ArbG Hagen, Urteil vom 05.09.2006 - 5 (2) Ca 2811/05
Fundstelle
openJur 2011, 45246
  • Rkr:
Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Beklagte durch die Anweisung vom 26.09.2005 rechtsunwirksam ist.

2. Es wird festgestellt, dass die Änderungskündigung der Beklagten vom 14.02.2006 rechtsunwirksam ist.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 12/25 und die Beklagte 13/25.

5. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 179.106,66 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Organisationsverfügung der Beklagten und einer von ihr nachgeschobenen hilfsweisen ordentlichen Änderungskündigung sowie über die vom Kläger verfolgten Ersatzansprüche wegen des Entzugs von zusätzlichen Verdienstmöglichkeiten als Leitender Arzt in der (Unfall-) Chirurgie.

Der am 01.02.11xx geborene, verheiratete und drei Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger wurde von der Beklagten mit dem Dienstvertrag vom 01.07.2002 (Bl. 47 – 57 bzw. 286 – 297 d. A.) mit Wirkung vom 01.10.2002 als "Leitender Arzt der Klinik für Allgemein Chirurgie, Bereich Unfall- und Orthopäd. Chirurgie des Krankenhauses" in H1xxx angestellt. Vorausgegangen war eine Stellenausschreibung der Beklagte im Deutschen Ärzteblatt vom 18.01.2002 (Bl. 184 bzw. 404 d. A.), in der sie für ihre Hauptfachabteilung "Allgemeine Chirurgie" im Kollegialsystem zwei Chefärzte suchte, wobei der eine Arzt den Bereich "Visceralchirurgie" und der andere Arzt den Bereich "Unfallchirurgie" führen soll. Im Text der Stellenanzeige heißt es dann u. a.: "Im unfallchirurgischen Bereich erwarten wir ausgedehnte Kenntnisse auf dem gesamten Gebiet der Unfallchirurgie einschließlich Endoprothetik. Die Anerkennung für die Durchführungen sogenannter § 6-Verfahren der Berufsgenossenschaft setzen wird voraus."

Während in § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Dienstvertrages (Bl. 51, 52 bzw. 291, 292 d. A.) eine Monatsvergütung in Anlehnung an die Vergütungsgruppe 1 der AVR in der jeweils geltenden Fassung vorgesehen ist, regelt § 4 das Liquidationsrecht des Klägers durch die Gestattung der gesonderten Berechnung ärztlicher Leistungen. Nach § 4 Abs. 2 des Dienstvertrages trägt der Kläger das Risiko für den Umfang der Inanspruchnahme gesondert berechenbarer ärztlicher Leistungen und für Höhe und Eingang seiner Einnahmen aus dem Liquidationsrecht, wobei ihm bei Rückgang der Liquidationseinnahmen und/oder Einschränkung oder Wegfall des Liquidationsrechts keine Ausgleichsansprüche zustehen. Für die Erlaubnis zur gesonderten Berechnung ärztlicher Leistungen hat sich der Kläger in § 5 des Dienstvertrages zur Zahlung eines Nutzungsentgelts an die Beklagte verpflichtet. In Ausführung der in § 6 des Dienstvertrages vorgesehenen Nebentätigkeitserlaubnis haben die Parteien den "Nutzungsvertrag für Tätigkeiten außerhalb der Dienstaufgaben" vom 01.07.2002 (Bl. 58 – 60 bzw. 299 – 301 d. A.) abgeschlossen. Die Regelung in § 11 des Dienstvertrages vom 01.07.2002 (Bl. 57 bzw. 297 d. A.) lautet wie folgt:

"Der Träger behält sich das Recht vor, jederzeit selbständige Fachabteilungen, auch solche der gleichen Fachrichtung, oder Institute neu einzurichten oder abzutrennen und dafür weitere Abteilungsärzte einzustellen oder Belegärzte zuzulassen sowie neue Institutsleistungen zu erbringen. Er hat weiterhin das Recht, die Bettenzahl der Abteilungen zu ändern, Behandlungseinrichtungen zu ändern, aufzulösen oder neu einzurichten. Soweit der Arzt davon betroffen wird, ist er vorher zu hören.

Bei diesen Maßnahmen ist ein Ersatzanspruch des Arztes ausgeschlossen. Die Vergütung nach § 3 Abs. 1 bleibt unverändert."

Wegen der weiteren Bestimmungen wird auf den Inhalt der zur Gerichtsakte gelangten Kopien des Dienstvertrages vom 01.07.2002 auf Bl. 47 – 57 bzw. 286 – 297 d. A. Bezug genommen.

Die "Zusatzvereinbarung 1 zum Dienstvertrag vom 01.07.2002" (Bl. 298 d. A.) sah für die Zeit von 15 Monaten ab dem 01.10.2002 befristet bis zum 31.12.2003 vor, dass dem Kläger eine Bruttogesamtsumme von 112.500,00 Euro zugesichert wird, die sich aus den Bruttoliquidationseinnahmen gemäß § 4 des Dienstvertrages (nach Ablauf der Gebührenminderung laut GOÄ) und den Bruttoliquidationseinnahmen aus dem Nutzungsvertrag zusammensetzt. Eine weitere Zusatzvereinbarung vom 01.07.2002 (Bl. 302 d. A.), die die Beklagte mit dem Arzt für Chirurgie Dr. med. B2xxxxxx M3xxx und dem Kläger getroffen hat, bestimmt, dass die bei der Beklagten "bestehende Klinik für Allgemein Chirurgie ... ab dem 01.10.2002 von ...." beiden Ärzten "gleichberechtigt im Kollegialsystem geleitet" wird.

Im Jahre 2004 erhielt der Kläger eine Vergütung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Dienstvertrages in Höhe von etwa 75.000,00 Euro brutto. Dazu kamen Bruttoeinnahmen aus dem ihm in § 4 des Dienstvertrages eingeräumten Privatliquidationsrecht in Höhe von mindestens 80.000,00 Euro und aus den berufsgenossenschaftlichen Verfahren (D-Arztverfahren) von mindestens 120.000,00 Euro.

Nach Besprechungen zwischen den Parteien im April 2005, die zum Teil unter Teilnahme von ihren Rechtsbeiständen stattfanden und auch ein Ausscheiden des Klägers zum Gegenstand hatten, was dieser aber ablehnte, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 26.09.2005 (Bl. 61 u. 62 d. A.) dem Kläger die "Aufstellung der neuen Abteilung für Unfallchirurgie" mit. Der Text auf der ersten Seite dieses Schreibens lautet wie folgt:

"der Feststellungsbescheid des Landes NRW vom 20.06.2005 ist nach Rücknahme von Widersprüchen verschiedener Nachbarkrankenhäuser nunmehr rechts- und bestandskräftig geworden. Wir verfügen jetzt über eine eigene Subdisziplin Unfallchirurgie mit 25 Betten.

Diese neue Abteilung muss sich nun schnellstmöglich am Markt etablieren und behaupten. Die zukünftigen Mindestmengen wie z. B. 50 Knie-TEPs ab 2006 müssen geleistet werden, damit die Unfallchirurgie auf Dauer gehalten werden kann.

Verwaltungsrat und Geschäftsleitung sind übereinstimmend – aufgrund der Erfahrungen der letzten drei Jahre – der Meinung, dass Sie dieser Herausforderung nicht gewachsen sein werden.

Aus diesem Grunde werden Sie zum 01.01.2006 Verstärkung durch zwei neue Kollegen erhalten, die zusammen mit Ihnen im Kollegialsystem die Abteilung leiten sollen. Die Leitung erfolgt im Kollegialsystem, wobei jedem Ltd. Arzt ein Teilgebiet mit eigener Verantwortung und eigenem Liquidationsrecht zugewiesen werden wird. Es ist vorgesehen, dass Ihnen ausschließlich die Wirbelsäulenerkrankungen obliegen sollen. Dies umfasst die degenerativen und traumabedingten Erkrankungen der Wirbelsäule, wobei sowohl die konservativen wie auch operativen Behandlungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule ausschließlich durch Sie durchgeführt werden sollen. Die anderen Tätigkeitsfelder werden auf die beiden anderen Kollegen verteilt werden, wobei der eine für die elektive Endoprothetik und der andere für die klassische Unfallchirurgie einschließlich BG-Verfahren zuständig sein wird.

Grundlagen dieser Verteilung der Aufgaben und des Liquidationsrechts sind der gültige Feststellungsbescheid des Landes sowie die Entwicklungsklausel in Ihrem Arbeitsvertrag."

Zwischenzeitlich war von der Bezirksregierung A3xxxxxx der Feststellungsbescheid vom 22.09.2005 (Bl. 117 – 121 bzw. 335 - 339 d. A.) gemäß § 8 Abs. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und § 18 Krankenhausgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (KHG NRW) erlassen worden, der rückwirkend zum 01.06.2005 bzw. 01.09.2005 u. a. eine Aufteilung der Chirurgie in die Teilgebiete "Chirurgie (Allgemein)" mit 64 Betten, "Gefäßchirurgie" mit 30 Betten und "Unfallchirurgie" mit 25 Betten vorschreibt.

Der Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 12.12.2005, mit der er seine (Weiter-) Beschäftigung zu den bisherigen Bedingungen als Leitender Arzt in der Unfallchirurgie mit dem alleinigen Privatliquidationsrecht durchsetzen wollte, wurde in dem Verfahren - 5 Ga 34/05 – mit dem rechtskräftigen Urteil vom 20.12.2005 wegen des Fehlens eines Verfügungsgrundes zurückgewiesen. Mit seiner am selben Tage vorab per Telefax bei Gericht eingegangenen Klage vom 14.12.2005 wendet sich der Kläger gegen die von der Beklagten mit dem Schreiben vom 26.09.2005 (Bl. 61 u. 62 d. A.) ab dem 01.01.2006 beabsichtigte und dann auch durchgeführte Änderung seiner Arbeitsbedingungen, und zwar zunächst in Gestalt eines Beschäftigungsbegehrens (vgl. die Seite 2 der Klageschrift vom 14.12.2005, Bl. 33 d. A.) und seit dem Schriftsatz vom 08.06.2006 (Bl. 200 – 205 d. A.) in der Form eines Feststellungsantrages.

Im Zuge der Umstrukturierung der Disziplinen in ihrem Krankenhaus widerrief die Beklagte dann gegenüber dem Landesverband R4xxxxxxx-W2xxxxxxx der gewerblichen Berufsgenossenschaften (LVBG) die dem Kläger erteilte Genehmigung zur Durchführung des Durchgangsarzt- und Verletzungsartenverfahrens, was zur Kündigung der Beteiligung des Klägers am Durchgangsarztverfahren durch das Schreiben des LVBG vom 27.01.2006 (Bl. 305 d. A.) zum 01.02.2006 führte.

Mit Schreiben vom 27.01.2006 (Bl. 329 – 331 d. A.) teilte die Beklagte der Mitarbeitervertretung ihre Absicht mit, dem Kläger zum 30.09.2006 vorsorglich eine ordentliche Änderungskündigung auszusprechen, falls die zum 01.01.2006 vorgenommenen Änderungen nicht rechtens sein sollten. Nachdem die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 02.02.2006 (Bl. 332 d. A.) Einwendungen gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 MAVO erhoben hatte, fand aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 06.02.2006 (Bl. 333 d. A.) eine gemeinsame Sitzung am 08.02.2006 statt, nach deren Durchführung die Mitarbeitervertretung den Beschluss fasste, ihre Einwendungen zurückzunehmen (vgl. die Kopie des Schreibens der Mitarbeitervertretung vom 10.02.2006 auf Bl. 334 d. A.). Daraufhin kündigte die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 14.02.2006 (Bl. 303 u. 304 d. A.) das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis vorsorglich zum 30.09.2006 und unterbreitete ihm das Angebot, dass er die Tätigkeit eines Leitenden Arztes in der Unfallchirurgie im kollegialen Systemen mit den Herren Dr. S6xxxxxxx und H5xxxxxxxx wahrnimmt und zu seinen Aufgabengebieten nur noch die konservative und operative Behandlung der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule (einschließlich degenerativer und traumabedingter Erkrankungen der Wirbelsäule), nicht aber mehr die elektive Endoprothetik, klassische Unfallchirurgie und berufsgenossenschaftlichen Verfahren gehören. Dieses Änderungsangebot nahm der Kläger mit dem Anwaltsschreiben vom 20.02.2006 (Bl. 306 u. 307 d. A.) unter dem Vorbehalt, dass die Änderungskündigung sozial nicht ungerechtfertigt ist, an. Mit seiner am 23.02.2006 bei Gericht eingegangenen und ursprünglich unter dem Aktenzeichen - 5 (3) Ca 413/06 – geführten, im Termin zur Verhandlung vor der Kammer am 05.09.2006 aber mit dem vorliegenden Rechtsstreit verbundenen Klage vom 21.02.2006 (Bl. 280 – 285 d. A.) wendet sich der Kläger gegen die Änderungskündigung vom 14.02.2006 (Bl. 303 u. 304 d. A.).

Außerdem verlangt der Kläger mit seinen Klageerweiterungen vom 21.04.2006 (Bl. 157 – 174 d. A.) und vom 08.06.2006 (Bl. 200 – 205 d. A.) Schadensersatz wegen der Nichtteilnahme am Durchgangsarzt- und Verletzungsartenverfahren für die Monate Februar bis einschließlich September 2006 in Höhe von jeweils 10.930,00 Euro pro Monat.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass der von der Beklagten einseitig mit Schreiben vom 26.09.2005 (Bl. 61 u. 62 d. A.) verfügte und ab dem 01.01.2006 auch vorgenommene Entzug der elektiven Endoprothetik und der klassischen Unfallchirurgie einschließlich BG-Verfahren rechtswidrig sei und insbesondere nicht auf die Entwicklungsklausel in § 11 des Dienstvertrages gestützt werden könne. Deren Rechtsunwirksamkeit ergebe sich im Wege der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB, da es sich bei dem Dienstvertrag um einen vorformulierten Chefarztvertrag handele, der erst nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts abgeschlossen worden sei. Wegen der Begründung der Auffassung des Klägers hinsichtlich der Unwirksamkeit der Entwicklungsklausel wird auf die Ausführungen in seiner Klageschrift vom 14.12.2005 auf den Seiten 8 – 13 (Bl. 39 – 44 d. A.) sowie in seinem Schriftsatz vom 21.04.2006 auf den Seiten 3 und 4 (Bl. 159 u. 160 d. A.) verwiesen. Außerdem verstoße die durchgeführte Maßnahme gegen das in § 106 S. 1 GewO bei der Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts zu berücksichtigende Gebot des billigen Ermessens. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Beklagte keine Interessenabwägung vorgenommen habe, die die beiderseitigen Interessen hinreichend berücksichtigen würde. Das belege insbesondere der gänzliche Widerruf der Genehmigung zur Durchführung der berufsgenossenschaftlichen Verfahren, wofür überhaupt kein Sachgrund bestehe und von der Beklagten bezeichnenderweise auch nicht genannt worden sei. Auch das von der Beklagten bemühte Argument der "Sicherung der wirtschaftlichen Basis des Krankenhauses" überzeuge nicht. Die Behauptung der Beklagten, die Abteilung Unfallchirurgie werde ihr wieder entzogen, wenn die von dem gemeinsamen Bundesausschuss festgelegten Mindestmengen von Knie-Totalendoprothesen nicht erbracht würden, entbehre jeglicher Grundlage. Die Ausweisung von Abteilungen im Krankenhausplan sei nicht an der Erbringung bestimmter Mindestfallzahlen und schon gar nicht an das Erreichen von 50 Knie-Totalendoprothesen im Jahr gebunden. Zum einen handele es sich bei Knie-Totalendoprothesen in erster Linie um orthopädische, nicht um unfallchirurgische Eingriffe, zum anderen würde selbst bei Erreichen der Mindestmenge die Knieendoprothetik weniger als 5 % des gesamten operativen Aufkommens der Abteilung Unfallchirurgie ausmachen. Das Nichterreichen der Mindestmenge Knie-Totalendoprothesen berühre die Existenz der Abteilung Unfallchirurgie also in keiner Weise. Falls hier ein Zusammenhang bestehen würde, hätte die Bezirksregierung erst gar keine Ausweisung der Unfallchirurgie vorgenommen. Im übrigen seien ihm in der Vergangenheit gar keine Vorgaben für das Erreichen von Mindestzahlen gemacht und diesbezüglich auch keine Zielvereinbarungen getroffen worden. Die Ausführungen der Beklagten zum Aufbau neuer Leistungsbereiche im Sinne von § 137 Abs. 1 S. 5 SGB V würde ebenfalls nicht den Entzug seiner bisherigen Tätigkeitsbereiche rechtfertigen, da ausweislich des Schreibens der Arbeitgemeinschaft der Verbände der Krankenkassen in Westfalen-Lippe vom 20.02.2006 (Bl. 225 d. A.) nicht die Einstellung weiterer Leitender Ärzte neben ihm, sondern allein die Ausweisung der Unfallchirurgie als bettenführende Abteilung für die Erfüllung des Ausnahmetatbestands ausschlaggebend gewesen sei. Davon abgesehen habe die Beklagte mit ihrer einseitigen Organisationsmaßnahme gegen die in § 11 S. 3 des Dienstvertrages vorgeschriebene Anhörungspflicht verstoßen. Er sei nämlich mit dem Schreiben vom 26.09.2005 (Bl. 61 u. 62 d. A.) vor vollendete Tatsachen gestellt worden, ohne dass die Beklagte ihm die Gelegenheit gegeben habe, sich vor der Entscheidung über die Maßnahme zu äußern. Das führe in Analogie zu § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG bzw. § 30 MAVO zur Unwirksamkeit der einseitigen Organisationsmaßnahme der Beklagten.

Nichts anders gelte für die von der Beklagten vorsorglich nachgeschobene Änderungskündigung vom 14.02.2006 (Bl. 303 u. 304 d. A.). Das ergebe sich bereits aus der nicht ordnungsgemäßen Anhörung der Mitarbeitervertretung, wobei hierzu auf die Ausführungen im Schriftsatz des Klägers vom 01.06.2006 auf den Seiten 2 – 4 (Bl. 386 – 388 d. A.) verwiesen wird. Zudem sei die Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt, weil die Beklagte kein dringendes betriebliches Erfordernis für die angestrebte Vertragsänderung vorgetragen habe. Dies betreffe jedenfalls den Entzug der klassischen Unfallchirurgie und der BG-Verfahren einschließlich Liquidationsrecht. Denn das Nichterreichen der Mindestmenge von Knie-Totalendoprothesen könne aus Sicht der Beklagten allenfalls Grund gewesen sein, die Endoprothetik Herrn Dr. S6xxxxxxx zu übertragen. Der darüber hinausgehende Entzug entferne sich jedoch weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses als zur Anpassung an die geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten erforderlich sei. Die Beklagte habe sich nicht darauf beschränkt, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die er ggf. billigerweise hätte hinnehmen müssen. Zwar werde durch das geänderte Aufgabenspektrum seine Grundvergütung nicht berührt. Allerdings habe er ab dem 01.01.2006 rund 190.000,00 Euro an Einnahmen aus seinen bisherigen Privatliquidationen einschließlich der BG-Verfahren pro Jahr verloren. Damit liege ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor.

Weil die einseitige Organisationsmaßnahme der Beklagten unwirksam sei, habe er auch Anspruch auf Schadensersatz wegen seiner Nichtteilnahme am Durchgangsarzt- und Verletzungsartenverfahren ab Februar 2006. Der verlangte Monatsbetrag in Höhe von 10.930,00 Euro ergebe sich daraus, dass er in den Monaten Oktober bis Dezember 2002 sowie in den Jahren 2003, 2004 und 2005 BG-Einnahmen in Höhe von insgesamt 713.445,01 Euro erzielt habe. Nach Abzug der Abgabe an die Beklagte von 40 % wären ihm 426.267,08 Euro verblieben, was verteilt auf 39 Monate einen durchschnittlichen monatlichen Liquidationsausfall in der geltend gemachten Höhe bedeuten würde. Daran ändere auch die Übergangsregelung der Beklagten vom 10.02.2006 (Bl. 308 d. A.) nichts, nach der er seine ehemaligen Privatpatienten auf deren ausdrücklichen Wunsch bis auf Weiteres weiterbehandeln dürfe. Weil sich dieses nämlich nicht auch auf zukünftige Privatpatienten beziehe und ein Großteil seiner Verluste aus dem Wegfall der BG-Verfahren resultiere, werde dadurch sein erheblicher Einnahmeverlust kaum aufgefangen. Auch aus der Behandlung von Wirbelsäulenpatienten habe er im ersten Quartal 2006 nur Einnahmen in Höhe von 108,80 Euro erzielt.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Beklagte durch die Anweisung vom 26.09.2005 rechtsunwirksam ist.

Jeweils hilfsweise für den Fall, dass er mit dem Antrag zu Ziffer 1. obsiegt, beantragt der Kläger zudem

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 32.790,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (25.04.2006) zu zahlen;

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen weiteren Betrag in Höhe von 10.930,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (14.06.2006) zu zahlen;

die Beklagte zu verteilen, für die Monate Juni, Juli, August und September 2006 an ihn jeweils einen Betrag in Höhe von 10.930,00 Euro pro Monat spätestens bis zum 3. Werktag des jeweiligen Folgemonats zu zahlen;

festzustellen, dass die Änderungskündigung der Beklagten vom 14.02.2006 unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat Bedenken an der Zulässigkeit des ersten Feststellungsantrages und beruft sich darauf, dass sie zur einseitigen Vornahme der organisatorischen Veränderungen aufgrund des Feststellungsbescheides der Bezirksregierung A3xxxxxx vom 22.09.2005 (Bl. 117 – 121 bzw. 335 – 339 d. A.) in Verbindung mit der Entwicklungsklausel in § 11 des Dienstvertrages berechtigt gewesen sei. Selbst wenn Entwicklungsklauseln in Chefarztverträgen für die Zeit ab 01.01.2003 an den Maßstäben der §§ 307 ff. BGB gemessen werden müssten, wäre es unbillig, sie mit einer Klausel in einem normalen Arbeitsvertrag mit einem untergeordneten Arbeitnehmer zu vergleichen, der keiner Leitungsposition inne habe. Falls sich die Entwicklungsklausel als unwirksam erweisen würde, sei aber nicht ihr ersatzloser Wegfall gemäß § 306 Abs. 2 BGB anzunehmen, sondern zu fragen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre. Auch hier sei es naheliegend, dass sie bei Kenntnis der Rechtsänderung eine der neuen Rechtslage angepasste Vertragsgestaltung gewählt hätte. Denn ihr Interesse, ein wirtschaftlich leistungsfähiges Krankenhaus zu erhalten und wirtschaftliche Schwachstellen möglichst zu beseitigen und als leistungsfähiger spezialisierter Träger medizinischer Dienstleistungen aufzutreten und in diesem Zusammenhang den behördlichen Feststellungsbescheiden Folge zu leisten, sei ein so überragendes und nachvollziehbares Interesse, dass dafür auch eine angemessene Vertragsgestaltung zur Verfügung stehen müsse. Es könne keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, dass der Kläger eine Vertragsgestaltung hätte akzeptieren müssen und auch akzeptiert hätte, unter die die jetzt eingetretene Situation zu subsumieren sei. Aus dem Feststellungsbescheid der Bezirksregierung A3xxxxxx vom 22.09.2005 (Bl. 117 – 121 bzw. 335 – 339 d. A.) ergebe sich die Aufteilung des bisherigen Bereiches "Chirurgie" in zwei selbständige Abteilungen Chirurgie (Allgemein -/ Visceralchirurgie) und Unfallchirurgie. An diesen Bescheid sei sie gebunden und könne nicht von ihm abweichen. Dadurch habe sich die Rechtslage gravierend geändert, weil damit die Abteilung Unfallchirurgie als selbständige Abteilung zu ihrem Versorgungsauftrag gemacht worden sei. Es treffe zwar zu, dass der Feststellungsbescheid nicht die Leitung der Unfallchirurgie durch drei Chefärzte festgelegt habe. Es sei aber ihre Sache, der neuen Abteilung zu wirtschaftlichem Erfolg zu verhelfen, da diese Subdisziplin für sie wirtschaftlich lebenswichtige Bedeutung habe. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass die Mindestfallzahlen durch den gemeinsamen Bundesausschuss ab dem 01.06.2006 im Rahmen der Qualitätssicherung verbindlich festgelegt worden seien. Falls diese Fallzahlen nicht eingehalten würden, so dürften die Krankenkassen mit ihr insoweit keine Entgeltvereinbarung mehr treffen, so dass sie diese Leistungen nicht mehr abrechnen könne. Das gelte selbst dann, wenn diese Leistungen durch sie zuvor erbracht worden seien. Die Mindestmenge von 50 Knie-Totalendoprothesen habe der Kläger aber bei Weitem nicht erreicht, sondern in 2004 überhaupt keine und im Jahre 2005 ganze

2 Knie-Totalendoprothesen. Damit sei die Unfallchirurgie bei ihr akut wirtschaftlich gefährdet gewesen, wenn sich dieses nicht schlagartig und spätestens in 2006 geändert hätte, da sie als Krankenhausträger auf Gedeih und Verderb von der Krankenhausfinanzierung abhängig sei. Die Gesamtfallzahlen der stationären Patienten der Unfallchirurgie hätten sich in 2003 auf 1.203, in 2004 auf 1.215 und im Jahre 2005 auf 1.210 belaufen, während ein rentables Arbeiten in diesem Bereich aber erst mit etwa 1.800 Fällen möglich sei. Demgegenüber habe es in den ersten zwei Monaten der Tätigkeit des Chefarztes Dr. S6xxxxxxx allein 235 stationäre Fälle gegeben, was auf das Jahr hochgerechnet 1.410 Fälle seien und damit eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr von immerhin 16 % bedeuten würde. Es komme hinzu, dass beim Kläger ein überdurchschnittlich hohe Anzahl von Fällen mit Komplikationen zu verzeichnen seien, wobei im Laufe der Jahre ein eindeutiger Negativtrend festgestellt werden müsse. Der Kläger habe es in den drei Jahren seiner Tätigkeit auch nicht geschafft, einen hinreichenden Kontakt zur örtlichen Ärzteschaft herzustellen, um eine Zusammenarbeit der niedergelassenen Kollegen mit ihrem K2xxxxxxxxx zu erreichen. Damit habe der Kläger schlicht versagt und es versäumt, eine wirtschaftlich leistungsfähige Abteilung einzurichten. Dagegen könne von einer völlig unzureichenden Unterstützung des Klägers keine Rede sein. Im übrigen habe die vom Kläger angegriffene Maßnahme auch den Zweck, gravierende Fehlentwicklungen zurückzuschrauben, die alleine in seinem Verantwortungsbereich liegen würden. Wegen der in diesem Zusammenhang von der Beklagten gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe wird auf die Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 31.03.2006 auf den Seiten 14 – 17 (Bl. 113 - 116 d. A.) verwiesen. Ansonsten habe sie auch die Interessen des Klägers dadurch angemessen gewürdigt, dass von ihr keine sofortige Beendigungskündigung ausgesprochen worden sei, die an sich geboten gewesen wäre. Stattdessen sei der Kläger weiterhin an ihrem Krankenhaus beschäftigt als Leitender Arzt mit eigener Verantwortung und eigenem Liquidationsrecht für die Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen. Da die Unwirksamkeit ihrer Organisationsmaßnahme auch nicht auf die angeblich fehlende Anhörung des Klägers gestützt werden könne, sei sie jedenfalls bei zusammenfassender Würdigung des Anstellungsverhältnisses aufgrund objektiver Tatsachen berechtigt gewesen, anzunehmen, dass der Kläger auch weiterhin versagen und seinen Leitungsaufgaben nicht gerecht werden würde.

Zumindest die vorsorglich erklärte ordentliche Änderungskündigung vom 27.01.2006 (Bl. 303 u. 304 d. A.) zum 30.09.2006 führe aber zu der von ihr angestrebten Änderung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Die vorherige Anhörung der Mitarbeitervertretung sei ordnungsgemäß erfolgt, wobei hierzu auf die Darlegungen in den Schriftsätzen der Beklagten vom 28.04.2006 auf den Seiten 2 und 3 (Bl. 317 u. 318 d. A.) sowie vom 03.07.2006 auf den Seiten 2 und 3 (Bl. 431 u. 432 d. A.) verwiesen wird. Die Rechtfertigung für die Änderungskündigung ergebe sich aus dem mit dem Feststellungsbescheid der Bezirksregierung A3xxxxxx vom 22.09.2005 (Bl. 117 – 121 bzw. 335 – 339 d. A.) zusammenhängenden dringenden betrieblichen Erfordernissen sowie aus den bereits angesprochenen gravierenden Fehlentwicklungen, die allein im Verantwortungsbereich des Klägers liegen würden. Bei der Person eines Chefarztes seien andere Maßstäbe anzulegen, als bei einem am Ende der Hierarchie eingegliederten Mitarbeiter mit geringerer Qualifikation und weniger Einflussmöglichkeit auf den wirtschaftlichen Erfolg. Der Chefarzt einer Abteilung in einem Krankenhaus habe nämlich die entscheidende Verantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg und damit die Sicherung der Arbeitsplätze des Krankenhauses. Mit der Änderungskündigung sei auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt worden, da der Kläger in seinem jetzigen Tätigkeitsbereich angemessen honoriert werde. Die

AVR-Grundvergütung sei nicht geändert worden und aus der Behandlung von Patienten mit Wirbelsäulenerkrankungen könne der Kläger weiterhin erhebliche Liquidationseinnahmen erzielen. Dagegen seien die BG-Verfahren keine Dienstaufgaben, sondern Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit, die auch gegenüber dem Krankenhaus nicht geschuldet würden.

Wegen der Nichtteilnahme des Klägers am Durchgangsarzt- und Verletzungsartenverfahren habe der Kläger schließlich keine Ersatzansprüche. Der Kläger könne einen Schaden nur dann darlegen, wenn er insgesamt seine Einnahmenveränderung gegenüber dem Vorjahr im einzelnen darlegen und beweisen würde, zumal er in seinem jetzigen Aufgabengebiet erheblich mehr Zeit für die Erzielung von Privatliquidationen habe. Dagegen sei die Hochrechnung von Liquidationsausfällen für BG-Verfahren anhand der Anlage K 18 (Bl. 192 d. A.) nicht zulässig, weil die Darstellung eines einzelnen wirtschaftlichen Bestandteils seiner Position nicht zu sachgerechten Ergebnissen führe.

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Gründe

Von den in zulässiger Weise zur Entscheidung gestellten Anträgen sind nur die beiden Feststellungsanträge begründet.

I.

Während bei den in Form eines uneigentlichen Hilfsantrages (vgl. dazu: Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, Arbeitsgerichtsgesetz, Kommentar, 5. Aufl. 2004, § 46, Rdnr. 89 m. w. N.) gestellten Zahlungsanträgen von vornherein keine Zulässigkeitsbedenken bestehen, sind auch die beiden Feststellungsanträge des Klägers statthaft.

1.

Zu Recht hat der Kläger sein Klagebegehren im Hinblick auf die Organisationsanweisung der Beklagten mit dem Schreiben vom 26.09.2005 (Bl. 61 u. 62 d. A.) zuletzt im Sinne eines Feststellungsantrages gefasst, da sich die Modalitäten der Ausübung des arbeitsvertraglichen Weisungsrechts unter Berücksichtigung der jeweils individuellen Umstände nicht so konkret formulieren lassen, dass ein vollstreckbarer Leistungstitel geschaffen werden kann.

Gerade wenn der Arbeitnehmer geltend machen will, dass die Zuweisung einer anderen bestimmten Tätigkeit nicht vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist, so kann er dies nicht dadurch erreichen, dass er die Verurteilung des Arbeitgebers zu einer Beschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz begehrt. Denn ein bestimmter Beschäftigungsanspruch steht dem Arbeitnehmer mangels Konkretisierung der Arbeitspflicht nicht zu. Vielmehr kann er dieses Ziel nur erreichen, indem er sich gegen die Änderung der bisherigen Arbeitsbedingungen mit einer Feststellungsklage wehrt (so LAG Hamm, Urt. v. 08.03.2005 – 19 Sa 2128/04 -, NZA-RR 2005, 462, 463 unter II. 3. d. Gründe m. w. N.). Gegenstand eines zulässigen Feststellungsbegehrens können nämlich auch einzelne Rechte und Pflichten aus einem Rechtsverhältnis und damit ebenso der Inhalt des arbeitsvertraglichen Weisungsrechts sein (LAG Hamm, Urt. v. 18.02.2002 – 8 Sa 620/01 -, NZA 2002, 793, 794 unter I. 1. b) der Gründe m. w. N.). Die in Chefarztverträgen üblichen Entwicklungs- und Anpassungsklauseln betreffen das arbeitgerberseitige Weisungsrecht (vgl. LAG Hamm, Urt. v. 13.11.2003 – 16 Sa 1570/03 -, juris, unter 2. b) der Gründe, Rdnr. 35).

Vorliegend steht die Entwicklungsklausel in § 11 des Arbeitsvertrages vom 11.07.2002 (Bl. 57 bzw. 297 d. A.) sowie die darauf gestützte Einschränkung des Leitungs- und Verantwortungsbereichs des Klägers durch das Schreiben des Klägers vom 26.09.2005 (Bl. 61 u. 62 d. A.) im Streit. Dabei geht es nicht nur um eine abstrakte Rechtsfrage. Vielmehr hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, ob ihm früher übertragende Aufgabenbereiche als Leitender Arzt mit eigenem Liquidationsrecht weiterhin zustehen oder wirksam entzogen worden sind. Dabei geht es letztlich um den Umfang bestimmter arbeitsrechtlicher Befugnisse des Arbeitnehmers, was Gegenstand eines zulässigen Feststellungsbegehrens sein kann (vgl. BAG, Urt. v. 24.01.1990 – 5 AZR 103/89 –, juris, unter I. der Gründe, Rdnr. 26 m. w. N.).

Demgegenüber greifen die von der Beklagten im Schriftsatz vom 03.07.2006 auf Seite 2 (Bl. 213 d. A.) geäußerten Bedenken nicht durch.

Soweit der Kläger im Feststellungsantrag in seinem Schriftsatz vom 08.06.2006 auf Seite 2 (Bl. 201 d. A.) die Übertragung von Aufgaben auf zwei weitere Leitende Ärzte einbezogen hatte, ist dieses in dem zur Entscheidung gestellten Antrag nicht mehr enthalten.

Auch das Argument der Beklagten, dass eine zeitlich uneingeschränkte Feststellung verlangt werde, überzeugt nicht. Dazu sind bereits im Schriftsatz des Klägers vom 24.07.2006 auf den Seiten 3 und 4 (Bl. 237 u. 238 d. A.) zutreffende Ausführungen gemacht worden, auf die zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen Bezug genommen wird.

2.

Ebenfalls in zulässiger Weise wendet sich der Kläger gegen die vorsorgliche Änderungskündigung der Beklagten vom 14.02.2006 (Bl. 303 u. 304 d. A.).

Der Arbeitnehmer hat eine vorsorgliche Änderungskündigung, die keine bedingte Kündigung darstellt, innerhalb der Klagefrist des Kündigungsschutzgesetzes anzugreifen. Da er sich aber vorab gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund des ausgeübten Direktionsrechtes zu wenden hat, worauf sich der Arbeitgeber vornehmlich stützt, ist es für ihn sachdienlich, den gegen die Änderungskündigung gerichteten Feststellungsantrag als sog. uneigentlichen Hilfsantrag zu stellen, über den nur entschieden werden soll, wenn der Klage gegen die Ausübung des Direktionsrechts stattgegeben wird ( LAG Berlin, Urt. v. 15.09.1998 – 3 Sa 65/89 -, juris, in den Gründen unter Rdnr. 25).

Dies ist vom Kläger mit seiner Antragsstellung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 05.09.2006 (vgl. das Sitzungsprotokoll auf Seite 2, Bl. 457 d. A.) berücksichtigt worden.

II.

Begründet sind jedoch nur die beiden Feststellungsanträge des Klägers, während seine Zahlungsanträge keinen Erfolg haben.

1.

Zunächst einmal hat der Kläger Anspruch auf die Feststellung, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Anweisung der Beklagten vom 26.09.2005 (Bl. 61 u. 62 d. A.) rechtsunwirksam ist.

Es kann dahinstehen, ob die anderen vom Kläger vorgebrachten Gesichtspunkte, insbesondere der nach seiner Auffassung vorliegende Verstoß gegen die in § 11 Satz 3 des Dienstvertrages vom 01.07.2002 (Bl. 57 bzw. 297 d. A.) geregelte Anhörungspflicht, bereits die Unwirksamkeit der Organisationsverfügung der Beklagten begründen können.

Jedenfalls ergibt sich dieses daraus, dass die von der Beklagten für ihre Anweisung vom 26.09.2005 (Bl. 61 u. 62 d. A.) als Rechtsgrundlage herangezogene Entwicklungsklausel in

§ 11 Sätze 1 und 2 des Dienstvertrages vom 01.07.2002 (Bl. 57 bzw. 297 d. A.) einer Überprüfung nach den Maßstäben der §§ 305 ff. BGB nicht standhält.

a)

Der Dienstvertrag der Parteien vom 01.07.2002 (Bl. 47 – 57 bzw. 286 – 297 d. A.) unterliegt der gesetzlichen AGB-Kontrolle. Sein Inhalt und insbesondere die Entwicklungsklausel in § 11 stellen vorformulierte Vertragsbedingungen dar, welche die Beklagte dem Kläger bei Abschluss des Dienstvertrages stellte (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB). Nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 21.04.2006 auf den Seiten 3 und 4 (Bl. 159 u. 160 d. A.) handelt es sich um einen von der Beklagten vorformulierten Chefarztvertrag, der aus der von der Deutschen Krankenhausgesellschaft verfassten "Beratungs- und Formulierungshilfe Chefarzt-Vertrag" stammt. Bereits in der Klageschrift vom 14.12.2005 auf Seite 8 (Bl. 39 d. A.) war vom Kläger zudem dargelegt worden, dass dieser Arbeitsvertrag bei der Beklagten standardmäßig Verwendung findet und insbesondere die Entwicklungsklausel nicht "ausgehandelt" wurde. Auch dieses ist von der Beklagten nicht bestritten worden.

Seit In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 01.01.2002 erstreckt sich die AGB-Kontrolle (§§ 305 ff. BGB) aber auch auf Formulararbeitsverträge (§ 310 Abs. 4 S. 2 BGB), so dass Entwicklungsklauseln in Chefarztverträgen ebenfalls der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegen (vgl. Hümmerich/Bergwitz, BB 2005, 997,

998 unter III. 2. a) m. w. N.).

b)

Die Entwicklungsklausel in § 11 des Dienstvertrages vom 01.07.2002 (Bl. 57 bzw. 297 d. A.) verstößt gegen § 308 Nr. 4 BGB sowie § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und ist deshalb unwirksam.

(1)

Die Regelung des § 308 Nr. 4 BGB unterwirft bereits die Vereinbarung eines Änderungs- und damit auch Widerrufsvorbehalts der Zumutbarkeitskontrolle, wobei der Kläger in seiner Klageschrift vom 14.12.2005 auf Seite 8 (Bl. 39 d. A.) zutreffend ausgeführt hat, dass die Entwicklungsklausel als Widerrufsvorbehalt zu qualifizieren ist.

Gemäß § 308 Nr. 4 BGB sind in allgemeinen Geschäftsbedingungen sog. Änderungsvorbehalte, d. h. die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist.

Diese Regelung gilt für Verträge jeder Art, also auch für Dauerschuldverhältnisse (LAG Hamm, Urt. v. 11.05.2004 – 19 Sa 2132/03 -, NZR-RR 2004, 515, 518 unter II. 2. e) cc) der Gründe m. w. N.) und damit Chefarztverträge. Obwohl mit der "versprochenen Leistung" nur die vom Verwender geschuldete Leistung gemeint ist, kann nicht eingewandt werden, dass es bei der Entwicklungsklausel um die Änderung der Tätigkeit des Arztes und daher lediglich um die Änderung der Leistungspflichten des Vertragspartners gehe; denn "versprochene Leistung" des Arbeitgebers ist auch die Beschäftigung des Arbeitnehmers zu den vereinbarten Bedingungen, da jeder Arbeitnehmer den Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung hat, um seine Fähigkeiten zu erhalten und auszubauen und die in der Arbeit liegende Chance zur Entfaltung seiner Persönlichkeit zu nutzen (vgl. Hümmerich/Bergwitz, BB 2005, 997, 999 unter III. 2. b) aa) (1) m. w. N.).

(2)

Die Wirksamkeit eines Widerrufsvorbehalts richtet sich nach § 308 Nr. 4 BGB als der gegenüber § 307 BGB spezielleren Norm. Da § 308 Nr. 4 BGB den § 307 BGB konkretisiert, sind freilich auch die Wertungen des § 307 BGB heranzuziehen. Außerdem sind nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen (so BAG, Urt. v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04 -, AP Nr. 1 zu § 308 BGB = NZA 2005, 465,

467 unter B. I. 4. b) der Gründe m. w. N.).

Im Rahmen des § 308 Nr. 4 BGB muss der Widerrufsvorbehalt der Zumutbarkeitskontrolle genügen, wobei dieser anhand einer generalisierendtypischen Betrachtungsweise durchzuführen ist. Im Ergebnis darf der Widerrufsvorbehalt nicht zu Äquivalenzstörungen des Arbeitsverhältnisses führen und keine Beeinträchtigung des Kernbereichs des Arbeitsverhältnisses eintreten (vgl. Kort, NZA 2005, 509, 510 f. unter VII. 3. m. w. N.).

Außerdem muss der Widerrufsvorbehalt dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB genügen, welches fordert, dass zumindest klar ist, auf welche (übertarifliche) Leistung der Widerruf sich bezieht und unter welchen Voraussetzungen er ausgeübt werden kann; das setzt die Angabe eines Widerrufsgrundes voraus (BAG, Urt. v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04 -, AP Nr. 1 zu § 308 BGB = NZA 2005, 465, 468 unter I. 5. b) der Gründe). Die Klausel muss also möglichst konkret die Voraussetzungen festlegen, unter denen ein einseitiges Bestimmungsrecht entsteht und unter denen es auszuüben ist (so Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 6. Aufl. 2006, §§ 305 – 310 BGB, Rdnr. 59 m. w. N.). Deshalb müssen solche Klauseln so formuliert sein, dass der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss erkennen kann, welche Leistungen von der jeweiligen Klausel erfasst sind und welchen Voraussetzungen der Widerruf ausgeübt werden können soll. Bei den Voraussetzungen der Änderung, also den Widerrufsgründen, lässt sich zumindest die Richtung angeben, aus der der Widerruf möglich sein soll (wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers). Welches die Gründe sind, ist keineswegs selbstverständlich und für den Arbeitnehmer durchaus von Bedeutung. Der Grad der Störung – wie die wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, das negative wirtschaftliche Ergebnis der Betriebsabteilung, ein nicht ausreichender Gewinn, der Rückgang bzw. das Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung, unterdurchschnittliche Leistungen oder schwerwiegende Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers – muss konkretisiert werden, wenn der Arbeitgeber hierauf abstellen will und nicht schon allgemein auf die wirtschaftliche Entwicklung, die Leistungen oder das Verhalten des Arbeitnehmers gestützte Gründe nach dem Umfang des Änderungsvorbehalts ausreichen oder nach der Vertragsregelung auch ausreichen sollen (BAG, Urt. v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04 -, AP Nr. 1 zu § 308 BGB = NZR 2005, 465, 468 unter I. 5. b) der Gründe).

(3)

Davon ausgehend erweist sich die Entwicklungsklausel in § 11 des Dienstvertrages vom 01.07.2002 (Bl. 57 bzw. 297 d. A.) schon wegen fehlender Transparenz nach § 308 Nr. 4 i. V. m. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB als unzumutbar und unwirksam.

Die Entwicklungsklausel enthält keinerlei Widerrufsgründe. Besondere Voraussetzungen oder Gründe für die Ausübung des erweiterten Direktionsrechts werden darin nicht genannt. Vielmehr soll die Beklagte das Recht haben, "jederzeit" selbständige Fachabteilungen oder Institute neu einzurichten oder abzutrennen und dafür weitere Abteilungsärzte einzustellen oder Belegärzte zuzulassen sowie neue Institutsleistungen zu erbringen und ferner die Bettenzahl der Abteilungen zu ändern, Behandlungseinrichtungen zu ändern, aufzulösen oder neu einzurichten. Dieser Änderungsvorbehalt ist nicht zumutbar, da er nicht klar und verständlich im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist. Denn das Transparenzgebot wird auch verletzt, wenn nur eine beispielhafte Aufzählung der den Krankenhausträger gestatteten organisatorischen Maßnahmen erfolgt und der Chefarzt daher nicht vorhersehen kann, mit welchen Maßnahmen er im Einzelfall rechnen muss (so Hümmerich/Bergwitz, BB 2005, 997, 1001 unter III. 2. b) aa) (4) am Ende m. w. N.).

Im übrigen steht kein Argument bereit, das zwingend erklärt, warum ein Änderungsvorbehalt bei Chefärzten eher zumutbar sein soll als bei anderen Arbeitnehmern; ein Chefarzt hat ein mindestens ebenso hohes Interesse daran, dass Leistungsänderungen zum Gegenstand von Verhandlungen gemacht und nicht einseitig in einer Weise durchgesetzt werden, die er bei Vertragsschluss nicht vorhersehen kann (Hümmerich/Bergwitz, BB 2005, 997, 1002

unter III. 2. b) aa) (5) m. w. N.).

(4)

Erweist sich damit die Entwicklungsklausel bereits nach der Angemessenheits-/ Inhaltskontrolle als unwirksam, kommt es auf die Prüfung der konkreten Ausübung des Widerrufsrechts und damit auf die von der Beklagten dazu vorgetragenen Gründen nicht mehr an.

Das gilt auch insoweit, wie sich die Beklagte auf gravierende Fehlentwicklungen berufen hat, die alleine im Verantwortungsbereich des Klägers liegen sollen. Abgesehen davon, dass die Entwicklungsklausel keine auf die Leistungen oder das Verhalten des Arbeitnehmers gestützte Widerrufsgründe enthält, stellt ein einseitiges Änderungsrecht, mit dem der Arbeitgeber den Organisationsplan des Unternehmens in bezug auf die bisherige Position des Arbeitnehmers aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers verschlechtern kann, eine unzulässige Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes dar (so LAG Hamm, Urt. v. 21.01.1993 – 17 Sa 961/92 -, NZA 1993, 704 im Leitsatz 2.).

(5)

Der Verstoß der Entwicklungsklausel gegen § 308 Nr. 4 BGB und § 307 Abs. 1 S. 2 BGB hat ihre Unwirksamkeit zur Folge, während der Dienstvertrag im übrigen wirksam bleibt (§ 306 Abs. 1 BGB).

Demgegenüber greifen die Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 31.03.2006 auf den Seiten 8 – 10 (Bl. 107 – 109 d. A.) zur Anwendung des AGB-Rechts auf "Altverträge" nicht, da der vorliegende Dienstvertrag erst im Jahre 2002 und damit nach In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts abgeschlossen wurde. Nur bei vor dem 01.01.2002 abgeschlossenen "Altverträgen" kommt die vom 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 12.01.2005 – 5 AZR 364/04 – vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung zur Schließung der entstandenen Lücke grundsätzlich in Betracht (vgl. dazu auch: LAG Niedersachsen, Urt. v. 17.01.2006 – 13 Sa 1176/05 -, NZA-RR 2006, 289 f.).

Ansonsten ist eine ergänzende Vertragsauslegung nach § 133 und § 157 BGB als Anwendung des dispositiven Rechts nach § 306 Abs. 2 BGB nur im Ausnahmefall möglich, wobei die Anforderungen allerdings hoch sind (so Preis/Lindemann, NZA 2006, 632, 638 unter III. 2. d). Eine ergänzende Vertragsauslegung erfordert, dass für eine Vertragsergänzung geeignete Vorschriften fehlen und die ersatzlose Streichung der Klausel keine interessengerechte Lösung darstellt (LAG Hamm, Urt. v. 11.05.2004 – 19 Sa 2132/03 -, NZA-RR 2004, 515, 519 f. unter II. 5. der Gründe m. w. N.).

Hier fehlt es bereits daran, dass für eine Vertragsergänzung geeignete Vorschriften fehlen. Die Beklagte hat auch grundsätzlich die Möglichkeit, wenn auch unter den erschwerten Bedingungen der Darlegung eines betriebsbedingten oder verhaltensbedingten Grundes, im Wege der Änderungskündigung ihre angestrebte Organisationsmaßnahme im Bereich der Unfallchirurgie durchzusetzen. Insoweit führt die ersatzlose Streichung der Entwicklungsklausel nicht dazu, dass die Beklagte auf Dauer den bisherigen Aufgabenbereich des Klägers überhaupt nicht ändern kann.

2.

Ebenfalls begründet ist der gegen die vorsorglich für den Fall der nicht wirksamen Organisationsverfügung vom 26.09.2005 ausgesprochene Änderungskündigung der Beklagten vom 14.02.2006 (Bl. 303 u. 304 d. A.) gerichtete Feststellungsantrag des Klägers.

Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte zuvor die bei ihr bestehende Mitarbeitervertretung ordnungsgemäß beteiligt hat.

Jedenfalls erweist sich die Änderungskündigung der Beklagten vom 14.02.2006 (Bl. 303 u. 304 d. A.) deshalb als unwirksam, weil sie sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 4 S. 2 KSchG ist.

a)

Nach der ständigen Rechtsprechung des zuständigen 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts ist bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung zunächst das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsgebot bedingen und ob der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Grund zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (vgl. BAG, Urt. v. 23.11.2000 - 2 AZR 547/99 -, NZA 2002, 492 unter II. 1. der Gründe m. w. N.). Eine solche Prüfung in zwei Stufen ist auch dann vorzunehmen, wenn der Arbeitgeber für die Vertragsänderung Gründe im Verhalten oder in der Person des Arbeitnehmers angibt (Becker/Schaffner, ZTR 1998, 193, 196 unter V. 1. m. w. N.).

Diese Überlegungen kommen insbesondere zum Zuge, wenn der Arbeitgeber – wie hier – in einer Reihe von Punkten den bisherigen Vertrag abändern möchte und ein dementsprechendes vielgestaltiges Änderungsangebot macht, weil die Notwendigkeit der Abänderung sich dann auf die Gesamtheit der vorgeschlagenen Änderungen erstrecken muss (so bereits BAG, Urt. v. 07.06.1973 – 2 AZR 450/72 -, AP Nr. 1 zu § 626 BGB Änderungskündigung unter II. 3. b) der Gründe auf Blatt 609 R). Denn der Arbeitnehmer muss im Rahmen einer Änderungskündigung nur solche Änderungen billigerweise hinnehmen, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (BAG, Urt. v. 03.07.2003 – 2 AZR 617/02 -, AP Nr. 73 zu § 2 KSchG 1969 = DB 2004, 655 unter II. 3. a) der Gründe m. w. N.).

Bei Änderungskündigungen die mehrere Änderungen anstreben, ist immer schon dann von der fehlenden sozialen Rechtfertigung insgesamt auszugehen, wenn diese Bewertung auf eine diese Änderungen zutrifft, weil das Änderungsangebot auch nicht erforderliche Bestandteile enthält (vgl. LAG Nürnberg, Urt. v. 26.07.2005 – 6 Sa 26/05 -, LAGE § 2 KSchG Nr. 52 unter II. 2. der Gründe m. w. N.). Denn die Änderungskündigung kann nicht teilweise wirksam und teilweise unwirksam sein (LAG Köln, Urt. v. 21.06.2002 – 11 Sa 1418/01 -, NZA-RR 2003, 247 unter I. der Gründe m. w. N.).

b)

Davon ausgehend erweist sich die Änderungskündigung der Beklagten vom 14.02.2006 (Bl. 303 u. 304 d. A.) bereits deshalb als unwirksam, weil jedenfalls für den Entzug der bisherigen Aufgabenbereiche des Klägers der klassischen Unfallchirurgie und insbesondere der BG-Verfahren von einer sozialen Rechtfertigung nicht ausgegangen werden kann.

(1)

Der Kläger wurde nach der Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrages vom 01.07.2002 (Bl. 287 d. A.) mit Wirkung vom 01.10.2002 als "Leitender Arzt der Klinik für Allgemein Chirurgie, Bereich Unfall- und Orthopäd. Chirurgie des Krankenhauses angestellt". Vom Beginn seiner Tätigkeit an leitete er den Bereich Unfallchirurgie, auch wenn dieser Bereich bis zum Bescheid der Bezirksregierung A3xxxxxx vom 22.09.2005 (Bl. 117 - 121 bzw. 335 – 339 d. A.) nicht als eigenständige Abteilung im Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen ausgewiesen war. Auch die Stellenausschreibung der Beklagten im Deutschen Ärzteblatt vom 18.01.2002 (Bl. 184 bzw. 404 d. A.) zeigt, dass die Beklagte eine Subdisziplin Unfallchirurgie von vornherein betrieben hat, die der Kläger im Innenverhältnis allein leiten sollte und bis zum Vollzug der streitgegenständlichen Organisationsänderung am 01.01.2006 auch geleitet hat. Aus der Stellenbeschreibung ergibt sich gleichzeitig, dass zum Gebiet der Unfallchirurgie ebenfalls die Endoprothetik sowie das § 6-Verfahren der Berufsgenossenschaft, also das BG-Verfahren, gehören. Denn mit ihrer Stellenanzeige suchte die Beklagte für den unfallchirurgischen Bereich ausdrücklich einen Chefarzt, der nicht nur diesen Bereich führen soll, sondern auch die "Anerkennung für die Durchführungen sog. § 6-Verfahren der Berufsgenossenschaft" hat. Bei einer solchen dem Arbeitgeber zuzurechnenden Vertragsanbahnung darf ein Arbeitnehmer aber davon ausgehen, auch zu den in der Stellenanzeige angegebenen Bedingungen eingestellt und eingesetzt zu werden, ohne dass dies noch einmal ausdrücklich schriftlich im Arbeitsvertrag bestätigt wurde (vgl. Hessisches LAG, Urt. v. 05.12.2002 – 5 SaGa 1623/02 -, juris, unter 1. der Gründe, Rdnr. 21).

(2)

Mit der Änderungskündigung vom 14.02.2006 (Bl. 303 u. 304 d. A.) hat die Beklagte dem Kläger seine bisherigen Aufgabenbereiche elektive Endoprothetik, klassische Unfallchirurgie und berufsgenossenschaftliche Verfahren entzogen. Allerdings ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten nicht, welche Gründe den Entzug der klassischen Unfallchirurgie und berufsgenossenschaftlichen Verfahren rechtfertigen sollen, worauf bereits der Kläger in seinem Schriftsatz vom 01.06.2006 auf den Seite 12 – 15 (Bl. 396 – 399 d. A.) hingewiesen hat.

Soweit sich die Beklagte auf das Nichterreichen der Mindestmenge von Knie-Totalendoprothesen durch den Kläger beruft, kann dieses allenfalls Grund dafür gewesen sein, die Endoprothetik dem Kläger zu entziehen und Herrn Dr. S6xxxxxxx zu übertragen. Die Notwendigkeit zum Entzug auch der klassischen Unfallchirurgie und der BG-Verfahren ergibt sich daraus nicht zugleich. Daran ändern auch die Ausführungen der Beklagten zum Aufbau neuer Leistungsbereiche im Sinne von § 137 Abs. 1 S. 5 SGB V nichts. Denn ausweislich des Schreibens der Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Krankenkassen in Westfalen-Lippe vom 20.02.2006 (Bl. 225 d. A.) ist nicht die Einstellung weiterer Leitender Ärzte neben dem Kläger, sondern allein die Ausweisung der Unfallchirurgie als bettenführende Abteilung für die Erfüllung des Ausnahmetatbestands ausschlaggebend.

Der Feststellungsbescheid der Bezirksregierung A3xxxxxx vom 22.09.2005 (Bl. 117 – 121 bzw. 335 – 339 d. A.) schreibt ebenfalls nicht vor, dass die Unfallchirurgie im Umfang von 25 Betten von drei Chefärzten geleitet werden soll und der Aufgabenbereich des Klägers auf die Behandlung der Wirbelsäulenerkrankungen zu beschränken ist.

Jedenfalls aber für den Entzug der klassischen Unfallchirurgie und der BG-Verfahren hat die Beklagte nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb dieses zur "Sicherung der wirtschaftlichen Basis des Krankenhauses" erforderlich sein soll. Auch Gründe im Verhalten des Klägers, die diese Maßnahmen rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich, zumal bei Ausspruch einer Änderungskündigung im Falle von Störungen im sog. Leistungsbereich in der Regel zuvor eine vorherige vergebliche Abmahnung des Arbeitgebers erforderlich ist (LAG Hamm, Urt. v. 10.05.1983 – 11 Sa 1462/82 -, ZIP 1983, 985 f.). Die Beklagte hat sich aber weder auf eine in diesem Zusammenhang einschlägige Abmahnung berufen noch vortragen, weshalb eine vorherige Abmahnung des Klägers entbehrlich gewesen sein soll. Eine ohne vorherige Abmahnung erfolgte und auf verhaltensbedingte Gründe gestützte Änderungskündigung entbehrt jedoch der sozialen Rechtfertigung (vgl. BAG, Urt. v. 21.11.1985 – 2 AZR 21/85 -, AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 unter III. 2. b) der Gründe auf Bl. 557).

(3)

Nach alledem hat sich die Beklagte mit den in ihrer Änderungskündigung vom 14.02.2006 (Bl. 303 u. 304 d. A.) angebotenen Änderungen nicht auf solche beschränkt, die nach ihrem eigenen Vorbringen erforderlich sind. Damit liegt ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor, der zur Sozialwidrigkeit der Änderungskündigung führt.

3.

Dagegen haben die Zahlungsanträge des Klägers keinen Erfolg.

Obwohl die einseitig von der Beklagten durchgeführte Organisationsmaßnahme nach den oben genannten Ausführungen unter II. 1. der Entscheidungsgründe unwirksam ist, steht dem Kläger ein Ersatzanspruch wegen seiner Nichtteilnahme am Durchgangsarzt- und Verletzungsartenverfahren für die streitgegenständlichen Monate von Februar bis einschließlich September 2006 in Höhe von jeweils 10.930,00 Euro nicht zu.

a)

Es spricht bereits einiges dafür, dass die von der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 03.07.2006 auf den Seiten 2 und 3 (Bl. 213 u. 214 d. A.) geäußerten Bedenken an der Schadensberechnung des Klägers durchgreifen.

Auch die erkennende Kammer ist der Auffassung, dass der Kläger darlegen müsste, wie sich insgesamt seine wirtschaftliche Situation durch die angegriffene Anordnung der Beklagten vom 26.09.2005 (Bl. 61 u. 62 d. A.) geändert hat, während die Hochrechnung allein der Liquidationsausfälle für die BG-Verfahren für die Darstellung der Veränderung seiner Einnahmen nicht ausreichend ist. Wenn er jedoch eine wesentliche Einkommensminderung nicht substantiiert dargelegt hat, muss ein Chefarzt den Widerruf des Liquidationsrechts ohne Entschädigung hinnehmen (vgl. BAG, Urt. v. 30.05.1980 – 7 AZR 215/78 -, AP Nr. 8 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag unter I. 2. b) dd) der Gründe auf Bl. 476 und 476 R).

b)

Jedenfalls ist aber nicht ersichtlich, dass der Kläger für die streitgegenständlichen Monate von Februar bis einschließlich September 2006 Anspruch auf Einnahmen aus den BG-Verfahren in Höhe von jeweils 10.930,00 Euro hat, deren Ausfall durch den Entzug dieser zusätzlichen Verdienstmöglichkeit er als Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB verlangen könnte.

(1)

Aus dem Formular-Dienstvertrag der Parteien vom 01.07.2002 (Bl. 47 – 57 bzw. 286 – 297 d. A.) selbst ist eine Mindesthöhe an Liquidationseinnahmen des Klägers nicht herzuleiten. Während in § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Dienstvertrages (Bl. 51, 52 bzw. 291, 292 d. A.) eine Monatsvergütung in Anlehnung an die Vergütungsgruppe 1 der AVR in der jeweils geltenden Fassung vorgesehen ist, regelt § 4 nur dem Grunde nach das Liquidationsrecht des Klägers durch die Gestattung der gesonderten Berechnung ärztlicher Leistungen. Die Vertragsbestimmungen geben aber keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien dauerhaft von einer bestimmten Höhe der durch Privatliquidationen zu erreichenden Einkünfte des Klägers ausgegangen sind, auch nicht, soweit es das Verhältnis zwischen Liquidationserlösen und Grundgehalt angeht.

Eine Ausnahme davon besteht nur für die ersten 15 Monate des Arbeitsverhältnisses, weil die "Zusatzvereinbarung 1 zum Dienstvertrag vom 01.07.2002" (Bl. 298 d. A.) für die Zeit ab dem 01.10.2002 befristet bis zum 31.12.2003 vorsah, dass dem Kläger eine Bruttogesamtsumme von 112.500,00 Euro zugesichert wird, die sich aus den Bruttoliquidationseinnahmen gemäß § 4 des Dienstvertrages und den Bruttoliquidationseinnahmen aus dem Nutzungsvertrag zusammensetzt. Für die Zeit danach und damit auch für die streitgegenständlichen 8 Monate ab Februar 2006 gibt es eine solche Garantiezusage dagegen nicht. Vielmehr trägt der Kläger nach § 4 Abs. 2 des Dienstvertrages (Bl. 53 bzw. 293 d. A.) das Risiko für den Umfang der Inanspruchnahme gesondert berechenbarer ärztlicher Leistungen und für Höhe und Eingang seiner Einnahmen aus dem Liquidationsrecht, wobei ihm bei Rückgang der Liquidationseinnahmen und/oder Einschränkung oder Wegfall des Liquidationsrechts ausdrücklich keine Ausgleichsansprüche zustehen.

(2)

Auch im übrigen ist nicht ersichtlich, dass zur Geschäftsgrundlage des Dienstvertrages der Parteien entweder die Vorstellung einer bestimmten Einkommenshöhe im Bereich der Liquidationsregelung auf Dauer oder die Vorstellung gehörte, die bei Vertragsabschluss bestehenden Abteilungen würden unverändert bestehen bleiben. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die Parteien von gleichbleibenden Einnahmen aus den BG-Verfahren ausgegangen wären. Es gibt nur ein Liquidationsrecht bei bestimmten fachärztlichen Leistungen, ohne auf Anzahl und Größe der Abteilungen des Krankenhauses Bezug zu nehmen oder die BG-Einnahmen im Dienstvertrag überhaupt zu erwähnen. Ebensowenig ist aus dem Vertrag aber auch zu erkennen, die Abteilungen würden ohne jede organisatorische oder durch andere Umstände bedingte Veränderung bestehen bleiben.

(3)

Dieses Ergebnis im vorliegenden Fall steht im Einklang mit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, in der es für statthaft angesehen wurde, dass eine Leitende Anästhesistin, die durch die Schließung und Verkleinerung von Krankenhausabteilungen entstehende Verringerung ihrer Privatliquidationseinnahmen auf weniger als die Hälfte hinnehmen müsse, ohne dafür eine Entschädigung zu erhalten (BAG, Urt. v. 15.01.1992 – 5 AZR 50/91 -, ArztR 1993, 148 – 150).

III.

1.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG,

§ 495 Abs. 1 ZPO.

Die Kosten des Rechtsstreits waren wie tenoriert verhältnismäßig zu teilen, weil jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Bezogen auf den Gesamtstreitwert unterliegt der Kläger allerdings lediglich zu 12/25.

2.

Die im Urteil gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG zu treffende Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes ist nach § 42 Abs. 4 S. 1 GKG, § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i. V. m. den §§ 3 ff. ZPO vorgenommen worden.

Die Höhe des festgesetzten Streitwertes ergibt sich für den gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen durch das Schreiben der Beklagten vom 26.09.2005 (Bl. 61 u. 62 d. A.) gerichteten Feststellungsantrag aus dem Betrag von zwei Bruttomonatsverdiensten des Klägers in Höhe von 45.833,33 Euro – ausgehend von den in der Klageschrift vom 14.12.2005 auf Seite 3 (Bl. 34 d. A.) angegebenen Bruttoeinnahmen des Klägers im Jahre 2004 in Höhe von insgesamt 275.000,00 Euro. Dabei hat sich die erkennende Kammer an anderen Entscheidungen orientiert, die eine gegen Maßnahmen des Direktionsrechts gerichtete Klage mit einer Monatsvergütung (Sächsisches LAG, Urt. v. 31.03.1999 – 2 Sa 1384/97 -, DB 1999, 1508) und eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Entziehung von Leitungsfunktionen sogar mit 2,5 Monatsgehältern (LAG Hamm, Beschl. v. 24.07.1986 – 8 Ta 174/86 -, DB 1986, 1932) bewertet haben.

Dazu kamen nach dem Additionsgebot des § 5 Halbs. 1 ZPO für den gegen die Änderungskündigung der Beklagten vom 14.02.2006 (Bl. 303 u. 304 d. A.) gerichteten Feststellungsantrag weitere 45.833,33 Euro. Denn im Änderungsschutzverfahren nach Annahme des Änderungsangebots mit dem Vorbehalt gemäß § 2 KSchG ist der Gegenstandswert in der Regel auf zwei Monatsvergütungen festzusetzen, womit dem allgemein anerkannten Grundsatz, dass die Festsetzung des Streitwertes möglichst einfach und vorausberechenbar sein soll, Rechnung getragen wird (so LAG Berlin, Beschl. v. 29.05.1998 – 7 Ta 129/97 -, NZA-RR 1999, 45, 46 m. w. N.).

Schließlich sind die Zahlungsanträge des Klägers mit der Summe der Hauptforderungen für die insgesamt 8 Monate, also mit insgesamt 87.440,00 Euro bewertet worden.

Seidel