VG Münster, Urteil vom 11.04.2006 - 4 K 558/03
Fundstelle
openJur 2011, 44878
  • Rkr:
Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung NRW vom 15. Juli 2002 (VV Heft 1 Blatt 47) und des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2002 verpflichtet, den Ruhegehaltssatz für die in dem - ebenfalls vom 15. Juli 2002 datierenden - Versorgungsfestsetzungs-bescheid festgesetzte Versorgung der Klägerin ab dem 1. November 2001 vorübergehend nach Maßgabe des § 14 a Beamtenversorgungsgesetz zu erhöhen sowie auf den zu leistenden Nachzahlungsbetrag ab Rechtshängigkeit (22. Januar 2003) Prozesszinsen in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu gewähren.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die im Jahr 1960 geborene Klägerin stand bis zu ihrer vorzeitigen Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit mit Ablauf des 31. Oktober 2001 als Studienrätin im Dienst des beklagten Landes. Mit Festsetzungsbescheid vom 19. November 2001 setzte das Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW - LBV - die Versorgungsbezüge der Klägerin fest. Hierbei legte es eine ruhegehaltsfähige Dienstzeit von 13,35 Jahren zu Grunde und errechnete einen erdienten Ruhegehaltssatz von 25,04 v. Hundert. Diesen erhöhte das LBV auf den Mindestruhegehaltssatz von 35 v. H. und setzte die Versorgungsbezüge auf 2.249,56 DM fest.

Mit am 13. Dezember 2001 beim LBV eingegangenem Antrag beantragte die Klägerin die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes gemäß § 14 a Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG - und erklärte, dass sie aktuell weder eine Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung noch ein Einkommen im Sinne des § 14 a Abs. 1 Nr. 4 BeamtVG beziehe. Im Nachgang zu ihrem Antrag überreichte sie eine vom 04. März 2002 datierende Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte einschließlich eines Versicherungsverlaufs, der einen durch Urteil des Amtsgerichts Münster vom 19. Oktober 1995 durchgeführten Versorgungsausgleich nicht berücksichtigte. Mit Schreiben vom 28. März 2002 forderte das LBV die Klägerin auf, einen Nachweis darüber einzureichen, dass sie auf Grund eigener versicherungspflichtiger Zeiten einen Anspruch auf Rente habe. Mit Antwortschreiben vom 21. Mai 2002 wies die Klägerin darauf hin, dass bei der Prüfung des Erfordernisses des § 14 a Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG, wonach der Beamte bis zum Beginn des Ruhestandes die Wartezeit von 60 Kalendermonaten für eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt haben muss, um in den Genuss der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltes zu kommen, eine Hinzurechnung der sich aus dem Versorgungsausgleich ergebenden Wartezeiten zu erfolgen habe. Mit Schreiben vom 27. Mai 2002 stimmte das LBV dieser Rechtsansicht zu und bat um Vorlage einer entsprechenden, den Versorgungsausgleich berücksichtigenden Rentenauskunft. Die Klägerin überreichte daraufhin eine Auskunft der BfA vom 09. Januar 1996, wonach sich aus der Durchführung des Versorgungsausgleichs zu ihren Gunsten eine zusätzliche Wartezeit von 63 Kalendermonaten ergibt.

Mit Bescheid vom 15. Juli 2002 lehnte das LBV den Antrag der Kläger auf vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes mit der Begründung ab, der bei der Klägerin zugrunde gelegte 35%ige Mindestruhegehaltssatz sei einer Erhöhung nach § 14 a BeamtVG nicht zugänglich. Dieses folge daraus, dass die Ruhegehaltssätze des amtsbezogenen Mindestruhegehaltes nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG nicht „berechnet", sondern als von der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit unabhängige Mindestgröße im Gesetz festgelegt seien und deshalb nicht erhöht würden.

Mit Datum ebenfalls vom 15. Juli 2002 setzte das LBV die Versorgungsbezüge der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 19. November 2001 - bei Beibehaltung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit von 13,35 Jahren und des errechneten Ruhegehaltssatzes von 25,04 v. H. und bei gleichzeitiger Erhöhung auf den Mindestruhegehaltssatz von 35% - anderweitig auf 2.317,41 DM (entsprechend 1.210,83 Euro) fest.

Gegen die Ablehnung des auf § 14 a BeamtVG gestützten Antrages mit Bescheid vom 15. Juli 2002 legte die Klägerin Widerspruch ein. Ausgehend von Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 14 a BeamtVG sei die Rechtsansicht des Beklagten unzutreffend. § 14 a BeamtVG sei auf Grund der Änderung von sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften in das Gesetz aufgenommen worden, denen zufolge ein Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich nur noch dann bestehe, wenn von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der Beruf- oder Erwerbsunfähigkeit mindestens 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt seien. Diese Voraussetzungen könne der Beamte - und so auch sie, die Klägerin - mangels versicherungspflichtiger Tätigkeit nicht erfüllen.

Mit Schreiben vom 31. Juli 2002 wies das LBV darauf hin, seine ablehnende Entscheidung beruhe allein darauf, dass die kumulativ geforderten Voraussetzungen des § 14 a Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG nicht erfüllt seien. Die 60-monatige Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung liege nach den eingereichten Unterlagen nicht vor.

Mit Schreiben vom 02. September 2002 verwies die Klägerin hierzu erneut auf den durchgeführten Versorgungsausgleich und überreichte eine aktuelle Rentenauskunft der BfA vom 12. August 2002, worin die 60-monatige Wartezeit als erfüllt bezeichnet wird (Verwaltungsvorgang Heft 1, Blatt 67). Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2002 wies das LBV den Widerspruch der Klägerin aus den Gründen des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat rechtzeitig Klage erhoben, mit der sie ihre Argumentation aus dem Vorverfahren wiederholt und vertieft. Sie verweist insbesondere vertiefend auf die dem LBV vorgelegten Rentenauskünfte, aus denen sich ergebe, dass eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit deshalb verweigert werde, weil sie, die Klägerin, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht drei Jahre Pflichtbeiträge aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gezahlt habe. Eine Ruhegehaltserhöhung entspreche daher dem Sinn und Zweck der Regelung in § 14 a BeamtVG. Dass die 60-monatige Wartezeit insgesamt erfüllt sei, folge aus der Durchführung des Versorgungsausgleichs.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung NRW vom 15. Juli 2002 und des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2002 zu verpflichten, den Ruhegehaltssatz für die im ebenfalls vom 15. Juli 2002 datierenden Festsetzungsbescheid festgesetzte Versorgung der Klägerin ab dem 01. November 2001 vorübergehend nach Maßgabe des § 14 a BeamtVG zu erhöhen, sowie ab Rechtshängigkeit auf den zu leistenden Nachzahlungsbetrag Prozesszinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Begründung der angefochtenen Bescheide und hält eine Erhöhung des Ruhegehaltssatzes der Klägerin deshalb nicht für zulässig, weil es sich um eine nach § 14 Abs. 4 BeamtVG gezahlte Mindestversorgung handele, bei der es sich nicht um einen Mindestruhegehaltssatz handele, sondern um einen Geldbetrag, der sich erst aus der Multiplikation des vorgegebenen Ruhegehaltssatzes von 35% (oder 65%) mit den ruhegehaltsfähigen Dienstbezügen bzw. der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4 BBesG ergebe. Systematisch richtig sei es allein, den nach § 14 Abs. 1 BeamtVG berechneten Ruhegehaltssatz zu erhöhen und erst danach den Vergleich mit der Mindestversorgung durchzuführen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihre Einverständnis erteilt haben.

Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Bescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung vom 15. Juli 2002, mit welchem die von der Klägerin beantragte vorübergehende Erhöhung ihres Ruhegehaltes abgelehnt wurde, und der Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2002 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass ihr im Festsetzungsbescheid vom 15. Juli 2002 festgesetztes Ruhegehalt vom Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand an vorübergehend nach einem nach Maßgabe des § 14 a Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG - erhöhten Ruhegehaltssatz bemessen wird.

Gemäß § 14 a BeamtVG in der zum Zeitpunkt des Eintritts der Klägerin in den Ruhestand am 01. November 2001 maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl. I Seite 322), geändert durch Artikel 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes und anderer Gesetze vom 19. April 2000 (BGBl. I Seite 570) erhöht sich der nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz um 1 v. H. der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge für je 12 Monate der anrechnungsfähigen Pflichtversicherungszeiten, höchstens jedoch auf 70%, wenn der Beamte vor Vollendung des 65 Lebensjahres in den Ruhestand getreten ist, er bis zum Beginn des Ruhestandes die Wartezeit von 60 Kalendermonaten für eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt hat, er dienstunfähig im Sinn des § 42 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes oder entsprechendem Landesrecht ist (die hierzu in § 14 a Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b) enthaltene Alternative ist vorliegend nicht einschlägig), er einen Ruhegehaltssatz von 70 v. H. noch nicht erreicht hat und er schließlich keine Einkünfte im Sinne des § 53 Abs. 7 BeamtVG bezieht.

Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin, die wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig zur Ruhe gesetzt wurde, die keine Einkünfte im Sinne des § 53 Abs. 7 BeamtVG bezieht und die unter Berücksichtigung des Versorgungsfestsetzungsbescheides vom 15. Juli 2002 einen Ruhegehaltssatz von 70 v. H. nicht erreicht hat, gegeben. Insbesondere ist auch auf der Grundlage der Rentenauskunft vom 12. August 2002 davon auszugehen, dass die in § 14 a Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG geforderte rentenversicherungsrechtliche 60-monatige Wartezeit erfüllt ist. Dies ergibt sich aus der diesbezüglichen Berücksichtigungsfähigkeit der anlässlich des durchgeführten Versorgungsausgleichs der Klägerin gutgeschriebenen Kalendermonate,

vgl. hierzu: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, § 14 a Rdnr. 13.

Hiervon geht der Beklage seinerseits auch aus, wie sich aus dessen Schreiben vom 27. Mai 2002 an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ergibt.

Dem Erhöhungsbegehren der Klägerin steht nicht entgegen, dass diese laut Festsetzungsbescheid vom 15. Juli 2002 die amtsbezogene Mindestversorgung gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG in Höhe von 35 v. H. aus der Besoldungsgruppe A 13 erhält. Die bislang streitige Frage, ob der sogenannte Mindestruhegehaltssatz von 35 v. H. gemäß § 14 a BeamtVG vorübergehend erhöht werden kann, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nunmehr entschieden. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem diesbezüglichen Urteil vom 23. Juni 2005 - 2 C 25.04 -, auf das das Gericht die Beteiligten hingewiesen hat, ausdrücklich festgestellt, dass auch der Mindestruhegehaltssatz ein im Sinne von § 14 a BeamtVG „nach den sonstigen Vorschriften berechneter Ruhegehaltssatz" ist und zur Begründung Folgendes ausgeführt:

„Nach geltendem Recht besteht keine Rechtfertigung, diejenigen Beamten, die nur Anspruch auf das sog. amtsabhängige Mindestruhegehalt haben, von der begünstigenden Wirkung des § 14 a BeamtVG teilweise oder ganz auszuschließen.

Dem Ruhegehalt, das die Klägerin bezieht, liegt ein "berechneter Ruhegehaltssatz" im Sinne des § 14 a Abs. 1 BeamtVG zugrunde. "Ruhegehaltssatz" ist der nach den §§ 4 ff. BeamtVG (gegebenenfalls auch nach Sondervorschriften) ermittelte individuelle Vom-Hundert-Satz der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge; der dem Ruhegehalt zugrunde gelegt wird. Der Ruhegehaltssatz knüpft an die ruhegehaltfähige Dienstzeit, die neben den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen der maßgebende Faktor für die Berechnung des Ruhegehaltes ist (vgl. § 4 Abs. 3 BeamtVG); er kann sich jedoch von der Dienstzeit lösen und abstrakt oder nach zeitunabhängigen Umständen festgelegt sein (vgl. § 36 Abs. 3, § 37 Abs. 1 BeamtVG). "Ruhegehaltssatz" ist auch der in § 14 Abs. 4 Satz 1 oder Satz 2 BeamtVG bestimmte Bruchteil der jeweiligen Bemessungsgrundlage. Insoweit wird ebenfalls ein Vom- Hundert-Satz bezeichnet, aus dem sich das Ruhegehalt ergibt.

Nicht nur bei dem das "erdiente Ruhegehalt" betreffenden Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 1 BeamtVG, sondern auch bei dem Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG handelt es sich um einen "berechneten" Ruhegehaltssatz. Bereits der Wortlaut des § 14 a BeamtVG spricht dafür, dass der individuell ermittelte und festgesetzte Ruhegehaltssatz stets "berechnet" ist, auch wenn er auf der Basis der Vom-Hundert- Sätze des § 14 Abs. 4 BeamtVG gewonnen worden ist. Der Festsetzung des Ruhegehalts liegt nach § 14 BeamtVG ein mehrfacher Vergleich zugrunde: Zunächst ist das Ruhegehalt gemäß § 14 Abs. 1 BeamtVG auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit und dem sich daraus ergebenden Ruhegehaltssatz "exakt" zu berechnen. Sodann ist das amtsbezogene Mindestruhegehalt gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG auf der Grundlage des feststehenden Ruhegehaltssatzes von 35 v.H. zu bestimmen. Da die Bemessungsgrundlagen nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 BeamtVG identisch sind, ergibt sich bereits aus einem Vergleich der beiden Ruhegehaltssätze, welcher für die Festsetzung des Ruhegehalts maßgebend sein soll. Sodann ist das sog. amtsunabhängige Mindestruhegehalt nach § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG zu berechnen. Da diesem eine andere Bemessungsgrundlage zugrunde liegt, wird das Ruhegehalt nach den Vorgaben dieser Bestimmung ausgerechnet. Übersteigt es den zuvor ermittelten Wert, ist der (Ruhegehalts-) Satz in Höhe von 65 v.H. nach dieser Bestimmung der gemäß § 14 a Abs. 1 BeamtVG "berechnete" Ruhegehaltssatz, wobei gemäß der in § 14 a Abs. 1 Nr. 3 BeamtVG bestimmten Obergrenze nur ein geringer Spielraum für eine vorübergehende Erhöhung verbleibt.

Das "Berechnen" nach § 14 a Abs. 1 BeamtVG muss sich dem Wortsinn nach` nicht auf die vier Grundrechenarten beschränken, sondern kann auch weitere mathematische Verfahren umfassen. Zu diesen Operationen nach den Regeln der Algebra gehören die von § 14 BeamtVG geforderten Vergleiche mehrerer Zahlenwerte. Der sich dabei ergebende Ruhegehaltssatz ist im Sinne des § 14 a Abs. 1 BeamtVG ebenfalls "berechnet". § 14 a BeamtVG fordert eben nicht, dass das Ruhegehalt "erdient" und ausschließlich nach § 14 Abs. 1 BeamtVG bestimmt ist. Anders als in § 14 Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 1 BeamtVG wird in § 14 a Abs. 1 BeamtVG auf diesen Begriff nicht abgestellt. § 14 a Abs. 1 BeamtVG kennt weder den Begriff "erdient" noch enthält die Regelung einen Verweis auf § 14 Abs. 1 BeamtVG. Schon diese im Wortlaut des Gesetzes auszumachende Differenzierung spricht für das Auslegungsergebnis.

Dass der amtsbezogene Mindestruhegehaltssatz im Wortsinne des § 14 a BeamtVG "berechnet" ist, entspricht im Übrigen der Entstehungsgeschichte der Norm. § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG ist gemeinsam mit der Umstellung der degressiven Ruhegehaltsskala auf die lineare Ruhegehaltstabelle durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften (BeamtVGÄndG) vom 18. Dezember 1989 (BGBl 1 S. 2218) eingefügt worden. Der Mindestsatz ist an die Stelle des früheren Sockelruhegehaltssatzes von 35 v.H. für die ersten zehn Jahre ruhegehaltfähiger Dienstzeit getreten. Insoweit ist im Ergebnis die bis zum 31. Dezember 1991 geltende Rechtslage übernommen worden (vgl. GKÖD, Stand: Mai 2005, O § 14 Rn. 57). Nach zu jener Zeit einhelliger Auffassung war der Sockelruhegehaltssatz in Höhe von 35 v.H. "berechnet" im Sinne des § 14 a BeamtVG (vgl. z.B. Ziff. 2.1 Buchst. a des Rundschreibens des Bundesministeriums des Innern vom 27. Januar 1986; abgedruckt bei Plog/ Wiedow/Bayer, BBG/BeamtVG, Stand: April 2005, zu § 14 a BeamtVG). Dass dieses dem Gesetzgeber bekannte Begriffsverständnis durch die "gesetzessystematische Verschiebung" korrigiert werden sollte oder aus sonstigen Gründen in das Gegenteil verkehrt worden sein könnte, ist nicht erkennbar.

Die Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck des § 14 a BeamtVG gebieten es, auch das nach § 14 Abs. 4 BeamtVG berechnete Mindestruhegehalt vorübergehend zu erhöhen, wenn die gesetzliche Rente noch nicht gezahlt wird. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 6. April 2000 - BVerwG 2 C 25.99 - (BVerwGE 111, 93, 96 f.) ausgeführt hat, erhöhen gemäß § 14 a BeamtVG solche Zeiten vorübergehend den Ruhegehaltssatz, für die auf einer Versicherungspflicht beruhende Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung begründet worden sind, ohne dass der Träger der Rentenversicherung zeitgleich zu dem Ruhegehalt zu leisten hat. § 14 a BeamtVG ursprünglicher Fassung ist durch Art. 2 Nr. 2 des Vierten Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 1985 (BGBI I S. 2466) vor dem Hintergrund vorangegangener Einschränkungen im Recht der Rentenversicherung eingefügt worden. Da nach dem Haushaltsbegleitgesetz vom 22. Dezember 1983 (BGBI 1 S. 1532) eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich nur noch dann beansprucht werden konnte, wenn von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit mindestens 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt waren, blieben Beamte vor Vollendung des 65. Lebensjahres bis zum Bezug der Altersrente in aller Regel ausschließlich auf Versorgungsbezüge angewiesen. Diese waren häufig deshalb geringer, weil durch die späte Übernahme in ein Beamtenverhältnis und dem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand nur wenige Dienstjahre berücksichtigt werden konnten. Dem sollte durch die neue Vorschrift "entgegengewirkt" werden (vgl. BTDrucks 10/4225 S. 21).

§ 14 a BeamtVG greift über das System der Beamtenversorgung hinaus und gleicht versorgungsrechtlich Nachteile aus, die wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen von Ansprüchen aus der Rentenversicherung und aus der Beamtenversorgung für die Zeit eintreten können, während' der ein Besoldungsanspruch nicht mehr besteht, die beamtenrechtlichen Versorgungsansprüche wegen der außerhalb des öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses verbrachten Zeiten einer Erwerbstätigkeit gering sind und die für Invalidität und Alter vorgesehenen Leistungen entsprechend den erworbenen Anwartschaften in der Sozialversicherung noch nicht ausgeschöpft werden können. Danach soll § 14 a BeamtVG solchen Einbußen entgegenwirken, die durch einen "Statuswechsel" und den dadurch bedingten Wechsel des Systems der Alterssicherung eintreten. Die "Versorgungslücke", die sich aus dem niedrigeren Ruhegehalt und dem vorübergehenden Ausschluss des Beamten von einer gesetzlichen Rente bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand ergibt, wird dadurch geschlossen, dass für jeweils 12 Kalendermonate einer Pflichtversicherung der Ruhegehaltssatz vorübergehend - in der Regel bis zum Bezug der Altersrente - um einen bestimmten Vom-Hundert-Satz erhöht wird.

Allerdings wird der Beamte nicht so gestellt, als hätte er Anspruch auf eine Rente. Er erhält keinen Zuschlag zum Ruhegehalt in Höhe dieses Betrages; vielmehr erfolgt der Ausgleich durch Erhöhung des Ruhegehaltssatzes - nach der früheren hier noch maßgebenden Fassung des § 14 a Abs. 2 Satz 1 BeamtVG - um 1 v. H. für ein Jahr der anrechnungsfähigen Pflichtversicherungszeiten. Dieses "Entgegenwirken" nach den Strukturprinzipien des Beamtenversorgungsrechts schließt in der Regel einen vollständigen Ausgleich aus. Stattdessen hat der Gesetzgeber für ein Pflichtbeitragsjahr bei der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes normativ typisierend einen maßvollen Steigerungssatz in Höhe von 1 v. H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge festgelegt. Die Erhöhung des Ruhegehaltssatzes um 1 v.H. pro anno bleibt deutlich hinter dem Steigerungssatz gemäß § 14 Abs. 1 BeamtVG (1,875 v. H. nach früherem Recht) zurück. Schon nach dem gesetzessystematischen Standort des § 14 a BeamtVG im Anschluss an die Berechnungsregelungen des § 14 BeamtVG geht es nicht um eine Erweiterung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit, die in §§ 6 bis 13 BeamtVG geregelt ist.

Vielmehr wird entsprechend dem ausdrücklichen Wortlaut der nach "sonstigen" Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz erhöht, um diejenigen zu schützen, die aus einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit in eine versorgungsberechtigende Tätigkeit gewechselt sind und vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden müssen.

Die Ausgleichsfunktion der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes nach § 14 a BeamtVG entfällt nur dann, wenn die Obergrenze des Abs. 2 Satz 2 (70 v.H. nach früherem Recht) überschritten wird. Eine Untergrenze ist nicht vorgegeben. § 14 a BeamtVG begünstigt auch und gerade diejenigen, die Versorgungsbezüge nach dem Mindestsatz erhalten. Diese Gruppe muss bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters ebenfalls auf (Renten-) Bezüge verzichten, die sie nach Erreichen der Altersgrenze neben ihren ungeschmälert weitergezahlten Versorgungsbezügen erhält. Würden diese Beamten auf den nach § 14 Abs. 1 BeamtVG ermittelten Ruhegehaltssatz verwiesen, liefe die Erhöhung nach § 14 a BeamtVG ganz oder teilweise leer. Dies stünde in deutlichem Widerspruch zu der Zielsetzung der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes nach § 14 a BeamtVG und zu der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG.

Die amtsbezogene Mindestversorgung in Höhe von 35 v. H. der jeweiligen ruhegehaltfähigen Dienstbezüge gemäß § 5 BeamtVG dient der Sicherstellung einer nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen amtsangemessenen Mindestalimentation (vgl. BTDrucks 11/5136 S.23). Mit diesem Sinngehalt des § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG wie auch mit der versorgungsrechtlichen Bedeutung des § 14 a BeamtVG ist die Auffassung des Berufungsgerichts unvereinbar, beide Vorschriften dienten "der Konkretisierung der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn" und es sei ausgeschlossen, "einen Beamten mit nur sehr geringer aktiver Dienstzeit zweimal fürsorgerechtlich zu"begünstigen ...". Die Mindestversorgung. nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG ist weder Sozialleistung noch Fürsorgeleistung. Aus dem Alimentationscharakter der Mindestversorgung folgt vielmehr, dass auch sie im Beamtenstatus "erdient" ist. Allerdings setzt sie keine genau bestimmte Dienstzeit voraus, sondern kennzeichnet den geringsten Umfang der Versorgung, wenn - wie im Regelfalle - die Mindestdienstzeit des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG von fünf Jahren absolviert und nach § 14 Abs. 1 BeamtVG noch keine ruhegehaltfähige Dienstzeit erreicht worden ist, die einen Ruhegehaltssatz von mehr als 35 v. H. ermöglicht. Die amtsbezogene Mindestversorgung folgt unmittelbar aus der Alimentationspflicht des Dienstherrn, die als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet ist (vgl. z.B. BVerfGE 3, 58, 160; BVerfGE 46, 97, 117; BVerfGE 70, 69, 79). Sie bringt die verfassungsrechtlichen Anforderungen der amtsgemäßen (BVerfGE 61, 43, 58; BVerfGE 76, 256, 324 f.; Urteil vom 19. Februar 2004 - BVerwG 2 C 20.03 - Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 8) sowie der (bedarfs-)angemessenen Versorgung (vgl. BVerfGE 44, 249, 263; BVerfGE 81, 363, 383 ff.; BVerfGE 99, 300, 314 ff.) zur Geltung.

Das Gebot, den Mindestruhegehaltssatz des § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG vorübergehend zu erhöhen, gibt den Pflichtversicherungszeiten nach § 14 a BeamtVG in aller Regel auch kein höheres Gewicht als den ruhegehaltfähigen Dienstzeiten gemäß § 6 BeamtVG. Zwar könnte der amtsbezogene Mindestruhegehaltssatz nicht wegen Zeiten nach §§ 6 ff. BeamtVG erhöht werden. Die erheblich abweichende Staffelung der Sätze nach § 14 Abs. 1 BeamtVG und nach § 14 a Abs. 2 BeamtVG hat jedoch zur Konsequenz, dass selbst bei einer deutlich längeren Pflichtversicherungszeit und einer geringeren ruhegehaltfähigen Dienstzeit die Aufstockung des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 a BeamtVG allenfalls in besonderen Ausnahmefällen einen Anspruch auf ein höheres Ruhegehalt verleiht, als dies bei einer (fiktiven) Einbeziehung der Zeit nach § 14 a BeamtVG in die ruhegehaltfähige Dienstzeit der Fall wäre."

Dem schließt sich das Gericht an. Die Ausführungen des Beklagen im Schriftsatz vom 28. März 2006 stellen die ausführliche und überzeugende Begründung der oben genannten Entscheidung nicht in Frage und geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

Der Anspruch auf Gewährung der beantragten Prozesszinsen ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 291 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 709 Satz 1 ZPO.