LG Münster, Urteil vom 05.05.2006 - 24 O 154/05
Fundstelle
openJur 2011, 44089
  • Rkr:
Tenor

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden

Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger als eingetragener Verein zum Zwecke der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs nimmt die Beklagte unter dem Gesichtspunkt wettbewerbswidrigen Verhaltens in Anspruch.

Er meint, die Beklagte verhalte sich wettbewerbswidrig, indem sie Milchprodukte in Einweggetränkeverpackungen vertreibe ohne für diese Verpackungen ein Pfand zu erheben und ohne an einem Rückführungssystem für gebrauchte Verpackungen beteiligt zu sein. Dieses Verhalten hält der Kläger auf der Grundlage der Verpackungsverordnung für unlauter im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Die Verpackungsverordnung enthält u.a. folgende Regelungen:

"§ 1 Abfallwirtschaftwirtschaftliche Ziele

Diese Verordnung bezweckt, die Auswirkungen von Abfällen aus Verpackungen auf die Umwelt zu vermeiden oder zu verringern.....

§ 6 Rücknahmepflichten für Verkaufsverpackungen

Abs. 1: Der Vertreiber ist verpflichtet, vom Endverbraucher gebrauchte, restentleerte Verkaufsverpackungen am Ort der Übergabe oder in dessen unmittelbarer Nähe unentgeltlich zurückzunehmen....

Abs. 3: Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 und 2 entfallen bei Verpackungen, für die sich der Hersteller oder Vertreiber an einem System beteiligt, das flächendeckend im Einzugsgebiet des nach Abs. 1 verpflichteten Vertreibers eine regelmäßige Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher oder in dessen Nähe in ausreichender Weise gewährleistet....

§ 8 Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht für Einweggetränkeverpackungen

Abs. 1: Vertreiber, die Getränke in Einweggetränkeverpackungen mit einem Füllvolumen von 0,1 Liter bis 3 Liter in Verkehr bringen, sind verpflichtet, von ihrem Abnehmer ein Pfand in Höhe von mindestens 0,25 € einschließlich Umsatzsteuer je Verpackung zu erheben....

Abs. 2: Abs. 1 findet nur Anwendung auf nicht ökologisch vorteilhafte Einweggetränkeverpackungen ..."

Die Beklagte vertreibt Milchprodukte in Einwegverpackungen wie mit den in den nachfolgenden Klageantrag zu I 1 einbezogenen Lichtbildern dargestellt. Pfandbeträge erhebt die Beklagte dabei nicht.

Mit dem durch den Klageantrag zu I 2 in Bezug genommenen Schreiben hat die Beklagte ihre Abnehmer dahingehend informiert, aus ihrer Sicht bestehe eine Pfanderhebungspflicht nicht.

Der Kläger hat die Beklagte vorprozessual abgemahnt. Mit dem Klageantrag zu II begehrt er Ersatz des durch die Abmahnung entstandenen Kostenaufwandes.

Der Kläger ist der Auffassung:

Die Beklagte verstoße gegen die in § 8 Abs. 1 VerpackungsVO normierte Pfandpflicht. Nach Sinn und Zweck der Verpackungsverordnung beziehe sich die Verpflichtung zur Pfanderhebung auch auf ökologisch vorteilhafte Einwegverpackungen.

Aus dem Verstoß gegen die Verpackungsverordnung ergebe sich auch ein wettbewerbswidriges Verhalten. Die Beklagte verschaffe sich nämlich in unlauterer Weise einen Absatzvorteil. Die Verpackungsverordnung habe neben ökologischen Zielsetzungen auch den Zweck, die Interessen der Mitbewerber zu schützen, also einen Wettbewerbsbezug.

Zur Begründung ihrer letztgenannten Auffassung bezieht sich der Kläger u.a. auf einen Beschluss des Kammergerichts vom 15.4.2005 (Az.: .........#).

Der Kläger beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Getränke in Einwegverpackungen wie nachstehend beschrieben zu vertreiben, ohne vom Abnehmer ein Pfand zu erheben;

II. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 189,00 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 2.11.2005 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung:

Wettbewerbsrechtliche Ansprüche kämen schon deshalb nicht in Betracht, da die Vorschriften der Verpackungsverordnung, wie auch das Oberlandesgericht L in einem Urteil vom 27.6.2003 (Az.: ...............) ausgeführt habe, keinen wettbewerbsrechtlichen Bezug hätten. Die Verpackungsverordnung habe vielmehr ausschließlich den Regelungszweck, den Umweltschutz zu stärken.

Die Pfanderhebungspflicht erstrecke sich zudem sowohl nach dem Wortlauf als auch nach Sinn und Zweck der Verpackungsverordnung nicht auf die durch sie, die Beklagte, in Verkehr gebrachten ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackungen. Eine andere Auslegung der Verordnung unterliege auch verfassungsrechtlichen Bedenken.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die aus dem Gesichtspunkt eines wettbewerbswidrigen Verhaltens gestellten Unterlassungsbegehren gemäß den Klageanträgen zu I 1 und I 2 sind nicht begründet. Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG bestehen zugunsten des Klägers nicht.

Dementsprechend steht dem Kläger auch ein Anspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG auf Ersatz der vorprozessualen Abmahnkosten nicht zu.

Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem Gesichtspunkt in Anspruch, diese verschaffe sich durch Rechtsbruch, nämlich Verstoß gegen die Verpackungsverordnung, in unlauterer Weise einen Wettbewerbsvorteil.

Mit der Neufassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG in der Fassung der Bekanntmachung vom 3.7.2004) hat die wettbewerbsrechtliche Verfolgbarkeit von evtl. Gesetzesverstößen jedoch eine Einschränkung erfahren.

Gemäß § 4 Nr. 11 UWG n.F. kommt ein unlauteres Verhalten eines Wettbewerbers in Betracht, wenn dieser einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Ein Gesetzesverstoß ist damit nur dann unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts relevant, wenn die verletzte Norm zumindest eine sekundäre wettbewerbsbezogene Schutzfunktion aufweist, also zumindest auch das Verhalten im Wettbewerb regeln soll. Ein Marktverhalten ist damit nicht schon dann unlauter, wenn damit Vorteile aus einem Verstoß gegen ein Gesetz ausgenutzt werden, sondern nur, wenn gerade gegen eine Norm verstoßen wird, die auch einen wettbewerbsbezogenen Regelungszweck hat. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts, alle nur denkbaren Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit Wettbewerbshandlungen auch wettbewerbsrechtlich zu sanktionieren (vgl. Baumbach/Hefermehl-Köhler, § 4 UWG Rn. 11.6).

Diese Neuregelung des UWG entspricht damit der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. So hat der Bundesgerichtshof in der grundlegenden Entscheidung vom 11.5.2000, NJW 2000, 3351 - Abgasemissionen - die Frage, ob der Vertrieb von unter Verstoß gegen Umweltvorschriften hergestellten Waren wegen der dabei erreichten Kosteneinsparungen wettbewerbswidrig sei, mit der Begründung verneint, die verletzten Vorschriften hätten nicht den Zweck, das Marktverhalten zu regeln. In nachfolgenden Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof die Erforderlichkeit eines zumindest sekundären wettbewerbsrechtlichen Schutzzwecks unterstrichen (z.B.: in NJW 2002, 2645 - Elektroarbeiten - und NJW 2003, 586 - Altautoverwertung - ).

Nach Auffassung der für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits zuständigen Kammer für Handelssachen fehlt der Regelung in § 8 Abs. 1 Verpackungsverordnung eine - auch - wettbewerbsbezogene Zielsetzung.

Die Kammer für Handelssachen folgt nicht der Auffassung des Kammergerichts C in dessen Beschluss vom 15.4.2005 (Az.: ............#), ein Verstoß gegen die Pfanderhebungspflicht gemäß § 8 Verpackungsverordnung stelle zugleich einen Wettbewerbsverstoß im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar. Sie teilt vielmehr die rechtliche Einschätzung des Oberlandesgerichts L in dessen Urteil vom 27.6.2003 (Az.: ............) zu § 6 Verpackungsverordnung, die Verpackungsverordnung verfolge allein abfallwirtschaftliche und umweltpolitische Ziele.

Die Begründung des Kammergerichts C, aus dem primären Zweck der Verpackungsverordnung, die Auswirkungen von Abfällen auf die Umwelt zu vermeiden, folge notwendigerweise der weitere, das Verhalten der Hersteller und Vertreiber von Produkten in Verpackungen auf dem Markt zu regeln, erscheint nicht überzeugend. Diese rechtliche Beurteilung findet weder in dem Wortlaut der Verpackungsverordnung noch in den Materialien zu deren Entstehung eine hinreichende Stütze.

Die Zielsetzung der Verpackungsverordnung ist in deren § 1 wie folgt beschrieben:

"Abfallwirtschaftliche Ziele

Diese Verordnung bezweckt, die Auswirkungen von Abfällen aus Verpackungen auf die Umwelt zu vermeiden oder zu verringern."

Eine auch wettbewerbsrechtliche Zielrichtung klingt in diesem Wortlaut nicht an, anders als z.B. in den Eingangsvorschriften des Postgesetzes und des Telekommunikationsgesetzes.

So lautet § 1 des Postgesetzes:

"Zweck dieses Gesetzes ist es, durch Regulierung im Bereich des Postwesens den Wettbewerb zu fördern und flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten."

In § 1 des Telekommunikationsgesetzes heißt es:

"Zweck dieses Gesetzes ist es, durch eine technologieneutrale Regulierung den Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation und leistungsfähige Telekommunikationsinfrastrukturen zu fördern....".

Die Regelung in § 8 der Verpackungsverordnung ist durch die von der Bundesregierung am 12.1.2005 beschlossene Dritte Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung eingefügt worden. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass dieser Verordnung ist § 24 Abs. 1 Nr. 2 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz verfolgt ausschließlich abfallwirtschaftliche und umweltpolitische, nicht wettbewerbsbezogene, Ziele.

Die Zweckrichtung der dritten Änderungsverordnung zur Verpackungsverordnung ist zudem in der Begründung der Bundesregierung (Bundestags-Drucksache 15/4107 vom 3.11.2004) wie folgt beschrieben:

"Ziel der Änderungsverordnung ist eine Begrenzung und Vereinfachung der Pfandregelung sowie deren Anpassung an neue Erkenntnisse aus Ökobilanz-Untersuchungen."

Greifbare Anhaltspunkte für eine auch wettbewerbsregelnde Zielsetzung der Verpackungsverordnung bestehen damit nicht. Zwangsläufige Auswirkungen der Verordnung auf den Wettbewerb stellen sich damit lediglich als reflexartig dar. Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche werden dadurch nicht begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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