OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.06.2006 - 1 B 195/06
Fundstelle
openJur 2011, 43710
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 15 L 1305/05
Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Der im Beschwerdeverfahren weiterverfolgte Antrag,

den angefochtenen Beschluss zu ändern und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Position des Referatsleiters Ref. 00.00.00 im Bundesministerium für Bildung und Forschung mit dem Mitbewerber X. zu besetzen, solange nicht über den Widerspruch des Antragstellers gegen seine Nichtberücksichtigung im Auswahlverfahren bestandskräftig entschieden ist,

ist nicht begründet. Der Antragsteller hat mit seinem Beschwerdevorbringen, das die maßgebliche Entscheidungsgrundlage für die erstrebte Änderung des Beschlussausspruches darstellt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Zwar leidet die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin - gerade mit Blick auf den Antragsteller - an einem Rechtsfehler; dieser führt jedoch vorliegend nicht auf eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers.

Das Verwaltungsgericht hat - soweit es die im Beschwerdeverfahren noch streitigen Punkte anlangt - eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers verneint, weil die Auswahlentscheidung am Grundsatz der Bestenauslese ausgerichtet sei. Der ausgewählte Konkurrent (Regierungsdirektor X. ) sei nach seiner Anlassbeurteilung (Gesamturteil AA+) besser beurteilt als der Antragsteller in seiner letzten Regelbeurteilung (Gesamturteil AA). Die Beurteilungen seien hinreichend aktuell. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass für den Konkurrenten eine Anlassbeurteilung angefertigt worden sei; dafür liege aufgrund der Kürze der Tätigkeit im Bundesministerium ein sachlicher Grund entsprechend Abschnitt II Nr. 5 der einschlägigen Beurteilungsrichtlinien vor. Ebenso wenig sei die Unterschiedlichkeit der Beurteilungszeiträume (beim Antragsteller: 1. März 2000 bis 31. Januar 2004, bei seinem Konkurrenten: 1. Juli 2003 bis 28. Februar 2005) rechtlich zu beanstanden. Zwar bedürfe es nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats bei nicht hinreichend vergleichbaren Beurteilungszeiträumen grundsätzlich der Heranziehung und Mitberücksichtigung weiterer Erkenntnisgrundlagen; dies könne aber aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität nicht uneingeschränkt gelten. Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände und da Prüfungsgegenstand nicht die dienstliche Beurteilung, sondern der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers sei, lasse sich im konkreten Fall eine Verletzung des Leistungsgrundsatzes nicht feststellen. Die Unterschiedlichkeit der Beurteilungszeiträume sei nämlich durch Besonderheiten gerechtfertigt. Was den Beginn der Zeiträume angehe, habe der ausgewählte Konkurrent, anders als der Antragsteller, wegen des Zeitpunktes seiner Rückkehr von der Abordnung an die Deutsche Botschaft in X1. zum maßgeblichen Stichtag nicht von den nunmehr zuständigen Beurteilern beurteilt werden können. Die Differenz der Endzeiträume um fast ein Jahr erkläre sich aus der Tatsache, dass es sich beim Antragsteller um eine Regel-, beim Konkurrenten aber um eine Anlassbeurteilung handele. Die Einholung einer zusätzlichen Anlassbeurteilung für den Antragsteller, die den restlichen Zeitraum abdecke, sei in den Beurteilungsrichtlinien nicht vorgesehen und nicht erforderlich. Im Übrigen führe nicht jeder Fehler zu einer Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs; das gelte auch bei Unterschiedlichkeit der Beurteilungszeiträume. Im Falle des Antragstellers fehle es an jedem substanziierten Vortrag dazu, inwieweit sich die unterschiedlich langen Beurteilungszeiträume für ihn nachteilig ausgewirkt hätten. Das sei auch nicht erkennbar: Dem Konkurrenten sei gegenüber der früheren Tätigkeit von der Antragsgegnerin keine deutliche Leistungssteigerung bescheinigt worden, und der Antragsteller habe nicht substanziiert vorgetragen, dass sich seine Leistungen in letzter Zeit bzw. im nicht beurteilten Zeitraum wesentlich verbessert hätten.

Was der Antragsteller hiergegen im Beschwerdeverfahren einwendet, ist durchaus geeignet, einen Rechtsfehler zu seinen Lasten darzutun - auch wenn der Vortrag das volle Ausmaß des Fehlers und dessen unten zu behandelnden, entscheidenden Kern verfehlt. Im Ansatz trifft es aber zu und ist vom Verwaltungsgericht auch so gesehen worden, dass der verfassungsrechtlich gebotene Leistungsvergleich zwischen Bewerbern um ein Beförderungsamt auf der Grundlage aktueller und weitestmöglich vergleichbarer dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen hat. Dabei ergibt sich allein aus der Art der Beurteilung als Regel- oder Anlassbeurteilung noch keine Einschränkung der Vergleichbarkeit. Die Anlassbeurteilung ist vielmehr unverzichtbar, um gerade bei dem praktisch häufigen Fehlen aktueller oder vergleichbarer Regelbeurteilungen eine Vergleichbarkeit der Bewerber hinsichtlich Leistung wie Eignung herzustellen.

Vgl. Schnellenbach, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, 3. Auflage (Loseblatt-Kommentar), Rn. 225 ff. m.w.N.

Anderenfalls würde man demjenigen Mitbewerber, der über keine vergleichbare Regelbeurteilung verfügt, die Chance, in einem Besetzungsverfahren als aktuell "Bester" ausgewählt zu werden, aus rein formalen Gründen verschließen. Das wäre mit der Verpflichtung der auswählenden Stelle auf die materiellen Kriterien der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG und mit den damit korrespondierenden subjektiven Rechten der Bewerber nicht vereinbar.

Rechtlich bedenklich ist hier allerdings die - beachtliche - Unterschiedlichkeit der Beurteilungszeiträume, wenngleich im Verhältnis von Regel- und Anlassbeurteilungen insofern nicht dieselben strengen Anforderungen an die Vergleichbarkeit zu stellen sind, wie sie für Regelbeurteilungen entwickelt worden sind. Namentlich die auch vom Antragsteller erhobene Forderung, dass die nötige höchstmögliche Vergleichbarkeit der (Regel-)Beurteilungen grundsätzlich nur dann gewährleistet ist, wenn auch die Beurteilungsstichtage und die erfassten Beurteilungszeiträume formal gleich sind,

vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2001 - 2 C 41.00 -, DÖD 2002, 99 = ZBR 2002, 211 m.w.N.; zur gebotenen Einheitlichkeit des Beurteilungsmaßstabs und der Gleichbehandlung auch bereits BVerwG, Urteil vom 2. März 2000 - 2 C 7.99 -, RiA 2000, 283 = DÖD 2001, 38; ferner Beschluss des Senats vom 16. Dezember 2004 - 1 B 1576/04 -, IÖD 2005, 230,

lässt sich auf Anlassbeurteilungen nicht übertragen, weder im Verhältnis zueinander noch im Verhältnis zu Regelbeurteilungen. Diese Forderung stieße schon an praktische Grenzen und würde die andersgelagerte Funktion von Anlassbeurteilungen vernachlässigen. Diese sollen lediglich einen aktuellen Leistungsvergleich ermöglichen, wo dieser anders nicht herzustellen ist, und darüber hinaus Aussagen zur Eignung bezogen auf das konkret angestrebte Amt enthalten. Von daher ist die Aussagekraft von Anlassbeurteilungen grundsätzlich auf den Anlass und den von ihr erfassten Zeitraum beschränkt und verändert nicht die an eine nachfolgende Regelbeurteilung gestellten Anforderungen. Demgegenüber soll die Regelbeurteilung für alle Beamten gleichmäßig die zu beurteilenden Merkmale nicht nur punktuell, sondern in ihrer zeitlichen Entwicklung und unabhängig von einer konkreten Verwendungsentscheidung erfassen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2001, a.a.O. (Juris Rn. 17).

Hierdurch bedingt dürfen Abstriche gemacht werden, was die Übereinstimmung der Beurteilungszeiträume angeht, sofern dies ausschließlich der Wahrung der Aktualität des Qualifikationsvergleichs, also der Gleichbehandlung der Bewerber, dient. Die Einholung - auch gebotener - Anlassbeurteilungen darf indes nicht dazu führen, dass einem der Bewerber ein nicht nur marginaler Aktualitätsvorsprung zuwächst. In einem solchen Fall ist der Dienstherr gehalten, die resultierenden Erkenntnisdefizite bei den übrigen Bewerbern auszugleichen und die Vergleichbarkeit sämtlicher dienstlichen Beurteilungen herzustellen. Es gilt hier nichts anderes als in sonstigen Fällen, in denen die Aussagekraft der aktuellen Regelbeurteilungen unter dem Aspekt ihrer Vergleichbarkeit nicht voll gewährleistet ist. Dem können Gründe der Praktikabilität nicht entgegengehalten werden, zumal derlei Gründe im konkreten Fall wegen des überschaubaren Bewerberkreises faktisch nicht hätten zum Tragen kommen können.

Schon nach diesen Grundsätzen waren im Falle des Antragstellers Maßnahmen geboten, um die Erkenntnisse über die Leistungen des Antragstellers aus dessen letzter Regelbeurteilung zu aktualisieren. Nicht nur, dass sich die Zeiträume der Beurteilungen des Antragstellers und seines Konkurrenten erheblich überschnitten, und zwar betreffend ihren Anfang wie ihr Ende; es wurden zudem auch verschieden lange Zeitspannen abgedeckt, im Falle des Antragstellers fast 4 Jahre (47 Monate), bei seinem Konkurrenten hingegen keine 2 Jahre (20 Monate). Dabei fehlten gerade beim Antragsteller die besonders interessierenden Aussagen über die Leistungen in der jüngsten Zeit vor der Auswahlentscheidung. Dies beklagt der Antragsteller zu Recht. Denn insgesamt erweisen sich die Unterschiede nicht nur als vernachlässigbar, sondern betreffen seinen Anspruch auf formale Gleichbehandlung in beachtlicher Weise.

An der Notwendigkeit einer Aktualisierung ändert nichts, dass die (ältere) Regelbeurteilung des Antragstellers im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung für sich betrachtet noch aktuell war, was für die Beurteilung des Antragstellers mit Blick auf den Beurteilungsrhythmus von zwei Jahren (Abschnitt II Nr. 1 a sowie Fußnote 4 der "Dienstvereinbarung [DV] Beurteilung" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom Februar 2004) unter dem rein zeitlichen Aspekt anzunehmen ist. Im Verhältnis zu einer deutlich aktuelleren Anlassbeurteilung eines Mitbewerbers kann diese Aktualität indessen nicht ausreichen, um die Vergleichbarkeit im konkreten Falle zu gewährleisten. Die Vergleichbarkeit ist nämlich stets innerhalb des konkreten Bewerberfeldes herzustellen. Daran fehlt es hier gerade im Verhältnis zu dem ausgewählten Konkurrenten. Die Antragsgegnerin hatte allein deshalb Anlass, sich des aktuellen Leistungsstandes des Antragstellers in formeller Weise zu vergewissern, und zwar unabhängig davon, ob konkrete Anhaltspunkte für eine Leistungssteigerung des Antragstellers vorlagen (was ebenfalls die Notwendigkeit einer Aktualisierung nach sich ziehen würde). Diese Vergewisserung und Aktualisierung musste - mit Blick auf die vorstehenden Grundsätze - zwar nicht zwingend in Form einer Anlassbeurteilung (auch) über den Antragsteller erfolgen, die den Zeitraum nach dem letzten Beurteilungsstichtag (31. Januar 2004) abdeckte. Es bedurfte aber tauglicher und nachvollziehbarer Grundlagen für einen Bewerbervergleich, etwa in Gestalt von Beurteilungsbeiträgen der zuständigen Beurteiler. Die Antragsgegnerin hat indes bis in das Beschwerdeverfahren hinein derart "handfeste", nachprüfbare Aussagen der Beurteiler nicht in das Verfahren eingeführt, und zwar trotz der ausdrücklichen Hinweise des Antragstellers auf eine aus seiner Sicht gegebene positive Leistungsentwicklung. Die abweichende Sicht des Verwaltungsgerichts (Beschlussabdruck S. 8 f.) verschiebt die Problematik auf die Frage der Fehlerkausalität für die Auswahlentscheidung, also auf eine Ebene, die grundsätzlich erst nach der Feststellung eines Beurteilungsfehlers betreten werden darf.

Abgesehen von den vorstehenden Erwägungen ist die Auswahlentscheidung zwischen dem Antragsteller und seinem Konkurrenten aber vor allem deshalb fehlerhaft, weil beide auf der Grundlage der herangezogenen Beurteilungen - unabhängig von ihrer Art - jedenfalls so wie geschehen nicht miteinander verglichen werden durften: Die Regelbeurteilung des Antragstellers ist noch aus dem Amt eines Oberregierungsrates (BesGr A 14 BBesO) erfolgt, die Anlassbeurteilung seines Konkurrenten hingegen bereits aus dem Amt des Regierungsdirektors (BesGr A 15 BBesO). Der Antragsteller ist demgegenüber erst am 31. August 2004, also nach dem Stichtag der für ihn als maßgeblich zugrunde gelegten Regelbeurteilung, zum Regierungsdirektor ernannt worden. Schon von daher war, weil die nächste Regelbeurteilung erst zum 31. Mai 2006 anstand (vgl. Abschnitt II Nr. 1 a und Fußnote 2 der DV Beurteilung), infolge der Bewerbung des Antragstellers um die fragliche Stelle die Einholung einer Anlassbeurteilung unabdingbar, auch wenn die Beurteilungsrichtlinien (vgl. Abschnitt II Nr. 2 der DV Beurteilung) dies nicht klar hervorheben. Infolge der Beförderung des Antragstellers war die Antragsgegnerin nicht mehr in der Lage, auf der Grundlage der Regelbeurteilung des Antragstellers aus dem Jahre 2004 einen Bewerbervergleich mit Regierungsdirektoren vorzunehmen, der dem aktuellen Leistungsstand sämtlicher Konkurrenten mindestens noch einigermaßen gerecht werden konnte.

Vgl. Schnellenbach, a.a.O. Rn. 246; ders., NWVBl. 1987, 7, 9; OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2001 - 1 B 704/01 -, NVwZ-RR 2002, 594 (Leitsatz 3 und S. 596) m.w.N.

Da sich die dienstlichen Anforderungen hergebrachterweise mit Blick auf das innegehabte Amt im statusrechtlichen Sinne bestimmen und hiervon ausgehend (in aller Regel) ihrerseits steigen, sobald der Beamte in ein höherwertiges Amt befördert wird, vermag eine aus dem früheren Amt erstellte Beurteilung das Leistungsbild im höherwertigen Amt nicht mehr widerzuspiegeln. Das führt zur grundsätzlichen Unbrauchbarkeit dieser Beurteilung für den Vergleich der aktuellen Leistungen von Mitbewerbern. Erst bei einem aktuellen Leistungsgleichstand von Bewerbern - festgestellt auf der Grundlage von Beurteilungen aus dem innegehabten Amt - mag die frühere Beurteilung noch Bedeutung für die Auswahlentscheidung behalten.

Vgl. dazu Senatsbeschluss vom 5. Mai 2006 - 1 B 41/06 -.

An der Erstellung einer Anlassbeurteilung war die Antragsgegnerin nicht deshalb gehindert, weil sich der Antragsteller im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung noch keine 12 Monate im Amt eines Regierungsdirektors befand. Angesichts der zu erfüllenden verfassungsrechtlichen Vorgaben kann vielmehr Abschnitt II Nr. 2 Satz 2 Buchst. b) der DV Beurteilung für Fälle der vorliegenden Art nur dahin verstanden werden, dass die dienstlichen Verhältnisse des Antragstellers eine Anlassbeurteilung "zwingend erforderten".

Die aus der Beförderung resultierende Notwendigkeit der Anfertigung einer Anlassbeurteilung über den Antragsteller ist von sämtlichen Beteiligten allem Anschein nach bisher vollkommen übersehen worden, wohl weil der Antragsteller bei seiner Bewerbung schon Regierungsdirektor war. Um tragfähige Aussagen zum aktuellen Leistungsstand im Amt des Antragstellers als Regierungsdirektor hat sich die Antragsgegnerin demgemäß bislang nicht bemüht.

Dieser eklatante Fehler der Auswahlentscheidung führt hier gleichwohl ausnahmsweise nicht auf eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers. Dabei darf hier nicht auf den Grundsatz vom höheren Gewicht des in einem höheren Statusamt erzielten (mit derjenigen des Konkurrenten gleichlautenden) Gesamturteils des Konkurrenten,

dazu vgl. Senatsbeschluss vom 21. November 2005 - 1 B 1202/05 -,

zurückgegriffen werden. Denn dies würde zu dem gerade unzulässigen direkten Vergleich der Bewerber auf veralteter Grundlage führen, wie ihn auch die Antragsgegnerin vorgenommen hat. Indes ist nach der Rechtsprechung des Senats, auf die im angefochtenen Beschluss (amtlicher Abdruck S. 8 f.) zutreffend hingewiesen worden ist, eine Prüfung der Fehlerkausalität geboten: Über die Feststellung eines Fehlers der Auswahlentscheidung hinaus ist für das gerichtliche Eingreifen im Wege der einstweiligen Anordnung erforderlich, dass die Aussichten des Betroffenen, in einem neuen, rechtmäßigen Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, zumindest "offen" sind, seine Auswahl also möglich erscheint.

Vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2005 - 1 B 306/05 - (Beschlussabdruck S. 6), vom 20. Oktober 2005 - 1 B 1388/05 - (Beschlussabdruck S. 8), vom 16. Dezember 2004 - 1 B 1576/04 -, a.a.O.

Diese Prognose lässt sich im Hinblick auf den Antragsteller nicht treffen. Es kann vielmehr mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass er bei Vermeidung des letztgenannten Fehlers - die eine Vermeidung des erstgenannten einschlösse - im Verhältnis zu seinem Konkurrenten in einem fehlerfreien neuen Auswahlverfahren ausgewählt werden würde. Insofern lässt sich sogar unterstellen, dass der Antragsteller bei einer Neubeurteilung wie der Konkurrent das Leistungsgesamturteil AA+ erhalten würde, was freilich nicht nur für sich betrachtet unwahrscheinlich ist, sondern vor allem auch von der Substanz der im Beschwerdeverfahren mitgeteilten Selbsteinschätzung des Antragstellers nicht getragen wird. Denn es ist zu beachten, dass die Anforderungen, wie schon gesagt, in dem höherwertigen Amt steigen, sodass die vom Antragsteller behauptete Leistungssteigerung voraussichtlich lediglich ausreichen dürfte, das ihm im bisherigen Amt zugestandene Gesamturteil AA im neuen Amt beizubehalten; damit aber wäre er leistungsschwächer als der ausgewählte Mitbewerber, was seine Auswahl zwingend ausschlösse.

Entscheidend für die negative Auswahlprognose ist aber, dass der Konkurrent im Hinblick auf seine größere Eignung bevorzugt worden ist. Dem hat der Antragsteller weder im erstinstanzlichen Verfahren etwas von Gewicht entgegengesetzt noch befasst er sich in seinem Beschwerdevorbringen hinreichend mit diesem Aspekt, obwohl dazu angesichts der Ausführungen im angefochtenen Beschluss zum Auswahlgespräch (amtlicher Abdruck S. 11 f.) Anlass bestanden hätte.

Was die Eignungsprognose anlangt, hat die Antragsgegnerin wesentlich auf die größere, insbesondere auch internationale Erfahrung des Konkurrenten abgestellt, die für die angestrebte Referatsleitung aus inhaltlichen Gründen von überragender Bedeutung sei. Dieses Bild hat der Konkurrent im Auswahlgespräch bestätigt. Vergleichbares vorweisen zu können hat der Antragsteller nicht behauptet, ist aber aus den vorliegenden Unterlagen auch nicht ersichtlich.

Der Antragsteller stellt zutreffend nicht grundsätzlich in Frage, dass strukturierte Bewerber- oder Auswahlgespräche, wie sie hier geführt wurden, jedenfalls ergänzend zu vorher eingeholten dienstlichen Beurteilungen ein prinzipiell taugliches Mittel darstellen, um dem Dienstherrn bei der Vorbereitung einer Besetzungs- bzw. Auswahlentscheidung zusätzliche Erkenntnisse über die Eignung der Bewerber für eine bestimmte Tätigkeit oder Funktion zu vermitteln. Solchen Gesprächen kann insbesondere dann eine ggf. auch ausschlaggebende Bedeutung zukommen, wenn - wie vorliegend unterstellt - das Ergebnis der (einzuholenden) Anlassbeurteilungen im Wesentlichen einen Qualifikationsgleichstand ausweist.

Vgl. Beschlüsse des Senats vom 19. Januar 2006 - 1 B 1587/05 -, amtlicher Abdruck S. 4, vom 13. Mai 2004 - 1 B 300/04 -, RiA 2005, 37 = NVwZ-RR 2004, 771, und vom 19. Dezember 2003 - 1 B 1972/03 -.

Die erstinstanzlichen Einwände gegen das Auswahlgespräch sind im angefochtenen Beschluss (amtlicher Abdruck S. 12) eingehend und zutreffend behandelt worden. Der Antragsteller hat dies mit seinem Beschwerdevorbringen nicht aufgegriffen, sodass keine Veranlassung besteht, hierauf vertiefend zurückzukommen. Die Bedenken des Antragstellers erscheinen auch aus der Sicht des Senats als unbegründet; namentlich für den Vorwurf der Voreingenommenheit infolge einer verfrühten Festlegung des gesprächsführenden UL O auf einen Mitbewerber - was sich objektiv feststellen lassen müsste - bieten die vom Antragsteller genannten Gesichtspunkte in Würdigung des Akteninhalts keine genügende Tatsachengrundlage. Damit ist vorliegend zugrunde zu legen, dass der Antragsteller im Auswahlgespräch einen sehr guten, gegenüber dem jetzt ausgewählten Mitbewerber jedoch abfallenden Eindruck hinterlassen hat und im Hinblick auf seine geringere Eignung hinter dem ausgewählten Konkurrenten zurückstehen muss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.