OLG Hamm, Beschluss vom 26.03.2007 - 15 W 131/06
Fundstelle
openJur 2011, 48128
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 7 T 6/06
Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1) trägt die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe

I.)

Die Beteiligten zu 1) bis 3) bilden die o.a. Eigentümergemeinschaft, die Beteiligte zu 4) ist deren Verwalterin. Die Beteiligte zu 1) hat ihr Wohnungseigentum aufgrund notariellen Vertrages mit der Bauträgerin vom 29.09.1995 erworben, in dem auf eine Baubeschreibung Bezug genommen wird, in der es in Bezug auf das gemeinschaftliche Grundstück u.a. heißt: "Ein etwa 80 cm hoher Lattenzaun friedet das Haus zu den Nachbarn ein."

Die Beteiligte zu 1) hat beantragt, die Beteiligte zu 4) zu verpflichten, einen näher bezeichneten Holzlattenzaun auf dem gemeinschaftlichen Grundstück zu entfernen, nachdem sie sich zuvor erfolglos um eine entsprechende Beschlussfassung der Gemeinschaft bemüht hatte. Der Zaun ist parallel zu einer gepflasterten Wegefläche errichtet, die von der Grenze zwischen dem Gemeinschaftsgrundstück und demjenigen einer benachbarten Teileigentumsgemeinschaft geschnitten wird. Die im Teileigentum stehende Tiefgarage wurde zeitlich nach dem Gebäude der hier Beteiligten errichtet, und zwar ebenso wie weitere benachbarte Wohnungseigentumsanlagen durch die Beteiligte zu 4) als Bauträgerin. Der genaue Zeitpunkt und die Umstände der Errichtung des Zauns sind streitig. Die Beteiligte zu 2) ist dem Antrag entgegen getreten. Auch die Beteiligten zu 3) lehnen eine Entfernung des Zauns in der Sache ab.

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 24.08.2005 dem Antrag mit der Begründung stattgegeben, dass der Zaun in der Teilungserklärung nicht vorgesehen sei und im Übrigen störend wirke. Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) hat das Landgericht durch Beschluss vom 04.04.2006 die amtsgerichtliche Entscheidung abgeändert und den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich zwar die Teilungserklärung über einen Zaun nicht verhalte, eine Einfriedigung aber in der Baubeschreibung vorgesehen sei und eine solche mit Rücksicht auf den vorhandenen Weg hier auch in einiger Entfernung von der Grundstücksgrenze liegen könne. Gegen die landgerichtliche Entscheidung wendet sich die Beteiligte zu 1) mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.)

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 45 Abs.1, 43 Abs.1 WEG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.

Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) ergibt sich daraus, dass das Landgericht die amtsgerichtliche Entscheidung zu ihrem Nachteil abgeändert hat.

In der Sache ist die sofortige weitere Beschwerde unbegründet, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 2) ausgegangen.

Auch in der Sache hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Nachprüfung stand.

Der Antrag der Beteiligten zu 1) zielt darauf ab, den Verwalter als Ausführungsorgan der Gemeinschaft zu einer bestimmten Verwaltungsmaßnahme zu verpflichten, wobei die gerichtliche Entscheidung die ansonsten erforderliche (Mehrheits-)Entscheidung der Miteigentümer ersetzten soll. Einem solchen Anspruch, sei er auf den Inhalt der Teilungserklärung, auf § 21 Abs.3 WEG oder § 1004 BGB in Verbindung mit § 22 Abs.1 WEG gestützt, steht jedoch entgegen, dass die Beteiligte zu 1) ihrerseits zur Duldung des Zaunes verpflichtet ist, weil sein Vorhandensein eine Ausstattung des gemeinschaftlichen Eigentums darstellt, die im Rahmen des Gemeinschaftsverhältnisses der Wohnungseigentümer als rechtmäßig zu bewerten ist.

Bei der Errichtung des Zauns handelt es sich entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) nicht um eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 WEG. Nach dieser Vorschrift sind bauliche Veränderungen nur solche Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne des § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG hinausgehen. Deshalb können Veränderungen im baulichen Bestand des Gemeinschaftseigentum, auch wenn sie nach rechtlicher Invollzugsetzung der Eigentümergemeinschaft vorgenommen worden sind, als rechtmäßige Maßnahme der Instandsetzung zu bewerten sein. Instandsetzung in diesem Sinne ist nach anerkannter Auffassung insbesondere auch die erstmalige Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des gemeinschaftlichen Eigentums (vgl. etwa BayObLGZ 1989, 470, 473; NZM 2000, 515; MK/BGB-Engelhardt, § 21 WEG, Rdnr. 10).

Inhaltlich wird der ordnungsgemäße Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums in erster Linie durch die Teilungserklärung und den in ihr gem. § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG in Bezug genommenen Aufteilungsplan bestimmt. Zutreffend ist, dass Teilungserklärung und Aufteilungsplan zur Frage einer Einfriedigung des gemeinschaftlichen Grundstücks weder eine textliche noch zeichnerische Darstellung treffen. Dieser Befund kann jedoch entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) nicht als abschließend in dem Sinne bewertet werden, dass jede bauliche Ausstattung des gemeinschaftlichen Eigentums (hier der Zaun) allein deshalb, weil sie in der Teilungserklärung bzw. dem Aufteilungsplan nicht festgehalten ist, als bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG zu bewerten und auf Verlangen eines einzelnen Wohnungseigentümers zu beseitigen ist. Vielmehr ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass rechtmäßig im Sinne des § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG auch die erstmalige Herstellung eines sowohl nach den Bauplänen (BayObLGZ 1989, 470, 473; NZM 2000, 515; ZWE 2000, 312) als auch nach der Baubeschreibung vorgesehenen Zustandes des gemeinschaftlichen Eigentums ist (BayObLGZ 1990, 120, 122; Staudinger/Bub, BGB, 13. Bearb. 2005, § 21 WEG, Rdnr. 186a sowie § 22 Rdnr. 204). Denn die bauliche Ausstattung sowohl des Gebäudes als auch des nicht bebauten gemeinschaftlichen Grundstücks kann sich nicht abschließend aus der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan ergeben, weil deren Darstellungen ihrem sachenrechtlichen Zweck zufolge auf die Abgrenzung des Sondereigentums gegenüber dem Gemeinschaftseigentum sowie Regelungen über das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer begrenzt sind. Auch die Baugenehmigungszeichnungen verhalten sich regelmäßig nur über diejenigen Ausführungsdetails, die für die öffentlichrechtliche Erteilung der Baugenehmigung von Bedeutung sind. Deshalb muss ein Wohnungseigentümer auch diejenigen Ausstattungsmerkmale, die darüber hinausgehend in einer Baubeschreibung dargestellt sind, als ordnungsgemäßen Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums hinnehmen. Die Baubeschreibung hat zwar zunächst unmittelbare Bedeutung nur für die Bestimmung der Leistungspflicht in dem schuldrechtlichen Erwerbsvertrag zwischen dem Wohnungseigentumserwerber und dem teilenden Eigentümer. Im Hinblick auf das gleichrangige Interesse der anderen kann einer der Erwerber jedoch nicht beanspruchen, dass im Gemeinschaftsverhältnis der späteren Wohnungseigentümer eine bauliche Ausstattung als rechtswidrig bewertet wird, die er selbst in seinem schuldrechtlichen Verhältnis zum Bauträger im wörtlichen Sinne in Kauf genommen hat. Sieht beispielsweise die Baubeschreibung eine Kinderschaukel auf der der gemeinschaftlichen Nutzung dienenden Grundstücksfläche vor, kann einer der Wohnungseigentümer der nach Entstehung der Gemeinschaft (etwa im Zuge der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen) erfolgenden Errichtung der Schaukel nicht mit der Begründung entgegen treten, es handele sich nunmehr um eine rechtswidrige bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums.

Ebenso verhält es sich hier mit dem Zaun, dessen Beseitigung die Beteiligte zu 1) verlangt. Nach ihrem eigenen Vorbringen sieht die Baubeschreibung, auf die in ihrem eigenen notariellen Erwerbsvertrag Bezug genommen wird, die Einfriedung des gemeinschaftlichen Grundstücks mit einem etwa 80 cm hohen Lattenzaun vor. Die rechtlichen Bedenken, die die Beteiligte zu 1) im Hinblick auf den Begriff der Einfriedigung gegen den jetzigen konkreten Standort des Zauns erhoben hat, hat das Landgericht zu Recht für unbegründet erachtet. Entgegen ihrer Auffassung sind die §§ 32 ff. NachbG NW insoweit unerheblich. Die Vorschriften regeln lediglich die Einfriedigungspflicht. Die Vorschriften über Standort und Art der Einfriedigung gelten daher nur für die Fälle, in denen von einem Nachbarn ein Einfriedigungsverlangen im Sinne des 32 NachbG NW erhoben worden ist (vgl. BGH NJW 1992, 2569). Anhaltspunkte, dass die Baubeschreibung diese Fragen regeln wollte, sind nicht ersichtlich. Der Begriff der Einfriedigung ist daher in einem allgemeinsprachlichen Sinne zu verstehen. Eine Einfriedigung in diesem Sinne muss nicht begriffsnotwendig auf der Grenze stehen, vielmehr genügt ein hinreichender räumlicher Bezug zur Grenze, dessen genaue Ausgestaltung von den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls abhängig ist. Danach hat das Landgericht das Vorliegen einer Einfriedigung vorliegend rechtsfehlerfrei bejaht. Mit dem Standort des Zaunes am Rande des von der Grenze geschnittenen Gemeinschaftsweges erfüllt dieser nämlich die Funktion einer Einfriedigung bestmöglich. Da der gepflasterte Weg offensichtlich eine Gemeinschaftseinrichtung mit der benachbarten Teileigentumsgemeinschaft ist und er durch die Grenze geschnitten wird, spricht alles dafür, dass es sich um eine Grenzanlage handelt, die den Schutz der §§ 922 ff. BGB genießt. Selbst wenn die Gemeinschaft wollte, wäre sie danach gehindert, eine Einfriedigung auf der Grenze zu errichten. Wenn der Zaun am Rand des Weges steht, dann steht er nach alledem in größtmöglicher Nähe zur Grenze und auch gerade dort, wo das gemeinschaftliche Grundstück der Einfriedigung bedarf, nämlich neben der Grenzeinrichtung.

Der Anspruch ist bzw. war auch nicht deshalb begründet, weil der Zaun - bis zu der jüngst erfolgten Reparatur - baufällig war. Hieraus könnte sich im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung - jedenfalls zunächst - nur ein Anspruch auf Mitwirkung bei der Instandsetzung ergeben. Dies strebt die Beteiligte zu 1) aber nicht an.

Da die sofortige weitere Beschwerde ohne Erfolg bleibt, entspricht es der Billigkeit, dass die Beteiligte zu 1) die Gerichtskosten des Verfahrens trägt (§ 47 S.1 WEG). Unter Berücksichtigung der divergierenden Entscheidungen der Vorinstanzen sieht der Senat hingegen keinen hinreichenden Anlass für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Auslagen (§ 47 S.2 WEG).

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 48 Abs.3 WEG.