebers, die Besoldung der Beamten in eine Beziehung zur Einkommensentwicklung in der gewerblichen Wirtschaft zu setzen, noch größer als im Verhältnis zum Tarifbereich des öffentlichen Dienstes ist, handelt es sich nicht um eine Diskrepanz, die Anlass zu verfassungsrechtlichen Bedenken geben könnte. Hier geht es nämlich auch um Abwägungsfaktoren wie die Arbeitsplatzsicherheit des öffentlichen Dienstes und den Umstand, dass die höhere Steigerungsrate der Einkommen in der gewerblichen Wirtschaft im Lichte einer seit 1996 ständig steigenden Arbeitslosenrate zu sehen ist.

Nimmt man die durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste der Angestellten im Kredit- und Versicherungsgewerbe im Jahr 2004 (früheres Bundesgebiet, männliche Angestellte, Leistungsgruppe III), zeigt sich, dass sich der Durchschnittswert von 3.122,- EUR nicht wesentlich von der oben dargestellten Besoldung/Vergütung abhebt.

Statistisches Jahrbuch 2005, S. 529.

Die hier maßgebende Besoldungs- bzw. Vergütungsgruppe ist mit der Leistungsgruppe III vergleichbar, zu der Angestellte mit besonderen Fachkenntnissen und Fähigkeiten gehören, die nach allgemeiner Anweisung selbständig arbeiten.

Statistische Monatshefte Rheinland-Pfalz 2/2001 S. 42.

In anderen Bereichen lag der durschnittliche Bruttomonatsverdienst höher (Spitzenwert in der Mineralölverarbeitung 4.170,- EUR). Es gibt jedoch keinen Grund, den Kläger mit diesen Spitzenverdienern zu vergleichen.

Der Landesgesetzgeber hat sich bei dem Erlass des Sonderzahlungsgesetzes - NRW nicht von verfassungsrechtlich bedenklichen Erwägungen leiten lassen. Es ging ihm nämlich nicht schlicht darum, Personalausgaben zu Lasten einer Beschäftigtengruppe zu sparen, der nach der Verfassung kein Streikrecht zusteht, die sich somit nicht mit den Mitteln des Arbeitskampfes gegen eine einseitige Verschlechterung der "Entlohnung" wehren kann. Für den Landesgesetzgeber war die äußerst angespannte und sich auch mittelfristig nicht wesentlich verbessernde Lage der öffentlichen Haushalte im Lande maßgebend, die insbesondere auf die negative wirtschaftliche Entwicklung und die hohen Steuerausfälle zurückzuführen sei. Entlastungen seien daher zwingend geboten. Hiervon könnten die Personalkosten als größter Ausgabenblock und damit die Besoldung und Versorgung nicht ausgenommen werden. Die notwendige Entlastung der Haushalte müsse angesichts des hohen Personalkostenanteils auch einen angemessenen Beitrag der Beamten und Versorgungsempfänger einschließen (Gesetzentwurf der Landesregierung vom 15. September 2003, LT-Drucks. 13/4313 S. 1, 17). Die Berechtigung dieser Wertung zeigen die seit 1996 zuletzt wieder deutlich ansteigenden Defizite der öffentlichen Haushalte, die im Jahr 2002 74, 33 Mrd. EUR und 2003 82, 10 Mrd. EUR betrugen. Die Ausgaben für "Arbeitnehmerentgelte" betrugen 2003 bundesweit 168, 18 Mrd. EUR und machten den drittgrößten Ausgabenposten (Gesamtausgaben: 1.041, 28 Mrd. EUR) aus.

Statistisches Jahrbuch 2004 S. 744.

Im Land Nordrhein-Westfalen machten die Personalausgaben im Jahr 2003 etwa 41 % der Gesamtausgaben aus. Die Netto-Neuverschuldung betrug 3, 372 Mrd. EUR.

Statistisches Jahrbuch Nordrhein-Westfalen 2004, S. 507.

Die Entwicklung der Schulden der öffentlichen Haushalte bestätigt nachhaltig einen Bedarf, Einsparpotentiale zu nutzen. Nimmt man auch hier den Zeitraum von 1996 bis zum 31. Dezember 2003, ergibt dies einen Zuwachs von 23, 99 %, der die Steigerung der Verbraucherpreise und der Besoldung deutlich übertrifft. Die Schulden sind bundesweit von 1.069,247 Mrd. EUR auf 1.325,733 Mrd. EUR Euro gestiegen. Diese Entwicklung gilt auch für das Land Nordrhein-Westfalen. Am 31. Dezember 2003 waren das Land, die Gemeinden/Gemeindeverbände und die Zweckverbände mit Kreditmarktschulden in Höhe von 123, 837 Mrd. EUR belastet. Die Belastung je Einwohner (6.852,- EUR) lag über dem Bundesdurchschnitt (6.221,- EUR), insbesondere über dem Durchschnitt der Bundesländer Baden-Württemberg (4.003,- EUR) und Bayern (2.901,- EUR), die im Rahmen des Finanzausgleichs Geberländer sind und von der seit Jahren anhaltenden wirtschaftlichen Entwicklung nicht im gleichen Maße wie auch das Land Nordrhein-Westfalen betroffen waren.

Vgl. Statistisches Jahrbuch 2004, S. 675 ff., zur Arbeitslosenquote S. 95. Geringfügig abweichende Daten im Statistischen Jahrbuch Nordrhein-Westfalen 2004, S. 520.

Der Beweisanregung des Klägers, durch eine Auskunft des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen das Ausmaß der seit 1996 erzielten Einsparungen im Bereich Besoldung und Versorgung zu klären, die mindestens 5 - 7 Mrd. EUR betrage, ist nicht nachzugehen. Der Senat unterstellt ein derartiges Einsparvolumen, kann aber nicht erkennen, dass sich daraus Schlüsse für eine Verfassungswidrigkeit der Besoldung im Jahre 2004 ziehen ließen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 2, 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Ein Grund, die Revision zuzulassen, besteht angesichts der in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärten rechtlichen Maßstäbe und der klaren Tatsachengrundlage nicht (§ 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG).