OLG Köln, Urteil vom 12.01.2007 - 19 U 154/06
Fundstelle
openJur 2011, 48472
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 83 O 269/05
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.7.2006 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 83 O 269/05 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin macht einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB wegen ihrer früheren Tätigkeit als Handelsvertreter der Beklagten geltend, verlangt im Wege der Stufenklage die Auszahlung von Provisionen (nebst Hilfsansprüchen) und macht einen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten geltend.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 27.7.2006 (Bl. 67 ff. GA) die Klage abgewiesen.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt sowie ihr Vorbringen erster Instanz wiederholt. Wegen der Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 30.10.2006 (Bl. 96 ff. GA) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Köln vom 27.7.2006 (83 O 269/05) die Beklagte zu verurteilen,

1. an die Klägerin 352.166,00 € zzgl. 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. der Klägerin einen Buchauszug für den Zeitraum vom 4.2.2002 bis zum 21.12.2003 zu erteilen;

3. die eidesstattliche Versicherung auf die nach Ziffer 2 abgelegte Rechenschaft zu leisten;

4. über die sich aus dem Buchauszug ergebenden und bislang nicht abgerechneten Provisionen eine Provisionsabrechnung zu erteilen und etwa noch nicht abgeführte Provisionen an die Klägerin abzuführen;

5. außergerichtliche nicht anrechenbare Anwaltskosten in Höhe von 1.926,30 € zu erstatten.

Die Beklagte hält die Berufung der Klägerin für unzulässig, verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Schriftsatz vom 4.12.2006 (Bl. 129 ff. GA) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist unzulässig und war deshalb gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu verwerfen.

Wie der Senat bereits in der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2006 dargelegt hat, entspricht die Berufungsbegründung vom 30.10.2006 nicht den Voraussetzungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, gehört zu den Mindestanforderungen an eine Berufungsbegründung, dass sie auf den zur Entscheidung stehenden Streitfall zugeschnitten ist und erkennen lässt, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen das angefochtene Urteil unrichtig sein soll (vgl. BGH, Urteil vom 7.11.1996 - VII ZR 120/96, in: BauR 1997, 352 f.). Hierfür genügen formularmäßige Sätze oder allgemeine Redewendungen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.5.2003, XII ZB 165/02, in: VersR 2004, 1064 ff.) ebenso wenig wie eine Verweisung auf das erstinstanzliche Vorbringen (vgl. BGH, Urteil vom 16.5.2002 - VII ZR 259/01, in: ZfBR 2002, 679 f.; Urteil vom 24.10.1988 - II ZR 68/88; Beschluss vom 17.11.1997 - II ZB 10/97, NJW-RR 1998, 354 f.) oder dessen bloße Wiederholung (vgl. BGH, Urteil vom 9.7.2002 - XI ZR 363/01). Vielmehr muss die Berufungsbegründung die Punkte im einzelnen bezeichnen, in denen das Urteil angegriffen werden soll, und darüber hinaus angeben, aus welchen Gründen der Berufungskläger die angefochtene Entscheidung in dem angegebenen Punkt für unrichtig hält (vgl. BGH, Urteil vom 16.5.2002 - VII ZR 259/01, in: ZfBR 2002, 679 f.). Notwendig ist hierfür eine Würdigung des erstinstanzlichen Vortrags im Hinblick auf eventuelle fehlerhafte Feststellungen des Landgerichts (vgl. BGH, Urteil vom 9.7.2002 - XI ZR 363/01) durch eine auf die Entscheidungsgründe zugeschnittene Begründung (vgl. BGH Urteil vom 16.5.2002 - VII ZR 259/01, in: ZfBR 2002, 679 f.). Bei mehreren selbständigen Urteilsbegründungen muss die Rechtsmittelbegründung jeden Gesichtspunkt angreifen, damit sie - im Falle ihrer Berechtigung - geeignet ist, das gesamte Urteil in Frage zu stellen (vgl. BGH, Beschluss vom 17.11.1997 - II ZB 10/97, NJW-RR 1998, 354 f.; Urteil vom 10.6.2003 - X ZR 56/01, in: NJOZ 2003, 3002, 3003).

Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Klägerin nicht. Der Schriftsatz vom 30.10.2006 besteht ganz überwiegend aus einer wörtlichen Wiederholung der Klageschrift vom 31.12.2005 (Bl. 1 ff. GA) sowie des Schriftsatzes der Klägerin vom 1.2.2006 (Bl. 14/15 GA). Nach Wiederholung der erstinstanzlichen Sachverhaltsdarstellung erfolgt eine "Auseinandersetzung" mit dem angefochtenen Urteil lediglich in Form der Feststellung, dass dieses "einer rechtlichen Überprüfung nicht stand"halte (Bl. 115/116 GA), was mit wörtlicher Wiederholung der Ausführungen aus der Klageschrift begründet wird (Bl. 116-119 GA) und mit dem Satz schließt: "Die Berufung ist damit begründet. Es wird darum gebeten, der Berufung stattzugeben." (Bl. 119 GA).

In dieser Form entspricht die Berufungsbegründung der Klägerin nicht § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2-3 ZPO. Die Abweichungen der Berufungsbegründung von dem erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin bestehen in der formelhaften Wendung, wonach das angefochtene Urteil einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalte. Damit erfolgt in der Berufungsbegründung keine Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil, geschweige denn mit der Klageerwiderung der Beklagten vom 18.4.2006 (Bl. 42 ff. GA), zu der die Klägerin weder erst- noch zweitinstanzlich Stellung genommen hat, obwohl hierfür hinreichende Möglichkeit, Anlass und Notwendigkeit insbesondere im Hinblick auf den mit diesem Schriftsatz übersandten weiteren Buchauszug (Anlagen B 7 und B 8) bestand. Durch die wörtliche Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens wird ebenso wenig wie bei bloßer Bezugnahme nicht in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2-3 ZPO entsprechender Weise zum Ausdruck gebracht, worin die mit der Berufung beanstandete Rechtsverletzung und/oder Fehlerhaftigkeit der Tatsachenfeststellung liegen soll. Eine notwendige Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil kann naturgemäß auch nicht durch Wiederholung des vorherigen erstinstanzlichen Vorbringens erfolgen (vgl. zur unzulässigen Bezugnahme auf vor dem angefochtenen Urteil ergangene Beschlüsse des Berufungsgerichts: BGH, Urteil vom 16.5.2002 - VII ZR 259/01, in: ZfBR 2002, 679 f.).

Abgesehen davon befasst sich das angefochtene Urteil auch nicht allein mit der Verjährung des Ausgleichsanspruchs, womit sich die Klageschrift und dementsprechend die Berufungsbegründung unter der Überschrift "Rechtliche Würdigung" beschäftigen, sondern führt weitere Gründe an, aus denen das Landgericht insbesondere die Stufenklage für unbegründet hält (vgl. S. 6 ff. UA). Hierzu fehlt jegliches Vorbringen in der Berufungsbegründung.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für eine Zulassung nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.

Berufungsstreitwert und Beschwer: 402.166,00 €