LG Düsseldorf, Urteil vom 14.05.2007 - 11 O 205/06
Fundstelle
openJur 2011, 47416
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Hausratversicherung in Anspruch. Grundlage des Versicherungsvertrages waren die VHB 2001. Der Kläger bewohnt eine Erdgeschosswohnung in einem Vier-Familienhaus in Düsseldorf. Diese verließ er am 14.10.2005 gegen 14:30 Uhr. Wie sich dann der weitere Tagesverlauf des Klägers gestaltete, ist zwischen den Parteien umstritten. Jedenfalls meldete der Kläger der Polizei am 15.10.2005 gegen 0:24 einen Einbruch in seine Wohnung. Gegenüber der Beklagten machte der Kläger außergerichtlich zuletzt mit Schreiben vom 01.06.2006 unter Fristsetzung bis zum 16.06.2006 den ihm vermeintlich aus dem Diebstahlereignis entstandenen Schaden in Höhe von 8.302,95 Euro geltend. Die Beklagte lehnte eine Regulierung jedoch ab.

Der Kläger behauptet, er habe die Wohnung gegen 14:30 Uhr verlassen, um einkaufen zu gehen; dabei habe er das an der rückwärtigen Gebäudeseite befindliche Schlafzimmerfenster in Kippstellung belassen, um das Schlafzimmer zu lüften; wegen der an diesem Tag vorhandenen Sonneneinstrahlung habe er das Verdunkelungsrolle heruntergezogen; er habe die Wohnung zunächst nur für kurze Zeit zur Erledigung seiner Einkäufe verlassen wollen, sei dann aber unterwegs von einem Bekannten aufgehalten worden, der ihn überredet habe, gemeinsam ein Spiel der DEG zu besuchen; gegen 17:00 Uhr sei er nach Hause zurückgekehrt, um die Einkäufe abzuladen und sich umzuziehen; er habe dabei alle Räume außer dem Schlafzimmer - der Kleiderschrank befinde sich im ehemaligen Kinderzimmer - betreten; Einbruchspuren seien zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhanden gewesen; der Diebstahl habe folglich noch nicht stattgefunden; gegen 17:30 Uhr habe er die Wohnung wieder verlassen, ohne an das in Kippstellung stehende Schlafzimmerfenster zu denken; die Täter hätten mittels Durchgreifens und Umlegens des Fenstergriffs das

Fenster geöffnet und seien auf diese Weise in die Wohnung gelangt; dies sei wahrscheinlich unmittelbar nach dem Verlassen der Wohnung durch ihn geschehen; ihm seien Gegenstände in einem Gesamtwert von 8.302,95 Euro gemäß Schadenaufstellung (vgl. Anlage P1, Bl. 6 d.A.) gestohlen worden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.302,95 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet das Vorbringen des Klägers; hilfsweise macht sie sich seine Behauptung, er habe das Schlafzimmerfensters beim Verlassen der Wohnung in Kippstellung belassen, zu eigen und vertritt insoweit die Ansicht, sie sei gemäß § 61 Versicherungsvertragsgesetz wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls leistungsfrei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 8.302,95 Euro aus § 1 Abs. 1 S. 1 Versicherungsvertragsgesetz in Verbindung mit der zwischen den Parteien geschlossenen Hausratversicherung sowie den vereinbarten Versicherungsbedingungen (VHB 2001). Das Gericht lässt es dahinstehen, ob der Versicherungsfall dem klägerischen Vorbringen entsprechend eingetreten und der vom Kläger behauptete Schaden dem Umfang und der Höhe nach entstanden ist. Denn selbst wenn das Vorbringen des Klägers zum Geschehensablauf als zutreffend unterstellt wird, ist die Beklagte wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des

Versicherungsfalls nach § 61 Versicherungsvertragsgesetz leistungsfrei.

Grob fahrlässig im Sinne der genannten Bestimmung handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und das unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall zu beachten jedem hätte einleuchten müssen; die grobe Fahrlässigkeit setzt damit sowohl in objektiver Hinsicht eine über das normale Maß hinausgehende Sorgfaltspflichtverletzung, wie auch in subjektiver Hinsicht ein das gewöhnliche Maß übersteigendes Fehlverhalten voraus (OLG Karlsruhe NJWE-VHR 1998, 200). Darüber hinaus setzt die Kausalität der groben Fahrlässigkeit voraus, dass der Versicherungsfall gerade infolge der groben Fahrlässigkeit eingetreten ist, was im Streitfall von der Versicherung darzulegen und zu beweisen ist (vgl. Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl. 2004, § 61 Rdnr. 17 m.w.Nw.). Die genannten Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben.

Der Kläger hat objektiv in besonders hohem Maß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verstoßen, indem er das Schlafzimmerfenster in Kippstellung beließ, als er aus dem Haus ging. Allerdings reicht für die Annahme einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung nach einem Teil der Rechtsprechung allein das Belassen eines Fensters in Kippstellung nicht aus, gefordert werden vielmehr weitere Umstände, die das Verhalten als im gesteigerten Maße pflichtwidrig erscheinen lassen (vgl. OLG Hamm OLG Report 1999, 356, 357; OLG Karlsruhe NJWE 1998, 200 m.w.Nw.; LG München II NJW-RR 1988, 215; LG Duisburg VersR 1988, 483). Derartige weitere Umstände sind vorliegend jedoch gegeben. Der Kläger hat die Wohnung nach eigenem Vorbringen für einen längeren Zeitraum verlassen. Er ist ihr zunächst für ca. 2,5 Stunden (14:30 Uhr bis 17:00 Uhr) und sodann für weitere knapp 7 Stunden (17:30 Uhr bis 0:20 Uhr) ferngeblieben. Das in Kippstellung belassene Schlafzimmerfenster ist nach seinen eigenen Angaben über den gesamten Zeitraum (14:30 Uhr bis 0:20 Uhr), mithin für ca. 10 Stunden, unbeobachtet geblieben, weil der Kläger das Schlafzimmer bei seiner Rückkehr in die Wohnung gegen 17:00 Uhr nicht betreten hat. Das Schlafzimmer befand sich im Erdgeschoss des Hauses an der Rückfront des Gebäudes und war dementsprechend gut für einen Eindringling erreichbar und von der Straße her nicht einsehbar. Letztendlich war das Eindringen durch das in Kippstellung belassene Fenster deshalb besonders leicht, weil es sich um ein zweiflügeliges Fenster handelte (vgl. hierzu: LG Duisburg VersR 1988, 483). Der Täter musste nicht um den Rahmen herum auf den Griff des gekippten rechten Flügels zugreifen, sondern konnte den Schließmechanismus des linken Flügels betätigen, indem er durch den aufgrund der Kippstellung bestehenden Spalt hindurch griff und den Griff des linken Flügels in waagerechte Position brachte. Genau so ist der Täter nach dem vom Kläger in Bezug genommenen Tatortbefundbericht (Anlage P4, Bl. 50 ff. d.A.) verfahren. An der Bewertung des Verhaltens des Klägers als objektiv grob fahrlässig ändert sich auch nichts dadurch, dass er das Verdunkelungsrollo - so sein Vorbringen - herunter gelassen hatte. Denn dieses stellte für einen Eindringling kein ernsthaftes Hindernis dar.

Die objektive Pflichtverletzung war in subjektiver Hinsicht in gesteigertem Maße vorwerfbar. Dem Kläger war die Lage und besondere - zweiflügelige - Bauart des Fensters, die ein erleichtertes Eindringen ermöglichten, zweifellos bekannt. Trotzdem hat er das Fenster, als er um 14:30 Uhr zum ersten Mal aus der Wohnung ging, bewusst zum Lüften in Kippstellung belassen. Es mag sein, dass er zunächst beabsichtigte, nur für kurze Zeit zwecks Erledigung seiner Einkäufe fortzubleiben. Er hat das Fenster jedoch vergessen, als sich die Dauer seiner Abwesenheit aufgrund des Zusammentreffens mit seinem Bekannten auf eine Dauer verlängerte, bei der das Fenster zur Vermeidung des Vorwurfs grober Fahrlässigkeit auf jeden Fall hätte geschlossen werden müssen, das Fenster dann erneut nicht beachtet, als er in die Wohnung zurückkehrte und das Schlafzimmer nicht betrat, und wiederum nicht an dessen Verschluss gedacht, als er die Wohnung gegen 17:30 Uhr für mehrere Stunden verließ, ohne das Fenster zu kontrollieren. Diese wiederholte Nachlässigkeit in Bezug auf das in Rede stehende Fenster stellt kein Augenblicksversagen mehr dar, sondern ist in gesteigertem Maße vorwerfbar.

Das nach dem Vorstehenden als grob fahrlässig einzustufende Verhalten des Klägers war für den Eintritt des Versicherungsfalles kausal. Allerdings setzt die Kausalität nach einem Teil der Rechtsprechung bei einem Verhalten des Versicherungsnehmers, das erst ab einem bestimmten Zeitpunkt als grob fahrlässig zu bewerten ist, voraus, dass der Versicherungsfall nach dem Zeitpunkt eingetreten ist, von dem an das Verhalten zu einem grob fahrlässigen wurde (vgl. OLG Hamm OLG Report 1999, 356, 357; OLG Report 1992, 265, 266). Dieser Zeitpunkt war aber selbst dann verstrichen, wenn die

Vermutung des Klägers zutreffen sollte, dass der Täter unmittelbar nach dem Verlassen der Wohnung gegen 17:30 Uhr in dieselbe eingedrungen ist. Denn zu diesem Zeitpunkt war dem Kläger bereits eine wiederholte Nachlässigkeit in Bezug auf das in Kippstellung belassene Fenster vorzuwerfen. Hinzu kommt, dass der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit im Falle des Klägers nicht allein an das Zeitmoment anknüpft, sondern daneben an weitere Umstände, wie die besondere Beschaffenheit und Lage des Fensters, welche unzweifelhaft nach dem klägerischen Vorbringen für das Diebstahlsereignis kausal geworden sind.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert 8.302,95 Euro

Wolks-Falter

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