AG Bonn, Urteil vom 07.07.2006 - 18 C 132/06
Fundstelle
openJur 2011, 43524
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfügungsverfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tra-gen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung durch die Verfügungsbeklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Verfügungsbeklagte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin hat von der B AG mit Mietvertrag vom 19.03.2004 eine Wohnung in einem Komplex in C gemietet. Die Wohneinheit befindet sich in einem Einfamilienhaus auf der Rückseite des Komplexes, in welche sich auch Büros bzw. Geschäftseinheiten befinden. Die Verfügungsklägerin wohnt dort mit einem 18 Monate alten Kind. Die Firma B AG befindet sich gegenüber der Verfügungsbeklagten aufgrund Stromverbrauches in einem Rückstand von ca. Euro 13.000. Die Verfügungsklägerin sowie weitere Mieter haben angeboten, die Rückstände der B AG im Rahmen ihrer monatlichen Mietzinszahlungen sowie auch der Nebenkostenvorauszahlungen zu tilgen. Die Verfügungsbeklagte ist auf dieses Angebot nicht eingegangen. Unter dem 10.01.2006 hat die Verfügungsbeklagte sodann die Wasserzufuhr zu dem Objekt aufgrund der bestehenden Rückstände gesperrt. Bei einer Kontrolle am 17.01.2006 ist sodann festgestellt worden, dass der Anschluss geöffnet worden war. Dieser wurde daraufhin zuzementiert. Am 06.04.2006 stellt die Verfügungsbeklagte fest, dass der Zement wohl entfernt, die Wasserlieferung wiederhergestellt und der Wasseranschluss sodann von dem Betreffenden wieder zuzementiert worden ist. Unter dem 19.04.2006 veranlasste die Verfügungsbeklagte die Verschweißung des Anschlusses. Am 07.06.2006 wurde erneut eine Kontrolle durchgeführt, bei welcher festgestellt worden ist, dass der Anschluss erneut, obwohl er zugeschweißt worden war, wieder geöffnet worden ist.

Im Jahre 2005 hat die Verfügungsklägerin vor dem Amtsgericht Bonn den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, der im wesentlichen gleichlautend mit dem jetzigen Antrag war (13 C 406/05), Antragsgegnerin waren jedoch die T C GmbH nicht die jetzige Verfügungsbeklagte. Der Antrag ist dann im Dezember 2005 zurückgenommen worden.

Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, bei der Einstellung der Wasserzufuhr handele es sich um eine verbotene Eigenmacht der Verfügungsbeklagten. Zudem seien ihre Forderungen unverhältnismäßig und rechtswidrig. Sie könne ihr Zurückbehaltungsrecht aufgrund von Stromforderungen nicht gegenüber der Wasserlieferung geltend machen, zudem habe die Verfügungsklägerin sowie weitere Mieter sich bereiterklärt, die rückständigen Stromkosten zu übernehmen. Auch sei die Einstellung der Wasserzufuhr für die Verfügungsklägerin unzumutbar, da sie nicht in der Lage sie, ihr Kind angemessen zu versorgen.

Sie beantragt daher,

der Verfügungsbeklagten aufzugeben, es zur Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu einem Betrag von Euro 100.000 es zu unterlassen, der Antragsstellerin die Wasserversorgung für die Verbrauchsstelle B-Allee ..., ......1 C einzustellen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass ihre Wassersperre rechtmäßig sei und zudem eine Eilbedürftigkeit nicht ersichtlich sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Der Antrag war zurückzuweisen, da die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht gegeben sind.

I. Ein Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus einer verbotenen Eigenmacht der Verfügungsbeklagten. Voraussetzung für eine Besitzstörung ist der Eingriff in den geschützten Besitzbereich. Bei dem Verhalten der Verfügungsbeklagten handelt es sich jedoch primär um das Zurückhalten einer eigenen Leistung aufgrund vertraglicher Beziehungen mit einem Dritten (hier der B AG), vgl. LG Frankfurt WuM 1998, 495 f.). Der Eingriff der Verfügungsbeklagten vollzieht sich letztlich in dem (allgemein) zugänglichen Leitungsnetz, welches die Verfügungsklägerin nicht in ihrem Besitz hat (LG Frankfurt / Oder, NJW-RR 2002, 803 ff.).

II. Die Sperre ist auch nicht unrechtmäßig i. S. d. § 33 Abs. 2 AVBWasser: Danach ist eine Sperre nicht zulässig, wenn der Kunde darlegt, dass die Folgen der Einstellung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen und hirnreichende Aussicht besteht, dass der Kunde seinen Verpflichtungen nachkommt.

Vorliegend hat die Verfügungsbeklagte vorgetragen, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die B AG als Vertragspartner unfruchtbar geblieben sind, auch die Verfügungsklägerin geht nicht von einer Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft aus. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verpflichtungen in absehbarer Zeit erfüllt werden. Auch soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass ein Mietmieter angeboten habe, die Vorauszahlungen regelmäßig zu leisten (in Höhe von Euro 80) monatlich, lässt eine Verminderung der Rückstände nicht erwarten. Die Sperre ist auch im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse der Verfügungsklägerin nicht unverhältnismäßig, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Verfügungsklägerin selbst schon seit August 2005 von einer möglichen Sperre des Wasseranschlusses Kenntnis hatte. Insoweit begegnet es auch keinen durchgreifenden Bedenken, dass die Verfügungsbeklagte den Wasseranschluss aufgrund Rückständen aus dem Vertragsverhältnis über Strom gesperrt hat. Auch unter Berücksichtigung der Konnexität gemäß § 273 BGB reicht ein einheitliches Lebensverhältnis aus, auf welchem die verschiedenen Ansprüche beruhen. Dies ist vorliegend bei den unterschiedlichen Versorgungssparten, wenn der Anspruchsinhaber dasselbe Versorgungsunternehmen ist.

III. Ein eigener vertraglicher Anspruch zwischen der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten besteht nicht. Möglich wäre allenfalls, dass die Verfügungsbeklagte verpflichtet wäre, Einzelverträge mit den einzelnen Mietern abzuschließen und sie bei unberechtigter Verweigerung nicht berechtigt wäre, den Wasseranschluss zu sperren. Jedoch ist dabei - unabhängig von der Frage, ob eine solche Einzelleitung technisch vorliegend realisierbar ist, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung bestritten hat - zu beachten, dass dann das Zurückbehaltungsrecht der Verfügungsbeklagten gegenüber ihrem eigenen Vertragspartner ausgehöhlt werden würde: Die Wasserzufuhr wäre ermöglicht, obwohl das Versorgungsunternehmen im Verhältnis zu ihrem Vertragspartner zur Zurückbehaltung berechtigt wäre (vgl. LG Frankurt a. M., a. a.O.).

IV. Zudem ist auch der Verfügungsgrund nicht gegeben: Zwar ist in der Sperre der Wasserversorgung i. d. R. ein wichtiger Grund zu sehen. Das erkennende Gericht verkennt nicht die Notwendigkeit der Versorgung mit Frischwasser. Allerdings kann die Eilbedürftigkeit dann entfallen, wenn der Betroffene selbst länger zuwartet, um sein Recht im Wege einer einstweiligen Verfügung durchzusetzen. Davon ist hier auszugehen. Zwar mag man auf den Zeitpunkt der letzten beabsichtigten Sperre vom 07.06.2006 ausgehen. Jedoch ließe man dabei unbeachtet, dass die Verfügungsklägerin schon im August 2005 einen gleichlautenden Verfügungsantrag mit dem gleichen Sachverhalt eingereicht hat, den sie nach ihrer Darstellung aufgrund fehlender Passivlegitimation zurückgenommen hat. Dann hätte es nahe gelegen eine entsprechende Verfügung spätestens im Januar 2006 nach der ersten durchgeführten Sperre zu veranlassen. Entsprechendes erfolgte nicht, sondern die Wasserzufuhr wurde eigenmächtig - von unbekannten Personen - wieder hergestellt. In dem gesamten Zeitraum wäre es der Verfügungsklägerin möglich und auch zumutbar - immerhin existiert das Problem schon seit mind. neun Monaten - ggf. ein Hauptsacheverfahren anzustrengen und durchzuführen.

Streitwert: Euro 2.000

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