VG Düsseldorf, Urteil vom 27.04.2007 - 13 K 8613/03
Fundstelle
openJur 2011, 47835
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger steht im Range eines Oberstleutnants a.D. im Dienst der Beklagten.

Im Jahre 2002 litt die Ehefrau des Klägers an einer Arthrose im linken Knie. Diese Erkrankung wurde nach Angaben des Klägers seinerzeit mit der sog. Multibiosignaltherapie behandelt. Vor der Behandlung hatte der Kläger sich nach eigenen Angaben telefonisch bei der zuständigen Beihilfestelle nach der Beihilfefähigkeit der entsprechenden Aufwendungen erkundigt. Nachdem ihm dies nach seinen Angaben telefonisch bestätigt worden war, wurde die Behandlung mittels der Multibiosignaltherapie durchgeführt. Die entsprechenden Aufwendungen wurden nach den Angaben des Klägers in vollem Umfang als beihilfefähig anerkannt.

Im Jahre 2003 erkrankte die Ehefrau erneut an Arthrose. Betroffen war die linke Fußwurzel. Die Ehefrau des Klägers wurde insoweit durch den Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin und Chirotherapie L1 behandelt. U.a. wurde in neun Sitzungen die Multibiosignaltherapie angewandt. Hierüber stellte der behandelnde Arzt der Ehefrau des Klägers unter dem 30. September 2003 eine Rechnung über insgesamt 994,59 Euro.

Zu dieser Rechnung sowie zu einem Rezept über 31,84 Euro beantragte der Kläger unter dem 6. Oktober 2003 die Gewährung einer Beihilfe.

Mit Bescheid vom 22. Oktober 2003 gewährte ihm die Beklagte zu den vorgenannten Rechnungen eine Beihilfe in Höhe von 176,65 Euro. Von der Arztrechnung vom 30. September 2003 erkannte sie lediglich 235,35 Euro als beihilfefähig an. Die auf die Multibiosignaltherapie entfallenden Kosten von 759,27 Euro wurden nicht als beihilfefähig anerkannt. Entsprechend entfiel auf die Rechnung vom 30. September 2003 rechnerisch eine Beihilfe von 164,72 Euro (70 % von 235,32 Euro).

Hiergegen legte der Kläger am 30. Oktober 2003 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er darauf, dass seine Ehefrau im Jahre 2002 fast identische Probleme mit ihrem Knie gehabt habe. Vor Beginn der damaligen Behandlung habe er den zuständigen Sachbearbeiter persönlich angerufen, um die Beihilfefähigkeit der von dem Arzt seinerzeit vorgeschlagenen Multibiosignaltherapie feststellen zu lassen. Diese Beihilfefähigkeit sei ihm von dem Sachbearbeiter telefonisch bestätigt worden. Die Behandlung sei dann auch mit großem Erfolg durchgeführt worden. Die anschließende Abrechnung über die Beihilfe sei problemlos abgewickelt worden.

Bei der erneuten Erkrankung seiner Frau habe der Arzt wiederum eine Multibiosignaltherapie als Alternative zu einer stationären Operation des Fußknöchels vorgeschlagen. Da seine Frau im vorangegangenen Jahr so gute Erfahrungen mit dieser Therapie gemacht habe und die entsprechende Beihilfefähigkeit durch die Beklagte festgestellt worden sei, hätten sie sich zu dieser Art der Behandlung entschlossen. Diese habe auch zwischenzeitlich zu einem guten Ergebnis geführt.

Nachdem die Beklagte von dem Kläger verschiedene Unterlagen über die Art und Wirkungsweise der Multibiosignaltherapie angefordert hatte, wies sie dessen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2003 zurück. Zur Begründung verwies sie darauf, dass nach § 6 Abs. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV) die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Untersuchung oder Behandlung nach einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode begrenzt oder ausgeschlossen werden könne. Von dieser Möglichkeit habe das Bundesministerium des Innern durch den Erlass der Durchführungshinweise zu § 6 Abs. 2 BhV Gebrauch gemacht. Nach Nr. 1 der Durchführungshinweise zu § 6 Abs. 2 BhV sei die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für eine „pulsierende Signaltherapie" ausgeschlossen. Zu dieser Behandlungsform zähle auch die Multibiosignaltherapie. Deshalb könne eine Beihilfe hierfür nicht gewährt werden.

Soweit in der Vergangenheit anders entschieden worden sei, könnten aus einer etwaigen fehlerhaften Beihilfefestsetzung keine Ansprüche für die Zukunft abgeleitet werden. Auch die individuelle Wirksamkeit der vollzogenen Behandlung rechtfertige keine andere Entscheidung. Die Beihilfevorschriften seien eindeutig und ließen einen Ermessensspielraum nicht zu. Auch wirtschaftliche Überlegungen in Form eines Kostenvergleichs mit eingesparten, ansonsten eventuell notwendigen Behandlungskosten sähen die Beihilfevorschriften nicht vor.

Der Kläger hat am 10. Dezember 2003 Klage erhoben.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren. Ergänzend macht er geltend, die Beklagte habe mit ihrer Auskunft über die Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen für eine Multibiosignaltherapie im Jahre 2002 einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Dieser habe sich dann seinerzeit auch in der Erstattung der für die Multibiosignaltherapie aufgewandten Kosten manifestiert. Danach habe er davon ausgehen können, dass es sich um eine auch durch die Beklagte anerkannte Behandlungsmethode handele. Wissenschaftlich sei sie ohnehin. Wenn die Beklagte von dieser Auffassung abweichen wollte, hätte sie ihm dies rechtzeitig kund tun müssen.

Er habe sich anlässlich der Behandlung seiner Ehefrau im Jahre 2002 ausdrücklich bei dem zuständigen Sachbearbeiter, Herrn Q, „grünes Licht" für die Behandlung geben lassen. Dieser habe keine Bedenken gegen die eine aufwändigere und sehr viel teurere Operation vermeidende Behandlung gehabt. Seinerzeit sei auch die Erstattung binnen vierzehn Tagen erfolgt. Deshalb habe er sich bei der gleich gelagerten Erkrankung seiner Ehefrau ein Jahr später keine Gedanken über die Beihilfefähigkeit der entsprechenden Aufwendungen machen müssen.

Im Übrigen sei er auch damals nicht durch die Beklagte dahingehend belehrt worden, dass es sich um eine noch nicht anerkannte Behandlungsmethode handele, hinsichtlich derer zuvor ein schriftlicher Antrag auf Voranerkennung hätte gestellt werden müssen. Wäre dies geschehen, hätte er einen solchen Antrag gestellt. Tatsächlich sei er damals bei der Beklagten - ebenso wie bei der zuständigen Krankenkasse - auf seine telefonische Anfrage hin „durchgewinkt" worden.

Im gerichtlichen Verfahren hat der Kläger eine Stellungnahme des Arztes L1 vom 5. Mai 2006 sowie ein Gutachten von E, K-Universität H, vom 10. März 2006 zur „Bewertung der KernspinResonanzTherapie MBST hinsichtlich ihres therapeutischen Potentials" vorgelegt. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die vorgenannten Schriftstücke Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Beihilfebescheides vom 22. Oktober 2003 und ihres Widerspruchsbescheides vom 19. November 2003 zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 6. Oktober 2003 hin weitere Beihilfe in Höhe von 759,27 Euro zu gewähren,

und

die Beklagte zu verurteilen, auf diesen Betrag Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid. Ergänzend macht sie geltend, aus einer im Einzelfall zu Unrecht erfolgten Beihilfegewährung in der Vergangenheit folge kein weiterer Anspruch auf weitere Beihilfe. Der zuständige Sachbearbeiter könne sich an das von dem Kläger angeführte Telefonat nicht erinnern. Die Beihilfeakte enthalte keine Anhaltspunkte für ein Vorab-Anerkennungsverfahren. Eine schriftliche Zusicherung liege weder für die damalige noch für die jetzige Behandlung vor. Der zuständige Sachbearbeiter habe versichert, dass er eine ausdrückliche Anfrage nach der Beihilfefähigkeit einer neuen oder streitigen Behandlungsmethode immer den eigens dafür zuständigen Grundsatz-Sachbearbeitern des Fachdezernates vorlegen würde zur Bewertung im schriftlichen Verfahren.

Das Gericht hat zu den Fragen, ob es sich bei der Multibiosignaltherapie um eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode handelt und ob es sich bei der Multibiosignaltherapie und der pulsierenden Signaltherapie um unterschiedliche Behandlungsmethoden oder um Unterarten einer Behandlungsmethode handelt, Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von F1, Klinik und Poliklinik für Orthopädie des Klinikums der Universität zu L2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das entsprechende Gutachten vom 15. Januar 2007 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Der Einzelrichter ist für die Entscheidung zuständig, nachdem der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 29. Juni 2006 gemäß § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist.

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 2003 und ihr Widerspruchsbescheid vom 19. November 2003 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Beihilfe zu den Aufwendungen für die in Rede stehende ärztliche Behandlung.

Der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Beihilfe richtet sich nach den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen. Zwar genügen diese nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehaltes, jedoch gelten sie zumindest für einen Übergangszeitraum weiter, um dem Gesetzgeber die Möglichkeit einzuräumen, die erforderlichen Regelungen zu treffen.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 -, BVerwGE 121, 103 (105 ff.); Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 1. September 2004 - 1 A 4294/01 -, vom 24. Mai 2006 - 1 A 3706/04 - und vom 24. November 2006 - 1 A 461/05 -; Beschluss vom 14. Februar 2007 - 1 A 1048/05 -, jeweils veröffentlicht in NRWE und juris.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV sind beihilfefähig nach den folgenden Vorschriften Aufwendungen, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind, soweit die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Für die Beihilfefähigkeit dem Grunde und der Art nach gilt § 6 BhV. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV sind die aus Anlass einer Krankheit entstehenden Aufwendungen für ärztliche Leistungen im Rahmen des § 5 Abs. 1 BhV (soweit sie notwendig und angemessen sind) beihilfefähig. Nach § 6 Abs. 2 BhV kann allerdings das Bundesministerium des Innern die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Untersuchung oder Behandlung nach einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode begrenzen oder ausschließen. Dieser Ausschluss bzw. diese Begrenzung der Beihilfefähigkeit in Bezug auf Methoden der genannten Art hält sich im Rahmen des Ermessens, das dem Dienstherrn bei der Konkretisierung der Fürsorgepflicht zusteht. Er verstößt dabei weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch verletzt er seine Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. Juni 1996 - 2 C 15.94 -, ZBR 1996, 48 (49).

In den Hinweisen zur Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen hat das Bundesministerium des Innern von der Ermächtigung des § 6 Abs. 2 BhV Gebrauch gemacht und in Ziffer 1 zu § 6 Abs. 2 BhV die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für die sog. Pulsierende Signaltherapie ausgeschlossen.

Die hier in Rede stehende Multibiosignaltherapie ist eine der Pulsierenden Signaltherapie gleichzustellende Behandlung und folglich von dem Ausschluss mit erfasst. In dem von dem Gericht eingeholten Sachverständigengutachten des Direktors der Klinik und Poliklinik für Orthopädie des Klinikums der Universität zu L2, F1, heißt es insoweit, bei der Multibiosignaltherapie handele es sich um eine besondere Form der Magnetresonanztechnik, ein Verfahren mit hochkomplexen pulsierenden wechselnden magnetischen Impulsen basierend auf der Kernspinresonanzfrequenz. Diese Therapie sei kein grundlegend neues Verfahren, sondern eine Sonderform der pulsierenden elektromagnetischen Therapie, die seit über 20 Jahren anfänglich vor allem in der Therapie von Frakturen zur Zellproliferation eingesetzt und später auch zur Regeneration geschädigter Knorpelstrukturen angewendet worden sei. Beide Verfahren - Multibiosignaltherapie und Pulsierende Signaltherapie - basierten auf magnetischen Impulsen gleicher Frequenzbereiche, die über eine Luftspule übertragen würden. Die Pulsierende Signaltherapie verwende drei Spulen, die Multibiosignaltherapie eine Spule. Der erzeugte Wirkungsgrad sei der gleiche.

Das Gericht hat keine Anhaltspunkte dafür, dass diesen Ausführungen des Gutachters nicht zu folgen sein könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass die Sachkunde des Gutachters insoweit zweifelhaft sein könnte, dass er von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen sein könnte, das Gutachten Widersprüche enthielte oder zwischenzeitlich überlegene Forschungsmittel bestünden. Insbesondere hat der Gutachter bei seiner diesbezüglichen Bewertung auch die von dem Kläger vorgelegten Unterlagen berücksichtigt, aus denen sich in Bezug auf die Bestimmung des Verhältnisses von Multibiosignaltherapie und Pulsierenden Signaltherapie keine gegenteiligen Anhaltspunkte ergeben.

Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit der Multibiosignaltherapie als wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode ist auch rechtlich nicht zu beanstanden.

Eine Behandlungsmethode ist wissenschaftlich allgemein anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen wird. Um "anerkannt" zu sein, muss einer Behandlungsmethode von dritter Seite - also von anderen als dem/den Urheber(n) - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um "wissenschaftlich" anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und an anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Für die Allgemeinheit der Anerkennung schließlich muss die Therapieform zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit ist eine Behandlungsmethode dann "wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt", wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt.

Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 29. Juni 1995 - 2 C 15.94 -, ZBR 1996, 48, und vom 18. Juni 1998 - 2 C 24.97 -, ZBR 1999, 25; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 24. November 2006 - 1 A 461/05 -, Beschluss vom 14. Februar 2007 - 1 A 1048/05 -, jeweils veröffentlicht in NRWE und juris.

Grundlage für eine positive Einschätzung der Wirksamkeit und Geeignetheit der neuen Methode können nur kontrollierte, wissenschaftlichen Standards genügende Studien sein; bloße Erfahrungsberichte von Ärzten, welche die neue Methode angewendet haben, reichen insoweit nicht aus.

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 24. November 2006 - 1 A 461/05 -, und vom 1. September 2004 - 1 A 4294/01 -, Beschluss vom 14. Februar 2007 - 1 A 1048/05 -, jeweils veröffentlicht in NRWE und juris.

In Anwendung dieser Grundsätze fehlte es der Multibiosignaltherapie an der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung. Dies ergibt sich schon daraus, dass eine durch geeignete, den zuvor beschriebenen Standards genügende wissenschaftliche Studien belegte Einschätzung der Wirksamkeit der Methode bislang nicht vorliegt. Der Gutachter F1 hat in seinem Gutachten hierzu ausgeführt, die Literaturanalyse zeige Studien mit einigen zum Teil vielversprechenden Ergebnissen bei der Anwendung der Multibiosignaltherapie zur Schmerzlinderung und Regeneration von Knorpelstrukturen. Auch hätten bisher ermutigende Invitro- Studien den positiven Einfluss auf Knochen- und Knorpelgewebe zeigen können. Jedoch habe keine dieser Studien die Kriterien einer groß angelegten, doppeltblind Placebokontrollierten Studie auf Basis der evidence based Medicine erfüllt. Zudem sei auch in den Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen die Magnetfeldtherapie nicht anerkannt worden.

Die von dem Kläger vorgelegten Unterlagen rechtfertigen keine andere Bewertung: Die im Verwaltungsverfahren eingereichte „Patienteninformation Multibiosignaltherapie" sowie der Artikel „Volkskrankheiten Arthrose und Osteoporose - Die MBST®-KernspinResonanzTherapie als Zentrum einer modernen ganzheitlichen Therapie" befassen sich mit Einzelheiten der Therapie, gehen aber auf etwaige diesbezügliche Studien nicht ein.

Gleiches gilt für die im Gerichtsverfahren vorgelegte Stellungnahme des Arztes L1 vom 5. Mai 2006, in der dieser über die eigenen (guten) Erfahrungen mit der Multibiosignaltherapie berichtet. Das weiter eingereichte Gutachten von E vom 10. März 2006 berichtet zwar von vier abgeschlossenen klinischen Studien und einigen weiteren, seinerzeit noch in Durchführung begriffenen Studien. Die diesbezüglichen Erkenntnisse hat F1 in seinem Gutachten aber berücksichtigt und gerade auch in Ansehung dieser Studien festgestellt, dass keine dieser Studien die Kriterien einer groß angelegten, doppeltblind Placebokontrollierten Studie auf Basis der evidence based Medicine erfülle.

Das Gericht ist von diesen Darlegungen des Sachverständigen überzeugt. Es hat auch hier keine Anhaltspunkte dafür, dass den Ausführungen in dem Gutachten nicht zu folgen sein könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass die Sachkunde des Gutachters insoweit zweifelhaft sein könnte, dass er von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen sein könnte, das Gutachten Widersprüche enthielte oder zwischenzeitlich überlegene Forschungsmittel bestünden. Soweit die Prozessbevollmächtigten des Klägers schon im Vorfeld der Beauftragung des Gutachters darauf hingewiesen haben, dass dieser nicht über spezifische (Forschungs-)Erfahrung auf dem in Rede stehenden Gebiet verfüge, kann dahinstehen, ob dies zutrifft. Selbst wenn der Gutachter keine eigenen Erfahrungen mit der Magnetresonanztechnik bzw. der pulsierenden elektromagnetischen Therapie haben sollte, steht dies der Überzeugungskraft seines Gutachtens nicht entgegen. Da sich die Frage der wissenschaftlichen Anerkennung einer bestimmten Behandlungsmethode nach der überwiegenden Meinung der in dem entsprechenden Bereich tätigen Wissenschaftler bemisst, bedarf es insoweit keiner eigenständigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der in Rede stehenden Behandlungsmethode, sondern einer Bestandsaufnahme der hierzu in der Wissenschaft und Forschung vertretenen Auffassungen und Studien. Dies setzt nicht voraus, dass der Gutachter über unmittelbare eigene Forschungserfahrung mit der Behandlungsmethode verfügt.

Im Übrigen wird das Gutachtenergebnis auch dadurch gestützt, dass die Pulsierende Signaltherapie, der die Multibiosignaltherapie gleichsteht, ebenfalls bislang wissenschaftlich nicht anerkannt ist.

So Verwaltungsgericht Arnsberg, Urteil vom 8. Juli 2005 - 13 K 1519/04 -, veröffentlicht in NRWE und juris.

Wegen der Einzelheiten der diesbezüglichen Begründung wird auf die genannte Entscheidung und die dort wiedergegebenen gutachterlichen Stellungnahmen Bezug genommen.

Der Kläger kann sich weiter auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm zu einer entsprechenden Behandlung seiner Ehefrau im Jahr 2002 telefonisch mitgeteilt worden sei, die entsprechenden Aufwendungen seien beihilfefähig, und ihm in der Folgezeit auch eine entsprechende Beihilfe gewährt wurde. Dies gilt selbst dann, wenn man mit dem Kläger von einer entsprechenden telefonischen Auskunft ausgeht. Diese hätte - wie oben ausgeführt - nicht der Rechtslage entsprochen hätte; da sie auch nicht in Form einer schriftlichen Zusicherung nach § 38 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) ergangen ist, kann der Kläger hieraus keinen Anspruch auf die Gewährung von Beihilfe im konkreten Fall ableiten. Zugleich schließt es § 38 VwVfG aus, über den Aspekt des Vertrauensschutzes aus den genannten Umständen einen Beihilfeanspruch abzuleiten.

Die damalige Beihilfegewährung begründet ebenfalls keinen Anspruch auf die jetzt geltend gemachte Beihilfe. Der entsprechende Bescheid beschränkt sich hinsichtlich seiner Regelung auf die damalige Beihilfegewährung, enthält aber keine rechtswirksame Feststellung zur Behandlung entsprechender Fälle in der Zukunft.

Die streitige Beihilfe kann dem Kläger schließlich auch nicht unter Rückgriff auf die allgemeine Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. § 31 Soldatengesetz) gewährt werden. Die Beihilfebestimmungen sind die nach Auffassung des Dienstherrn angemessene Festlegung und Konkretisierung seiner Fürsorgepflicht. Daher können lediglich in Ausnahmefällen auch Aufwendungen, die nicht in den Beihilfebestimmungen aufgeführt sind, beihilfefähig sein. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn der Dienstherr durch die Ablehnung der beantragten Beihilfe die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt. Letzteres setzt eine einschneidende Beeinträchtigung der Lebensführung des Beamten oder Soldaten für den Fall voraus, dass die Beihilfe nicht gewährt wird. Bis zu dieser äußersten Grenze hat der Dienstherr einen weiten Ermessensspielraum bei der Ausgestaltung der Beihilfeleistungen.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Juni 1980 - 6 C 19.79 -, BverwGE 60, 212 (220): „unerträgliche Belastung der amtsangemessenen Lebensführung"; Urteil vom 24. August 1995 - 2 C 7.94 -, ZBR 1996, 46 (48); Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. Juli 2002 - 6 A 3458/99 -, veröffentlicht in NRWE und juris.

Für das Überschreiten dieser Grenze bestehen im vorliegenden Fall angesichts der Höhe der Aufwendungen von 759,27 Euro und der darauf entfallenden möglichen Beihilfe in Höhe von 531,49 Euro keine Anhaltspunkte. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Lebensführung des Klägers durch die Nichtgewährung der beantragten Beihilfe nachhaltig beeinträchtigt worden ist oder werden wird.

Allerdings kann die Fürsorgepflicht in Ausnahmefällen dem Dienstherrn gebieten, auch die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode zu erstatten. Dies gilt dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist.

Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 29. Juni 1995 - 2 C 15.94 -, ZBR 1996, 48 (49), und vom 18. Juni 1998 - 2 C 24.97 -, ZBR 1999, 25; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Februar 2007 - 1 A 1048/05 -, veröffentlicht in NRWE und juris.

Entsprechend kann die Fürsorgepflicht eine Beihilfegewährung auch zu einer wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethode gebieten, wenn der Betroffene an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung leidet, für die eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, und bei der wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethode eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

So für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 -, BverfGE 115, 25 (49).

Keine dieser Fallgestaltungen ist hier jedoch gegeben. Die Arthroseerkrankung der Ehefrau des Klägers ist keine lebensbedrohliche oder gar regelmäßig tödliche Erkrankung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Darüber hinaus wäre die Erkrankung nach dem Vorbringen des Klägers durch eine - allerdings kostenaufwändigere - Operation behandelbar gewesen, so dass auch die Voraussetzungen nach der o.g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht erfüllt sind.

Dass die durchgeführte Behandlung kostengünstiger war als die alternativ mögliche Operation und sich im Fall der Ehefrau des Klägers zudem als erfolgreich erwiesen hat, ist nach dem gegenwärtigen System der Beihilfevorschriften nicht zu berücksichtigen. Diese legen die Beihilfefähigkeit für bestimmte Aufwendungen in generalisierter und pauschalierender Weise fest, ohne die Beihilfe im Einzelfall davon abhängig zu machen, ob eine beihilfefähige Methode tatsächlich zu einem Heilungserfolg geführt hat. Dies ist deshalb sachgerecht und jedenfalls unter Fürsorgegesichtspunkten nicht zu beanstanden, weil sich häufig erst einige Zeit nach der Behandlung und nur mit relativ hohem Aufwand mit möglicherweise medizinischer Beratung feststellen lässt, ob ein Heilungserfolg eingetreten ist, was beim Vollzug der Beihilfe nicht praktikabel wäre.

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Februar 2007 - 1 A 1048/05 -, veröffentlicht in NRWE und juris.

Steht dem Kläger nach alledem kein Anspruch auf die begehrte weitere Beihilfe zu, hat er auch keinen Anspruch auf Zinsen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.