AG Plettenberg, Urteil vom 03.11.2006 - 1 C 345/05
Fundstelle
openJur 2011, 43717
  • Rkr:
Tenor

1.

Die Klage wird abgewiesen.

2.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4.

Der Streitwert wird auf bis zu 2.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Am 16.10.2004 zog die Versicherungsnehmerin der Klägerin, Frau , um.

Dabei waren ihr der Beklagte, der sich bei seinem Arbeitgeber hierfür einen LKW geliehen hatte, und noch fünf weitere Personen behilflich.

Die Helfer bekamen keine finanzielle Vergütung oder ähnliches für ihre Mitarbeit. Ihnen wurden nur Brötchen und Getränke zur Verfügung gestellt.

An der zur Straße gelegenen Seite des Umzugs-LKW wurden während der Arbeiten seitens der Helfer Schrankbretter angelehnt, um diese später einzuladen. Die Schrankbretter wurden auf ihre Standsicherheit hin überprüft.

Als ein Dritter, namentlich Herr , mit seinem Kfz in Schrittgeschwindigkeit und ohne Berührung des LKW diesen passierte, fielen die angelehnten Bretter auf sein Kraftfahrzeug.

Die Mitarbeit der Helfer beim Umzug erfolgte aus Gefälligkeit. Gespräche über einen etwaigen Haftungsausschluss bezüglich der Umzugsleistung und den damit verbundenen Arbeiten wurde zwischen den Umzugshelfern und der Versicherungsnehmerin Frau nicht geführt. Bei einem anderen Schaden, der während des Umzugs am Umzugsgut entstand, wurde kein Regress beim Verursacher genommen.

Zwischen der Klägerin und der Frau besteht / bestand ein Privathaftpflichtversicherungsvertrag.

Die Klägerin wurde von dem Dritten, Herrn , dem unstreitig ein Gesamtschaden in Höhe von 3.216,09 EUR entstanden ist, in Anspruch genommen. Die Klägerin kehrte den vorgenannten Betrag an den Dritten aus.

Die Klägerin behauptet, der Schaden an dem Kraftfahrzeug des Dritten, Herrn , sei sowohl durch die Versicherungsnehmerin Frau als auch dem Beklagten gemeinsam verursacht worden. Die Bretter seien durch beide an den LKW angelehnt worden, beiden sei insoweit ein Fahrlässigkeitsschuldvorwurf zu machen.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte müsse auch bei leichter Fahrlässigkeit haften. Es müsse ferner zwischen einem etwaigen Eigenschaden von Frau und einem solchen Schaden, der einem unbeteiligten Dritten gegenüber entsteht, differenziert werden. Bezüglich letzterem bestehe eine Haftung von Frau und dem Beklagten bei jeder Fahrlässigkeit. Dies führe zu einer gesamtschuldnerischen Haftung von Frau und dem Beklagten, wobei der auf den Beklagten anfallende Anteil mit 50 % dem Grunde nach zu beziffern sei. Der Anspruch aus diesem Gesamtschuldnerverhältnis nebst Gesamtschuldnerausgleich der Frau gegenüber dem Beklagten sei auf die Klägerin als Privathaftpflichtversicherer gem. § 67 VVG übergegangen.

Die Klägerin beantragt aus übegegangenem Recht,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.608,05 EUR, sowie 5,00 EUR

vorgerichtliche Mahnkosten und 4 % Jahreszinsen seit dem 25.05.2005

aus 1.608,05 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die Bretter seien auch durch die anderen Helfer an den Umzugswagen angelehnt worden.

Er meint, die Hilfe des Beklagten erfolgte ferner allein aufgrund eines Gefälligkeitsverhältnisses. Er übernahm dabei keine rechtsgeschäftliche Verpflichtung bezüglich der Umzugsleistung. Die weisungsführende Organisation und Beaufsichtigung lag letztlich bei Frau . Der Beklagte meint schließlich, dass er keine selbständige Verantwortung übernommen habe, sondern lediglich ausführend und untergeordnet tätig gewesen sei.

Er ist der Ansicht, dass für ihn insoweit eine Haftungserleichterung eingreife, wonach er bei leichter Fahrlässigkeit nicht hafte. Somit käme eine gesamtschuldnerische Haftung und ein Gesamtschuldnerausgleich im Innenverhältnis mit Frau bzw. der Klägerin nicht in Betracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens beider Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 18.11.2005, in der der Beklagte informatorisch befragt worden ist, verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Sie unterliegt der Abweisung.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 1.608,05 EUR anteilige Schadensregulierungskosten, 5,00 EUR vorgerichtliche Mahnkosten und 4 % Jahreszinsen aus 1.608,05 EUR seit dem 25.05.2005 gegen den Beklagten im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleichs gem. § 426 BGB, da ein solcher Anspruch, unabhängig von der Frage des Übergangs gem. § 67 VVG, dem Grunde nach nicht besteht.

Grundsätzlich hat es sich bei Frau und dem Beklagten, und zudem auch bei den weiteren fünf Umzugshelfern, zunächst um Gesamtschuldner im Sinne von § 421 BGB gehandelt. Sie sind nämlich dem geschädigten Dritten, Herrn , gegenüber nach §§ 840 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz

verpflichtet und so kraft Gesetzes Gesamtschuldner (vgl. Palandt, BGB, § 421 RNr. 2).

Dem Dritten, Herrn , sind die an dem Umzugs-LKW angelehnten Schrankbretter, die dort unter anderem vom Beklagten und Frau jedenfalls in organisatorischer Verantwortung angelehnt worden sind, auf sein Kfz gefallen, wodurch ihm ein Schaden in Höhe von 3.216,09 EUR unstreitig entstanden ist.

Es lag seitens der Umzugshelfenden, und demnach auch seitens des Beklagten, einfache Fahrlässigkeit vor. Sie haben die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht im besonders schweren Maße verletzt, in dem sie die Schrankbretter an der zur Straße gewandten Seite des Umzugs-LKW gestellt haben.

Der geschädigte Dritte hat sich Frau als Verantwortliche heraus genommen und von ihr Ersatz seines Schadens verlangt. Die Klägerin, als Privathaftpflichtversicherer der Frau , hat den gesamten Schaden des Herrn ersetzt.

In rechtlicher Hinsicht ist streng zwischen dem Innenverhältnis zwischen dem Beklagten und Frau bzw. der Klägerin, und dem Außenverhältnis zwischen dem Beklagten bzw. der Frau und dem geschädigten Dritten zu differenzieren.

Streitgegenständlich verlangt die Klägerin hier einen Gesamtschuldnerausgleich, demnach ein Ausgleich im Innenverhältnis. Wenn, dann müsste ein solcher auch mit den anderen Umzugshelfern, und nicht nur mit dem Beklagten, erfolgen. Dies kann letztlich jedoch offen bleiben, denn im vorliegenden Fall findet ein Gesamtschuldnerausgleich zwischen den Umzugshelfern untereinander und im Verhältnis zu Frau nicht statt. Es ist vorliegend bezüglich eines Gesamtschuldnerausgleiches bzw. von Regressmöglichkeiten der Frau von einer stillschweigenden Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit auszugehen (vgl. Palandt, BGB, § 276 RNr. 41). Diese stillschweigende Haftungsbeschränkung wirkt auch gegenüber der Klägerin, die sich auf ein abgetretenes Recht beruft.

Ausdrücklich ist zwar über eine Haftungsbeschränkung bei einer etwaigen Schadensverursachung durch Helfer bei den Umzugsarbeiten nicht gesprochen worden.

Der Beklagte und die anderen Umzugshelfer haben jedoch Frau bei ihrem Umzug im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses geholfen. Keiner von ihnen hat eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung bezüglich der Umzugsleistung übernommen, geschweige denn übernehmen wollen. Bei lebensnaher Betrachtung und zur Überzeugung des Amtsgerichts hat dies Frau auch von keinem der Helfenden verlangt, denn weder der Beklagte, noch die fünf weiteren Helfer haben etwas für ihre Mithilfe beim Umzug erhalten. Es wurden ihnen lediglich Brötchen und Getränke seitens Frau zur Verfügung gestellt.

Eine Hilfeleistung aufgrund reiner Gefälligkeit wäre nicht mehr möglich, wenn jeder Helfer die möglicherweise entstehenden Schäden aufgrund auch nur einfacher Fahrlässigkeit selbst gegenüber dem zu Helfenden ersetzen müsste, sofern dieser von Dritten oder wegen eines Eigenschadens in Anspruch genommen wird. Dies würde dazu führen, dass derartige Hilfeleistungen in Zukunft nur noch gegen Entgelt durch professionelle Helfer erfolgen könnten.

Auch die Helfer und der Beklagte selbst sind, wie sich in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Amtsgerichts aufgrund der informatorischen Befragung herausgestellt hat, vorliegend davon ausgegangen, dass für sie eine Haftung aus einfacher Fahrlässigkeit bei Arbeiten im Zusammenhang mit dem Umzug ausgeschlossen ist.

Eine solche Wertung lässt sich auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB herleiten. Denn wäre man im Falle einer Umzugshilfe dazu verpflichtet, entstehende Schäden aufgrund nur einfacher Fahrlässigkeit zu ersetzen, so würde sich wohl niemand mehr mit einer solchen oder ähnlichen unentgeltlichen Hilfeleistung tatsächlich einverstanden erklären.

Für eine Haftungsminderung der Umzugshelfer, mithin auch bei dem Beklagten, spricht zudem, dass auch bei den anderen Schäden, die während des Umzugs entstanden sind, kein Regress bei den Verursachern genommen wurde.

Im Innenverhältnis findet mithin ein Schadensausgleich in Richtung der Helfer nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit statt.

Anders verhält es sich jedoch im Außenverhältnis zu dem geschädigten Dritten, Herrn . Dieser hätte sehr wohl nach allgemeinen Vorschriften einen Anspruch gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB, ferner gegenüber den anderen Mithelfenden. Ihm gegenüber würde nicht die im Innenverhältnis zwischen den Umzugshelfern stillschweigend vereinbarte Haftungsmilderung eingreifen, wenn er sich wegen seines Schadens direkt an den Beklagten gewandt hätte. Dem Dritten Herrn hätte es wegen des Gesamtschuldverhältnisses freigestanden, welchen Schuldner er zur Regulierung seines Schadens in Anspruch nimmt. Ob und inwieweit der Beklagte bzw. die anderen Mithelfenden dann selber gegenüber der Frau als der Person, für die der Umzug und die Hilfeleistungen durchgeführt wurden, in Höhe ihrer Inanspruchnahme durch den Dritten einen Freistellungs- bzw. Erstattungsanspruch haben, soweit ihr eigenes Verhalten nicht über leichte Fahrlässigkeit hinausgegangen ist, ist bei dem vorliegenden reinen Gefälligkeitsverhältnis wohl zu bejahen, hier jedoch letztlich nicht zu entscheiden.

Abzustellen ist danach für den Rechtsstreit nicht auf das Außenverhältnis zum Dritten, sondern allein auf das Innenverhältnis der Gesamtschuldner, wonach wegen der stillschweigend vereinbarten Haftungsmilderung aus oben gesagten Gründen kein Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB in Richtung der Umzugshelfer in Betracht kommt.

Letztlich unterliegt die Klage damit der Abweisung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung ergeht gem. §§ 3 ZPO, 48 GKG

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