OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.03.2006 - 13 A 1977/02
Fundstelle
openJur 2011, 42782
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. Februar 2002 geändert.

Es wird festgestellt, dass das Produkt "Lactobact omni FOS" nach § 54 Abs. 1 Satz 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches nach Deutschland verbracht und hier in den Verkehr gebracht werden darf.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin beabsichtigte, das als Nahrungsergänzungsmittel und probiotisches Lebensmittel bezeichnete Produkt "Lactobact omni FOS" nach Deutschland zu importieren und hier in den Verkehr zu bringen. Im Hinblick darauf beantragte sie im Juni 1996 bei der Beklagten eine Allgemeinverfügung nach § 47a LMBG und machte geltend, dass das Produkt unter der Bezeichnung "Egologic 315" und "Egologic 326" in den Niederlanden rechtmäßig als Lebensmittel vertrieben werde. Zudem bat sie um ein "Negativattest", falls das Produkt ohne Erteilung einer Allgemeinverfügung verkehrsfähig sei. Spätestens seit dem Frühjahr 1997 bringt die Klägerin das Produkt in Deutschland tatsächlich in den Verkehr.

Nach der aktuellen Produktbeschreibung (Umverpackung) handelt es sich um ein Pulver, das aus Kohlenhydraten (87 %), Oligofructose (Fructooligosaccharide, abgekürzt FOS, 5 %), Bakterien sechs verschiedener Arten (Lactobacillus acidophilus, Lactococcus lactis, Enterococcus faecium, Bifidobacterium bifidum - nunmehr: animalis -, Lactobacillus caseii, Lactobacillus salivarius) sowie weiteren Zutaten besteht. Enthalten sind in einem Gramm Pulver eine Milliarde (109) gefriergetrocknete lebende bzw. lebensfähige Bakterien (Keime). Bei dem Produkt handelt es sich laut Beschreibung um ein "Nahrungsergänzungsmittel zur gezielten Versorgung mit Bakterienkulturen und Ballaststoffen". Es soll in Wasser eingerührt (zwei Gramm Pulver entsprechend zwei mal ein Dosierlöffel in ein halbes Glas) möglichst täglich morgens und abends getrunken oder aber mittels eines Joghurtbereiters zur Herstellung eines probiotischen Joghurts (vier mal ein Dosierlöffel auf einen Liter Milch) benutzt werden. Die Eigenschaften des Produkts werden unter anderem dahingehend beschrieben, dass es zur Stärkung einer ausgewogenen Darmflora beitrage und die natürliche Darmflora in ihren Funktionen, z. B. bei der Verdauung und der Verdrängung von unerwünschten Keimen, unterstütze. Im Zusammenhang mit dem Antrag wies die Klägerin darauf hin, dass es in Deutschland eine Reihe von weiteren probiotischen Nahrungsergänzungsmitteln gebe und die Bakterienkulturen in dem Produkt sowohl im Darm vorkämen als auch sonst bei der Lebensmittelherstellung Verwendung fänden. Im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens machte sie ferner geltend, dass Hinweise auf die positive Beeinflussung der Darmflora und der Abwehrkräfte für probiotische Lebensmittel üblich und solche Produkte nach der Verkehrsanschauung Lebensmittel seien und dass aus Mikroorganismen bestehende Produkte auch nach der Verordnung über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten vom 18. Dezember 1996 dem Lebensmittelbereich zugeordnet würden.

Das im Hinblick auf den Antrag von der Beklagten beteiligte seinerzeitige Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) äußerte sich mit Schreiben vom 12. September 1996 im Wesentlichen dahingehend, dass es sich bei dem Produkt um ein Arzneimittel handele, weil die zugeführten Stoffe überwiegend anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss dienten und die verwendeten Bakterienkulturen vor allem als Einzelstoffe oder in Kombination in Magen-Darm-Mitteln verwendet würden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) schloss sich mit Schreiben vom 20. Januar 1997 ebenso wie weitere Behörden der Auffassung des BgVV an und bestätigte, dass Präparate mit Lactobacillus-Arten oder Enterococcus faecalis als Arzneimittel zugelassen seien oder als zugelassen gälten.

Mit Bescheid vom 02. Juni 1997 lehnte die Beklagte die Erteilung der beantragten Allgemeinverfügung unter Hinweis auf die Stellungnahmen des BgVV und des BfArM mit der Begründung ab, dass es sich bei dem Produkt um ein Arzneimittel handele.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin über ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren hinaus in der Sache im Wesentlichen geltend gemacht: Das Produkt enthalte lebensmitteltypische Mikroorganismen (Joghurtkulturen), die in Milchprodukten, Käse und Wurst vorkämen. Bei der empfohlenen Verzehrmenge sei die Anzahl der aufgenommenen Bakterien nicht größer als bei dem Verzehr eines probiotischen Joghurts. Die enthaltenen Organismen seien lebensnotwendig und müssten mit der täglichen Ernährung zugeführt werden, weil der Körper sie nicht selbst bilden könne. Sie wirkten ernährungsphysiologisch, nicht aber pharmakologisch, und seien damit Nährstoffe. Dies gelte auch für die enthaltenen Ballaststoffe in Gestalt der Oligofructose, die die natürliche Vermehrung der Bakterien im Darm begünstigten. Die Fachwelt und die allgemeine Verkehrsanschauung beurteile solche Produkte als Lebensmittel. Ein Ernährungs- oder Genusszweck sei nach neuerem Gemeinschaftsrecht nicht mehr erforderlich. Dagegen gebe es kein Produkt mit Joghurtkulturen, das als Arzneimittel zugelassen sei. Solche Produkte könnten nicht zugelassen werden, weil die notwendigen klinischen Versuche wegen ethischer Bedenken nicht durchgeführt werden könnten. Lebensmittel dienten auch ernährungsphysiologischen Zwecken, die zur Gesunderhaltung unbedingt notwendig seien. Dementsprechend sei es seit langem üblich, für Nahrungsergänzungsmittel gesundheitsbezogen zu werben. Verboten sei dagegen krankheitsbezogene Werbung, die für das Produkt jedoch nicht betrieben werde. Da die Unbedenklichkeit des Produkts nicht in Zweifel gezogen werde, könne die Durchführung klinischer Prüfungen zur Erlangung einer Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz nicht gefordert werden, zumal das Mittel nicht dazu bestimmt sei, irgendwelche Krankheiten gezielt zu bekämpfen. Es sei sowohl gemeinschafts- als auch grundrechtswidrig, ein in den Niederlanden als Lebensmittel anerkanntes Produkt vom deutschen Markt fernzuhalten. Im Übrigen seien die eingesetzten Bakterienstämme nach einem eingeholten Gutachten sicher.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02. Juni 1997 zu verpflichten, die beantragte Allgemeinverfügung für das Produkt "Lactobact omni FOS" zu erteilen,

hilfsweise festzustellen, dass das Produkt ohne arzneimittelrechtliche Zulassung in den Verkehr gebracht werden kann.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags hat sie in der Sache geltend gemacht: Die Erteilung einer Allgemeinverfügung komme nicht in Betracht, weil es sich bei dem Produkt sowohl nach der Funktion als auch nach der Bezeichnung um ein Arzneimittel handele. Die arzneiliche Funktion liege in der Stärkung und gegebenenfalls im Wiederaufbau der Darmflora in gesundheitlichen Ausnahmelagen, in denen die natürliche Darmflora unzureichend mit Bakterien besiedelt sei. Da in dem Beipackzettel fast ausschließlich auf gesundheitlich angeblich positive Wirkungen des Erzeugnisses abgestellt werde, liege auch ein Arzneimittel nach der Bezeichnung vor. Für ein Arzneimittel spreche zudem die isolierte Darreichungsform. Ein Ernährungs- oder Genusszweck sei dagegen nicht erkennbar. Die Einordnung als Arzneimittel diene dem gesundheitlichen Verbraucherschutz und stehe in Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften. Im Übrigen sei die gesundheitliche Unbedenklichkeit der eingesetzten Bakterienstämme zweifelhaft. Das Bakterium Enterococcus faecium sei als Krankheitserreger bekannt, die Bezeichnung "Lactobacillus casei" sei zu unbestimmt, um ein unter Umständen antibiotikaresistentes Bakterium ausschließen zu können.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Soweit das Produkt die Körperfunktionen beeinflusse, handele es sich nicht um pharmakologische, sondern um ernährungsphysiologische Wirkungen wie bei Lebensmitteln bzw. bei anderen Nahrungsergänzungsmitteln, insbesondere einem probiotischen Joghurt. Auch ein mit der Aufnahme des Produkts verbundener gesundheitlicher Nutzen rechtfertige die Annahme einer pharmakologischen Wirkung nicht, zumal die Regelungen der Diätverordnung zeigten, dass Lebensmittel auf Grund ihrer ernährungsphysiologischen Wirkung zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden könnten. Ferner entstehe aus dem Produkt bei der Hinzufügung von Wasser oder Milch entsprechend der Verzehrsempfehlung ein normales Lebensmittel. Auf einen besonderen Nährwert im Sinne des Vorliegens eines energieliefernden Stoffs komme es nicht an. Dass Mikroorganismen zum Lebensmittelbereich gehörten, ergebe sich bereits daraus, dass sie nach den lebensmittelrechtlichen Vorschriften von dem generellen Verbot, nicht zugelassene Zusatzstoffe zu verwenden, ausdrücklich freigestellt seien. Soweit Arzneimittel mit Bakterienkulturen zugelassen seien, bestehe keine Vergleichbarkeit zu ihrem Produkt. Die Verkehrsanschauung werde maßgeblich durch die bereits auf dem Markt befindlichen probiotischen Produkte geprägt, denen die probiotischen Bakterienstämme ebenfalls erst nachträglich zugesetzt würden. Auch bestehe nicht die Gefahr einer Überdosierung, weil mit der Aufnahme eines normalen probiotischen Joghurts im Verhältnis zur empfohlenen Verzehrmenge des Produkts ein Vielfaches an Bakterien aufgenommen werde, zumal auf der Packung ein Warnhinweis angebracht sei, dass die empfohlene Verzehrsmenge nicht überschritten werden dürfe. Im Hinblick auf die Frage der Unbedenklichkeit könne sich die Beklagte nicht auf einen durch wissenschaftliche Unsicherheit bedingten Ermessensspielraum berufen, da ein ernsthafter Verdacht, ihr Produkt könne für die menschliche Gesundheit gefährlich sein, ebenso wenig bestehe wie die Möglichkeit eines schweren Schadens, wenn sich der Verdacht bestätigen würde. Dementsprechend könne das in der Sache verfügte Vertriebsverbot nicht auf Art. 30 des EG-Vertrages gestützt werden. Die sogenannte Zweifelsregelung rechtfertige die Annahme eines Arzneimittels nicht, weil sie voraussetze, dass tatsächlich die Voraussetzungen eines Arzneimittels objektiv feststünden, was hier nicht der Fall sei. Der Schutz der öffentlichen Gesundheit rechtfertige den Vorrang des Arzneimittelrechts nicht, weil er sich auch nach den einschlägigen lebensmittelrechtlichen Vorschriften sicherstellen lasse.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. Februar 2002 zu ändern und

1. festzustellen, dass das Produkt "Lactobact omni FOS" nach § 54 Abs. 1 Satz 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches nach Deutschland verbracht und hier in den Verkehr gebracht werden darf,

2. hilfsweise nach dem erstinstanzlichen Hauptantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen, verteidigt das angefochtene Urteil und trägt darüber hinaus vor: Die isolierte Gabe des Pulvers berge die Gefahr einer Überdosierung. Die inzwischen in Kraft getretenen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften änderten nichts daran, dass bei der Einstufung von Produkten als Arzneimittel den Mitgliedstaaten ein Spielraum zustehe. Das Produkt erfülle keinen Ernährungs- und Geschmackszweck und solle ausschließlich wegen seiner arzneilichen Wirkungen eingenommen werden. Ein ernährungsphysiologischer Nutzen, über den Nahrungsergänzungsmittel definitionsgemäß verfügen müssten, sei ebenfalls nicht gegeben. Mit auf dem Markt befindlichen probiotischen Joghurts sei das Produkt nicht vergleichbar, weil die eingesetzten Bakterien in konzentrierter und isolierter Form auf den menschlichen Organismus und Stoffwechsel, insbesondere auf die Darmschleimhaut einwirkten. Der isolierte Einsatz von Bakterien in Nahrungsergänzungsmitteln sei bedenklich, weil anders als bei Arzneimitteln entsprechende Reinheitsanforderungen und Qualitätskontrollen hinsichtlich der verwendeten Bakterien nicht existierten. Das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels werde dadurch belegt, dass pharmakologische und immunologische Wirkungen der eingesetzten Bakterien wissenschaftlich nachgewiesen seien, dass das Produkt als Pulver angeboten werde und dass der Verbraucher Bakterien vor allem in Gestalt zugelassener Arzneimittel kenne. Darauf, dass die in dem Produkt enthaltenen Bakterien auch in Lebensmitteln Verwendung fänden, komme es nicht an. Selbst bei Zweifeln hinsichtlich der pharmakologischen Eigenschaften stünde dies nach der Zweifelsregelung des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2004/27/EG einer Einstufung als Arzneimittel nicht entgegen. Es entspreche dem Schutzzweck der europäischen Arzneimittelgesetzgebung, auch in Lebensmitteln enthaltene Stoffe mit pharmakologischer Wirkung einem Zulassungsverfahren zu unterziehen, um die Verbraucher vor möglichen Nebenwirkungen oder Gefahren zu schützen.

Der Senat hat dem Europäischen Gerichtshof Fragen zum Gemeinschaftsrecht zur Vorabentscheidung vorgelegt. Insoweit wird auf den Vorlagebeschluss vom 07. Juli 2003 sowie das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 09. Juni 2005 - C- 211/03 u.a. - Bezug genommen.

Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist begründet.

Die als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) weitergeführte Klage ist zulässig.

Im Verhältnis zu der Beklagten besteht ein konkretes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer Rechtsnorm (des öffentlichen Rechts) sich ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person. Die Beklagte hat es rechtlich und tatsächlich in der Hand, über ihre zuständigen Behörden (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches - LFGB -, verkündet als Art. 1 des am 07. September 2005 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neuordnung des Lebensmittel- und des Futtermittelrechts, BGBl. I S. 2617; inhaltsgleich der zuvor geltende § 48 Abs. 1 Satz 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes - LMBG -) den Import von Produkten im Falle eines Verdachts von Verstößen gegen Verbote und Beschränkungen nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch mit Anordnungen gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LFGB zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Eine entsprechende Ermächtigung findet sich für den Arzneimittelbereich in § 74 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Ob die Klägerin mit Maßnahmen nach § 55 LFGB rechnen muss, hängt davon ab, ob sie berechtigt ist, ihr Produkt auf der Grundlage von § 54 Abs. 1 Satz 1 LFGB nach Deutschland zu verbringen und hier in den Verkehr zu bringen. Unerheblich ist, dass sie in diesem Zusammenhang mit einem Antrag auf Erteilung einer Allgemeinverfügung nach dem seinerzeit geltenden § 47a Abs. 2 LMBG (nunmehr § 54 Abs. 2 LFGB) an die Beklagte herangetreten ist. Abgesehen davon, dass sich aus dem Antrag die konkrete Absicht ergibt, das Produkt im Sinne von § 47a Abs. 1 Satz 1 LMBG (nunmehr § 54 Abs. 1 Satz 1 LFGB) nach Deutschland zu verbringen und hier in den Verkehr zu bringen, zeigt das alternativ beantragte "Negativattest", dass es der Klägerin bereits ursprünglich um die Verkehrsfähigkeit ihres Produkts allgemein und nicht speziell um die Erteilung einer Allgemeinverfügung ging. Eine solche ist zudem nicht zwingende Voraussetzung für die Annahme der Verkehrsfähigkeit eines Produkts in Deutschland gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 LFGB, sondern erst dann erforderlich, wenn ein Produkt zwar die Voraussetzungen der genannten Vorschrift erfüllt, jedoch eine Ausnahme im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 1. Halbsatz LFGB vorliegt, d.h. das Produkt den dort in Bezug genommenen Rechtsvorschriften nicht entspricht. Daran anknüpfend hat die Beklagte, soweit sie die Erteilung der beantragten Allgemeinverfügung mit dem Bescheid vom 02. Juni 1997 unter Berufung auf die Arzneimitteleigenschaft des Produkts abgelehnt hat, keinen spezifisch die Allgemeinverfügung betreffenden Ablehnungsgrund im Sinne von § 47a Abs. 2 Satz 1 LMBG (nunmehr § 54 Abs. 2 Satz 1 LFGB) - zwingende Gründe des Gesundheitsschutzes - geltend gemacht, sondern die grundsätzliche Verkehrsfähigkeit des Produkts als Lebensmittel gemäß § 47a Abs. 1 Satz 1 LMBG (§ 54 Abs. 1 Satz 1 LFGB) in Abrede gestellt.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich das Bestehen eines Feststellungsinteresses der Klägerin. Im Fall antragsgemäßer Feststellung wäre geklärt, dass sie auf der Grundlage von § 54 Abs. 1 Satz 1 LFGB berechtigt ist, ihr Produkt nach Deutschland zu verbringen und hier in den Verkehr zu bringen, und die Beklagte diesbezüglich keine Maßnahmen auf der Grundlage von § 55 LFGB ergreifen darf, und zwar ohne oder unabhängig von einer Allgemeinverfügung. Denn eine positive Feststellung im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 LFGB setzt auch voraus, dass keine Ausnahme im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 LFGB vorliegt, was sich aus dem ersten Halbsatz dieser Vorschrift ergibt. Das Feststellungsinteresse entfällt nicht dadurch, dass die Klägerin das Produkt bereits seit Jahren tatsächlich in Deutschland vertreibt und niemand dagegen eingeschritten ist. Eine wie auch immer geartete Legalisierungswirkung, die eine gerichtliche Feststellung entbehrlich machen würde, ergibt sich daraus nicht.

Der Zulässigkeit der Klage steht § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht entgegen. Die Klägerin kann ihre Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen. Zwar war das ursprünglich an die Beklagte herangetragene alternative Begehren der Klägerin auf Erteilung eines "Negativattestes" in der Sache auf den Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts gerichtet. Ein Rechtsanspruch darauf, dass die Beklagte über die Frage der Verkehrsfähigkeit gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 LFGB durch feststellenden Verwaltungsakt entscheidet, ergibt sich aus der genannten Vorschrift jedoch nicht. Diese begründet eine Zuständigkeit der Beklagten lediglich bezüglich der Erteilung von Allgemeinverfügungen. Die Möglichkeit, ein solche - Verwaltungsakt gemäß § 35 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - im Wege der Verpflichtungsklage zu erstreiten, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme der Subsidiarität, weil die mittels einer Allgemeinverfügung begründete Verkehrsfähigkeit eines Produkts (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 2. Halbsatz LFGB) nicht identisch ist mit der Verkehrsfähigkeit gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 LFGB. Wie bereits erwähnt bedarf es einer Allgemeinverfügung erst dann, wenn die Verkehrsfähigkeit gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 LFBG an der Vorschrift des § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 1. Halbsatz LFGB scheitert.

Eine Klageänderung ist in dem Übergang zur Feststellungsklage nicht zu sehen. Der nunmehrige Feststellungsantrag ist als Klarstellung des bisherigen Klagebegehrens, allenfalls als Erweiterung des Klageantrags in der Hauptsache (§ 173 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO -) anzusehen, weil es der Klägerin - wie ausgeführt - von Anfang an allgemein um die Verkehrsfähigkeit ihres Produkts ging.

Die Klage ist auch begründet.

Das Produkt Lactobact omni FOS ist nach § 54 Abs. 1 Satz 1 LFGB verkehrsfähig. Es erfüllt die (positiven) Voraussetzungen der genannten Norm, weil es sich um ein Lebensmittel handelt (I.), das in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig hergestellt und rechtmäßig in den Verkehr gebracht wird (II.). Ferner liegt keine Ausnahme (negative Voraussetzung) gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 LFGB vor (III.), weil das Produkt sowohl den in § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB genannten Verboten (1.) als auch den in § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 1. Halbsatz LFGB in Bezug genommenen Rechtsvorschriften (2.) entspricht.

I. Lebensmittel

Das Vorliegen eines Lebensmittels kann auf der Grundlage der Definition in Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (Verordnung (EG) 178/2002, VO (EG) 178/2002), auf die § 2 Abs. 2 LFGB verweist, unproblematisch bejaht werden. Lebensmittel sind danach nämlich alle Stoffe und Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Ob das Produkt darüber hinaus die Voraussetzungen eines Nahrungsergänzungsmittels erfüllt, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, weil § 54 Abs. 1 Satz 1 LFGB allgemein auf Lebensmittel abstellt, zu denen nach Art. 2 lit. a) der Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten (Richtlinie 2002/46/EG, RL 2002/46/EG) sowie dem weitgehend übereinstimmenden § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) auch Nahrungsergänzungsmittel gehören. Diese werden lediglich wegen der in den zuvor genannten Vorschriften bezeichneten (besonderen) Zweckbestimmung, die normale oder allgemeine Nahrung zu ergänzen, als "spezielle Kategorie von Lebensmitteln" qualifiziert.

Vgl. EuGH, Urteil vom 09. Juni 2005 - C-211/03 u.a. - (HLH und Orthica), LRE 50, 331 ff., Rdnr. 35.

Geht es wie hier um die Abgrenzung zu einem Arzneimittel, hilft die Bejahung der Lebensmitteleigenschaft nach der Definition in Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 178/2002 allerdings nicht weiter, weil ein Vorrang der arzneimittelrechtlichen Vorschriften besteht.

Auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene ergibt sich ein solcher Vorrang im Wesentlichen aus Art. 2 Abs. 3 lit. d) VO (EG) 178/2002, der bestimmt, dass Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG und 92/73/EWG des Rates nicht zu den Lebensmitteln gehören. Demnach sind nur die speziell für Arzneimittel geltenden Bestimmungen auf ein Erzeugnis anzuwenden, das sowohl die Voraussetzungen eines Lebensmittels als auch diejenigen eines Arzneimittels erfüllt.

Vgl. EuGH, Urteil vom 09. Juni 2005 - C-211/03

u.a. - (HLH und Orthica), a. a. O., Rdnr. 43 mit weiteren Nachweisen,

Unerheblich ist, dass die beiden in Art. 2 Abs. 3 lit. d) VO (EG) 178/2002 genannten Richtlinien durch Art. 128 Satz 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vom 06. November 2001 (Richtlinie 2001/83/EG, RL 2001/83/ EG) aufgehoben wurden. Denn Bezugnahmen auf die aufgehobenen Richtlinien wie beispielsweise die in Art. 2 Abs. 3 lit. d) VO (EG) 178/2002 gelten nach Art. 128 Satz 2 RL 2001/83/EG als Bezugnahme auf diese Richtlinie, was vor dem Hintergrund Sinn macht, dass der Inhalt der aufgehobenen Richtlinien lediglich in der Richtlinie 2001/83/EG zusammengefasst wurde (vgl. Satz 2 der ersten Begründungserwägung zu dieser Richtlinie).

Bestätigt und noch erweitert wird der angenommene Vorrang der arzneimittelrechtlichen Vorschriften durch Art. 2 Abs. 2 RL 2001/83/EG in der Fassung, die er durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vom 31. März 2004 (Richtlinie 2004/27/EG, RL 2004/27/EG) erhalten hat. Dort ist nunmehr geregelt, dass in Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von "Arzneimittel" als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt ist, diese Richtlinie (2001/83/EG) gilt.

Vgl. EuGH, Urteil vom 09. Juni 2005 - C-211/03 u.a. - (HLH und Orthica), a. a. O., Rdnr. 44.

Der sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebende Vorrang der arzneimittelrechtlichen Vorschriften ist nicht willkürlich. Er entspricht dem Zweck des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, da die Bestimmungen für Arzneimittel in Anbetracht der besonderen Gefahren, die diese Erzeugnisse für die öffentliche Gesundheit mit sich bringen können, strenger sind als für andere Erzeugnisse, von denen solche Gefahren im allgemeinen nicht ausgehen.

Vgl. in Bezug auf Kosmetika EuGH, Urteile vom 21. März 1991 - C-369/88 - (Delattre), LRE 28, 3 (10), und - C-60/89 - (Monteil und Samanni), Slg. 1991, I 1561 (1565, Rdnr. 16); in diesem Sinne in Bezug auf Lebensmittel auch Urteil vom 28. Oktober 1992 - C-219/91 - (Ter Voort), Slg. 1992, I 5502 (5509, Rdnr. 19 f.).

Dementsprechend wird beispielsweise in Satz 1 der vierten Begründungserwägung der Richtlinie 2004/27/EG ausdrücklich hervorgehoben, dass alle Vorschriften auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Humanarzneimitteln in erster Linie dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienen (sollen), und eingangs der siebten Begründungserwägung u.a. der hohe Standard bei der Sicherheit von Humanarzneimitteln betont. Etwaig betroffene Wirtschafts- und Handelsinteressen sind demgegenüber grundsätzlich nachrangig.

Der danach bestehende gemeinschaftsrechtliche Vorrang der arzneimittelrechtlichen Vorschriften ist auch bei der Anwendung nationalen Rechts zu berücksichtigen, gegebenenfalls im Wege der richtlinienkonformen Auslegung.

Zwar scheint es auf den ersten Blick nach nationalem Recht keinen gesetzessystematischen Vorrang des Arzneimittelrechts zu geben, weil § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG in der Fassung, die er durch Art. 2 § 3 Abs. 7 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Lebensmittel- und des Futtermittelrechts erhalten hat, quasi umgekehrt zu Art. 2 Abs. 3 lit. d) VO (EG) 178/2002 bestimmt, dass Arzneimittel nicht Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 LFGB sind. Gleichwohl ist auch nach nationalem Recht in Abgrenzungsfällen im Ergebnis die Richtlinie 2001/83/EG einschließlich der dortigen Zweifelsregelung in Art. 2 Abs. 2 maßgebend, und zwar auf Grund folgender Verweisungskette: § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG verweist auf § 2 Abs. 2 LFGB, dieser verweist auf Art. 2 VO (EG) 178/2002, Art. 2 Abs. 3 lit. d) dieser Verordnung verweist auf die Richtlinien 65/65/EWG und 92/73/EWG, dieser Verweis ist nach Art. 128 Satz 2 RL 2001/83/EG als Bezugnahme eben auf diese Richtlinie zu verstehen, bei der es auch bleibt, weil sie anders als § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG keinen (Rück-)Verweis in das Lebensmittelrecht, d.h. auf die Verordnung (EG) 178/2002 enthält. Angesichts dessen ist es unerheblich, dass die Richtlinie 2004/27/EG, mit der die Zweifelsregelung in die Richtlinie 2001/83/EG eingeführt wurde, zwar nach der (amtlichen) Anmerkung zum Vierzehnten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29. August 2005 (BGBl. I 2570) durch dieses ihre Umsetzung erfahren hat (eher wohl: haben soll), gleichwohl aber die Aufnahme einer dem Art. 2 Abs. 2 RL 2001/83/EG entsprechenden Zweifelsregelung in das Arzneimittelgesetz nicht erfolgt ist.

Soweit in der nationalen Rechtsprechung aus der Systematik des § 2 AMG, insbesondere aus der Ausgliederung bestimmter Produktgruppen in Abs. 3 der Vorschrift ein Vorrang dieser Produktgruppen abgeleitet worden ist,

vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 18. Dezember 1997 - 3 C 46.96 -, BVerwGE 106, 90 (94),

lässt sich dies jedenfalls im Hinblick auf die Produktgruppe der Lebensmittel nicht mehr vertreten. Der Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 2 Abs. 3 AMG kann eine eindeutige Aussage dahingehend, dem Lebensmittelrecht solle in Abgrenzungsfällen der Vorrang zukommen, nicht entnommen werden, weil dort lediglich davon die Rede ist, dass die Abgrenzung zum Lebensmittelrecht und Futtermittelrecht vollzogen und dabei in Bezug auf das Lebensmittelrecht auf die vom Bundestag beschlossene Fassung der Gesamtreform abgestellt werde.

Vgl. Bundestags-Drucksache 7/3060, S. 44.

Soweit der Vorrang der lebensmittelrechtlichen Vorschriften im Zusammenhang damit vor allem aus den Formulierungen im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz geschlossen worden ist,

vgl. in diesem Sinne BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1997 - 3 C 46.96 -, a. a. O., S. 94 f. in Bezug auf § 4 Abs. 1 LMBG,

ist dies überholt. Zum einen ist der nunmehr geltende weite Lebensmittelbegriff des Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 178/2002 ungeeignet, um eine Abgrenzungsfunktion erfüllen zu können, zum anderen verweisen nach den vorstehenden Ausführungen die lebensmittelrechtlichen Vorschriften in Gestalt von Art. 2 Abs. 3 lit. d) VO (EG) 178/2002 jedenfalls im Ergebnis weiter auf die Richtlinie 2001/83/EG, also auf die arzneimittelrechtlichen Vorschriften. Anknüpfend daran ist die Rechtsprechung, die speziell für Lebensmittel einen Vorrang aus § 1 Abs. 1 LMBG, insbesondere dem im zweiten Halbsatz der Vorschrift normierten Erfordernis einer überwiegenden anderweitigen Zweckbestimmung herleitete,

vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 06. Februar 1976 - I ZR 125/74 -, NJW 1976, 1154; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 13. Mai 1997 - 25 CS 96.3855 -, NJW 1998, 845 (845),

erst recht überholt.

Selbst wenn man den vorstehenden Ausführungen nicht folgt, müsste sich die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts ohnehin soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck von Richtlinien - jedenfalls nach Ablauf der Umsetzungsfrist,

vgl. BVerwG, Urteil vom 07. August 1997 - 3 C 23.96 -, LRE 35, 19 (21 f.),

die für die Richtlinie 2004/27/EG nach deren Art. 3 Satz 1 bis zum 30. Oktober 2005 lief - ausrichten, um das mit ihnen verfolgte Ziel zu erreichen. Eine Grenze ist lediglich dann erreicht, wenn das nationale Recht bei Anwendung der anerkannten Auslegungsmethoden eine richtlinienkonforme Auslegung nicht zulässt, d.h. das Auslegungsergebnis im Widerspruch zum Sinngehalt der nationalen Vorschriften steht.

Vgl. in diesem Sinne Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 08. April 1997 - 2 BvR 687/85 -, BVerfGE 75, 223; BVerwG, Urteile vom 29. Januar 2004 - 3 C 39.03 -, Buchholz 418.01, Zahnheilkunde, Nr. 27, und vom 18. Dezember 1997 - 3 C 46.96 -, a. a. O., S. 95; ferner EuGH, Urteil vom 16. Juni 2005 - 3-105/03 -.

Anhaltspunkte dafür, dass der gemeinschaftsrechtlich begründete Vorrang der arzneimittelrechtlichen Vorschriften mit dem Sinngehalt der nationalen Vorschrift nicht in Einklang steht, sind nach den vorstehenden Ausführungen nicht (mehr) ersichtlich. Die hinter der gemeinschaftsrechtlichen Vorrangregelung stehende Wertung, aus Gründen des (vorbeugenden) Gesundheitsschutzes die arzneimittelrechtlichen Vorschriften anzuwenden, und zwar auch in Zweifelsfällen, stellt sich vielmehr für das nationale Recht ebenfalls als sachgerecht und verhältnismäßig dar.

Entsprechend diesem Abgrenzungsverständnis ist zu prüfen, ob es sich bei dem Produkt Lactobact omni FOS um ein Arzneimittel im Sinne der Richtlinie 2001/83/EG handelt, was im Ergebnis zu verneinen ist.

Art. 1 Nr. 2 RL 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG definiert als Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind (lit. a), oder die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen (lit. b). Dazu, wie diese beiden Definitionen im Einzelnen zu verstehen und gegebenenfalls voneinander abzugrenzen sind, gibt es noch keine (europäische) Rechtsprechung. Allerdings kann bei der Auslegung auf die Rechtsprechung zu den Richtlinien 2001/83/EG (in der Fassung vor der Richtlinie 2004/27/EG) und 65/65/EWG zurückgegriffen werden.

Bereits die Richtlinie 65/65/EWG sah in ihrem Art. 1 Nr. 2 zwei getrennte Definitionen vor, nämlich Arzneimittel nach der Bezeichnung (Abs. 1), sog. Präsentationsarzneimittel, und Arzneimittel nach der Bestimmung oder Funktion (Abs. 2), sog. Funktionsarzneimittel, die sich jedoch nicht streng voneinander abgrenzen ließen.

Vgl. EuGH, Urteil vom 21. März 1991 - C-60/89 - (Monteil und Samanni), a. a. O., S. 1564, Rdnr. 11 f.

Was das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels in Abgrenzung zu einem Lebensmittel anbelangt, war sowohl im Hinblick auf die zuvor genannte Richtlinie als auch im Hinblick auf die Richtlinie 2001/83/EG, die die Definitionen aus Art. 1 Nr. 2 RL 65/65/EWG weitgehend unverändert übernommen hatte, geklärt, dass dies von Fall zu Fall entschieden werden muss und dabei alle Merkmale eines Erzeugnisses, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften - wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen -, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann, zu berücksichtigen sind.

Vgl. EuGH, Urteil vom 09. Juni 2005 - C-211/03

u.a. - (HLH und Orthica), a. a. O., Rdnr. 30 mit weiteren Nachweisen.

Pharmakologische Eigenschaften als objektives, in der bisherigen Rechtsprechung hauptsächlich herangezogenes Abgrenzungskriterium wurden als der Faktor umschrieben, auf Grund dessen eine mitgliedstaatliche Behörde ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses zu beurteilen hat, ob es im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 RL 2001/83/EG dazu bestimmt ist, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden.

Vgl. EuGH, Urteil vom 09. Juni 2005 - C-211/03

u.a. - (HLH und Orthica), a. a. O., Rdnr. 52.

Die zuvor dargestellte Rechtsprechung des EuGH kann auch auf die oben zitierten Definitionen in Art. 1 Nr. 2 RL 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG übertragen werden.

Bezüglich der Präsentationsarzneimittel findet sich zwar in der (aktuellen) Fassung des Art. 1 Nr. 2 lit. a) RL 2001/83/EG jedenfalls in der deutschen Übersetzung das Wort "bestimmt", während an dieser Stelle im vormaligen Art. 1 Nr. 2 Abs. 1 das Wort "bezeichnet" verwendet wurde. Aus dieser sprachlichen Änderung kann aber nicht auf einen inhaltlichen Änderungswillen des europäischen Gesetzgebers geschlossen werden. Denn in vielen anderen Mitgliedstaaten ist in den dortigen Fassungen des Art. 1 Nr. 2 lit. a) RL 2001/83/EG die Definition des Präsentationsarzneimittels im Verhältnis zu der davor bestehenden sprachlich nicht modifiziert worden.

Vgl. Klaus, Leitfaden zur Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln, ZLR 2004, 569 (571, Fußnote 9).

Im Übrigen ergeben sich insbesondere aus den Begründungserwägungen der Richtlinie 2004/27/EG keine Anhaltspunkte für eine inhaltliche Änderung der Definition des Präsentationsarzneimittels.

Was die Definition des Funktionsarzneimittels in Art. 1 Nr. 2 lit. b) RL 2001/83/EG anbelangt, soll die Aufnahme der Formulierung pharmakologische (Pharmakologie = Lehre von den Wechselwirkungen zwischen Arzneistoffen und dem Organismus), immunologische (= das Immunsystem betreffend) oder metabolische (= den Stoffwechsel betreffend, stoffwechselbedingt) Wirkung nach dem dritten Satz der siebten Begründungserwägung der Richtlinie 2004/27/EG dazu dienen, die Art der Wirkung, die das Arzneimittel auf die physiologischen Funktionen haben kann, zu spezifizieren. Es kann an dieser Stelle offen bleiben, ob es sich um voneinander zu unterscheidende Begriffe (Wirkungen) handelt, ob sie die nach der genannten Begründungserwägung ebenfalls bezweckte Abgrenzung im Hinblick auf "Grenzprodukte" leisten können und ob sich zusammen mit der Ersetzung des Ausdrucks "bestimmt sind" im vormaligen Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 durch die Formulierung "verwendet ... oder ... verabreicht werden können, um ... zu ..." im nunmehrigen Art. 1 Nr. 2 lit. b) eine Objektivierung des Begriffs des Funktionsarzneimittels ergibt. Denn durch diese neue Definition wird die bisherige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes mit dem Grundsatz, das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels in Abgrenzung zu einem Lebensmittel unter Berücksichtigung aller Merkmale eines Erzeugnisses im Einzelfall zu prüfen, nicht in Frage gestellt. Vom theoretischen Ansatz her ist lediglich an die Stelle der vormals herangezogenen pharmakologischen Eigenschaften nunmehr primär die pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung getreten. Dies ändert in der Sache jedoch nichts, weil diese Kriterien - wenn sie im Abgrenzungsfall weiterhelfen - bereits zuvor berücksichtigt werden konnten. Zum einen knüpfte die oben dargestellte Umschreibung der pharmakologischen Eigenschaften auch an die Wirkungsmöglichkeiten eines Erzeugnisses an, zum anderen waren mangels einer greifbaren Definition der pharmakologischen Eigenschaften diese in Anbetracht des Ansatzes, in Abgrenzungsfällen alle Merkmale zu berücksichtigen, im Zweifel weit zu verstehen, so dass darunter neben einer pharmakologischen Wirkung auch immunologische und metabolische Wirkungen subsumiert werden konnten. Was schließlich die übrigen vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung genannten Abgrenzungskriterien - Zusammensetzung eines Produkts, Modalitäten des Gebrauchs, Umfang der Verbreitung, Bekanntheit bei den Verbrauchern, Risiken der Verwendung - anbelangt, können diese unabhängig davon, ob ihnen jemals neben den pharmakologischen Eigenschaften eine entscheidende Rolle beigemessen wurde, auch in Ansehung der neuen Definition des Funktionsarzneimittels ergänzend mit heran gezogen werden. Dass diese - wie zuvor ausgeführt - als objektiver gefasst angesehen wird, steht dem nicht entgegen, weil jedenfalls bei einem Teil der Kriterien eine stringente Zuordnung bereits zu der vormaligen (objektiven) Definition des Funktionsarzneimittels nicht möglich war. Was beispielsweise die Bekanntheit bei den Verbrauchern anbelangt, ließe sich durchaus auch eine Berücksichtigung im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines Präsentationsarzneimittels vertreten.

Soll danach die Abgrenzung in Zweifelsfällen auf eine Gesamtabwägung aller im Einzelfall relevanten Merkmale mit einem Schwerpunkt bei der pharmakologischen (immunologischen, metabolischen) Wirkung hinauslaufen, erübrigt sich eine zweigliedrige Prüfung an Hand des Arzneimittelgesetzes einerseits und - als gemeinschaftsrechtliche Kontrolle - an Hand der Richtlinie 2001/83/EG andererseits, zumal abweichende Ergebnisse - jedenfalls theoretisch - ohnehin nicht auftreten können.

Nach § 2 Abs. 1 AMG sind - soweit hier von Interesse - Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, (Nr. 1) durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen, oder (Nr. 5) die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen. Auch wenn sich diese Definitionen vom Wortlaut her von den gemeinschaftsrechtlichen Definitionen unterscheiden, bestand und besteht im Hinblick auf grundsätzliche Fragen des Arzneimittelbegriffs Übereinstimmung. Zwar kennt das Arzneimittelgesetz beispielsweise ein Arzneimittel allein nach oder kraft der Bezeichnung nicht. Gleichwohl ist anerkannt, dass die Formulierung in § 2 Abs. 1 AMG "dazu bestimmt ist" die gemeinschaftsrechtliche Definition des Arzneimittels "nach der Bezeichnung", d.h. des Präsentationsarzneimittels mit einschließt.

Vgl. in diesem Sinne BVerwG, Urteil vom 24. November 1994 - 3 C 2.93 -, BVerwGE 97, 132 (136 ff., 140) in Bezug auf Art. 1 Nr. 2 Abs. 1 RL 65/65/EWG.

Auch der für das gemeinschaftsrechtliche Funktionsarzneimittel aufgestellte Grundsatz, dass die Annahme eines solchen nicht an das Vorliegen einer Krankheit gebunden ist,

vgl. EuGH, Urteil vom 16. April 1991 - C-112/89 - (Upjohn I), LRE 28, 19 (22),

widerspricht dem Arzneimittelgesetz nicht, was die Definition in § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG zeigt, die zudem als Pendant zur Definition des gemeinschaftsrechtlichen Funktionsarzneimittels angesehen wird.

Vgl. BGH, Urteile v. 11. Juli 2002 - I ZR 34/01 -, LRE 44, 37 (43 f.), und - I ZR 273/99 -, LRE 44, 253 (256 f.).

Im Übrigen schließt der gemeinschaftsrechtliche Ansatz, in Zweifelsfällen bei der Abgrenzung alle Merkmale des Erzeugnisses im Einzelfall zu berücksichtigen, die von der nationalen Rechtsprechung zu den Definitionen in § 2 Abs. 1 AMG entwickelten Auslegungsgrundsätze bzw. Abgrenzungskriterien mit ein.

Soweit diese vor allem auf die Bestimmung, d.h. den Verwendungszweck des Produkts abstellt, diesen an der stofflichen Zusammensetzung des Präparats, seiner Aufmachung und der Art seines Vertriebs festmacht, dabei allerdings maßgeblich auf die Sichtweise eines durchschnittlich informierten Verbrauchers abstellt mit der weiteren Erwägung, dass das Produkt mit seinem Erscheinungsbild bei dem Verbraucher Erwartungen und Vorstellungen über seine Zweckbestimmung begründe oder an eine schon bestehende Auffassung der Verbraucherkreise über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung anknüpfe,

vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1997 - 3 C 46.96 -, a. a. O., S. 92, sowie Urteil vom 24. November 1994 - 3 C 2.93 -, a. a. O., S. 135,

entspricht das allerdings eher der gemeinschaftsrechtlichen Definition des Arzneimittels "nach Bezeichnung", d.h. des Präsentationsarzneimittels.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1994 - 3 C 2.93 -, a. a. O., S. 137.

Entsprechendes gilt für die allenfalls in Nuancen abweichende Auslegung, dass auf die an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung abzustellen sei, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstelle, wobei die Verkehrsanschauung regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihre Anwendung anknüpfe.

Vgl. BGH, Urteil v. 06. Mai 2004 - I ZR 275/01 -, LRE 48, 146 (153 f.) mit weiteren Nachweisen.

Soweit darüber hinaus betont wird, dass der Anwendungsbereich der arzneimittelrechtlichen Vorschriften wegen der erstrebten Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere im Hinblick auf ihre Qualität, ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit "objektiv" an Hand tatsächlicher Gegebenheiten abzugrenzen sei,

vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1994 - 3 C 2.93 -, a. a. O., S. 135,

und dass die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft ein die Vorstellung der Verbraucher beeinflussender Faktor sein könne,

vgl. in diesem Sinne BGH, Urteil vom 06. Mai 2004 - I ZR 275/01 -, a. a. O., S. 154,

bestand und besteht kein wesentlicher Unterschied zu der im Rahmen der Gesamtabwägung vor allem auf pharmakologische Eigenschaften abstellenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes bzw. den nunmehr in Art. 1 Nr. 2 lit. b) RL 2001/83/EG normierten Merkmalen. Denn die beiden zuvor zitierten Entscheidungen zeigen ebenso wie die des Verwaltungsgerichts, dass zwar in Abgrenzungsfällen die Verkehrsanschauung bzw. die Verbrauchersicht bemüht wird, es sich aber im Ergebnis um kaum mehr als einen formalen Prüfungsansatz handelt, der entweder bei eindeutigen anderweitigen Abgrenzungskriterien zurücktritt oder aber in der Weise angepasst wird, dass die Verkehrsanschauung bzw. die Verbrauchersicht als durch die anderweitigen Kriterien geprägt angesehen wird, was nahe an eine Fiktion heranreicht. Vor diesem Hintergrund hat der Senat bereits betont, dass von einem objektiven Arzneimittelbegriffs auszugehen ist und die Vorstellung des Herstellers oder des Anwenders über die Wirkung oder den Verwendungszweck des Produkts und dessen äußere Darstellung in den Hintergrund treten.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 18. Mai 2005 - 13 A 2062/03 -, LRE 50, 402 (406).

Berücksichtigt man schließlich, dass das Arzneimittelgesetz zumindest formal fortlaufend an die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften angepasst worden ist (die Richtlinie 65/65/EWG ist mit dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24. August 1976 (BGBl. I S. 2445), die Richtlinie 2001/83/EG mit dem Zwölften Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I 2031) und die Richtlinie 2004/27/EG - wie bereits ausgeführt - mit dem Vierzehnten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes in das nationale Recht umgesetzt worden), könnte ein auf seiner Grundlage zu Stande gekommenes Abwägungsergebnis, das mit dem gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriff nicht in Einklang steht, keinen Bestand haben, weil es an der grundsätzlich gebotenen richtlinienkonformen Auslegung fehlte. Dass dem der Sinngehalt der Vorschriften des Arzneimittelgesetzes entgegenstehen könnte, erscheint angesichts der Weite der Arzneimitteldefinitionen in § 2 Abs. 1 AMG ausgeschlossen. Im Übrigen ist der nationale Gesetzgeber selbst davon ausgegangen, dass man bei Anwendung der Arzneimitteldefinitionen in § 2 Abs. 1 AMG hinsichtlich der Arzneimitteleigenschaft eines Produkts zu den gleichen Ergebnissen gelangt wie bei dem in Art. 1 Nr. 2 lit. b) RL 2001/83/EG geregelten europäischen Arzneimittelbegriff.

Vgl. Bundestags-Drucksache 15/5656, Anlage 3 Nr. 1 (Gegenäußerung der Bundesregierung zu einem Vorschlag des Bundesrates, den europäischen Arzneimittelbegriff zu übernehmen).

Orientiert man sich im Anschluss an die vorstehenden Ausführungen an den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Abgrenzungskriterien unter Berücksichtigung der durch die Richtlinie 2004/27/EG erfolgten Änderungen, so handelt es sich bei dem Produkt Lactobact omni FOS nicht um ein Funktionsarzneimittel gemäß Art. 1 Nr. 2 lit. b) RL 2001/83/EG.

Vorauszuschicken ist, dass der Senat in Fällen, in denen wie hier die Einordnung eines als Nahrungsergänzungsmittel aufgemachten Lebensmittels im Raum steht, es für angebracht hält, das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels nicht an den im Einzelnen auftretenden Wirkungen - pharmakologisch, immunologisch, metabolisch -, sondern vor allem an dem Vorliegen eines therapeutischen Zwecks festzumachen. Ein solcher ist insbesondere dann gegeben, wenn ein in einem Produkt enthaltener Stoff oder eine Stoffzusammensetzung nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft geeignet sein kann, eine Verhütung, Heilung oder Linderung bestimmter Krankheiten zu erreichen, ferner dann, wenn mit dem Stoff oder der Stoffzusammensetzung entweder im Wege der Veränderung der normalen physiologischen Funktionen ein sonstiger Nutzen oder Vorteil erzielt oder eine medizinische Diagnose erstellt werden kann. Diesem zweckorientierten Ansatz liegen die folgenden Überlegungen zu Grunde:

Pharmakologische Wirkungen sind bereits begrifflich ein untaugliches Kriterium zur Abgrenzung zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln, weil sie auf eine Zirkeldefinition bzw. einen Zirkelschluss hinausliefen: Das Vorliegen eines Arzneimittels (= Pharmakon) würde nämlich von pharmakologischen Wirkungen abhängig gemacht. Das führt in den Fällen offensichtlich nicht weiter, in denen gerade unklar ist, ob ein Stoff ein Arzneimittel ist und ob dementsprechend seine Wirkungen als pharmakologisch einzustufen sind. Die Ungeeignetheit der pharmakologischen Wirkung als Abgrenzungskriterium zeigt im Übrigen ein Vergleich mit den beiden anderen in Art. 1 Nr. 2 lit. b) RL 2001/83/EG genannten Wirkungen. Die nach dem dritten Satz der siebten Begründungserwägung zur Richtlinie 2004/27/EG beabsichtigte Spezifizierung der Art der Wirkungen eines Arzneimittels auf die physiologischen Funktionen erscheint zwar mit den Adjektiven immunologisch und metabolisch erreichbar, weil damit Teilbereiche der physiologischen Funktionen bzw. des menschlichen Körpers (Immunsystem, Stoffwechsel) bezeichnet werden. Dies trifft jedoch auf das Adjektiv pharmakologisch nicht zu, weil dieses eine Bewertung oder Qualifizierung der durch einen Stoff ausgelösten Reaktionen oder Wirkungen beinhaltet.

Im Hinblick auf Lebensmittel sind jedoch auch immunologische und metabolische Wirkungen keine tauglichen Abgrenzungskriterien, was ein Blick auf die Richtlinien 90/385/EWG des Rates vom 20. Juni 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte und 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte zeigt. In deren jeweiligem Art. 1 Abs. 2 lit. a) am Ende ist bereits vor der Richtlinie 2004/27/EG auf pharmakologische, immunologische und metabolische Mittel oder Wirkungen abgestellt worden. Dort handelt es sich ebenso wie in § 3 Nr. 1 am Ende des Medizinproduktegesetzes (MPG), mit dem die beiden eingangs genannten Richtlinien in deutsches Recht umgesetzt wurden, jeweils um Ausschluss- oder Abgrenzungskriterien im Verhältnis zwischen einem medizinischen Gerät bzw. Medizinprodukt einerseits und einem Arzneimittel andererseits. In diesem Zusammenhang wird nach dem von der Klägerin überreichten Auszug aus einem Kommentar zum Medizinprodukterecht pharmakologische Wirkung definiert als Wechselwirkung zwischen den Molekülen des betreffenden Stoffs und einem gewöhnlich als Rezeptor bezeichneten Zellbestandteil, die entweder zu einer direkten Wirkung führt oder die Reaktion auf einen anderen Wirkstoff blockiert. Diese auf eine durch ein Molekül eines Stoffs ausgelöste Zellreaktion abstellende, im Ergebnis an (bio-)chemische Vorgänge anknüpfende Definition erscheint angesichts dessen, dass Medizinprodukte ihren nach § 3 Nr. 1 lit. a) und b) MPG mit Arzneimitteln weitgehend übereinstimmenden Zweck vorwiegend auf physikalischem Wege erreichen,

vgl. Bundestags-Drucksache 12/6991, S. 28,

für die Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Medizinprodukten durchaus brauchbar. Dabei ist das eigentliche Abgrenzungskriterium im Verhältnis zur physikalischen Wirkung eines Medizinprodukts die von einem Molekül eines Stoffs ausgelöste Zellreaktion und nicht die Qualifizierung dieser Reaktion bzw. Wirkung als pharmakologisch etc. Dies kommt auch in den Definitionen der immunologischen und metabolischen Wirkung, wie sie sich nach dem erwähnten Kommentarauszug darstellen, zum Ausdruck, weil diese im Ergebnis ebenfalls wesentlich an Zellreaktionen anknüpfen. Zum einen ist von einer Stimulierung oder Mobilisierung von Zellen die Rede, die an einer speziellen Immunreaktion beteiligt sind, zum anderen wird auf eine Veränderung der normalen chemischen Prozesse, die an der normalen Körperfunktion bei der Umwandlung zugeführter Stoffe beteiligt sind und diese unterstützen (= Stoffwechsel), abgestellt, was ebenfalls eine Zellreaktion impliziert, weil die Zellen maßgeblich am Stoffwechsel beteiligt sind. Das Auslösen von wie auch immer bezeichneten Zellreaktionen durch Moleküle eines Stoffs ist jedoch im Rahmen der Richtlinie 2001/83/EG kein taugliches Kriterium zur Abgrenzung eines Arzneimittels von einem Lebensmittel, weil letztere in aller Regel anders als Medizinprodukte keine rein physikalischen Wirkungen haben, sondern - ebenso wie Arzneimittel - die zuvor beschriebenen Reaktionen auslösen (können), indem sie nach der Aufnahme vom Körper im Wege des Stoffwechsels umgesetzt werden.

Angesichts dessen erscheint es dem Senat geboten, die zuvor behandelten, nur vermeintlich trennscharfen, die Abgrenzung jedenfalls zu einem Lebensmittel tatsächlich aber nicht voranbringenden Begrifflichkeiten (Wirkungen) weitgehend außer Betracht zu lassen, auch wenn nach den Sätzen 3 bis 5 der siebten Begründungserwägung zur Richtlinie 2004/27/EG beabsichtigt war, mit der Festlegung der Art der Wirkung Klarheit in Abgrenzungsfällen zu schaffen. Es sind zudem keine anderen allgemeingültigen, für die Rechtspraxis fassbaren und tauglichen Kriterien (Wirkungen, Zellreaktionen) ersichtlich, an Hand derer sich in jedem Einzelfall die Frage beantworten ließe, ob ein Stoff oder eine Stoffzusammensetzung angewandt werden kann, um die menschlichen physiologischen Funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen, und damit ein Funktionsarzneimittel darstellt. Dies gilt auch für die von der Klägerin betonten ernährungsphysiologischen Wirkungen. Abgesehen davon, dass solche jedenfalls in Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 178/2002 nicht als charakteristische Merkmale von Lebensmitteln bezeichnet werden, haben sowohl dieses Verfahren als auch das gleichgelagerte, ebenfalls am heutigen Tag verhandelte Verfahren 13 A 2098/02 betreffend ein Produkt mit Vitamin E gezeigt, dass der Begriff der ernährungsphysiologischen Wirkungen ebenso wie der der pharmakologischen Wirkungen eher eine Sammelbezeichnung ohne Trennschärfe im Einzelfall darstellt.

Mit den vorstehenden Ausführungen kann es jedoch nicht sein Bewenden haben. Angesichts der nunmehr weitgehend konturlosen Lebensmitteldefinition, die allein negativ über die Arzneimittel abgegrenzt wird, ist es erforderlich, der nach dem Wortlaut - Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen - ebenfalls überaus weiten Funktionsarzneimitteldefinition in irgendeiner Weise Konturen zu verleihen, die eine Abgrenzung zum Lebensmittel ermöglichen. Vor diesem Hintergrund orientiert sich der Senat bei der Beantwortung der Frage, ob ein Stoff oder eine Stoffzusammensetzung nach der Funktion ein Arzneimittel ist, vor allem daran, ob damit ein - therapeutischer - Zweck erfüllt werden kann, der bei einem Humanarzneimittel nicht nur nach dem allgemeinen Sprachgebrauch primär in der Verhütung, Heilung und Linderung menschlicher Krankheiten besteht. Dieser Zweck kommt zum einen in Art. 1 Nr. 2 lit. a) RL 2001/83/EG, § 3 Nr. 1 lit. a) MPG zum Ausdruck, findet sich zum anderen mit Einschränkungen aber auch in Art. 1 Nr. 2 lit. b) RL 2001/83/EG, soweit dort auf eine Wiederherstellung oder Korrektur der menschlichen physiologischen Funktionen abgestellt wird. Denn den Zustand, der eine Wiederherstellung oder Korrektur der menschlichen physiologischen Funktionen erfordert, wird man in aller Regel als Krankheit bezeichnen können. Bei der Feststellung eines solchen therapeutischen Zwecks kommt es auf die einzelnen Reaktionen oder Wirkmechanismen, so sie denn überhaupt bekannt sind oder sich eindeutig feststellen lassen, grundsätzlich nicht an, solange mit Blick auf die Medizinprodukte jedenfalls eine rein physikalische Wirkungsweise ausgeschlossen werden kann.

Mit Blick auf den weiteren in Art. 1 Nr. 2 lit. b) RL 2001/83/EG genannten, über den allgemeinen Sprachgebrauch hinsichtlich eines Humanarzneimittels hinausgehenden Zweck der Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen liegt ein so genannter therapeutischer Zweck auch dann vor, wenn ein Stoff oder eine Stoffzusammensetzung geeignet ist, im Wege der Veränderung der physiologischen Funktionen einen sonstigen Nutzen oder Vorteil hervorzurufen. Angesichts der Weite des Begriffs der Beeinflussung muss die Spezifizierung dieses Nutzens oder Vorteils - in Betracht kommen etwa Empfängnisverhütung,

vgl. EuGH, Urteil vom 16. April 1995 - C-112/89 - (Upjohn I), a. a. O., S. 22,

oder aber Doping, das nach Pschyrembel (Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage 2004) verkürzt als unphysiologische Leistungssteigerung zu definieren ist - dem jeweiligen Einzelfall überlassen bleiben, zumal sich den Begründungserwägungen zur Richtlinie 65/65/EWG, in welcher der Begriff der Beeinflussung - soweit ersichtlich - erstmalig verwandt wurde, nicht entnehmen lässt, welche Fälle oder Fallgruppen der Gesetzgeber damit erfassen wollte. Zwar weisen die in der englischen, französischen und niederländischen Fassung der genannten Richtlinie verwendeten Begriffe "modifying", "modifier" und "wijzigen" darauf hin, dass nicht jede Beeinflussung, sondern nur eine Veränderung der physiologischen Funktionen unter die Definition des Funktionsarzneimittels fallen sollte. Eine Antwort auf die Frage, welche Veränderungen gemeint sind, ergibt sich jedoch auch daraus nicht.

Zur Vermeidung von Missverständen weist der Senat darauf hin, dass mit einem so verstandenen therapeutischen Zweck kein klinischer oder sonstiger Wirksamkeitsnachweis gemeint oder verbunden ist. Steht eine Eignung zur Verhütung, Heilung oder Linderung einer Krankheit in Rede, kann sich eine solche durchaus aus dem ergeben, was in der entsprechenden wissenschaftlichen Literatur - häufig basierend auf der Annahme des Vorliegens eines Arzneimittels - als pharmakologische Wirkung o.ä. beschrieben oder bezeichnet wird, ohne dass bereits klinische Wirksamkeitsstudien vorliegen. Andererseits reicht nicht jeder In-Vitro-Test oder Tierversuch, bei dem sich als pharmakologisch bezeichnete Wirkungen o.ä. gezeigt haben, aus, um die Annahme zu begründen, es könne ein therapeutischer Zweck erfüllt werden. Erforderlich ist insoweit eine sorgfältige Abwägung des aktuell zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnismaterials in dem jeweiligen Einzelfall. Im Übrigen kann dann von einer Eignung für einen therapeutischen Zweck ausgegangen werden, wenn der Stoff oder die Stoffzusammensetzung dem in einem regulär (nach-)zugelassenen Arzneimittel enthaltenen Wirkstoff entspricht, weil die (Nach-)Zulassung als Arzneimittel regelmäßig den Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit voraussetzt (vgl. § 22 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3, 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, 105 Abs. 4a Satz 1, Abs. 4f Satz 1 AMG). In Betracht kommen ferner Fälle, in denen ein therapeutischer Zweck eines Stoffs oder einer Stoffzusammensetzung zu vermuten ist bzw. unterstellt wird. Dies trifft beispielsweise auf Stoffe und Stoffzusammensetzungen zu, die in der Aufstellung gemäß § 109a Abs. 3 Satz 1 AMG oder aber in einem Arzneimittel enthalten sind, das nach den §§ 39a ff. AMG registriert ist. In beiden Konstellationen wird von der therapeutischen Wirksamkeit des Stoffs oder der Stoffzusammensetzung bzw. des Arzneimittels auf Grund langjähriger Anwendung und Erfahrung ausgegangen (vgl. §§ 109a Abs. 3 Satz 2, 39b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 am Ende AMG).

Trotz therapeutischer (medizinischer) Zweckrichtung zählen nicht zu den Funktionsarzneimitteln Stoffe und Stoffzusammensetzungen, hinsichtlich derer europa- oder nationalrechtlich normativ eine andere Qualifizierung vorgegeben ist, was beispielsweise auf Lebensmittel im Sinne von § 1 Abs. 4a der Diätverordnung zutrifft.

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft bereits eine Eignung der in dem Produkt Lactobact omni FOS enthaltenen Bakterien zur Erfüllung eines therapeutischen Zwecks, der hier zunächst mangels anderer Anhaltspunkte nur in Form der Verhütung, Heilung oder Linderung einer Krankheit bestehen könnte, nicht festgestellt werden. Dabei kann nicht generell auf probiotische Bakterien abgestellt werden, sondern es sind - soweit bekannt - jeweils die einzelnen Stämme der in Rede stehenden Bakterienart in den Blick zu nehmen. In sämtlichen wissenschaftlichen Abhandlungen wird nämlich auf das Erfordernis einer solchermaßen differenzierten Betrachtung hingewiesen, weil Aussagen zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht bezüglich einer ganzen Bakterienart, sondern jeweils nur für einen bestimmten Stamm einer Art gemacht werden können.

Nach den insoweit übereinstimmenden Publikationen von Bischoff und Manns (Probiotika, Präbiotika und Symbiotika, Deutsches Ärzteblatt 2005, S. A 752 ff.) und von de Roos und Katan (Effects of probiotic bacteria on diarrhea, lipid metabolism, and carcinogenesis: a review of papers published between 1988 and 1998, The American Journal of CLINICAL NUTRITION 2000, S. 405 ff.) kann hier weder für einen Stamm noch für eine Kombination mehrerer Stämme der in dem Produkt enthaltenen Bakterienarten eine Eignung zur Erfüllung eines therapeutischen Zwecks im Hinblick auf eine bestimmte medizinische Indikation angenommen werden. Zwar gibt es nach den beiden Publikationen eine große Anzahl von Studien und Untersuchungen über die Auswirkungen von probiotischen Bakterien auf den Menschen, insbesondere im Hinblick auf die Behandlung bestimmter Krankheiten. Daraus ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte, dass das hier in Rede stehende Bakteriengemisch zu einem therapeutischen Zweck eingesetzt werden kann. Eine Vergleichbarkeit mit dem in mehreren Studien im Hinblick auf mehrere Darmerkrankungen als wirksam erachteten Bakteriengemisch VSL#3, das im Übrigen nach dem im Internet unter http://www.vsl3.de/beipackzettel.php verfügbaren Beipackzettel von einem deutschen Unternehmen als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben wird, besteht mangels hinreichender Vergleichbarkeit nicht, weil dieses acht verschiedene Bakterienarten mit 450 Milliarden Bakterien pro 2,5 g Pulver enthält. Dass nach dem Kenntnisstand eines in der mündlichen Verhandlung anwesenden Mitarbeiters des BfArM eine weitere Studie geplant ist, bei der auch das streitige Produkt im Hinblick auf die Behandlung des sog. Reizdarmsyndroms untersucht werden soll, rechtfertig gegenwärtig keine andere Einschätzung, zumal ein Ergebnis der Studie nicht abschätzbar ist. Soweit die Beklagte weiter geltend macht, dass eine "Wirksamkeit ausgewählter Probiotika-Stämme in der Prophylaxe und Therapie von chronisch entzündlichen, infektiösen und allergischen Erkrankungen durch prospektive, kontrollierte Studien belegt" sei, und sich diesbezüglich ebenfalls auf die zuvor genannte Publikation von Bischoff und Manns beruft, ist das zwar zutreffend, führt jedoch nicht weiter, weil sich aus der Veröffentlichung zugleich ergibt, dass die hier in Rede stehenden Stämme gerade nicht zu den in der Wissenschaft als wirksam erachteten gehören. Soweit die Beklagte schließlich in Bezug auf die Therapie von Durchfallerkrankungen und mit Blick auf die in dem Produkt enthaltenen Arten Bifidobacterium bifidum (animalis) und Lactobacillus acidophilus auf eine Studie von De Simone et al. Bezug nimmt, rechtfertigt dies ebenfalls keine andere Einschätzung, weil es in der Studie nicht um die Behandlung von Durchfallerkrankungen, sondern um Auswirkungen der beiden genannten Bakterienarten auf das Immunsystem ging und die diesbezüglichen Ergebnisse der Studie sowohl nach ihrer eigenen Zusammenfassung als auch nach ihrer Bewertung in der zuvor genannten Publikation von de Ross und Katan kaum über Andeutungen hinausgehen. Halbwegs gesicherte Erkenntnisse über die Geeignetheit einer Kombination der beiden genannten Bakterienarten bzw. einer Kombination bestimmter Stämme dieser Arten zur Behandlung von Durchfallerkrankungen bestehen nach den in Bezug genommenen Publikationen von Bischoff und Manns sowie von de Roos und Katan nicht. Vor allem nach der zuletzt genannten Publikation stellt sich die Sachlage im Hinblick auf den Lactobacillus acidophilus eher so dar, dass trotz zahlreicher Untersuchungen mit unterschiedlichen Stämmen dieser Art keine verlässlichen positiven Ergebnisse erzielt werden konnten.

Regulär (nach-)zugelassene Arzneimittel, die als Wirkstoff ausschließlich eine oder mehrere der in dem Produkt enthaltenen Bakterienarten aufweisen, sind nicht ersichtlich. Das regulär zugelassene Präparat Infectodiarrstop GG enthält als Wirkstoff den Lactobacillus rhamnosus GG, dessen therapeutische Wirksamkeit im Hinblick auf Darmerkrankungen nach den beiden zuvor genannten Publikationen wissenschaftlich anerkannt ist. Eine Vergleichbarkeit mit dem Arzneimittel Eugalan forte der Töpfer GmbH besteht ebenfalls nicht, weil dieses den (weiteren) anerkannten Wirkstoff Lactulose enthält und im Übrigen angesichts einer Menge von lediglich 3 x 106 "Lactobacillus bifidus" pro Portion a 30 g Pulver - gemeint dürfte wohl das Bifidobacterium bifidum (animalis) sein, weil es den genannten Lactobacillus mit dieser Bezeichnung nach der von der DSMZ - Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH veröffentlichten Aufstellung (siehe unter http://www.dsmz.de/download/bactnom/ bactname.pdf) nicht (mehr) gibt - selbst bei einer täglichen Aufnahme von vier Portionen sehr zweifelhaft ist, ob überhaupt genügend lebende Bakterien bis in den Darm gelangen, um dort irgendwelche Wirkungen hervorzurufen. Nach den Angaben zur Dosierung von Mikroorganismen in dem Abschlussbericht der Arbeitsgruppe "Probiotische Mikroorganismenkulturen in Lebensmitteln" am BgVV aus Oktober 1999 (im Folgenden: Abschlussbericht) und in den beiden eingangs erwähnten Publikationen dürfte der Wirksamkeitsbereich nämlich erst bei einer täglichen Aufnahme von mindestens 108 lebenden Bakterien erreicht sein (so wohl auch Catanzaro und Green, Microbial Ecology and Probiotics in Human Medicine (Part II), Alternative Medicine Review 1997, 296 (302)). Schließlich lassen sich aus dem wohl in Österreich zugelassenen Präparat Infloran, welches nach der im Internet verfügbaren Gebrauchsinformation (siehe unter http://aposhop.aponet.at/OTC katalog/htm/infloran_berna.htm) die beiden Bakterienarten Lactobacillus acidophilus und Bifidobacterium infantis in einer Größenordnung von je 109 Keimen pro Kapsel enthält, keine Rückschlüsse auf das hier in Rede stehende Produkt ziehen. Eine Übereinstimmung besteht lediglich hinsichtlich der Art Lactobacillus acidophilus, die jedoch angesichts des nicht bekannten Stamms sowie der weitaus größeren Menge an Keimen dieser Art in dem Präparat Infloran eine Vergleichbarkeit ausschließt. Unabhängig davon erscheint es sehr zweifelhaft, ob nach gegenwärtigem Erkenntnisstand für das Präparat Infloran angesichts der äußerst unspezifischen Indikation "zum Wiederaufbau natürlicher Verhältnisse bei einer gestörten Darmbesiedelung (Darmflora) bei Verdauungsstörungen" überhaupt eine Zulassung als Arzneimittel erteilt werden könnte. Zum einen liegen nach den Publikationen von Bischoff und Manns sowie von de Roos und Katan hinsichtlich der Verwendung der beiden genannten Arten bei Magen-/Darmerkrankungen keine gesicherten Erkenntnisse vor, zum anderen deutet die in der Gebrauchsinformation beschriebene Wirkungsweise des Präparats - Ansäuerung des Darminhalts durch die Stoffwechselprodukte der Bakterien - darauf hin, dass die Wirkung lediglich darin besteht, einen Mangel an im Darm ansonsten vorkommender Bakterien auszugleichen.

Die Eignung für einen therapeutischen Zweck kann hier auch nicht vermutet werden. Zwar weist die Aufstellung nach § 109a Abs. 3 Satz 1 AMG unter den Nummern 392, 393 und 996 jeweils die Bakterienart Lactobacillus acidophilus als traditionell angewendetes, mild wirkendes Arzneimittel zur Unterstützung der Darmfunktion (z.B. bei Darmträgheit und Durchfall) aus. Dies stellt jedoch für die aktuell anzustellende Beurteilung keine taugliche Vermutungsgrundlage (mehr) dar. Abgesehen davon, dass weder der oder die Stämme der Bakterienart noch die Anzahl der enthaltenen oder aufzunehmenden Bakterien benannt werden noch angegeben ist, ob es sich um lebende bzw. aktive Bakterien handelt, stellt das Anwendungsgebiet "Zur Unterstützung der Darmfunktion" im Anschluss an die Ausführungen zum Präparat Infloran bereits keine therapeutische Indikation als Kennzeichen eines nach heutigem Erkenntnisstand zu beurteilenden Funktionsarzneimittels dar. Eine Spezifizierung der Indikation ergibt sich auch aus dem teilweise beigefügten Hinweis auf Darmträgheit und Durchfall nicht. Soweit damit ein Bezug zu bestimmten Magen-/Darmerkrankungen hergestellt werden sollte, kann nach den beiden Publikationen von Bischoff und Manns sowie von de Roos und Katan gegenwärtig eine Eignung der Art Lactobacillus acidophilus zu einem entsprechenden therapeutischen Zweck nicht festgestellt werden. Soweit gleichwohl in der Aufstellung nach § 109a Abs. 3 Satz 1 AMG zugleich von mild wirkenden Arzneimitteln die Rede ist, hat dies ausschließlich historische Gründe.

Vgl. ausführlich zur Entstehung des § 109a AMG OVG NRW, Urteil vom 10. November 2005 - 13 A 4246/03 -.

In Anschluss daran ist es unerheblich, dass nach den Angaben der Beklagten mehrere auf der Grundlage der Traditionsliste nachzugelassene Arzneimittel auf dem Markt sind.

Der Umstand, dass die mit dem Produkt aufgenommene Keimzahl der von Arzneimitteln mit Bakterien entspricht, belegt keine Eignung zu einem therapeutischen Zweck. Abgesehen davon, dass für das Produkt nach den vorstehenden Ausführungen eine Indikation ohnehin nicht ersichtlich ist und eine Vergleichbarkeit mit regulär (nach-)zugelassenen Arzneimitteln nicht besteht, weist die Beklagte selbst zutreffend darauf hin, dass die Wirkungsweise von (Darm- )Bakterien wissenschaftlich noch weitgehend ungeklärt ist und dass anknüpfend daran keinerlei Aussagen zur Abhängigkeit zwischen Dosis (Anzahl) und Wirkung von Bakterien gemacht werden können. Dies relativiert zugleich die Aussagekraft der von ihr zitierten Dissertation von Roller hinsichtlich einer pharmakologischen, therapeutischen Wirkung von Milchsäurebakterien in einer Konzentration von einer Milliarde Keimen, zumal die gleiche Menge an Bakterien nach dem Abschlussbericht für den Lebensmittelbereich als ausreichend angesehen wird, um sicherzustellen, dass überhaupt eine für die Entfaltung positiver gesundheitlicher Wirkungen erforderliche Anzahl lebender Bakterien in den Darm gelangt.

Ein therapeutischer Zweck kann schließlich nicht wegen Vorliegens eines sonstigen Nutzens oder Vorteils angenommen werden. Selbst wenn man einen solchen in der zuvor erwähnten "Unterstützung der Darmfunktion" - was auch immer genau darunter zu verstehen sein mag - sieht, fehlt es an einer "nennenswerten" oder "wirklichen",

vgl. zu diesen Begriffen EuGH, Urteil vom 16. April 1995 - C-112/89 - (Upjohn I), a. a. O., S. 23,

Veränderung der physiologischen Funktionen. Da probiotische Bakterien ohnehin im menschlichen Darm vorkommen und dort unter anderem im Rahmen der Verdauungsprozesse eine Rolle spielen, liegt die Annahme nahe, dass die Darmfunktion insbesondere bei entsprechenden Unregelmäßigkeiten etwa auf Grund unausgewogener Ernährung durch die zusätzliche Gabe solcher Bakterien unterstützt werden kann. Daraus ergibt sich jedoch zugleich, dass sich die Unterstützung im Rahmen der normalen physiologischen Funktionen bewegt und nicht auf deren Veränderung beruht.

Zieht man ergänzend die oben genannten (Hilfs-)Kriterien heran, ergeben sich deutliche Hinweise gegen das Vorliegen eines Arzneimittels.

Zunächst spricht die Zusammensetzung des Produkts eher für ein Lebensmittel. Dies gilt zunächst im Hinblick darauf, dass das Produkt zu 87 % aus Kohlenhydraten und zu 5 % aus Ballaststoffen (Oligofructose) besteht, die beide einen Ernährungszweck haben oder zumindest auf einen solchen hindeuten. Die ferner enthaltenen Bakterienkulturen für sich genommen erlauben keine eindeutige Einordnung, weil sie einerseits in Arzneimitteln, andererseits aber auch und in den letzten Jahren vermehrt in probiotischen Lebens-/Nahrungsergänzungsmitteln enthalten sind, was die von der Klägerin eingereichten Unterlagen zu entsprechenden, auf dem Markt befindlichen Produkten belegen und den Mitgliedern des Senats aus eigener Anschauung bekannt ist. Werden sie jedoch wie hier in Kombination mit weiteren Stoffen angeboten, die eindeutig dem Ernährungsbereich zuzuordnen sind, spricht dies insgesamt für einen dahingehenden Zweck.

Die Darreichungsform des Produkts als loses Pulver rechtfertigt keine andere Einschätzung. Gerade im Lebensmittelbereich ist diese Darreichungsform für zahlreiche Produkte zur Herstellung von Getränken, Suppen, Saucen, Pudding, Brei etc. bekannt und üblich, während sie im Arzneimittelbereich eher selten sein dürfte. Im Übrigen zählt Pulver zu den typischen Darreichungsformen von Nahrungsergänzungsmitteln, was sich aus den in § 1 Abs. 1 Nr. 3 NemV erwähnten Pulverbeuteln ergibt, auch wenn die Dosierung hier mittels eines Dosierlöffels erfolgt.

Anknüpfend daran vermag der an den Abschlussbericht angelehnte sinngemäße Vortrag der Beklagten, das Produkt könne mit den in isolierter und konzentrierter Form als Pulver angebotenen Bakterien nicht als Lebens-/Nahrungsergänzungsmittel angesehen werden und es sei mit anderen auf dem Markt befindlichen sog. probiotischen Produkten nicht vergleichbar, nicht zu überzeugen.

Die These, die Darreichungsform stehe der Einstufung als Lebens- /Nahrungsergänzungsmittel entgegen, ist abgesehen davon, dass der Abschlussbericht diesbezüglich ebenso wenig wie der Aufsatz von Bischoff und Manns (a. a. O., A 759) eine Begründung enthält, nicht haltbar. Für Nahrungsergänzungsmittel ist es im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3 NemV gerade charakteristisch, dass die Stoffe, mit denen die allgemeine Ernährung, d.h. die normale Nahrung ergänzt werden soll, in konzentrierter isolierter Form angeboten werden. Von daher kann diese Darreichungsform keinesfalls als entscheidendes, für die Arzneimitteleigenschaft sprechendes Merkmal angesehen werden, zumal nach den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen eine Vielzahl von konzentrierten Bakterienkulturen in Pulverform als Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt sind (z.B. Acidobif, Eugalan, Darm-Symbionten Pascoe, Darmflora plus Dr. Wolz, SymbioLact, Larisod, bionic, BactoFlor, VSL#3). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die in dem streitigen Produkt eingesetzten Bakterienarten in der Nahrung und im menschlichen Darm vorkommen und dass positive gesundheitliche Wirkungen von probiotischen Bakterien unabhängig davon, ob es sich um essentielle Nährstoffe handelt oder nicht, nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden, was eine Ergänzungsfunktion zumindest plausibel erscheinen lässt.

Die Ausführungen der Beklagten zur (vermeintlich) konzentrierteren Einwirkung der Bakterien auf die Darmschleimhaut bei Gabe eines Pulvers sind bereits deshalb unmaßgeblich, weil die Verzehrsempfehlung eine isolierte Einnahme des Pulvers nicht vorsieht und - worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat - es völlig unwahrscheinlich ist, dass ein Verbraucher das reine Pulver zu sich nimmt. Abgesehen davon hat die Beklagte ihre Auffassung weder belegt noch ist sie nachvollziehbar. Das Pulver würde selbst dann, wenn es entgegen der Verzehrsempfehlung nicht in Wasser eingerührt oder als Joghurt zubereitet aufgenommen würde, mit Magen- und Gallensaft vermischt in den Darm gelangen. Es bestehen ferner keine Anhaltspunkte dafür, dass bei Gabe eines Pulvers mehr Bakterien den Übergang in den Darmbereich schaffen oder diese dort - wenn überhaupt - anders wirken, als es beispielsweise bei der Aufnahme eines probiotischen Joghurts der Fall ist.

Ein Vergleich mit anderen probiotischen Lebensmitteln ergibt ebenfalls keine signifikanten Unterschiede. Nach den vorstehenden Ausführungen ist es im Lebensmittelbereich weit verbreitet, dass der Verbraucher das verzehrfertige Erzeugnis aus einem Pulver selbst herstellt. Hier entsteht nach Verwendung des Produkts entsprechend der Verzehrsempfehlung entweder ein probiotisches Getränk oder aber ein probiotischer Joghurt. Unterschiede zu auf dem Markt befindlichen fertigen Produkten bestehen nicht, weil diesen die probiotischen Bakterienkulturen in der Regel ebenfalls in irgend einer Weise zugesetzt werden, was bei den in der letzten Zeit stark beworbenen probiotischen (Joghurt-)Getränken wie Danone Actimel und Yakult offensichtlich ist, aber auch auf probiotische Joghurts zutrifft. Denn die üblicherweise zur Herstellung eines Joghurts als Starterkulturen eingesetzten Milchsäurebakterien - Lactobacillus (delbrueckii subsp.) bulgaricus und Streptococcus (salvarius subsp.) thermophilus - sind keine probiotischen, gelangen also nicht lebend in den Darm.

Die Modalitäten des Gebrauchs weisen eindeutig in die Richtung eines Lebens-/ Nahrungsergänzungsmittels. Auch wenn das Einrühren des Pulvers in Wasser nicht aussagekräftig sein mag, spricht die alternative Empfehlung, mit dem Pulver einen probiotischen Joghurt herzustellen, offensichtlich für ein Lebensmittel.

Risiken im Sinne von Gesundheitsgefahren bei der Verwendung des Produkts sind nicht ersichtlich.

Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass Gesundheitsgefahren keine charakteristischen Merkmale eines Arzneimittels sind.

Vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 09. Juni 2005 - C-211/03 u.a. - (HLH und Orthica), a. a. O., Rdnr. 53.

Soweit es im Arzneimittelzulassungsverfahren um von einem Präparat ausgehende Risiken geht, werden diese regelmäßig nicht isoliert, sondern in Abhängigkeit oder im Verhältnis zur positiven Wirksamkeit des Präparats beurteilt (vgl. §§ 5 Abs. 2, 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG). Dabei steht die Arzneimitteleigenschaft aber nicht in Frage. Abgesehen davon, dass bereits auf Grund des Zulassungsantrags ein Präsentationsarzneimittel gemäß Art. 1 Nr. 2 lit. a) RL 2001/83/EG vorliegen dürfte, macht die Stellung eines Zulassungsantrags erst dann Sinn, wenn - jedenfalls aus Sicht des pharmazeutischen Unternehmens - tragfähiges wissenschaftliches Material zum Beleg der therapeutischen Wirksamkeit vorliegt. Fehlt es an letzterem und liegen auch keine sonstigen eindeutigen Hinweise auf eine positive (therapeutische) Wirksamkeit als charakteristisches Merkmal eines Arzneimittels vor, erscheint es kaum vertretbar, die Arzneimitteleigenschaft allein wegen mit der Aufnahme des Stoffs verbundener gesundheitlicher Risiken oder Gefahren anzunehmen. Diese erlauben bei isolierter Betrachtung ebenso wenig wie die oben behandelten Zellreaktionen einen Rückschluss darauf, ob der sie auslösende Stoff nun ein Lebensmittel oder ein Arzneimittel war, da nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann, dass auch die Aufnahme eines Lebensmittels, insbesondere für bestimmte mit Krankheiten belastete Verbrauchergruppen, gesundheitliche Gefahren mit sich bringt. Im Übrigen werden ernsthafte Gesundheitsschäden (z.B. Vergiftungen) gerade durch Stoffe verursacht, die überhaupt nicht zur Aufnahme durch den Menschen bestimmt sind, ohne dass sich daraus eine Rechtfertigung ableiten ließe, diese Stoffe als Arzneimittel zu qualifizieren.

Dessen ungeachtet können hier Gesundheitsgefahren bei der Verwendung des Produkts nicht festgestellt werden. Unabhängig davon, welcher Prognosemaßstab im Rahmen dieser Prüfung anzulegen ist, reichen in Anlehnung an das Lebensmittelrecht hypothetische Vermutungen, wissenschaftlich nicht abgesicherte Aussagen,

vgl. zur Wahrscheinlichkeit gemäß Art. 14 Abs. 4 VO (EG) 178/2002 Gorny, Grundlagen des europäischen Lebensmittelrechts, Rdnr. 297,

der bloße Verdacht oder die bloße (abstrakte) Möglichkeit des Vorhandenseins von Eigenschaften, welche die Eignung zur Gesundheitsschädigung besitzen,

vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2005, Band II, C 100, § 8 LMBG Rdnr. 6, sowie C 101, Art. 14 VO (EG) 178/2002 Rdnr. 39,

nicht aus. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass bei regelmäßiger (zusätzlicher) Aufnahme der in dem Produkt enthaltenen Bakterien bestimmte gesundheitliche Störungen beim Menschen auftreten können, liegen nicht vor.

Zunächst sind die einzelnen Stämme als gesundheitlich unbedenklich anzusehen, was auch von der Beklagten nicht mehr in Abrede gestellt wird, nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 09. März 2006 erstmals die Stämme benannt hat. Ein Risiko besteht ferner nicht unter Dosierungsgesichtspunkten. Auszugehen ist insoweit von der normalen Verwendung des Produkts, wie sie sich aus der Verzehrsempfehlung ergibt. Danach ist eine tägliche Aufnahme von 4 x 109 Bakterien (insgesamt vier Dosierlöffel zu je 1 g Pulver mit jeweils 109 Bakterien) zu Grunde zu legen. Diese Menge ist nach dem Aufsatz von Catanzaro und Green (a. a. O., S. 302) als sicher anzusehen. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Zahlenangabe "billion" in dem Aufsatz im amerikanischen Sinne gemeint und dementsprechend mit Milliarde zu übersetzen ist. Soweit die Beklagte in der Darreichungsform als loses Pulver eine Gefahrenquelle für Überdosierungen sieht, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Über die auf Dosierlöffel abstellende Verzehrsempfehlung kann sich der Verbraucher ebenso hinwegsetzen wie über die Anzahl von empfohlenen Tabletten, Kapseln Beuteln etc. Dass die Abmessung mit einem Dosierlöffel an sich eine gewisse Schwankungsbreite enthält oder eröffnet, fällt angesichts der in Rede stehenden Anzahl an Bakterien nicht ins Gewicht. Soweit in dem Artikel von Catanzaro und Green (a. a. O.) von gelegentlichen Magen-Darm-Beschwerden nach der Gabe von "probiotics" die Rede ist, kann daraus auf Grund der Allgemeinheit und Unbestimmtheit der im Übrigen nicht belegten Aussage ein konkretes Risiko für das hier in Rede stehende Produkt nicht abgeleitet werden, zumal Beschwerden auch nach der Aufnahme von "normalen" Lebensmitteln gelegentlich vorkommen können. Ebenfalls nicht belegt ist die weitere Aussage in dem Artikel, dass bei einer zehn Milliarden lebende Organismen der Art Lactobacillus acidophilus überschreitenden therapeutischen Dosierung Störungen im Magen-Darm-Bereich auftreten könnten. Abgesehen davon, dass weder die konkrete Menge an Bakterien noch die Art der Störungen mitgeteilt wird, handelt es sich anscheinend eher um eine Spekulation, da es im folgenden Satz unter anderem heißt, dass Dosierungen in dieser Höhe normaler Weise nicht verschrieben würden. Unabhängig davon würde die angesprochene, möglicherweise Störungen hervorrufende Dosierung hier selbst dann nicht erreicht, wenn das Doppelte der empfohlenen Menge Pulver aufgenommen würde.

Was den Umfang der Verbreitung anbelangt, ist davon auszugehen, dass das Produkt in den Niederlanden seit über zehn Jahren als "Novel Food", also im weiteren Sinne als Lebensmittel, und in Deutschland seit dem Frühjahr 1997 in der beschriebenen Aufmachung als (probiotisches) Nahrungsergänzungsmittel im Verkehr ist. Anhaltspunkte dafür, dass das Produkt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Arzneimittel angesehen wird oder verbreitet ist, sind weder von der Beklagten aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich.

Was schließlich die Bekanntheit bei den Verbrauchern anbelangt, ist im Anschluss an die vorstehenden Ausführungen davon auszugehen, dass das Produkt - wenn überhaupt - als (probiotisches) Nahrungsergänzungsmittel bekannt ist.

Im Rahmen einer Gesamtabwägung ist das Produkt im Ergebnis nicht als Funktionsarzneimittel zu qualifizieren. Zusammengefasst kann eine Eignung zur Erfüllung eines therapeutischen Zwecks im Sinne der Verhütung, Heilung oder Linderung einer Krankheit nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft nicht angenommen werden, vergleichbare regulär (nach-)zugelassene Arzneimittel sind nicht ersichtlich, die möglich erscheinende Eignung "zur Unterstützung der Darmfunktion" beruht nicht auf einer Veränderung der physiologischen Funktionen, die Hilfskriterien sprechen zusammengefasst ebenfalls gegen das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels. Zwar gibt es zahlreiche Studien am Menschen zur Erforschung möglicher therapeutischer Verwendungszwecke von Bakterien und es wurden und werden in diesem Zusammenhang diverse als pharmakologisch bezeichnete Wirkungen, Effekte o.ä. beschrieben und diskutiert. Bei vielen Ergebnissen handelt es sich jedoch eher um vorsichtige Andeutungen und nicht um einen als gesichert zu bezeichnenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand, zumal eine Übertragbarkeit auf das hier in Rede stehenden Bakteriengemisch und die in diesem enthaltenen Stämme in den wenigsten Fällen gegeben ist. Zu den nach den Studien als wirksam anzusehenden Arten/Stämmen zählt das Produkt jedenfalls nicht. Allein die in der Wissenschaft noch bestehende Unsicherheit bezüglich der genauen Wirkungsmechanismen von Bakterien rechtfertigt keine Qualifizierung als Funktionsarzneimittel.

Das Produkt stellt ferner kein Präsentationsarzneimittel dar.

Diese Arzneimittelkategorie ist deswegen geschaffen worden, um den Verbraucher vor Erzeugnissen zu schützen, die tatsächlich keine therapeutische Wirksamkeit haben, die der Verbraucher jedoch auf Grund ihrer Bezeichnung oder, um in der Terminologie der nunmehrigen deutschen Fassung des Art. 1 Nr. 2 Abs. 1 RL 2001/83/EG zu bleiben, auf Grund ihrer Bestimmung wegen einer solchen Wirksamkeit und damit möglicherweise an Stelle geeigneter Arzneimittel verwendet. Eine Empfehlung, ein Erzeugnis als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von Krankheiten zu nehmen, kann sich beispielsweise aus dem Etikett, dem Beipackzettel oder auch aus mündlichen Hinweisen ergeben. Allerdings stellt die Verbreitung von Informationen über das Erzeugnis, namentlich über seine heilenden oder verhütenden Eigenschaften, durch einen Dritten, der aus eigenem Antrieb und in völliger - rechtlicher und tatsächlicher - Unabhängigkeit vom Hersteller oder vom Verkäufer handelt, für sich allein keine Bezeichnung oder Bestimmung im Sinne von Art. 1 Nr. 2 Abs. 1 RL 2001/83/EG dar, weil sich daraus nicht entnehmen lässt, dass der Hersteller oder der Verkäufer die Erzeugnisse als Arzneimittel in den Verkehr zu bringen beabsichtigt.

Vgl. zum gesamten Vorstehenden EuGH, Urteil vom 28. Oktober 1992 - C- 219/91 - (Ter Voort), a. a. O., Rdnr. 16 f., 31, in Bezug auf die Richtlinie 65/65/EWG.

Ausgehend hiervon kann der aktuellen, von der Klägerin mit Schriftsatz vom 17. Februar 2006 überreichten Produktinformation, die nicht wesentlich von der ursprünglich vorgelegten abweicht, im Rahmen zulässiger Auslegung kein Hinweis entnommen werden, das Produkt könne oder solle vorbeugend oder heilend im Hinblick auf bestimmte Krankheiten oder krankhafte Beschwerden eingesetzt werden. Soweit im Zusammenhang mit dem Produkt im Internet unter http://shop. allsana.de allgemeine Angaben zu probiotischen Bakterien gemacht werden, die möglicherweise als krankheitsbezogen gewertet werden können, rechtfertigen diese die Annahme eines Präsentationsarzneimittels nicht. Abgesehen davon, dass es sich nicht um konkrete Empfehlungen im Hinblick auf das Produkt handelt, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben auf der genannten Internetseite dem Hersteller des Produkts oder der Klägerin zurechenbar sind. Unabhängig davon wird der durchschnittlich informierte, aufmerksame und interessierte Durchschnittsverbraucher angesichts von zahllosen Möglichkeiten (Lebensmittelgeschäfte, Apotheken, Reformhäuser, Internet), Nahrungsergänzungsmittel zu beziehen, nicht auf Grund einer, nicht in irgend einer Weise als vom Hersteller autorisiert erscheinender oder sonst hervor stehender Internetseite den Eindruck gewinnen, beim dem Produkt der Klägerin handele es sich um ein Arzneimittel. Solange es sich um Einzelfälle handelt, wird man schließlich von dem Hersteller des Produkts oder von der Klägerin nicht verlangen können, zwecks Vermeidung der Entstehung des Eindrucks eines Präsentationsarzneimittels ständig das Internet zu durchsuchen mit dem Ziel, gegen unzulässige Werbeaussagen von anderen Vertreibern vorzugehen, sofern dies rechtlich überhaupt möglich ist.

An der Einschätzung, dass es sich bei dem Produkt weder um ein Funktionsarzneimittel noch ein Präsentationsarzneimittel handelt, ändert die Zweifelsregelung in Art. 2 Abs. 2 RL 2001/83/EG nichts.

Diese führt entgegen der von der Beklagten wiedergegebenen, in der Literatur vertretenen Auffassung nicht zu einer geringeren Prüfungstiefe bei der Feststellung der Arzneimitteleigenschaft oder aber dazu, dass insoweit eine Offenkundigkeitsprüfung ausreichte. Sollte der Beschluss des Senats vom 15. Juni 2004 - 13 A 2320/03 -, LRE 47, 400 (401), in einem solchen Sinne verstanden werden können, wird daran nicht festgehalten. Der Europäische Gerichtshof hat nämlich in Kenntnis der Zweifelsregelung seine Rechtsprechung bezüglich einer umfassenden Prüfung der Arzneimitteleigenschaft unter Berücksichtigung aller Merkmale im Einzelfall beibehalten,

vgl. EuGH, Urteil vom 09. Juni 2005 - C-211/03 u.a. - (HLH und Orthica), a. a. O., Rdnr. 44, 51,

was mit dem Wortlaut der Zweifelsregelung in Einklang steht, soweit dort die "Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften" gefordert wird.

Aus den Begründungserwägungen zu der Richtlinie 2004/27/EG lässt sich ebenfalls nichts für eine geringe Prüfungstiefe oder aber für eine Offenkundigkeitsprüfung herleiten. Angesichts einer Vielfalt unterschiedlichster Motive und Begrifflichkeiten insbesondere in der siebten Begründungserwägung, deren siebter Satz sich zudem nicht ohne Weiteres mit dem Wortlaut der Zweifelsregelung vereinbaren lässt, liegt der Schluss nahe, dass bei der Verabschiedung der Richtlinie eine klare und eindeutige Vorstellung hinsichtlich des Sinns und Zwecks der Zweifelsregelung nicht bestand. Reduzierte Anforderungen bei der Prüfung der Arzneimitteleigenschaft eines Produkts lassen sich jedenfalls nicht allein mit Blick auf die im ersten Satz der siebenten Begründungserwägung betonten hohen Standards bei der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Humanarzneimitteln oder die im zweiten Satz angesprochenen Grenzprodukte rechtfertigen. Insbesondere die Sicherheit von Humanarzneimitteln ist erst tangiert, wenn ein Zweifelsfall vorliegt, d.h. die Arzneimitteleigenschaft eines Produkts nicht ausgeschlossen werden kann, was aber - wie geschehen - in vollem Umfang zu prüfen ist. Dazu, wann nun ein Grenzprodukt vorliegt und mit welcher Prüfungstiefe dies gegebenenfalls festzustellen ist, verhalten sich die Begründungserwägungen nicht. In gewisser Weise gegen eine reduzierte Prüfungstiefe spricht der zuvor bereits erwähnte siebte Satz der siebten Begründungserwägung, weil sich daraus ergibt, dass es jedenfalls nicht Intention des Gesetzgebers war, die dort erwähnten anderen Produktgruppen dem Arzneimittelrecht zu unterstellen. Eine reduzierte Prüfungstiefe führte jedoch in diese Richtung, weil sich in Abgrenzungsfällen stets auch wissenschaftliche Äußerungen entweder zu als pharmakologisch bezeichneten Wirkungen oder aber zu möglichen Nebenwirkungen/Gesundheitsgefahren finden lassen dürften - ansonsten gäbe es keinen Streit um die Einstufung des jeweiligen Produkts -, die als Hinweis auf die Arzneimitteleigenschaft und zugleich mit der Begründung, das Vorliegen eines Arzneimittels erscheine danach jedenfalls möglich bzw. sei nicht sicher auszuschließen, als Beleg für einen Zweifelsfall gewertet werden können. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass selbst oberste Bundesbehörden auf Grund einer gewissen Unsicherheit, wie nun mit neuartigen, wissenschaftlich noch nicht hinreichend erforschten Produkten verfahren werden soll, und den stets daraus ableitbaren Sicherheitsbedenken auf Grund mitunter ergebnisorientiert erscheinender Prüfung dazu neigen, die Arzneimitteleigenschaft zu bejahen, wohlwissend, dass damit dem als problematisch angesehenen Produkt angesichts der hohen Hürden für eine Zulassung als Arzneimittel zumindest auf längere Zeit die Verkehrsfähigkeit genommen ist. Zwar wäre es, wie der Senat an anderer Stelle betont hat,

vgl. Urteil v. 10. November 2005 - 13 A 463/03 -, ZLR 2006, 96 (100),

unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn auf Grund der Zweifelsregelung bestimmte Produktgruppen dem Arzneimittelrecht unterfielen. Dies müsste jedoch das Ergebnis einer umfassenden Prüfung sämtlicher Merkmale eines Produkts im jeweiligen Einzelfall sein.

Anknüpfend daran findet die Zweifelsregelung erst dann Anwendung, wenn unter Berücksichtigung aller Merkmale eines Produkts keine Eindeutigkeit hinsichtlich der Arzneimitteleigenschaft besteht in dem Sinne, dass diese weder (sicher) festgestellt noch (sicher) ausgeschlossen werden kann, weil andernfalls bereits kein Zweifelsfall vorläge. In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn in der Zweifelsregelung als Voraussetzung für ihre Anwendbarkeit gefordert wird, dass "das Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften ... unter die Definition von "Arzneimittel" ... fallen kann." Dies wird im Ergebnis auch der allein maßgebliche Prüfungspunkt sein, weil angesichts der weiten Lebensmitteldefinition des Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 178/2002 davon auszugehen ist, dass ein streitiges Produkt regelmäßig die Voraussetzungen eines Lebensmittels erfüllt und damit im Sinne der weiteren in der Zweifelsregelung aufgestellten Voraussetzung "unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt ist." Da hier jedoch die umfassende Prüfung ergeben hat, dass es sich bei dem Produkt Lactobact omni FOS nicht um ein Arzneimittel handelt, besteht kein Raum für die Anwendung der Zweifelsregelung.

Der Senat hält schließlich auch in Ansehung der von der Beklagten so bezeichneten "Restzweifel" insbesondere an seinem Abwägungsergebnis fest, dass kein Funktionsarzneimittel vorliegt. Die von der Beklagten möglicherweise mit Blick auf das gewünschte Ergebnis - Anwendung des Art. 2 Abs. 2 RL 2001/83/EG - ausgemachten Zweifel resultieren aus einer nicht hinreichenden qualitativen Bewertung des aktuell zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnismaterials, was die Eignung zur Erfüllung eines therapeutischen Zwecks anbelangt, verbunden mit nicht stichhaltigen Sicherheitsbedenken. Abgesehen davon, dass Gesundheitsgefahren ohnehin nicht zu den charakteristischen Merkmalen eines Arzneimittels gehören, können aus diesbezüglichen Bedenken keine die Arzneimitteleigenschaft begründenden "Restzweifel" hergeleitet werden, wenn Anhaltspunkte für konkrete Gefahren nicht bestehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch das Lebensmittelrecht nach den ersten beiden Begründungserwägungen zur Verordnung (EG) 178/2002 sowie nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 LFGB in aller erster Linie den (vorbeugenden) Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren bezweckt und sich in diesem Zusammenhang zahlreiche Ermächtigungen finden, die es ermöglichen, beispielsweise Warnhinweise und Sicherheitsvorkehrungen vorzuschreiben (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 6 LFGB) oder weitergehend die Verwendung bestimmter Stoffe mengenmäßig zu beschränken (vgl. §§ 7 Abs. 2 Nr. 1, 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) LFBG). Geht es um Stoffe, die auch mit der normalen Ernährung aufgenommen werden und die seit Jahren in Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden, ermöglichen diese Vorschriften gerade mit Blick auf das in Art. 7 VO (EG) 178/2002 normierte Vorsorgeprinzip flexiblere und damit verhältnismäßigere Lösungen, die den Interessen der Verbraucher und der Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln besser gerecht werden als die - für die behördliche Praxis einfachere, weil faktisch zu einem Vertriebsverbot führende - Anwendung der arzneimittelrechtlichen Vorschriften. In diesem Zusammenhang trägt auch der Hinweis der Beklagten auf eine nur in einem Arzneimittelzulassungsverfahren gewährleistete Nutzen-Risiko-Analyse nicht, weil es zu einer solchen hier bereits deswegen nicht kommen würde, weil ein Antrag auf Zulassung als Arzneimittel gegenwärtig offensichtlich aussichtslos wäre. Abgesehen davon, dass die Klägerin zur Vorbereitung eines solchen entsprechende Untersuchungen und (klinische) Studien veranlassen müsste, weil wissenschaftliches Material im Sinne von § 22 Abs. 3 AMG nach den vorstehenden Ausführungen nicht vorliegt, und sich nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand kein Anwendungsgebiet im Sinne einer bestimmten medizinischen Indikation aufdrängt, im Hinblick auf das entsprechende Untersuchungen sinnvoll, d.h. erfolgversprechend erscheinen, könnte ein Zulassungsantrag bereits wegen § 22 Abs. 3a AMG keinen Erfolg haben. Nach den vom Senat diesbezüglich aus dem Verfahren 13 A 4137/03 betreffend ein homöopathisches Kombinationspräparat gewonnenen Erfahrungen dürfte es nicht möglich sein, angesichts der in dem hier in Rede stehenden Produkt enthaltenen sechs verschiedenen Bakterienstämme die in der Vorschrift geforderte Kombinationsbegründung zu erbringen. "Restzweifel" hinsichtlich des Nichtvorliegens eines Funktionsarzneimittels lassen sich schließlich nicht damit begründen, dass bei Zuordnung des Produkts zum Lebens-/Nahrungsergänzungsmittelbereich die sicherlich wünschenswerte Nutzen-Risiko-Analyse ebenfalls nicht angestellt würde. Denn dies beruhte nicht darauf, dass eine solche Analyse im Lebensmittelbereich generell nicht gefordert werden könnte, sondern darauf, dass von entsprechenden Verordnungsermächtigungen (vgl. etwa §§ 13 Abs. 1, 7 Abs. 2 Nr. 4 LFGB, inhaltsgleich die vormaligen §§ 9 Abs. 1, 12 Abs. 2 Nr. 3 LMBG) bisher - soweit ersichtlich - kein Gebrauch gemacht worden ist.

II.

Das Produkt wird in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig hergestellt und rechtmäßig in der Verkehr gebracht (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LFGB). Dies ergibt sich aus den von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung der zuständigen niederländischen Behörde vom 06. Mai 1996 und wird im Übrigen von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.

III.

Ein die Verkehrsfähigkeit gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 LFGB ausschließender Tatbestand nach Satz 2 der Vorschrift liegt nicht vor.

1.

Das Produkt entspricht zunächst den in § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB in Bezug genommenen Verboten. Eine Gesundheitsschädlichkeit des Produkts im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 LFGB, Art. 14 Abs. 2 lit. a) VO (EG) 178/2002 ist nicht gegeben und wird nach dem Schriftsatz der Beklagten vom 14. März 2006 wohl auch von dieser nicht mehr angenommen.

Entgegen dem Wortlaut des § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB enthält Art. 14 Abs. 2 lit. a) VO (EG) 178/2002 zwar kein Verbot, sondern nur die Festlegung, dass dann von einem nicht sicheren Lebensmittel auszugehen ist, wenn es gesundheitsschädlich ist. Angesichts der inhaltlichen Anknüpfung des Absatzes 2 des Art. 14 VO (EG) 178/2002 an seinen Absatz 1 und des Zusammenhangs zwischen den Sätzen 1 und 2 des § 54 Abs. 1 LFGB sind die Bezugnahmen in § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB insgesamt dahingehend zu verstehen, dass eine Verkehrsfähigkeit eines Produkts nach Satz 1 der Vorschrift dann nicht besteht, wenn es gesundheitsschädlich ist. Dies muss nicht feststehen, sondern es reicht eine Eignung zur Gesundheitsbeschädigung. Diese allerdings muss tatsächlich und konkret bestehen, d.h. der Stoff muss bestimmte feststellbare Eigenschaften aufweisen, die eine Gesundheitsbeschädigung verursachen können.

Vgl. Zipfel/Rathke, a. a. O., C 101, Art. 14 VO (EG) 178/2002 Rdnr. 39.

Solche sind nach den Ausführungen oben zu den Risiken bei der Verwendung jedoch nicht ersichtlich, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung der nach Art. 14 Abs. 4 VO (EG) 178/2002 im Rahmen der Beurteilung einer Gesundheitsschädlichkeit zu beachtenden Kriterien.

Soweit nach Art. 14 Abs. 4 lit. a) VO (EG) 178/2002 die wahrscheinlichen Auswirkungen zu berücksichtigen sind, ist das im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu verstehen, die allein bei einer wissenschaftlichen Unsicherheit, wie sie Art. 7 Abs. 1 VO (EG) 178/2002 beschreibt, nicht besteht.

Vgl. in diesem Sinne Zipfel/Rathke, a. a. O., Rdnr. 47.

Abzustellen ist dabei angesichts von Art. 14 Abs. 3 lit. a) VO (EG) 178/2002 auf die normale Verwendung des Produkts durch den Verbraucher, während die besondere gesundheitliche Empfindlichkeit von bestimmten Verbrauchergruppen gemäß Art. 14 Abs. 4 lit. c) VO (EG) 178/2002 außer Betracht bleiben kann, weil die zuletzt genannte Vorschrift eine (besondere) Bestimmung im Hinblick auf solche Gruppen voraussetzt,

vgl. Zipfel/Rathke, a. a. O., Rdnr. 53 f.

die hier nicht besteht. Ausgehend hiervon kann nach den vorstehenden Ausführungen von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Gesundheitsschädlichkeit der Aufnahme der in dem Produkt enthaltenen Bakterienstämme für den normalen Verbraucher keine Rede sein.

2.

Das Produkt entspricht schließlich den in § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 1. Halbsatz LFGB in Bezug genommenen anderen, dem Zweck des Gesundheitsschutzes im Sinne § 1 Abs. 1 Nr. 1 LFGB dienenden Rechtsvorschriften.

Unabhängig davon, ob die Vorschriften der Nahrungsergänzungsmittelverordnung sämtlich dem Gesundheitsschutz dienen, ergibt sich ein Verbot der Verwendung von Bakterien und Oligofructose in Nahrungsergänzungsmitteln zunächst nicht aus § 3 Abs. 1 NemV. Zwar enthält die Vorschrift mittelbar ein Verwendungsverbot, weil sich aus der sog. Positivlistenregelung im Umkehrschluss ergibt, dass alle anderen, nicht in der Anlage 1 aufgeführten Nährstoffe grundsätzlich verboten sind. Dieses Verbot bezieht sich jedoch lediglich auf alle anderen Nährstoffe im Sinne von § 1 Abs. 2 NemV, nicht jedoch auch auf die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 NemV genannten sonstigen Stoffe. Dies kann zum einen aus dem allein auf Nährstoffe abstellenden Wortlaut geschlossen werden. Zum anderen ergibt sich aus der Begründung zur Nahrungsergänzungsmittelverordnung einschließlich der dortigen Bezugnahme auf die Erwägungsgründe der Richtlinie (2002/46/EG) - gemeint ist offensichtlich der achte Erwägungsgrund -, dass der Verordnungsgeber andere als die in § 1 Abs. 2 NemV genannten Nährstoffe sowie die sonstigen Stoffe im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 NemV nicht mit der Verordnung regeln, also auch nicht generell über die Vorschrift des § 3 Abs. 1 NemV von der Verwendung ausschließen wollte. Vielmehr sollten insoweit die bisherigen lebensmittelrechtlichen Vorschriften, also im Wesentlichen die des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes weiter gelten.

Vgl. Bundesrats-Drucksache 248/04, S. 14.

Angesichts dieser Begründung kann auch § 3 Abs. 2 NemV nicht dahingehend ausgelegt werden, dass mit der Zulassung der in der Anlage 2 aufgeführten Stoffe als Zusatzstoffe zu ernährungsphysiologischen Zwecken alle anderen, nicht in der Anlage 2 erwähnten Stoffe als nicht zugelassene und damit grundsätzlich verbotene Zusatzstoffe eingestuft werden sollten, zumal für diese Regelung nicht § 2 Abs. 3 Nr. 1 LMBG als Ermächtigungsgrundlage herangezogen wurde. Schließlich ist das sich aus § 3 Abs. 3 NemV ergebende Verwendungsverbot nicht einschlägig, weil sich die Vorschrift ausdrücklich auf andere Vitamin- und Mineralstoffverbindungen bezieht, zu denen Bakterien und Oligofructose nicht gehören.

Weiterhin sind die Verbote des § 6 LFGB nicht tangiert.

Die Bakterien als Mikroorganismen unterfallen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 LFBG nicht dem Verbot des § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) LFGB, die Verbote in § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) und c) sowie Nr. 3 LFGB sind nicht einschlägig, § 6 Abs. 1 Nr. 2 LFGB greift schließlich ebenfalls nicht, weil die Verbote nach der Nr. 1 nach den vorstehenden Ausführungen nicht einschlägig sind und auch kein Verstoß gegen eine nach § 7 Abs. 1 oder 2 Nr. 1 oder 5 LFGB erlassene Rechtsverordnung ersichtlich ist.

Oligofructose wird ebenfalls nicht von § 6 LFGB erfasst. Sie dient nach den von der Klägerin diesbezüglich vorgelegten Unterlagen als Nährstoff oder Nährboden für die Bakterien im Darm und ist daher zu den Ballaststoffen zu zählen, denen als Trägerstoffe für die Nährstoffe eine entscheidende Bedeutung für die Ernährung zukommt. Sie wurden deswegen im Hinblick auf § 2 Abs. 1 2. Halbsatz LMBG wie Stoffe mit einem Nährwert behandelt, d.h. nicht als Zusatzstoffe angesehen.

Vgl. Zipfel/Rathke, a. a. O., C 100, § 2 LMBG Rdnr. 46 am Ende.

Dies erscheint einleuchtend, weil die in § 2 Abs. 1 2. Halbsatz LMBG genannten Verwendungen zusammengefasst als ernährungsphysiologische Zwecke bezeichnet wurden,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. November 1987 - 3 B 26.87 -, zitiert nach juris,

und die zuvor beschriebene Funktion bzw. Wirkungsweise von Ballaststoffen im weiteren Sinne als ein solcher Zweck zu qualifizieren ist. Die vorstehende Einstufung hat auch nach § 2 Abs. 3 LFGB Bestand. Ein Zusatzstoff gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 LFGB liegt mangels Zusatzes aus technologischen Gründen nicht vor und die Annahme eines den Zusatzstoffen gleichgestellten Stoffs gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 1. Halbsatz LFGB scheitert nach den vorstehenden Ausführungen jedenfalls an dem zweiten Halbsatz der Vorschrift, der die gleiche Regelung wie der vormalige § 2 Abs. 1 2. Halbsatz LMBG enthält. Im Übrigen liegt auch eine Ausnahme nach dem ersten Halbsatz der Vorschrift vor, weil Oligofructose als Ballaststoff sowohl selbst als Lebensmittel verzehrt wird als auch eine charakteristische Zutat eines Nahrungsergänzungsmittels darstellt.

Anhaltspunkte dafür, dass die übrigen in dem Produkt enthaltenen Stoffe gegen die Verbote in § 6 Abs. 1 LFGB verstoßen, sind von der Beklagten weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Andere, dem Gesundheitsschutz dienende Vorschriften, denen das Produkt nicht entsprechen könnte, sind ebenfalls nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.