VG Düsseldorf, Urteil vom 15.05.2006 - 25 K 1134/06
Fundstelle
openJur 2011, 44138
  • Rkr:
Tenor

Die Vergnügungssteuererklärung/der Bescheid vom 8. Februar 2006 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 16. Februar 2006 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen zur Aufstellung von Automaten mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen; im Gebiet der Stadt E werden insgesamt 18 Spielhallen von ihr betrieben.

Die Heranziehung zu Vergnügungssteuer für Apparate mit Gewinnmöglichkeit im Jahr 2006 erfolgt dergestalt, dass die Einspielergebnisse für jeden Apparat und Kalendermonat auf amtlichem Vordruck zu erklären sind und die Vergnügungssteuer unter Anwendung des Steuersatzes selbst zu berechnen ist (Steueranmeldung). Der Veranlagung zu Vergnügungssteuer für das Jahr 2006 liegt zugrunde die 1. Änderung der Satzung über die Erhebung von Vergnügungssteuer in der Stadt E (Vergnügungssteuersatzung) vom 14. Dezember 2005, gemäß deren Artikel 2 die neugefasste Vergnügungssteuersatzung zum 1. Januar 2006 in Kraft tritt.

Die Klägerin reichte mit Datum vom 8. Februar 2006 die Vergnügungssteuererklärung für Apparate mit Gewinnmöglichkeit für den Monat Januar 2006 bei dem Beklagten ein, wonach sich ein Steuerbetrag von 58.966,08 Euro ergab. Dem lag folgende Berechnung zugrunde: Gesamteinspielergebnis 453.585,30 Euro (als Summe der Einspielergebnisse aller Apparate mit Gewinnmöglichkeit entsprechend den beigefügten Anlagen Nr. 1 bis 18) multipliziert mit dem Steuersatz von 13 %.

Die Klägerin legte gegen die als Steuerbescheid geltende Vergnügungssteuererklärung vom 8. Februar 2006 Widerspruch ein, der im Wesentlichen damit begründet wurde, in Anbetracht des Steuersatzes müsse von einer Erdrosselungswirkung der Vergnügungssteuer ausgegangen werden; nach einer repräsentativen Auswertung für das Bundesland Schleswig-Holstein, die in den meisten Punkten auch auf Nordrhein-Westfalen übertragen werden könne, liege die Grenze der Belastbarkeit bei 5 % des Einspielergebnisses. Darüber hinaus komme der Vergnügungssteuer in der erhobenen Form der Charakter einer umsatzsteuerähnlichen Steuer zu, sodass ein Verstoß gegen die 6. EG-Richtlinie vorliege.

Der gegen die Heranziehung gerichtete Widerspruch der Klägerin wurde durch den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 16. Februar 2006 als unbegründet zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 17. Februar 2006 zugestellt.

Mit ihrer am 17. März 2006 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die von dem Beklagten erhobene Vergnügungssteuer und macht im Wesentlichen geltend, der Vergnügungssteuer komme in der erhobenen Höhe erdrosselnde Wirkung zu, denn sie lasse dem betroffenen Unternehmen keine Kapitalverzinsung und keinen angemessenen Unternehmerlohn. Darüber hinaus sei eine Vergnügungssteuer in dieser Höhe nicht auf den Endverbraucher abwälzbar; dies sei aber zwingend Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit dieser Steuer als Aufwandsteuer. Des Weiteren verstoße eine in dieser Form erhobene Aufwandsteuer gegen das EU-rechtliche Verbot der Einführung umsatzgleicher oder -ähnlicher Steuern.

Mit Dringlichkeitsbeschluss vom 27. April 2006 wurde die 3. Änderungssatzung zur Satzung über die Erhebung von Vergnügungssteuer in der Stadt E (Vergnügungssteuersatzung) durch den Oberbürgermeister und ein weiteres Ratsmitglied beschlossen; wegen der Problembeschreibung/Begründung wird auf die dem Dringlichkeitsbeschluss beigefügte Drucksache-Nr.: 00-0000 vom 24. April 2006 Bezug genommen. Die Bekanntmachungsanordnung der 3. Änderungssatzung zur Satzung über die Erhebung von Vergnügungssteuer in der Stadt E (Vergnügungssteuersatzung) datiert vom 2. Mai 2006; diese 3. Änderungssatzung wurde im Amtsblatt für die Stadt E Nr. 00 vom 10. Mai 2006 öffentlich bekannt gemacht.

Die Klägerin beantragt,

die Vergnügungssteuererklärung/den Vergnügungssteuerbescheid des Beklagten für den Monat Januar 2006 sowie den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 16. Februar 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

wobei er sich im Wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Bescheide bezieht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die im Wege der Vergnügungssteuererklärung vom 8. Februar 2006 erfolgte Heranziehung der Klägerin zu Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit für den Monat Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 16. Februar 2006 ist rechtswidrig; insoweit verletzen die Vergnügungssteuerbescheide die Klägerin mithin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Artikel 2 der 1. Änderung der Satzung über die Erhebung von Vergnügungssteuer in der Stadt E vom 14. Dezember 2005 (im Folgenden: Vergnügungssteuersatzung), der zum 1. Januar 2006 in Kraft tritt und den Veranlagungen zu Vergnügungssteuer für das Jahr 2006 zugrunde gelegt wird, bildet für die Heranziehung zu Vergnügungssteuer keine wirksame Rechtsgrundlage, soweit es sich um die Veranlagung von Spielapparaten mit Gewinnmöglichkeit handelt.

§ 4 - Spielapparate mit Gewinnmöglichkeit - der Vergnügungssteuersatzung lautet - soweit maßgeblich -:

„(1) Die Vergnügungssteuer für das Halten von Spielapparaten mit Gewinnmöglichkeit nach § 1 Nr. 1 beträgt pro Apparat und Monat 13 v. H. des Einspielergebnisses.

(2) Einspielergebnis (sog. Kasseninhalt) ist der Gesamtbetrag der eingesetzten Spielbeträge (Spieleinsätze) abzüglich der ausgezahlten Gewinne."

Die Bestimmung des Einspielergebnisses in § 4 Abs. 2 der Vergnügungssteuersatzung erweist sich als rechtsunwirksam. In dem Verfahren 25 K 2401/05 hat die Kammer durch Urteil vom 7. April 2006 Folgendes ausgeführt:

„Aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. April 2005 - 10 C 5.04 - ist zu entnehmen, dass das Einspielergebnis als rechtmäßige Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Vergnügungssteuer für Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit erachtet wird. Erforderlich ist, dass die jeweilige Satzungsregelung das Einspielergebnis zutreffend und bestimmt definiert; daran mangelt es vorliegend. Die Vergnügungssteuersatzung vom ................................... definiert das Einspielergebnis unzutreffend, zumindest aber unbestimmt. Grundlage der Spielautomatensteuer als örtlicher Aufwandsteuer ist grundsätzlich der konkrete Vergnügensaufwand je Gerät, der durch die Zahl und den Wert der eingeworfenen Münzen ausgedrückt wird und der sich im Einspielergebnis bzw. im Nettoumsatz wiederspiegelt. Betrachtet man die der Kammer zur Verfügung stehenden in anderen Verfahren überreichten Auslesestreifen von Geldspielautomaten, ist ein Saldo 1 zu ersehen, der sich aus der Position „Einwurf" minus der Position „Auswurf" errechnet. Wie der Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung in einem anderen Verfahren erläutert hat, werden durch die Parameter „Einwurf" und „Auswurf" weder die eingesetzten Geldbeträge noch die ausgezahlten Gewinne erfasst. Damit ist unklar, woran die Satzungsbestimmung zur Errechnung der geschuldeten Steuer anknüpft bzw. aus welchen Positionen der Auslesestreifen sich die Steuer ermittelt. Die Satzungsbestimmung erweist sich insoweit als unbestimmt. Diese Auffassung der Kammer wird dadurch bestätigt, dass Vertreter des/der Beklagten in dem Termin am 7. April 2006, die verschiedene Städte vertraten, teilweise den Saldo 1, teilweise den Saldo 2 bei gleicher Satzungsregelung als maßgeblich ansahen. Deutlicher kann Unbestimmtheit nicht zu Tage treten.

Ferner kommt hinzu, dass der durch die Auslesestreifen ausgewiesene Saldo 2 betragsmäßig von dem Saldo 1 abweicht, indem er nach Bereinigung um verschiedenen Positionen errechnet wird. Aufgrund des technischen Fortschritts ist inzwischen seit dem 1. Januar 1997 eine exakte und zuverlässige Erfassung des Kasseninhalts und Röhrenbestands und damit des Betrags, der dem tatsächlich aufgewendeten Entgeld aller Spieler eines Gerätes entspricht, durch den Einbau manipulationssicherer Zählwerke bei Geldspielautomaten grundsätzlich gewährleistet. Durch die Zählwerke ist das Einspielergebnis eines Gerätes zu ermitteln, das den Spieleinsatz aller Spieler des Gerätes abzüglich der ausgezahlten Gewinne und sonstiger Geldrückgaben wiedergibt. Die Spielhallenbetreiber sehen sich aufgrund der Selbstverpflichtung dahingehend gebunden, zumindest elektronische Ausdrucke über den Kasseninhalt und den Röhrenbestand zu erstellen. Der Saldo 1 gibt mithin die Bruttokasse, der Saldo 2 die bereinigte Kasse, das heißt Spieleinsatz minus Abzugsposten wieder. Der Vertreter der Klägerin in einem anderen Verfahren hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, der Saldo 2 enthalte die Bereinigung um Röhrenauffüllung, Falschgeld, Prüftestgeld und Fehlgeld. Zutreffende Berechnungsgrundlage zur Ermittlung der Einspielergebnisse als Bemessungsgrundlage für die Vergnügungssteuer ist mithin die Position, bei der Röhrenauffüllung, Falschgeld, Prüftestgeld und Fehlgeld in Abzug gebracht worden sind, da diese Positionen den konkreten Vergnügungsaufwand des einzelnen Spielers nicht betreffen. Maßgeblich ist mithin der Spieleinsatz des Spielers abzüglich der ausgezahlten Gewinne und sonstiger Geldrückgaben. Dem entspricht die zugrundeliegende Satzungsregelung nicht.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Kammer bereits durch Urteil vom 19. September 2005 in dem Verfahren 25 K 366/05 zu dem auch in vorliegender Satzung verwendeten Begriff der „eingesetzten Spielbeträge" Bedenken an der Berechnung geltend gemacht hat, weil Wechselgeld zwar von dem Zählwerk eines Automaten als Ausgabe erfasst wird, es wird aber nicht danach differenziert, ob es sich um zurückgegebenes Geld handelt oder um z.B. eine Gewinnzahlung. Auch dies zeigt, dass „der Gesamtbetrag der eingesetzten Spielbeträge abzüglich der ausgezahlten Gewinne" den Vergnügungsaufwand nicht zutreffend wiedergibt, wenn dem Spieler z.B. bei Buchung nur eines Spiels in erheblichem Maße Wechselgeld bei Einsatz eines Geldscheins zurückgegeben wird."

An den obigen Ausführungen ist grundsätzlich festzuhalten. Zwischenzeitlich gewonnene weitere Erkenntnisse bestätigen die oben dargelegte Rechtsauffassung. Ausweislich der Erläuterungen zum VDAI-Auslesestreifen (Info-Broschüre der B GmbH) werden die ausgezahlten Geldbeträge von den eingezahlten Geldbeträgen subtrahiert und als Saldo 1 ausgewiesen. Hat sich der Geldbetrag in den Röhren seit der letzten Kassierung erhöht, wird in der Rubrik „Röhreninhalt" der Betrag als „mehr" ausgewiesen und von dem Saldo 1 in Abzug gebracht. Bei einer Verringerung wird dieser Betrag als „weniger" eingetragen und addiert. Saldo 1 verteilt sich mithin im Spielgerät zwischen Kasse und Münzröhren und errechnet sich lediglich aus eingeworfenen Geldbeträgen minus ausgezahlten Geldbeträgen. Die Verteilung von Saldo 1 erfolgt dergestalt, dass der eine Teil in die Kasse gefallen ist, der andere Teil in die Münzröhren; dieser hat in der Kassierperiode den Röhrenstand verändert. Bezogen auf den Kassierzeitraum ist der Änderungsbetrag von Bedeutung. Verringert sich der Röhreninhalt um einen Betrag, erhöht sich die Kasse um den gleichen Betrag; erhöht sich der Röhreninhalt um einen Betrag, verringert sich die Kasse um den gleichen Betrag. Diese Vorgänge erscheinen im Zählwerksausdruck unter der Rubrik „Röhreninhalt mehr bzw. weniger". Nachfüllungen der Münzröhren werden in der Rubrik „Nachfüllung A" ausgewiesen und addiert. Geldbeträge, die den Röhren entnommen wurden, werden als „Fehlbetrag" ausgewiesen. Eine Nachfüllung ist mit einem Einwurf vergleichbar, der Betrag wird mithin zum Saldo 1 addiert; eine Geldentnahme ist mit einer Auszahlung vergleichbar, wird als Fehlbetrag ausgewiesen und der Fehlbetrag wird vom Saldo 1 subtrahiert. So errechnet sich die elektronisch gezählte Kasse. Im tabellarischen Teil des Auslesestreifens werden in der sodann folgenden Position „Nachfüllung A" eventuelle Nachfüllungen von der elektronisch gezählten Kasse wiederum abgezogen und das Ergebnis als Saldo 2 ausgewiesen. Gegebenenfalls ist noch eine Reduzierung um Prüftestgeld, Falschgeld und Fehlgeld vorzunehmen.

Vorbezeichnete Rechtsauffassung der Kammer entspricht der Berechnung der Steuern durch das Finanzamt. Für steuerliche Zwecke, d.h. zur Ermittlung der steuerlich relevanten Einnahmen sind die Nachfüllungen von der elektronisch gezählten Kasse abzuziehen. Die Differenz zwischen elektronisch gezählter Kasse und Nachfüllungen ist im Saldo 2 ausgedruckt. Allenfalls dieser Betrag unterliegt der Besteuerung, da nur dieser Betrag als tatsächliche Einnahme dem Aufstellunternehmer zugeflossen ist. Dieses ist tägliche Praxis und wird von den Finanzämtern entsprechend gehandhabt. Der Sachverhalt wird entsprechend in der Betriebsprüfungskartei zur Gewerbekennzahl 92711.0 „Automatenaufstellung" dargestellt. In der Betriebsprüfungskartei heißt es: „Da das Röhrengeld kein Ertrag ist, wird die elektronisch gezählte Kasse um den jeweiligen Wert gemindert".

Wegen Unwirksamkeit des § 4 Abs. 2 der Vergnügungssteuersatzung vom 14. Dezember 2005 ist mithin eine wirksame Rechtsgrundlage für die Veranlagung von Spielapparaten mit Gewinnmöglichkeit nicht gegeben.

Die 3. Änderungssatzung zur Satzung über die Erhebung von Vergnügungssteuer in der Stadt E (Vergnügungssteuersatzung) vom 2. Mai 2006, ausweislich derer § 4 Abs. 2 folgende Fassung erhält

„Einspielergebnis ist der Betrag der elektronisch gezählten Bruttokasse. Dieser errechnet sich aus der elektronisch gezählten Kasse zuzüglich Röhrenentnahme (sog. Fehlbetrag), abzüglich Röhrenauffüllung, Falschgeld, Prüftestgeld und Fehlgeld",

kann der Veranlagung der Klägerin nicht zu Grunde gelegt werden. Diese 3. Änderungssatzung ist im Wege des Dringlichkeitsbeschlusses durch den Oberbürgermeister und ein weiteres Ratsmitglied beschlossen worden, ohne dass die gesetzlich für einen Dringlichkeitsbeschluss normierten Voraussetzungen zu bejahen sind.

Gemäß § 60 Abs. 1 GO NRW entscheidet der Hauptausschuss in Angelegenheiten, die der Beschlussfassung des Rates unterliegen, falls eine Einberufung des Rates nicht rechtzeitig möglich ist. Ist auch die Einberufung des Hauptausschusses nicht rechtzeitig möglich und kann die Entscheidung nicht aufgeschoben werden, weil sonst erhebliche Nachteile oder Gefahren entstehen können, kann der Bürgermeister mit einem Ratsmitglied entscheiden. In der dem Dringlichkeitsbeschluss zugehörigen Drucksache-Nr.: 00-0000 vom 24. April 2006 heißt es u.a.:

„Diese Regelung ... ist in einem eine andere Stadt betreffenden Parallelverfahren beim Verwaltungsgericht Düsseldorf auf Kritik gestoßen.... Im Interesse einer gesicherten Steuererhebung soll die Satzungsänderung im Wege des Dringlichkeitsbeschlusses erfolgen. Andernfalls ist bis zur nächsten Ratssitzung - selbst wenn eine Sondersitzung einberufen werden würde - mit erheblichen Steuerausfällen zu rechnen. Da Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Satzung bestehen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung durch das Verwaltungsgericht stattgegeben wird. Daneben wurden vom Verwaltungsgericht Düsseldorf auf den 15.5.2006 13 Eer Verfahren terminiert, die die Rechtmäßigkeit der Vergnügungssteuererhebung betreffen. Sofern die Vergnügungssteuerbescheide durch das Verwaltungsgericht aufgehoben würden, müssten ca. 110.000,00 Euro zunächst erstattet werden."

Zwar gehört zu den Entscheidungen, die im Wege der Dringlichkeit getroffen werden können, auch der Erlass von Satzungen,

vgl. Held/Becker/Decker/Kirchhoff/Krämer/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW, Band I, GO NRW, Kommentar, Stand 2005, § 60 Anm. 2.1.

Dennoch konnte die 3. Änderungssatzung vom 2. Mai 2006 nicht durch den Oberbürgermeister und ein weiteres Ratsmitglied erlassen werden, weil ein Fall des § 60 Abs. 1 Satz 2 GO NRW nicht vorlag. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist von dem Gericht, solange der Rat den Beschluss noch nicht genehmigt hat, in vollem Umfang nachprüfbar. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 60 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GO NRW sind unbestimmte Rechtsbegriffe; ein Ermessen wird dem Oberbürgermeister dadurch nicht eingeräumt,

a.a.O. Anm. 4.2.

Vorliegend fehlt es bereits an der Voraussetzung, dass eine Einberufung des Rates nicht rechtzeitig möglich gewesen ist. Die Literatur - a.a.O. Anm. 2.1 - führt aus, bei Satzungen werde regelmäßig genügend Zeit bleiben, um den Rat einzuberufen. Allein der Umstand, dass der Rat vorher beschlossen habe, innerhalb des Zeitraums, in dem die Satzung erlassen werden müsse, nicht mehr zu tagen, rechtfertige jedenfalls noch keinen Dringlichkeitsbeschluss. Die Einberufung des Rates könne z.B. dann nicht mehr rechtzeitig möglich sein, wenn die in der Geschäftsordnung vorgeschriebenen Ladungsfristen nicht mehr eingehalten werden könnten oder wenn feststehe, dass innerhalb des gebotenen Zeitraums nicht die für die Beschlussfähigkeit erforderliche Anzahl von Ratsmitgliedern erreichbar sei,

a.a.O. Anm. 3.2.

In seinem Urteil vom 31. Mai 1988 - 2 A 1739/86 -, DÖV 1989 Seite 29 folgende, hat das OVG NRW ausgeführt:

„Hier fehlt es schon an der Voraussetzung, dass eine Entscheidung des Rates nicht rechtzeitig erfolgen konnte. Der Eilbeschluss ist am 18.5.1988 gefasst worden. Bis zum 31.5.1988, dem dem Beklagten seit dem 13.4.1988 bekannten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat, waren noch 12 Tage Zeit, um den Rat einzuberufen und ihm die Änderungssatzung einschließlich der neuen Kalkulation zur Beschlussfassung vorzulegen. Diese Zeitspanne reichte aus, da nach § 2 Abs. 2 der Geschäftsordnung für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt D. vom 22.8.1985 die Ladungsfrist in Eilfällen auf 3 Tage abgekürzt werden kann. ...... Bei der Frage, ob eine Ratssitzung noch rechtzeitig einberufen werden konnte, ist auf die Möglichkeit der Sondersitzung abzustellen und nicht auf die nächste turnusmäßige Sitzung. Denn die Möglichkeit der Einberufung von Sondersitzungen ist gerade für Eilfälle vorgesehen."

Diese Entscheidung des OVG NRW wird in den Kommentaren als nach wie vor grundlegend zitiert, darüber hinaus ist der Wortlaut des § 60 Abs. 1 Satz 1 GO NRW i.d.F. von 1994 dieser Entscheidung gefolgt. Die Gründe dieses Urteils des OVG NRW vom 31. Mai 1988 gelten vorliegend entsprechend, sodass die Änderungssatzung nicht wirksam geworden ist.

Bei dem der Entscheidung des OVG NRW zugrunde liegenden Sachverhalt stand zwischen dem Eilbeschluss und dem Termin zur mündlichen Verhandlung eine Zeitspanne von 13 Tagen zur Verfügung (Eilbeschluss am 18.5.1988, Termin zur mündlichen Verhandlung am 31.5.1988), die dem OVG NRW genügte, die Voraussetzungen für eine Dringlichkeitsentscheidung zu verneinen. Vorliegend haben der Oberbürgermeister und ein weiteres Ratsmitglied am 27. April 2006 die 3. Änderungssatzung beschlossen (die Drucksache-Nr.: 00-0000 datiert sogar bereits vom 24. April 2006) und der Termin der Kammer war für den 15. Mai 2006 angesetzt. Selbst die Zeitspanne lediglich zwischen dem Beschluss am 27. April 2006 und der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2006 ist länger als die Zeitspanne, die das OVG NRW zu beurteilen hatte. Die Osterferien in Nordrhein-Westfalen endeten am 22. April 2006, fallen mithin nicht in den zu beurteilenden Zeitraum. Bei dieser Wertung bleibt des Weiteren außen vor, dass Vertreter des Beklagten bereits in der Sitzung vom 7. April 2006 Kenntnis von den Bedenken der Kammer gegen die entsprechende Satzungsregelung erhielten.

Gemäß § 1 Abs. 2 der Geschäftsordnung für den Rat der Stadt E in der Fassung vom 12. Dezember 2005 wird der Rat so rechtzeitig einberufen, dass zwischen dem Tag der Einladung und dem Tag der Sitzung 7 Tage liegen. Sogar die Einhaltung dieser Ladungsfrist dürfte möglich gewesen sein, erst recht ist aber die Möglichkeit der Sondersitzung gegeben. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung für den Rat der Stadt E kann der Oberbürgermeister in besonders dringenden Fällen die Einladungsfrist abkürzen. In diesem Zusammenhang ist zusätzlich hervorzuheben, dass es nicht um die Änderung schwieriger und komplexer Satzungsregelungen ging, die umfangreicher vorheriger Überlegung und Erörterung bedurft hätte, sondern lediglich die Definition des Einspielergebnisses war zu ändern.

Selbst wenn eine rechtzeitige Beschlussfassung durch den Rat nicht möglich gewesen wäre, muss immer zunächst geprüft werden, ob nicht der Hauptausschuss die erforderliche Entscheidung treffen kann, wobei auch für die Einberufung des Hauptausschusses gilt, dass auf die Möglichkeit einer Sondersitzung abzustellen ist. Gemäß § 21 der Geschäftsordnung für den Rat der Stadt E gilt die Geschäftsordnung des Rates auch für den Hauptausschuss. Die Beschlussvorlage zu der Dringlichkeitsentscheidung enthält keinerlei Ausführungen dazu, wieso nicht eine Sondersitzung des Hauptausschusses möglich gewesen sei.

Schließlich hat das OVG NRW in seinem Urteil vom 31. Mai 1988 - a.a.O. - auch die weitere Voraussetzung für eine Dringlichkeitsentscheidung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 AO verneint, dass sonst erhebliche Nachteile oder Gefahren für die Gemeinde entstehen könnten. Das OVG NRW hat dazu ausgeführt:

„Dabei geht der Senat davon aus, dass nicht bereits jeder geringe Nachteil ausreicht. Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 13.7.1970 .... es als ausreichend angesehen, dass die Gemeinde ein berechtigtes Interesse daran habe, einen Abgabenprozess nicht zu verlieren. Ob ein solches Interesse ausreicht, kann jedoch nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hier begründet es jedenfalls nicht die Annahme, ohne die Dringlichkeitsentscheidung drohten der Gemeinde Nachteile durch Minderung des Beitragsaufkommens. Denn nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG kann die Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten einer wirksamen Satzung entstehen."

Diese Ausführungen gelten vorliegend entsprechend, da auch die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Vergnügungssteuer erst mit dem Inkrafttreten einer gültigen Satzung entsteht. Auch in der Literatur wird ausgeführt, Dringlichkeitsbeschlüsse seien unzulässig, wenn eine Satzung rückwirkend in Kraft gesetzt werden könne,

Held/Becker/Decker/Kirchhoff/Krämer/Wansleben, a.a.O., § 60 Anm. 4.2.

Der Klage war mithin mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.