OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.04.2007 - 11 A 4057/06
Fundstelle
openJur 2011, 47345
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die benannten Zulassungsgründe werden nicht gemäß den Erfordernissen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt bzw. greifen nicht durch.

1. Diese Feststellung gilt zunächst in Bezug auf den in erster Linie geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). "Ernstliche Zweifel" im Sinne des Gesetzes sind gegeben, wenn die Richtigkeit des angefochtenen Urteils einer weiteren Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist. Dies ist dann der Fall, wenn neben den für die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatsachenfragen bewirken, wenn also der Erfolg des Rechtsmittels, dessen Eröffnung angestrebt wird, mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg.

Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 29. Mai 2006 - 11 A 2474/03 -, m. w. N.

Nach diesen Grundsätzen bedarf die Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Ergebnis keiner weiteren Prüfung in einem Berufungsverfahren. Die Einwände des Beklagten begründen keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass der Kläger für die Anbringung der Werbestaubschutzplane an einem Baugerüst einer Sondernutzungserlaubnis bedurfte.

Ob in L. die Nutzung von Baugerüsten im Verhältnis zu einer zusätzlichen Werbenutzung, wie der Beklagte behauptet, deutlich subsidiär ist, wenn nicht sogar oft eine Alibifunktion hat, ist vorliegend ohne Belang. Maßgeblich für die Richtigkeit des erstinstanzlichen Entscheidungsergebnisses im vorliegenden Einzelfall ist vielmehr, ob die fragliche Werbefläche an einem Baugerüst nach den konkreten Umständen eine straßenrechtlich erlaubnisbedürftige Sondernutzung ist. In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt, dass Werbung an einer Baustelleneinrichtung im Grundsatz eine den Gemeingebrauch übersteigende Sondernutzung darstellen kann. Diese Beurteilung entspricht der übereinstimmenden höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung. Werbeplakate, Werbeplanen oder sonstige vergleichbare Anlagen der Außenwerbung können, wenn sie an Baugerüsten oder Bauzäunen angebracht werden, die ihrerseits die öffentliche Straße über den Gemeingebrauch hinaus in Anspruch nehmen, selbst als Sondernutzung erlaubnispflichtig sein. Denn dem ursprünglichen Zweck der Baustellensicherung wird der weitere Zweck der Werbenutzung hinzugefügt.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. Februar 1991 - 23 B 1718/90 -, n. v., S. 4 f. des Beschlussabdrucks, und vom 15. Juli 2004 - 11 A 309/04 -, n. v., S. 3 des Beschlussabdrucks; Hess. VGH, Beschluss vom 24. Februar 1998 - 5 N 3469/94 -, GewArch 1998, 437 (438 f.) = KStZ 2000, 36 (nachfolgend: BVerwG, Beschluss vom 12. November 1998 - 3 BN 2.98 -, n. v., S. 4 des Beschlussabdrucks [Langtext in juris]).

Es kann offen bleiben, ob bei einer bestehenden Baustelleneinrichtung der o. g. Art im Falle des Hinzutretens einer Werbeanlage die bereits erteilte Sondernutzungserlaubnis geändert respektive neu erteilt werden muss oder ob eine gesonderte Sondernutzungserlaubnis für die Anlage der Außenwerbung als solche zu beantragen ist. Ebenso kann unentschieden bleiben, ob bei einem von vornherein mit Werbung geplanten Baugerüst/Bauzaun zwingend eine einheitliche Sondernutzungserlaubnis beantragt werden muss oder ob zwei getrennte Erlaubnisse zur behördlichen Prüfung gestellt werden können. Entscheidend für die Frage, ob die Werbung überhaupt als Sondernutzung angesehen werden kann, ist vielmehr der Gesichtspunkt einer abstrakten Beeinträchtigung der Ausübung des Gemeingebrauchs. Diese entfällt, wenn die Einwirkung auf die öffentliche Straße, zu der nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 StrWG NRW auch der Luftraum über dem Straßenkörper gehört, in einer derartigen Höhe stattfindet, dass sie den Verkehrsablauf nicht behindern kann.

Vgl. ergänzend OVG NRW, Urteil vom 4. April 1990 - 23 A 1929/88 -, n. v., S. 10 ff. des Urteilsabdrucks, m. w. N.

Unabhängig davon, ab welchem genauen Maß einer Beanspruchung des Luftraumes keine Sondernutzung mehr vorliegt, ist selbst nach der Sondernutzungssatzung der Stadt L. davon auszugehen, dass die hier in Rede stehende Nutzung keiner Sondernutzungserlaubnis bedurfte. Gemäß § 19 Satz 1 StrWG NRW können die Gemeinden durch Satzung unter anderem bestimmte Sondernutzungen in den Gemeindestraßen von der Erlaubnispflicht befreien. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 lit. b) der Sondernutzungssatzung der Stadt L. liegt eine Sondernutzung im Sinne dieser Satzung nur dann vor, wenn der Straßenraum innerhalb des Lichtraumprofils, d. h. bis zu einer Höhe von 2,50 m auf und über Gehwegen oder Radwegen ausschließlich 0,70 m seitlicher Begrenzung vom Fahrbahnrand, über den Gemeingebrauch hinaus benutzt wird. Nach dieser für den Beklagten bindenden Satzungsregelung ist bei einer Nutzung deutlich über 3,50 m - hiervon gehen die Beteiligten nach den nicht angegriffenen Feststellungen erster Instanz aus - eine erlaubnisbedürftige Sondernutzung also nicht (mehr) gegeben.

Der von dem Beklagten ferner herangezogene § 23 StrWG NRW regelt nicht die Frage einer öffentlichrechtlichen Genehmigungspflicht, sondern bestimmt in seinem Absatz 1 lediglich, dass sich die Einräumung von Rechten zur Benutzung des Eigentums an Straßen nach bürgerlichem Recht richtet, wenn sie den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt. Die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Straßenbaulastträger und demjenigen, der Straßenteile außerhalb des Verkehrsraumes nutzt, sind also nach bürgerlichem Recht durch privatrechtlichen Nutzungsvertrag zu regeln.

Vgl. Walprecht/Cosson, Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein- Westfalen, Kommentar, 2. Auflage (1986), § 23 Rdnr. 205.

2. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wird ebenfalls nicht entsprechend den gesetzlichen Erfordernissen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt. Mit der Grundsatzrüge muss eine tatsächliche oder rechtliche Frage aufgeworfen werden, die entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Fortentwicklung des Rechts einer Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf.

Die vom Beklagten als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage:

„Bedarf die Errichtung einer Werbeanlage bestehend aus einem Spanntuch und einem Gerüst einer materiellen Sondernutzungserlaubnis, wenn das Gerüst nach den Angaben im Bauantrag auch als Baugerüst genutzt werden soll" ?,

würde sich in einem Berufungsverfahren in dieser allgemeinen Weise nicht stellen. Denn es hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Sachverhaltes ab und entzieht sich damit einer fallübergreifenden Klärung, ob und in welchem Umfang ein Baugerüst mit einer Werbeanlage einer Sondernutzungserlaubnis bedarf. Wie der vorliegende Fall anschaulich zeigt, ist insbesondere von Bedeutung, ob diese Werbeanlage nach ihrer Beschaffenheit und ihrem jeweiligen Anbringungsort im Luftraum über der Straße noch geeignet ist, den Gemeingebrauch an der Straße zumindest abstrakt zu beeinträchtigen.

3. Der schließlich geltend gemachte Zulassungsgrund besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greift gleichfalls nicht durch. Die hier im Rechtlichen relevanten Fragen lassen sich, wie vorstehend unter 1. ausgeführt, auf der Grundlage der vorliegenden Rechtsprechung ohne weiteres beantworten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).