LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.03.2006 - L 1 AL 8/06
Fundstelle
openJur 2011, 46574
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. S 17 (24) AL 451/04
  • nachfolgend: Az. B 11a AL 31/06 R
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.12.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 20.10. bis zum 14.11.2004.

Die Klägerin arbeitete seit 1976, zuletzt als Heimleiterin, in der Diakonie N, Seniorenzentrum L. Ab dem 28.01.2003 war sie arbeitsunfähig krank, in erster Linie wegen Gangstörungen aufgrund einer Gefäßerkrankung. Bis zum 27.07.2004 (Datum der Erschöpfung des Anspruchs) bezog sie Krankengeld (Krg). Am 13.05.2004 meldete sie sich mit Wirkung zum 28.07.2004 arbeitslos. Die Beklagte bewilligte ihr Alg, zuletzt in Höhe von 291,71 EUR wöchentlich (Bescheid vom 30.08.2004). Eine ärztliche Untersuchung der Klägerin auf Veranlassung der Beklagten fand nicht statt. Aufgrund Wiedereingliederungsplans des die Klägerin behandelnden Arztes T führte die Klägerin ab dem 20.09.2004 eine stufenweise Wiedereingliederungsmaßnahme (sog. Hamburger Modell) bei ihrer alten Arbeitgeberin durch. Dabei war sie im Umfang von zunächst vier, ab dem 21.10.2004 sechs und ab dem 15.11.2004 acht Stunden täglich tätig. Gehaltszahlungen der Arbeitgeberin erfolgten bis zum 14.11.2004 nicht. Die Beklagte hob daraufhin die Bewilligung von Alg ab dem 20.10.2004 auf (Bescheid vom 20.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2004), weil die Klägerin wegen der Aufnahme einer Beschäftigung nicht mehr beschäftigungs- und daher nicht mehr arbeitslos gewesen sei (§§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III] in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung [a.F.]).

Mit der hiergegen zum Sozialgericht (SG) Köln erhobenen Klage hat die Klägerin das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses für die Zeit bis zum 14.11.2004 in Abrede gestellt. Ein Wiedereingliederungsverhältnis sei vielmehr ein Vertrag eigener Art, der anders als ein Beschäftigungsverhältnis nicht dem Austausch von Arbeitsleistung und –entgelt, sondern der Rehabilitation diene. Die Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis ruhten. Dementsprechend habe sie auch kein Arbeitsentgelt erhalten.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 20.10.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2004 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf die Begründung des angefochtenen Bescheides berufen.

Das SG hat eine Auskunft der Diakonie N eingeholt. Sodann hat es der Klage stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben (Urteil vom 15.12.2005). Die Arbeitslosigkeit der Klägerin sei nicht durch die Wiedereingliederungsmaßnahme entfallen. Die Wiedereingliederung sei keine "Beschäftigung" im leistungsrechtlichen Sinn, weil der Rehabilitationszweck im Vordergrund stehe. § 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III stehe dieser Beurteilung nicht entgegen, weil sich daraus ergebe, dass Versicherungspflicht nur bestehe, wenn Arbeitsentgelt gezahlt werde. Das sei hier jedoch nach der eingeholten Arbeitgeberauskunft nicht der Fall gewesen.

Mit der Berufung trägt die Beklagte vor: Die stufenweise Wiedereingliederung sei ein Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne. Sie gehe einher mit der Eingliederung des Versicherten in den Betrieb. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im vorliegenden Fall keine wirtschaftlich verwertbare Arbeit geleistet hätte. Entsprechend seien auch ihre, der Beklagten, Durchführungsanweisungen zum jetzigen § 119 SGB III ausgestaltet.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.12.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.

Die die Klägerin betreffende Leistungsakte der Beklagten ist beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Wie das SG zutreffend entschieden hat, ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig.

Die Voraussetzungen der von der Beklagten für sich in Anspruch genommenen Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sind nicht erfüllt. In den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Bewilligung des Alg vorgelegen haben, ist weder zum 20.09. noch zum 20./21.10.2004 eine wesentliche Änderung eingetreten.

Zwischen den Beteiligten ist unbestritten, dass Alg ursprünglich auf der Grundlage des § 125 Abs. 1 SGB III gewährt worden ist. Diese Vorschrift fingiert für die von ihr begünstigten Versicherten die Anspruchsvoraussetzung der Beschäftigungssuche (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F.), nicht jedoch der Beschäftigungslosigkeit (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F.). Insofern kann auch bei Leistungsbeziehern nach § 125 Abs. 1 SGB III die Aufnahme einer mindestens 15 Stunden dauernden Beschäftigung den Anspruch auf Alg ausschließen. Der Beginn der Wiedereingliederungsmaßnahme hat indessen die Beschäftigungslosigkeit der Klägerin (§ 118 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SGB III a.F.) und damit ihre Arbeitslosigkeit (§ 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F.) nicht beseitigt. Im Hinblick auf die Regelung des § 118 Abs. 2 SGB III a.F. ist zwar davon auszugehen, dass die Ausübung einer Beschäftigung von 15 Stunden und mehr wöchentlich den Anspruch auf Alg entfallen lässt. Das Wiedereingliederungsverhältnis, in dem die Klägerin ab dem 20.09.2004 gestanden hat, ist entgegen der Auffassung der Beklagten jedoch keine Beschäftigung im Sinne dieser Bestimmung.

Beschäftigung ist die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]). Maßgebende Kriterien sind in erster Linie eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Beide Kriterien sind bei Wiedereingliederungsmaßnahmen nicht erfüllt.

Für die Dauer der stufenweisen Wiedereingliederung nach § 28 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) besteht zwischen dem Versicherten und dem Unternehmer kein Arbeitsverhältnis, sondern ein Rechtsverhältnis eigener Art im Sinne von § 305 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (allg.M.; BAG, Urteil v. 28.07.1999, 4 AZR 192/98, BAGE 92, 140, 143 f.; vgl. auch BAG, Urteil v. 29.01.1992, 5 AZR, 37/91, BAGE 69, 272, 276 f.) Dieses ist – im Gegensatz zum Arbeitsverhältnis – nicht auf die Leistung von Arbeit im Sinne des arbeitsvertraglichen Leistungsaustauschs gerichtet. Vielmehr verschafft der Unternehmer dem Versicherten die Möglichkeit, mit Hilfe einer – unter Umständen seiner früheren Arbeit entsprechenden – Betätigung zu erproben, ob er schrittweise seine volle Arbeitsfähigkeit wieder herstellen kann. Weder ist dabei der Arbeitgeber verpflichtet, die Tätigkeit des Versicherten ganz oder teilweise als Arbeitsleistung entgegenzunehmen (mit der Folge der Verpflichtung, sie entsprechend zu entlohnen), noch muss der Arbeitnehmer eine ihm vom Arbeitgeber bestimmte Tätigkeit ausführen. Insbesondere ist daher auch das für die Eingliederung in den Betrieb wesentliche arbeitgeberseitige Direktionsrecht (§ 315 Abs. 1 BGB) hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Arbeitsleistung suspendiert.

Aus den genannten Gründen besteht für die Dauer der Wiedereingliederung auch kein Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne (wie hier: Majerski-Pahlen in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 11. Aufl. [2005], § 28 Rdnr. 6; Steinmeyer in Gagel, SGB III [Stand 2005], § 119 Rdnr. 193b). Das gilt auch dann, wenn die vom Versicherten ausgeübte Tätigkeit ihrem äußeren Ablauf nach der Arbeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses entspricht und für den Arbeitgeber wirtschaftlich verwertbar ist. Hierauf ist die Wiedereingliederung, anders als beim Beschäftigungsverhältnis, nämlich nicht ausgerichtet. Vielmehr stehen in ihrem Vordergrund therapeutische und rehabilitative Zwecke, insbesondere die Vermeidung von Erwerbsminderung und die dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben (§ 4 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 SGB IX).

Der besondere Charakter der Wiedereingliederung kommt dabei insbesondere in den auch für die Wiedereingliederung nach § 28 SGB IX geltenden Empfehlungen zur Umsetzung der stufenweisen Wiedereingliederung zum Ausdruck, die als Anlage 1 Bestandteil der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien [AU-RL] in der hier maßgebenden, ab 01.01.2004 geltenden Fassung vom 01.12.2003, BAnz. 2004 Nr. 61, S. 6501) sind (vgl. § 8 AU-RL). Nach Ziff. 1 Satz 2 Anlage 1 wird der Arbeitnehmer individuell, d.h. angepasst an seine Krankheit und die bisherige Arbeitsunfähigkeitsdauer, bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit an die Belastungen seines Arbeitsplatzes herangeführt. Die krankheitsbedingt zu vermeidenden Belastungen sind dabei vom Arzt, nicht vom Arbeitgeber, zu definieren (Ziff. 3 Satz 1 AU-RL). Über Anpassungen und gegebenenfalls den Abbruch der Wiedereingliederung entscheidet ebenfalls allein der Arzt (Ziff. 5 AU-RL).

Eine abweichende Betrachtung ist unter systematischen Gesichtspunkten auch mit Blick auf § 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III nicht geboten. Nach dieser Vorschrift sind geringfügig Beschäftigte ausnahmsweise dann nicht versicherungsfrei, wenn sie wegen stufenweiser Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach § 28 SGB IX nur geringfügig beschäftigt sind. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten, dass im Rahmen der Wiedereingliederung mehr als nur geringfügig tätige Versicherte in einem Beschäftigungsverhältnis auch im Sinne von § 118 Abs. 2 SGB III a.F. stehen.

Da sich die Geringfügigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses in erster Linie nach dem gezahlten Arbeitsentgelt beurteilt (vgl. § 8 Abs. 1 SGB IV), ist § 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III als Ausnahme von der sonst bei Geringfügigkeit bestehenden Versicherungsfreiheit (§ 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III) in erster Linie dann von Bedeutung, wenn während der Wiedereingliederung ein – die Grenze der Geringfügigkeit nicht überschreitendes – Arbeitsentgelt gezahlt wird (ebenso Brand in Niesel, SGB III, 3. Aufl. [2005], § 27 Rdnr. 17). Ausgehend hiervon hat das SG angenommen, dass ein Beschäftigungsverhältnis auch im Sinne von § 118 Abs. 2 SGB III a.F. nur dann bestehen könne, wenn – anders als im vorliegenden Fall – der Arbeitnehmer während der Eingliederung Arbeitsentgelt erhalten hat.

Nach zutreffender Ansicht kommt es auf die beitragsrechtliche Beurteilung des Wiedereingliederungsverhältnisses und damit auf die Frage der Entgeltzahlung indessen nicht an. Vielmehr stellt die stufenweise Wiedereingliederung eine derjenigen Fallgruppen dar, bei denen der leistungs- und der beitragsrechtliche Beschäftigungsbegriff jedenfalls in der Arbeitslosenversicherung nach Sinn und Zweck der Regelung auseinanderfallen können, mit der Folge, dass ein beitragsrechtliches Beschäftigungsverhältnis bestehen kann, ohne dass gleichzeitig auch ein leistungsrechtliches und damit den Anspruch auf Alg ausschließendes Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Anerkannt ist dies in der Rechtsprechung vor allem für den Fall, dass eine tatsächliche Arbeitsleistung gegen Entgelt nicht mehr erbracht wird und aus diesem Grund keine Eingliederung in den Betrieb mehr gegeben ist (vgl. BSG, Urteil v. 28.09.1993, 11 RAr 69/92, SozR 3-4100 § 101 Nr. 5; zuletzt BSG, Urteil v. 03.06.2004, B 11 AL 70/03 R, SozR 4-4300 § 123 Nr. 2). Ebenso fehlt es an einem Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne, wenn die Verrichtung der Arbeit therapeutischen Zwecken dient und einem Übungs- oder Behandlungsplan folgt, weil hier der medizinische, nicht der wirtschaftliche Erfolg im Vordergrund steht (BSG, Urteil v. 22.09.1988, 7 RAr 13/87, SozR 4100 § 101 Nr. 7). Entsprechend verhält es sich bei der stufenweisen Wiedereingliederung, die ebenfalls vornehmlich rehabilitative Zwecke verfolgt und – wie bereits im Einzelnen dargelegt – einem ärztlichen Wiedereingliederungsplan folgt.

Der Annahme, dass leistungs- und beitragsrechtliches Beschäftigungsverhältnis bei der Wiedereingliederung auseinanderfallen können, lässt sich unter historischen Gesichtspunkten die frühere Regelung des § 102 Abs. 2 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht mit Erfolg entgegenhalten. Diese im Leistungsrecht der Arbeitslosenversicherung verankerte Bestimmung sah vor, dass eine Beschäftigung nicht kurzzeitig war, soweit die wöchentliche Arbeitszeit "wegen stufenweiser Wiedereingliederung in das Erwerbsleben ... 18 Stunden wöchentlich nicht" erreichte. Bis zum 31.03.1997 beschrieb sie, wer im Sinne von § 169a Abs. 1 AFG beitragsfrei war. Aus ihrem damaligen Standort im Leistungsrecht können jedoch keine Argumente gegen die hier vertretene Rechtsauffassung hergeleitet werden. Vielmehr hat ungeachtet dieses Standorts der einzige Zweck des § 102 Abs. 2 Nr. 2 AFG darin bestanden, die in dieser Vorschrift genannten Beschäftigten in die Beitragspflicht aufzunehmen, um ihnen den Verlust ihrer Leistungsanwartschaft zu ersparen (im Einzelnen: BSG, Urteil v. 22.08.1984, 7 RAr 12/83, SozR 4100 § 102 Nr. 6; Urteil v. 23.10.1985, 7 RAr 54/84).

Die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Senates zeigt sich schließlich mit Blick auf das Gesamtgefüge der den einzugliedernden Versicherten betreffenden Vorschriften. Nach § 28 SGB IX sollen im Falle der nach ärztlicher Feststellung erforderlichen Wiedereingliederung die medizinischen und die sie ergänzenden Leistungen entsprechend der Zielsetzung der Wiederaufnahme der Tätigkeit im Erwerbsleben erbracht werden. Zu den ergänzenden Leistungen gehören dabei nach § 44 SGB IX auch Lohnersatzleistungen. Dies lässt eine doppelte Zielsetzung des Gesetzgebers erkennen: Zum einen die Wiedereingliederung mit dem wünschenswerten Ergebnis der dauerhaften Teilhabe am Arbeitsleben, zum anderen den wirtschaftlichen Schutz in der Wiedereingliederungsphase. Dem entspricht es, dass die AU-RL von der Fortzahlung von Entgeltersatzleistungen aufgrund von Arbeitsunfähigkeit ausgehen, indem sie den der Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit während der Wiedereingliederung ausdrücklich festlegen (Ziff. 1 Satz 2 Anlage 1). Soweit im Übrigen die Voraussetzungen für den Bezug von Krg erfüllt ist, wird diese Leistung daher auch während der Wiedereingliederung nach § 74 SGB V gewährt. Nichts anderes kann dann jedoch für den Fall gelten, dass der Versicherte stattdessen Alg nach Maßgabe von Vorschriften (§§ 125, 126 SGB III) erhält, die ebenfalls den wirtschaftlichen Schutz des leistungsgeminderten Versicherten bezwecken. Die hier vertretene teleologische Reduktion des Begriffs der algschädlichen Beschäftigung im Sinne von § 118 Abs. 2 SGB III a.F. ist darüber hinaus auch mit Blick auf § 2 Abs. 2 SGB I geboten. Danach ist bei der Auslegung der Vorschriften des SGB sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Mit dieser Zielsetzung stünde es jedoch nicht in Einklang, wenn die Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen, die nach dem Willen des Gesetzgebers vorrangig sind (vgl. § 8 SGB IX), zum Verlust des wirtschaftlichen Schutzes führen würde, der ohne die Rehabilitation fortbestünde.

Die Wiedereingliederung der Klägerin hat auch im Übrigen nicht zum Wegfall der Leistungsvoraussetzungen des § 125 Abs. 1 SGB III geführt. Die in dieser Vorschrift vorausgesetzte Minderung der Leistungsfähigkeit, die im Hinblick auf die bestandskräftige (§ 77 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) Bewilligung des Alg zu Beginn des Leistungsbezuges unstreitig bestanden hat, ist durch die stufenweise Wiedereingliederung nicht beseitigt worden. Vielmehr führt erst der erfolgreiche Abschluss der Wiedereingliederung mit der vollständigen Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung das Ende der Leistungsminderung herbei.

Die Beklagte hat sich von ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Alg schließlich nicht nach § 45 SGB X lösen können. Es bestehen schon keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, die Klägerin habe bei Beginn des Leistungsbezuges die Voraussetzungen des § 125 SGB III nicht erfüllt. Insbesondere hat die Beklagte nicht die ihr gegebenen Möglichkeiten genutzt, anderweitige medizinische Feststellungen treffen zu lassen. Hierauf kommt es letztlich aber auch nicht an. Da es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass die Klägerin hinsichtlich ihrer Berechtigung zum Alg-Bezug im Sinne von § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht schutzwürdig war – der behandelnde Arzt, die Arbeitgeberin, die Beklagte und zuvor die Krankenkasse gingen übereinstimmend von einer Leistungsminderung aus –, hätte die Beklagte für eine Rücknahme der Alg-Bewilligung nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X Ermessen ausüben müssen. Das ist ausweislich des angefochtenen Bescheides jedoch nicht geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.