LG Düsseldorf, Urteil vom 06.04.2006 - 4a O 1/06
Fundstelle
openJur 2011, 45054
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. I-2 U 51/06
Tenor

I.

Die Beklagten werden im Hinblick auf das europäische Patent X verurteilt, in die Vernichtung der 107 Stück MP3-Player auf Kosten der Beklagten einzuwilligen, hinsichtlich derer am 23. November 2005 vom Hauptzollamt Frankfurt am Main Flughafen zum Aktenzeichen X die Aussetzung der Überlassung bzw. Zurückhaltung der Waren angeordnet wurde.

II.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden dem Beklagten zu 1) zu 1/3 und der Beklagten zu 2) zu 2/3 auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen diese jeweils selbst.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 400,-- Euro und die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 800,-- Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Den Parteien wird nachgelassen, Sicherheit auch durch die unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse zu erbringen.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents X (Klagepatent) auf Einwilligung in die Vernichtung von MP3-Playern in Anspruch, hinsichtlich derer die Aussetzung zur Überlassung bzw. die Zurückhaltung durch das Hauptzollamt Frankfurt am Main Flughafen angeordnet wurde.

Das Klagepatent wurde am 29.5.1990 angemeldet und seine Erteilung am 30.11.1994 veröffentlicht. Eingetragene Inhaberinnen sind seit dem 21.5.2001 X. Das Klagepatent befindet sich in Kraft. Verfahrenssprache ist Englisch.

Anspruch 1 des Klagepatents hat in der veröffentlichten deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut:

Digitales Übertragungssystem mit einem Sender (1) und einem Empfänger (5) zum Aussenden eines digitalen Breitbandsignals mit einer bestimmten Abtastfrequenz Fs, beispielsweise eines digitalen Audiosignals über ein Übertragungsmittel (4) und zum Empfangen dieses Signals, wobei der Sender (1) mit einer Eingangsklemme (2) zum Empfangen des digitalen Breitbandsignals versehen ist, und die Eingangsklemme mit einem Eingang einer zum Sender (1) gehörenden Signalquelle (3, 9, 6) gekoppelt ist, die zum Erzeugen eines zweiten Digitalsignals und zum Zuführen dieses zweiten Digitalsignals zu einem Ausgang (7) eingerichtet ist, das aus aufeinanderfolgenden Rahmen aufgebaut ist, wobei jeder Rahmen aus einer Anzahl von Informationspaketen (IP) aufgebaut ist, jedes Informationspaket N Bits enthält, wobei N größer als 1 ist, der Empfänger (5) mit einem Decoder mit einem Eingang (10) zum Empfangen des zweiten Digitalsignals versehen ist, der Decoder mit einem Ausgang versehen ist, der mit einer Ausgangsklemme (8) zum Abgeben des digitalen Breitbandsignals gekoppelt ist, dadurch gekennzeichnet, dass, wenn P in der Gleichung

eine ganze Zahl ist, wobei BR gleich der Bitgeschwindigkeit des zweiten Digitalsignals, und ns die Anzahl der Abtastungen des digitalen Breitbandsignals ist, dessen entsprechende zum zweiten Digitalsignal gehörende Information sich in einem Rahmen des zweiten Digitalsignals befindet, die Anzahl B der Informationspakete (IP) in einem Rahmen gleich P ist, und dass, wenn P keine ganze Zahl ist, die Anzahl der Informationspakte (IP) in einer Anzahl der Rahmen gleich P1 wobei P1 die erste P folgende niedriger liegende Ganzzahl ist, und die Anzahl der Informationspakete in den anderen Rahmen gleich P’ + 1 ist, so dass genau die Bedingung erfüllt wird, dass die mittlere Rahmengeschwindigkeit des zweiten Digitalsignals im wesentlichen gleich Fs/ns, dass ein Rahmen aus wenigstens einem ersten Rahmenteil (FD 1) mit Synchronisationsinformation aufgebaut ist.

Die Beklagte zu 2) ist einer der großen deutschen Express-Dienstleister. Sie ist eine Tochter der X mit Hauptsitz in X Die Beklagte zu 2) ist wie die anderen Länderorganisationen der X eine rechtlich selbständige Gesellschaft, die für ihre jeweiligen Auftraggeber einen Expressversand durchführt.

Mit Bescheid vom 23.11.2005 verfügte das Hauptzollamt Frankfurt am Main Flughafen unter dem Aktenzeichen X die Aussetzung der Überlassung bzw. Zurückhaltung gemäß Art. 9 VO (EG) Nr. 1383/2003 von insgesamt 107 Stück MP3-Playern bzw. MP3/4 Playern (nachfolgend: MP3-Player). Deklarierter Empfänger der Ware war der Beklagte zu 1). Deklarierter Absender war eine Person namens X. Eine Proforma-Rechnung betreffend die Sendung lautete auf X. Die Sendung war Gegenstand einer Sammelladung, die von der X versandt worden war.

Die Klägerin trägt vor, dass die Merkmale des Patentanspruchs 1 durch den MPEG-Audio-Standard wortsinngemäß vorgegeben seien und deshalb auch durch die beschlagnahmten MP3-Player verwirklicht würden. Die Beklagte zu 2) sei überdies Besitzerin der streitgegenständlichen MP3-Player gewesen. Sie habe den Besitz nicht durch die Beschlagnahme des Zolls verloren. Die öffentlichrechtliche Beschlagnahme überlagere lediglich den zivilrechtlichen Besitz. Darüber hinaus habe die Beschlagnahme den Charakter einer vorübergehenden Maßnahme, wodurch der Besitz nicht beendet werde.

Sie beantragt,

wie zuerkannt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Beklagte zu 1) die Klage in der Sache anerkannt. Die Parteien streiten weiterhin über die Kostenlast. Die Kammer hat im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) das schriftliche Verfahren angeordnet.

Der Beklagte zu 1) meint, dass er keine Veranlassung zur Klage gegeben habe, weil seine Zustimmung zur Vernichtung bereits aus Rechtsgründen entbehrlich gewesen sei und er im Übrigen auf die Abmahnung der Klägerin erklärt habe, dass er keine Einwände gegen die Vernichtung habe.

Die Beklagte zu 2) beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin mit Nichtwissen und trägt vor, dass sie zu keinem Zeitpunkt Besitzerin der streitgegenständlichen Gegenstände gewesen sei. Bei ihr habe es sich vielmehr um die Besitzdienerin der X gehandelt. Als Unterspediteurin und Erfüllungsgehilfin der X habe sie den Weisungen selbiger zu folgen gehabt. Im Übrigen sei jedenfalls nach der Beschlagnahme das Hauptzollamt Frankfurt unmittelbare Besitzerin geworden. Zudem bestreitet die Beklagte zu 2) mit Nichtwissen, dass sich das Klagepatent in Kraft befindet und dass die beschlagnahmten MP3-Player den Gegenstand von Patentanspruch 1 des Klagepatents verwirklichen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

I.

Hinsichtlich des Beklagten zu 1) ist die Klage in der Sache ohne weiteres zuzusprechen, nachdem dieser in der mündlichen Verhandlung ein Anerkenntnis abgegeben hat, § 307 ZPO.

II.

Die Klage ist aber auch gegenüber der Beklagten zu 2) in vollem Umfang begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 2) ein Anspruch auf Vernichtung der 105 MP3 bzw. MP3/4 Player zu, die Gegenstand des Bescheids des Hauptzollamtes Frankfurt am Main Flughafen über die Aussetzung der Überlassung/Zurückhaltung von Waren gem. Art. 9 Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22.7.2003 (Abl. EG Nr. L 196) sind, Art. 64 Europäisches Patentübereinkommen i.V.m. § 140a Patentgesetz.

1.) Das Klagepatent steht in Kraft. Die Klägerin hat dies durch Vorlage eines Registerauszuges vom 21.9.2005 nachgewiesen. Das Bestreiten der Beklagten zu 2) mit Nichtwissen geht danach ins Leere, weil sie nicht darlegt, aus welchen Gründen der Registerauszug fehlerhaft sein soll.

2.) Die Klägerin ist als ausschließliche Lizenznehmerin an dem Klagepatent aktivlegitimiert. Die eingetragene Inhaberinnen des Klagepatents haben der Klägerin ausweislich der als Anlage K 5 vorgelegten Lizenzerteilungerklärung ("Agreement and Acknowledgement") vom 15./23./.29. April und 6./11./13./25. und 26. Mai 2004 eine ausschließliche Lizenz u.a. an dem Gegenstand des Klagepatents gewährt. Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 14.3.2006 eine entsprechende Übersetzung der englischsprachigen Lizenzerteilungserklärung in das Deutsche vorgelegt hat, ist die Beklagte zu 2) diesem Vorbringen nicht mehr entgegengetreten, so dass es als zugestanden gelten kann, § 138 Abs. 3 ZPO.

3.) Als ausschließlicher Lizenznehmerin steht der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) der geltend gemachte Anspruch auf Einwilligung in die Vernichtung zu. Nach § 140a PatG kann der Verletzte in den Fällen des § 139 PatG verlangen, dass ein im Besitz der Verletzers befindliche Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, vernichtet wird.

a) Bei den beschlagnahmten MP3-Playern handelt es sich um Erzeugnisse, welche die in Anspruch 1 des Klagepatents unter Schutz gestellte Lehre wortsinngemäß verwirklichen.

Die Klägerin hat in ihrer Klageschrift detailliert ausgeführt, dass die Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents durch den MPEG-Audio-Standard vorgegeben sind. Alle Merkmale des Klagepatents müssen notwendigerweise durch die streitgegenständlichen Wiedergabegeräte mit MP3-Funktion verwirklicht werden, damit auf diesen Playern Datenträger mit MP3-Dateien abgespielt und in Musik zurückverwandelt werden können. Soweit die Beklagte zu 2) dieses Vorbringen mit Nichtwissen bestreitet, ist ihr Bestreiten unbehelflich. Nach allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts, die der rechtskundig vertretenen Beklagten zu 2) bekannt sind, hätte es ihr obgelegen, im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen die in sich schlüssigen Darlegungen der Klägerin zur wortsinngemäßen Verwirklichung des Anspruchs 1 des Klagepatents unzutreffend sind. Eine entsprechende Prüfung wäre ihr, jedenfalls wenn sie sich fachkundiger Hilfe bedient hätte, jederzeit möglich gewesen. Die Beklagte zu 2) kann sich auch nicht darauf zurückziehen, sie habe keinen Zugriff auf die beschlagnahmten Player gehabt. Denn die Beklagte zu 2) hätte nach Art. 9 Abs. 3 Unterabs. 2 Verordnung (EG) 1383/2003 beim Hauptzollamt Frankfurt am Main Flughafen als zuständigem Zollamt die Inspektion der beschlagnahmten MP3-Player beantragen können. Sie hatte demnach alle Möglichkeiten, sich hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin zur wortsinngemäßen Verwirklichung des in Patentanspruch 1 des Klagepatents unter Schutz gestellten Gegenstandes durch die beschlagnahmten Player wissend zu machen. Ihr Bestreiten mit Nichtwissen stellt sich danach als nicht hinreichend qualifiziert und damit unbeachtlich dar.

b) Die Beklagte zu 2) ist als Störer und damit Patentverletzer passivlegitimiert. Zwar besteht für Spediteure oder Frachtführer keine generelle Prüfpflicht in Bezug auf etwaige Schutzrechtsverletzungen hinsichtlich der von ihnen beförderten Waren. Es gehört nicht zu ihren Aufgaben, jede von ihnen transportierte Sendung ohne weitere Anhaltspunkte auf die Möglichkeit einer - unter Umständen nur sehr schwer feststellbaren - Verletzung eines gewerblichen Schutzrechtes, insbesondere eines Patentes zu untersuchen. Eine derartige Pflicht wäre unzumutbar (BGH, GRUR 1957, 352 - Pertusin II). Anderes gilt jedoch dann, wenn der Spediteur oder Frachtführer auf eine konkrete Schutzrechtsverletzung hingewiesen wird und hierdurch die Möglichkeit der Kenntnisnahme erhält. Bei einer im Raum stehenden konkreten Schutzrechtsverletzung trifft ihn, wenn er sich gegen den Vorwurf der Patentverletzung zur Wehr setzen will, grundsätzlich die Pflicht, die konkret beanstandete Lieferung einer Prüfung zu unterziehen. Liegt objektiv eine Patentverletzung vor, ist der Spediteur oder Frachtführer verpflichtet, in die Vernichtung des patentverletzenden Erzeugnisses (ohne Verpflichtung zur Tragung der Kosten der Vernichtung) einzuwilligen, damit der gesetzeswidrige Zustand beendet werden kann. Gibt er keine solche Erklärung ab, wird er zum Störer und muss, wenn er die Einwilligung erst abgibt, nachdem er zum Störer geworden ist, auch die Kosten der Vernichtung tragen, § 140a PatG. Nur dadurch kann effektiv verhindert werden, dass der Spediteur oder Frachtführer das patentverletzende Erzeugnis weiter transportiert und es infolgedessen zu einer Fortdauer des gesetzeswidrigen Zustandes der Patentverletzung kommt. Denn erhebt der Patentinhaber oder sonst Berechtigte nicht innerhalb einer Frist von 10 Arbeitstagen, die gegebenenfalls um höchstens weitere 10 Arbeitstage hätte verlängert werden können, Klage auf Einwilligung in die Vernichtung wegen Patentverletzung, muss die Zollbehörde die Überlassung der patentverletzenden Waren an den Frachtführer als vorherigen unmittelbaren Besitzer bewilligen bzw. die Zurückhaltung dieser Waren aufheben, wenn nicht der Frachtführer innerhalb dieser Frist seine Zustimmung zur Vernichtung erklärt hat, Art. 13 VO (EG) 1383/2003.

Obwohl die Beklagte zu 2) mit Zustellung des Zollbescheids vom 23.11.2005 (Anlage K 7) bzw. der entsprechenden Abmahnung der Klägerin, mit der sie zur Zustimmung zur Vernichtung der beschlagnahmten Waren aufgefordert wurde, spätestens jedoch aufgrund der Klageerhebung konkret von der Möglichkeit einer Verletzung des europäischen Klagepatents durch Lieferung der 107 MP3-Player Kenntnis erhalten hat, hat sie in die Vernichtung des patentverletzenden Erzeugnisses nicht eingewilligt.

c) Die Beklagte zu 2) kann sich auch nicht mit Erfolg darauf zurückziehen, dass sie als bloße Besitzdienerin der X vor der Beschlagnahme keinen unmittelbaren Besitz an den patentverletzenden 107 MP3-Playern gehabt habe.

Besitzer einer Sache ist derjenige, der die tatsächliche Gewalt über die Sache erworben hat, § 854 Abs. 1 BGB. Vom Besitzer ist der Besitzdiener zu unterscheiden, der die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis ausübt, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat, § 855 BGB.

Danach ist die Beklagte zu 2) vor der Aussetzung der Überlassung bzw. Zurückhaltung der patentverletzenden MP3-Player durch das Hauptzollamt Frankfurt am Main, Flughafen, Besitzerin und nicht Besitzdienerin gewesen. Ausweislich des Bescheids des Hauptzollamtes vom 23.11.2005 befanden sich die MP3-Player bei Anordnung der Aussetzung der Überlassung bzw. Zurückhaltung in der tatsächlichen Gewalt der Beklagten zu 2). Das ist von der Beklagten zu 2) auch nicht bestritten worden und steht damit fest. Die Beklagte zu 2) meint jedoch lediglich Besitzdienerin der X gewesen zu sein. Darin kann ihr nicht zugestimmt werden.

Das entscheidende Kriterium zur Unterscheidung eines Besitzers von einem Besitzdiener ist die Weisungsabhängigkeit des Besitzdieners gegenüber dem Besitzer. Der Besitzdiener ist gleichsam das Werkzeug des Besitzers, kraft dessen dieser die tatsächliche Gewalt über die Sache als Besitzherr ausübt. In der Regel ist der Besitzdiener in eine Organisation im Sinne eines Herrschaftsbereichs wie einem Haushalt oder einem Betrieb eingegliedert. Dann erstreckt sich das Besitzdienerverhältnis grundsätzlich auf alle zu der Organisation in Beziehung stehenden Sachen, wie zum Beispiel das Kfz des Arbeitgebers, mit dem die Haushälterin ihn in der Klinik besucht (vgl. nur Palandt, 63. Aufl., § 855 BGB, Rdn. 2, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Nach diesen Grundsätzen ist etwa auch der Fahrer eines LKW, dessen sich der Frachtführer für die Durchführung eines Speditionsauftrages bedient, als Besitzdiener des Frachtführers anzusehen. Denn der Frachtführer kann dem Fahrer nicht nur vorgeben, von welchem Ort zu welchem Ort er die Sache transportieren soll, sondern beispielsweise auch, welchen Weg er nehmen, zu welcher Zeit er fahren und wie er die Sache auf dem LKW unter Berücksichtigung der Sicherheitsvorschriften befestigen soll. Demgegenüber verliert derjenige, der ursprünglich im unmittelbaren Besitz der Sache gewesen ist, seinen unmittelbaren Besitz, wenn er auf der Grundlage eines Transportauftrags die Sache dem Frachtführer - wie etwa der Beklagten zu 2) - übergibt, damit dieser die Sache zu einer dritten Person verbringt. Der Auftraggeber gibt dem Frachtführer damit zwar das Ziel des Transportes vor, ansonsten aber liegt es in der Organisationshoheit des Frachtführers, wie er den Transport ausführt und dabei seine tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt. Nicht anders liegt der Fall, wenn ein Transport - wie in dem hier zu entscheidenden Fall - grenzüberschreitend zwischen zwei rechtlich selbständigen Frachtführern wie der X und der Beklagten zu 2) (X) als einem großem deutschen Express-Dienstleister durchgeführt wird. Sobald die zu transportierende Sache in die tatsächliche Gewalt der Beklagten zu 2) in Deutschland gelangt, befindet sich die Sache allein noch in deren Organisationshoheit. Durch den in China erteilten Transportauftrag ist der Beklagten zu 2) zwar im Rahmen des Auftrags der X der Empfänger der Sache und gegebenenfalls auch ein Zeitpunkt vorgegeben, an dem die Ware spätestens den Empfänger erreichen soll. Ansonsten liegt die Durchführung des Transportes in Deutschland zum Empfänger jedoch in der Verfügungsgewalt der Beklagten zu 2). Diese entscheidet eigenverantwortlich mit welchem Transport, auf welchem Weg, zu welchem Zeitpunkt die Ware von Frankfurt weiter an den Beklagten zu 1) geliefert wird. Jedenfalls hat die Beklagte zu 2), die, weil es sich um ihren Einflussbereich handelt, insoweit darlegungs- und beweisbelastet ist, nicht im Einzelnen dargelegt, dass ihr von der X auch die konkrete Organisation und Durchführung des Transports der patentverletzenden MP3-Player vom Flughafen in Frankfurt am Main zum Beklagten zu 1) in Aachen als Empfänger der Ware vorgegeben worden ist und sie insoweit keine eigenverantwortlichen Entscheidungen treffen konnte, obwohl sie in der mündlichen Verhandlung vom Gericht darauf hingewiesen wurde, dass Zweifel daran bestehen, dass sie bei der Beschlagnahme lediglich Besitzdienerin und nicht selbstverantwortliche Besitzerin gewesen ist.

Nach alledem hat die Beklagte zu 2) vor Anordnung der Aussetzung der

Überlassung bzw. Zurückhaltung am 23.11.2005 nicht nur die tatsächliche Gewalt über die MP3-Player gehabt, sondern ist auch als deren Besitzerin anzusehen.

d) Mit dieser Anordnung hat die Beklagte zu 2) sodann zwar ihren unmittelbaren Besitz verloren, ihr ist jedoch zugleich durch die beschlagnahmende Behörde (Hauptzollamt Frankfurt am Main, Flughafen) vermittelter mittelbarer Besitz zugewachsen (vgl. zu den Besitzverhältnissen nach einer behördlichen Beschlagnahme schon RG Warn 25 Nr. 25 und Palandt, 63. Aufl., § 868 BGB, Rdn. 9 "Beschlagnahme").

Für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Vernichtung ist mittelbarer Besitz des Patentverletzers hinreichend (Busse, 6. Aufl., § 140a PatG, Rdn. 15).

4.) Auf Verschulden kommt es für den Anspruch auf Vernichtung nicht an, § 140a PatG.

III.

1.) Als unterlegener Partei sind der Beklagten zu 2) die Kosten des Rechtsstreits anteilig aufzuerlegen, § 91 Abs. 1 ZPO.

2.) Die übrigen Kosten sind von dem Beklagten zu 1) als gleichfalls unterlegener Partei zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO.

Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte zu 1) auf die ihm günstige Kostenbestimmung des § 93 ZPO. Zwar kann zu seinen Gunsten davon ausgegangen werden, dass er das Klageanerkenntnis sofort abgegeben hat. Zu Unrecht meint er jedoch, dass er keine Veranlassung zur Klage gegeben habe.

Veranlassung zur Klage hat ein Beklagter gegeben, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf Verschulden gegenüber dem Kläger so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (vgl. Baumbach/Lauterbach, 64. Aufl., § 93 ZPO, Rdn. 28 ff. mit weiteren Nachweisen).

Entgegen der Ansicht des Beklagten zu 1) ist die hiesige Klage nicht bereits deshalb entbehrlich gewesen, weil eine Zustimmung des Beklagten zu 1) für die Vernichtung der MP3-Player nach Artikel 11 Abs. 1 erster Spiegelstrich Satz 3 VO (EG) Nr. 1383/2003 nicht erforderlich gewesen sei. Der Beklagte zu 1) übersieht, dass das sogenannte "vereinfachte Verfahren" nach Art. 11 VO (EG) Nr. 1383/2003 der Umsetzung durch innerstaatliche Rechtsvorschriften bedarf (so ausdrücklich Art. 11 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 1383/2003 Abs. 1, Satz 1). Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die dieses vereinfachte Verfahren regeln, bestanden zum Zeitpunkt des Bescheids vom 23.11.2005 bzw. zum Zeitpunkt der Erhebung der hiesigen Klage nicht und bestehen übrigens auch heute noch nicht (vgl. dazu etwa weitere Hinweise der Zollbehörden im Internet unter "http:/www.grenzbeschlagnahme.de"), so dass der Klägerin allein der Klageweg nach Art. 13 der VO offen stand.

Der Beklagte zu 1) kann sich auch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass er auf die Abmahnungen der Klägerin vom 6.12.2005 und 27.12.2005 der Vernichtung der patentverletzenden MP3-Player mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 2.1.2006 zugestimmt habe. In diesem Schreiben hat er der Klägerin mitgeteilt, dass er keine Einwände gegen die Vernichtung der 107 beim Hauptzollamt Frankfurt am Main - Flughafen beschlagnahmten MP3-Player erheben könne und werde, weil er mit der Sendung nichts zu tun habe, nicht Eigentümer sei und auch keine sonstigen Rechte an diesen Gegenständen habe. Diese Erklärung kann nicht als wirksame - und damit die Klägerin klaglos stellende - Zustimmung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1383/2003 angesehen werden. Denn die Zustimmung nach Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 1383/2003 kann nur vom Rechtsinhaber nach Art. 11 Abs. 1 - also insbesondere auch dem Anmelder - abgegeben werden. Erklärt der Beklagte zu 1) jedoch, nichts mit der Sendung zu tun zu haben und weder Eigentümer noch sonstige Rechte an den Gegenständen zu besitzen, negiert er gerade, berechtigter Empfänger und damit Anmelder der beschlagnahmten MP3-Player zu sein, so dass keine Zustimmung eines Rechtsinhabers nach Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 1383/2003 vorliegt. Danach blieb der Klägerin nur noch, ihren Anspruch auf Vernichtung gegenüber dem Beklagten zu 1) klageweise geltend zu machen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 108 ZPO.

Der Streitwert wird im Hinblick auf den Beklagten zu 1) bis zum 7. März 2006 auf 2.257,70 Euro festgesetzt; danach gilt das Kosteninteresse. Hinsichtlich der Beklagten zu 2) wird der Streitwert auf 2.257,70 Euro festgesetzt.