VG Münster, Urteil vom 03.11.2006 - 10 K 2465/04
Fundstelle
openJur 2011, 42206
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweiligen Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Kläger sind Bauherren einer östlich des Ortskerns der Beigeladenen und nordwestlich der Ortslage E. -S. geplanten Windenergieanlage (WEA) auf dem Grundstück Gemarkung F. , Flur 8, Flurstück 110 (X.--------weg ), ca. 200 m westlich des von Süden nach Norden verlaufenden S1. Baches. Sie haben das Grundstück von dem Eigentümer, dem Vater der Gesellschafter der Verfahrensbevollmächtigten zu 1., gepachtet.

Mit Bauvoranfrage vom 30. Dezember 2002 suchten sie beim Beklagten zu 2) um die planungsrechtliche Prüfung für die Errichtung einer WEA vom Typ mit einer Nennleistung von 600 kW, einer Nabenhöhe von 77,9 Meter und einem Rotordurchmesser von 44 Meter nach. Der Standort befindet sich im Außenbereich der Beigeladenen, nach deren Flächennutzungsplan dort eine Fläche für die Landwirtschaft dargestellt ist. Er liegt ca. 2,5 km östlich des im Gebietsentwicklungsplan (GEP) der C1. N1. für den Regierungsbezirk N1. - Teilabschnitt N2. - dargestellten Windeignungsbereiches sowie ca. 2 km östlich des von der Beigeladenen in ihrer 35. Änderung des Flächennutzungsplans dargestellten Konzentrationszone für Windkraftanlagen.

Mit Schreiben vom 23. Januar 2003 teilte der Beklagte zu 2) dem Bevollmächtigten der Kläger mit, bei der ersten Durchsicht des Antrags sei festgestellt worden, dass nicht alle für die Beurteilung des Bauvorhabens erforderlichen Unterlagen vorlägen. Die Kläger wurden gebeten, innerhalb von vier Wochen nach Zugang dieses Schreibens gemäß § 69 Abs. 1 BauO NRW ein Schall- und Schattenwurfgutachten für den Anlagenstandort nachzureichen.

Die C1. N1. informierte den Beklagten zu 2) mit Schreiben vom 22. Januar 2003, dass der geplante Standort außerhalb der im GEP dargestellten Windeignungsbereiche liege und im GEP als Bereich für den Schutz der Natur dargestellt sei. Insgesamt sei die geplante WEA, die den Zielen der Raumordnung und Landesplanung widerspreche, als raumbedeutsam einzustufen. Außerhalb der Windeignungsbereiche seien bereits drei Anlagen vorhanden oder genehmigt. Jede weitere Anlage außerhalb des Windeignungsbereichs sei daher raumbedeutsam.

Nach vorheriger Anhörung der Kläger und nochmaliger Beteiligung der unteren Landschaftsbehörde und der Beigeladenen lehnte der Beklagte zu 2) die Bauvoranfrage der Kläger durch Bauvorbescheid vom 7. Oktober 2003 ab. Die Bezirksplanungsbehörde und die Untere Landschaftsbehörde hätten das geplante Vorhaben als raumbedeutsam eingestuft. Im Rahmen der Untersuchung zur Darstellung einer Konzentrationszone mit der 35. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen habe sich der Standort als Konfliktbereich erwiesen. Hinzu komme, dass der Standort in einem Landschaftsschutzgebiet liege. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheids verwiesen.

Über ihre Verfahrensbevollmächtigte zu 1. erhoben die Kläger am 4. November 2003 Widerspruch, den sie wie folgt begründeten: Der ausgewiesene Windeignungsbereich sei ungeeignet. Innerhalb dieses Bereiches könnten keine sechs WEA errichtet werden. Auch die mit der 35. Änderung des FNP der Beigeladenen ausgewiesene Konzentrationszone befinde sich zum Großteil außerhalb des Windeignungsbereichs. Von einer Raumbedeutsamkeit könne nicht gesprochen werden, da der Windenergieerlass NRW erst bei Anlagen ab 100 m von einer Raumbedeutsamkeit ausgehe. Soweit im Bereich des Standorts Kompensationsflächen ausgewiesen seien, handele es sich nicht um einen öffentlichen Belang. Von der Darstellung eines Landschaftsschutzbereichs könne die untere Landschaftsbehörde eine Ausnahme erteilen. Hinsichtlich der weiteren Einwände wird auf die Widerspruchsbegründung vom 22. Januar 2004 Bezug genommen.

Am 14. September 2004 ist die 35. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen in Kraft getreten, mit der die Beigeladene die Errichtung einer Konzentrationszone für Windenergieanlagen im Gemeindegebiet ausweist.

Den Widerspruch der Kläger wies die C1. N1. mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2004 als unbegründet zurück. Die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sei nicht gegeben. Dem zwar nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierten Vorhaben stünden gem. § 35 Abs. 3 BauGB öffentliche Belangen entgegen, da es sich bei dem geplanten Vorhaben um eine raumbedeutsame Anlage handele. Der Windenergieerlass NRW werde offenbar missinterpretiert. Im Übrigen widerspreche das Vorhaben dem Landschaftsplan und dem Flächennutzungsplan der Beigeladenen.

Hiergegen haben die Kläger am 26. Mai 2001 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor: Die Änderung in einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid sei sachdienlich. Die Voraussetzungen seien nach der Rechtsänderung in § 69 Abs. 9 BImSchG gegeben. Unter planungsrechtlichen Gesichtspunkten sei das Vorhaben zulässig. Eine Ausschlusswirkung wegen einer Raumbedeutsamkeit der geplanten WEA liege nicht vor. Dies sei eine Frage des Einzelfalls und könne erst dann für eine WEA angenommen werden, wenn diese höher als 100 m sei. Selbst wenn man nicht allein auf die absolute Höhe der Anlage abstelle, liege keine Raumbedeutsamkeit vor, da die räumliche Entwicklung nicht negativ beeinflusst werde. Die von WEA hervorgerufenen Veränderungen seien vom Gesetzgeber gesehen und gewollt worden. Zudem befinde sich in 320 m Entfernung bereits eine errichtete WEA. Der GEP und der dort ausgewiesene Windeignungsbereich könnten keine Ausschlusswirkung entfalten. Im Rahmen der Abwägung seien die zu berücksichtigenden Belange der privaten Grundstückseigentümer nicht abgewogen worden. Der GEP müsse ebenso wie ein Flächennutzungsplan ein schlüssiges Konzept für die Standortzuweisung bei gleichzeitigem Ausschluss für andere Standorte haben. Ein solches schlüssiges Plankonzept liege dem GEP aber nicht zugrunde, wie sich aus dem Vergleich mit dem FNP der Beigeladenen ergebe. Die Konzentrationszone decke nur 1/6 des Windeignungsbereichs ab. Des weiteren ergebe sich dies daraus, dass bisher nur 3 Genehmigungen im Eignungsbereich erteilt und nur 2 Anlagen errichtet worden seien. Belange des Landschafts- und Naturschutzes stünden dem Vorhaben nicht entgegen. Zudem befänden sich sowohl der Windeignungsbereich als auch die im FNP ausgewiesene Konzentrationszone in einem Landschaftsschutzgebiet. Unabhängig davon werde die ökologische Wertigkeit der Landschaft nicht tangiert. Die Biotop- und Artenvielfalt würde durch das Vorhaben nicht beeinträchtigt. Die im Flächennutzungsplan der Beigeladenen dargestellte Konzentrationszone entfalte ebenfalls keine Ausschlusswirkung für das geplante Vorhaben. Die ausgewiesene Konzentrationszone decke sich nur zu ¼ ihrer Fläche mit dem im GEP dargestellten Windeignungsbereich. Damit werde der GEP ausgehöhlt. Ein Zielabweichungsverfahren sei nicht durchgeführt worden. Zudem leide der Flächennutzungsplan an einem erheblichen Abwägungsfehler. Es sei abwägungsfehlerhaft eine Konzentrationszone auszuweisen, wenn der Flächennutzungsplan selbst in seiner Erläuterung davon ausgehe, dass sich das Gemeindegebiet der Beigeladenen als kaum geeignet für die Windkraftnutzung erweise. Vielmehr handele es sich um eine Verhinderungsplanung. Bei der Aufstellung der 35. Änderung der Flächennutzungsplanung habe ihr Verfahrensbevollmächtigter zu 1. verschiedene abwägungserhebliche Belange geltend gemacht, die alle nicht übernommen worden seien. Auf Hinweis der Aufsichtsbehörde habe die Beigeladene deshalb erneut über die Anregungen und Bedenken entscheiden müssen. Da im geplanten Standortbereich bereits eine WEA existiere, hätte diesem Bereich ein Vorrang bei der Ausweisung einer Konzentrationszone beigemessen werden müssen. Darauf sei die Beigeladene abwägungsfehlerhaft überhaupt nicht eingegangen.

Die Kläger beantragen,

das beklagte Amt unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids des Beklagten zu 2) vom 7. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der C1. N1. vom 7. Juli 2004 zu verpflichten, ihnen auf ihren Antrag vom 30. Dezember 2002, geändert mit Schreiben vom 28. Februar 2006, einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage auf dem Grundstück Gemarkung F. , Flur 8, Flurstück 110, zu erteilen,

Das beklagte Amt und der Beklagte zu 2) treten dem Vorbringen des Klägers entgegen, halten dessen Vorhaben insbesondere aus bauplanungsrechtlichen Gründen für unzulässig, namentlich weil der geplanten WEA die Ausschlusswirkung gem. § 34 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegenstehe, und beantragen jeweils,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von den beteiligten Behörden vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Die Klageänderung mit dem Ziel der Verpflichtung zur Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides ist sachdienlich und gemäß § 91 Abs. 1 VwGO zulässig. Obwohl mit der Klageänderung der Streitgegenstand ausgetauscht und der Beklagte ausgewechselt wird, gilt die Umstellung der Klage auf einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid mit im wesentlichen den selben inhaltlichen Fragestellungen wie im Bauvorbescheidverfahren in entsprechender Anwendung des § 67 Abs. 9 Satz 4 BImSchG in der ab dem 1. Juli 2005 geltenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 25. Juni 2005 (BGBl. I S. 1865) als sachdienlich. Durch die Bestimmungen wollte der Gesetzgeber „Rechtsunsicherheiten" in laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren beseitigen, die auf Erteilung von Baugenehmigungen für Windkraftanlagen gerichtet sind. Insbesondere sollte die Umstellung solcher Klagen, die sich in der Praxis als Problem erwiesen haben, erleichtert werden.

Vgl. BT-Drucks. 15/5443, S. 4.

Selbst wenn diese Übergangsvorschrift ausdrücklich nur für Verfahren auf Erteilung einer Baugenehmigung gilt, ist sie in Verfahren auf Erteilung eines Bauvorbescheides entsprechend anzuwenden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. März 2006 - 8 A 2672/03 - .

Die Klageänderung ist auch insoweit zulässig, als neben der Verpflichtung zur Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids die Aufhebung der im baurechtlichen Zulassungsverfahren ergangenen ablehnenden Bescheide des Beklagten zu 2) begehrt wird. Denn aufgrund der Umstellung der Klage gemäß § 67 Abs. 9 Satz 4 BImSchG wird das Verfahren in dem Stadium, in dem es sich befindet, nach Immissionsschutzrecht zu Ende geführt.

Vgl. OVG NRW, a.a.O., m.w.N.

Insoweit tritt die Immissionsschutzbehörde insgesamt in das einheitliche, bisher von der Baubehörde geführte Verfahren ein. Dabei steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, dass die Kläger kein gesondertes Genehmigungsverfahren auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids beim beklagten Amt betrieben haben.

Die Klage ist in der Sache aber nicht begründet. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten zu 2. in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der C1. N1. ist rechtmäßig, weil die Kläger keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids haben (§ 113 Abs. 5 VwGO). Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 9 BImSchG, wonach auf Antrag durch Vorbescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen sowie über den Standort der Anlage entschieden werden kann, sofern die Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können und ein berechtigtes Interesse an der Erteilung des Vorbescheids besteht.

Unabhängig davon, ob die Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können und ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheides besteht und ob die Kläger im Hinblick auf das der Behörde in § 9 BImSchG eingeräumte Ermessen überhaupt eine Entscheidung durch Vorbescheid beanspruchen können, kommt die Erteilung des begehrten Vorbescheids schon deshalb nicht in Betracht, weil die planungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen nicht vorliegen. Denn die geplante WEA ist am vorgesehenen Standort auf dem Grundstück Gemarkung F. Flur 8 Flurstück 110 (X.--------weg ) bauplanungsrechtlich unzulässig.

Nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB ist eine WEA im Außenbereich zwar privilegiert, jedoch nur dann zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist. Selbst wenn privilegierten Vorhaben danach im Außenbereich ein besonders starkes Gewicht zukommt - wie die Kläger betonen -, folgt daraus nicht zwangsläufig, dass sie an jedem beliebigen Standort im Außenbereich zulässig sind. Auch für privilegierte Anlagen gilt das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs. Mit § 35 Abs. 1 BauGB hat der Gesetzgeber den Außenbereich nicht generell als Baubereich für privilegierte Vorhaben freigegeben, sondern ihre Zulässigkeit vielmehr von der Einzelfallprüfung abhängig gemacht, ob ihnen an einem konkreten Standort öffentliche Belange entgegenstehen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Juni 1991 - 4 C 11.89 -, BRS 52 Nr. 78; vom 20. Januar 1984 - 4 C 3.81 -, BVerwGE 68, 311 (315); vom 22. Mai 1987 - 4 C 57.84 -, BVerwGE 77, 300 (307).

Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt nach § 35 Abs. 3 Sätzen 2 und 3 BauGB u.a. vor, wenn das Vorhaben raumbedeutsam ist und soweit für Vorhaben dieser Art durch Ausweisung als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

Das Vorhaben der Kläger ist raumbedeutsam im Sinne des § 35 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BauGB. Raumbedeutsam ist ein Vorhaben nach der auch im hier angesprochenen Zusammenhang maßgeblichen Wertung des Bundesgesetzgebers (vgl. § 3 Nr. 6 ROG) u.a. dann, wenn es die räumliche Entwicklung oder Funktion eines Gebiets beeinflusst. Wann dies bei einer einzelnen Windkraftanlage der Fall ist, insbesondere bei welcher Größenordnung der Anlage, lässt sich nicht mit einer für alle Fallkonstellationen identischen Höhenangabe beantworten; die Annahme, eine Windenergieanlage könne nur dann raumbedeutsam sein, wenn sie eine Gesamthöhe von über 100 m erreicht, wäre deshalb fehlerhaft, während die umgekehrte Frage, ob eine Anlage immer dann raumbedeutsam ist, wenn sie eine bestimmte Mindesthöhe überschreitet, im vorliegenden Fall nicht beantwortet werden muss.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. September 2006 - 10 A 973/04 -, sowie Urteil vom 28. Januar 2005 - 7 D 35/03.NW - m.w.N. auf BVerwG, Beschluss vom 2. August 2002 - 4 B 36.02 -, BRS 65 Nr. 96; Urteil vom 13. März 2003 - 4 C 4.02 -, BRS 66 Nr. 10 (jeweils betreffend Anlagen unter 100 m Gesamthöhe); OVG Lüneburg, Urteil vom 29. April 2004, - 1 LB 28/04 -, BRS 67 Nr. 101 (Anlage unter 100m Gesamthöhe), Urteil vom 28. März 2006 - 9 LC 226/03 - (Anlage jedenfalls ab 100 m Höhe im norddeutschen Flachland raumbedeutsam).

Ob eine Windenergieanlage raumbedeutsam ist, hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalles ab. Von Bedeutung sind neben der Höhe der Anlage u.a. das Geländeprofil der Umgebung sowie der Charakter und die - insbesondere durch Ziele der Raumordnung gesicherte - Funktionen der Landschaft, in die die Anlage hineinwirkt. Nach diesen Maßstäben ist die von den Klägern geplante Anlage raumbedeutsam. Sie weist mit 99,9 m eine Höhe auf, die jedenfalls als Indiz für eine Raumbedeutsamkeit gelten muss. Zudem liegt der geplante Standort in einer weit überwiegend flachen Umgebung, so dass sie von weither zu sehen wäre und dementsprechend weit in die Umgebung hineinwirken würde. Schließlich ist die Umgebung des geplanten Standorts durch einen breiten Korridor zwischen zwei Windeignungsbereichen geprägt und weist deshalb eine besondere Bedeutung für den Landschaftsschutz und als Erholungsgebiet auf. Eine Windenergieanlage mit einer Gesamthöhe von 99,9 m würde diese Landschaft in ihrer Funktion und Entwicklung in erheblichem Ausmaß beeinflussen und ist deshalb raumbedeutsam.

Darüber hinaus ergibt sich die Raumbedeutsamkeit der geplanten Anlage auch aus Nr. 2.2 des Runderlasses des Ministeriums für Bauen und Verkehr über die Grundsätze für Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen (Windenergieanlagenerlass) in seiner für die Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens der Kläger (Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) maßgeblichen Fassung vom 21. Oktober 2005. Danach ist im Regelfall eine Einzelanlage mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m als raumbedeutsam anzusehen. Vorliegend ist die Anlage nahezu doppelt so hoch.

Dem geltend gemachten Anspruch auf Erteilung des begehrten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides hat das beklagte Amt zu Recht nicht entsprochen, weil dem geplanten raumbedeutsamen Vorhaben öffentliche Belange in der Form von Zielen der Raumordnung auf der Ebene der Regionalplanung entgegenstehen, da der GEP für den Regierungsbezirk N1. , Teilabschnitt N2. , für Vorhaben dieser Art eine Ausweisung an anderer Stelle ausweist, § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB. Es kommt demnach vorliegend nicht zwingend auf die Wirksamkeit der 35. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen und der Ausweisung einer Konzentrationszone für WEA an anderer Stelle als dem geplanten Standort an. Unabhängig davon, ob die 35. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen wirksam ist,

vgl. zur Bindung der Gemeinden an die Ziele der Raumordnung und zur Abweichung von Flächennutzungsplänen von den Regionalplänen OVG NRW, Beschluss vom 22. September 2005 - 7 D 21/04.NW - sowie Urteile des Verwaltungsgerichts N1. vom 5. Mai 2006 - 10 K 2936/02 - und vom 31. März 2006 - 10 K 3475/04 -,

würde jedenfalls die Ausweisung der Windeignungsbereiche durch den GEP N2. dem geplanten Standort der WEA der Kläger entgegenstehen. Zur Wirksamkeit des GEP N2. hat das OVG zuletzt in seiner Entscheidung vom 19. September 2006 - 10 A 973/04 - wie folgt ausgeführt:

„§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stellt die Errichtung der im Außenbereich privilegierten Windenergieanlagen unter einen Planungsvorbehalt, von dem die Gemeinden als Träger der Flächennutzungsplanung sowie die Träger der Raumordnungsplanung als Träger der Regionalplanung u.a. in der Weise Gebrauch machen können, dass sie Flächen für die Windenergienutzung positiv ausweisen und damit zugleich negativ die Windenergienutzung an anderer Stelle im Planungsgebiet ausschließen. Im Hinblick auf die vom Gesetzgeber gewollte Privilegierung der Windenergie ist eine solche Ausschlusswirkung jedoch nur gerechtfertigt, wenn der Planungsträger auf der Grundlage eines schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzepts und unter Beachtung der allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots sicherstellt, dass sich die Windenergienutzung auf den für sie vorgesehenen Flächen gegenüber konkurrierenden Nutzungen in substanzieller Weise durchsetzen kann. Versucht er hingegen, unter dem Deckmantel einer steuernden Planung die Windenergienutzung in Wahrheit zu verhindern, wird er den Anforderungen des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB nicht gerecht mit der Folge, dass das Ergebnis seiner Planung unwirksam ist.

BVerwG, Beschluss vom 21. Oktober 2004 - 4 C 2.04 -; Urteil vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.0 , BVerwGE 117, 287; Urteil vom 13. März 2003 - 4 C 4.02 -, BVerwGE 118, 33; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2004 - 7 A 3368/02 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Juli 2003 - 1 A 10371/02 -.

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Ausweisung von Windeignungsbereichen durch den GEP nicht zu beanstanden. Bei diesen Eignungsbereichen handelt es sich um verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten und abschließend abgewogenen Festlegungen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums, mithin um Ziele der Raumordnung (§ 3 Nr. 2 ROG) in der Form von Eignungsgebieten. Sie entfalten rechtliche Außenwirkung und schließen die Zulässigkeit der an sich im Außenbereich privilegierten Anlagen zur Windenergienutzung und damit auch das Vorhaben (hier: der Kläger, Zusatz des erkennenden Gerichts) an anderer Stelle im Planungsraum aus (§ 7 Abs. 4 Nr. 3 ROG). Sie stellen zugleich sicher, dass sich Vorhaben zur Windenergienutzung an anderer Stelle im Planungsraum gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen, so dass für die vom Gesetzgeber privilegierte Windenergienutzung in substanzieller Weise Raum geschaffen wird. Die zu Grunde liegende planerische Entscheidung beruht auf einem schlüssigen gesamträumlichen Konzept, ist vollzugsfähig und stellt das Ergebnis einer den allgemeinen Anforderungen entsprechenden abschließenden planerischen Abwägung dar.

Hierzu auch OVG NRW, Urteile vom 28. Januar 2005 - 7 D 35/03.NE -, sowie 7 D 4/03.NE; Beschluss vom 22. September 2005 - 7 D 21/04.NE -."

Die von den Klägern im Klageverfahren vorgetragenen Bedenken gegen die Festlegung von Windeignungsbereichen durch den GEP, namentlich den Windeignungsbereich , begründen deshalb keine durchgreifenden Zweifel an dessen Gültigkeit. Soweit die Kläger das erforderliche schlüssige Plankonzept für die Aufstellung des GEP N2. deshalb bestreiten, weil der Windeignungsbereich mit der 35. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen und der dort ausgewiesenen Konzentrationszone nicht übereinstimme, ist dies für das Plankonzept unerheblich. Nach § 1 Abs. 4 BauGB sind die Bauleitpläne, zu denen gemäß § 1 Abs. 2 BauGB auch der Flächennutzungsplan zählt, den Zielen der Raumordnung anzupassen - nicht umgekehrt. Wenn demnach ein Flächennutzungsplan nicht mit dem übergeordneten Regionalplan übereinstimmt, kann im Einzelfall ein Zielabweichungsverfahren gemäß § 24 Landesplanungsgesetz - LPlG - durchgeführt werden. Rückschlüsse aus der gemeindlichen Abweichung bei der Aufstellung eines Bauleitplans (vgl. § 2 Abs. 1 BauGB) für das Planungskonzept der Regionalplanung ergeben sich daraus jedenfalls nicht. Vielmehr orientiert sich die Regionalplanung gemäß § 19 Abs. 1 LPlG am Landesentwicklungsprogramm und dem Landesentwicklungsplan, auf deren Grundlagen sie die regionalen Ziele der Raumordnung für alle raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen im Planungsgebiet, hier des Teilabschnitts N2. , festlegt. Sie erfüllt damit nach § 19 Abs. 2 LPlG die Funktion eines Landschaftsrahmenplans. Auf ihre kleinräumliche Zuordnung bestimmter ausgewiesener Bereiche kommt es demnach ebenso wenig an wie auf zu berücksichtigende Belange privater Grundstückseigentümer, ganz abgesehen davon, dass die Kläger bloß obligatorisch Berechtigte des für den geplanten Standort in Aussicht genommenen Grundstücks sind. Vielmehr hat der Planungsgeber auf der Ebene des Regierungsbezirks die regionalen Ziele und raumbedeutsamen Planungen in den Blick zu nehmen, wobei die unterschiedlichen Anforderungen an den Raum aufeinander abzustimmen und auftretende Konflikte auszugleichen sind. Ferner hat die Regionalplanung in ihrem Bereich Vorsorge für einzelne Raumfunktionen und Raumnutzungen zu treffen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 LPlG). Auf der Ebene der Regionalplanung werden Festlegungen zur Raumstruktur - Siedlungsstruktur, Freiraumstruktur, Infrastruktur - formuliert, deren Großräumigkeit erst auf der Ebene der kommunalen Bauleitplanung in Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen durch die dort anzusiedelnde Feinsteuerung konkretisiert wird. Festlegungen zu raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen werden nur insoweit getroffen, als sie zu Koordinierung von Raumansprüchen erforderlich und zur Aufnahme in Raumordnungspläne geeignet sind (vgl. § 7 Abs. 2 und 3 ROG). Diesen Ansatz verkennen die Kläger. Dass das dem GEP N2. zugrunde liegende Planungskonzept schlüssig und wirksam ist, ist vom OVG NRW - wie dargestellt - wiederholt festgestellt worden. Zuletzt hat das OVG NRW in seiner Entscheidung vom 19. September 2006, a.a.O., ausgeführt:

„Schließlich ist auch der Umstand, dass nicht in allen als Ziel der Raumordnung ausgewiesenen Windeignungsbereichen die vollständige Fläche dieser Bereiche für die Windenergienutzung zur Verfügung steht, sondern durch im Einzelfall zu beachtende Schutzabstände oder andere Einzelfallumstände gemindert wird, kein hinreichender Anlass, an der Wirksamkeit des GEP zu zweifeln. ... Die Regionalplanung hat nicht die Aufgabe, die Vorhabenzulassung gewissermaßen fallgenau vorwegzunehmen, sondern beschränkt sich auf die Abgrenzung von Bereichen in einer allgemeinen Größenordnung und annähernden räumlichen Lage, während die konkrete Umsetzung der planerischen Entscheidung auf Gemeindeebene sowie der Vorhabenzulassung vorbehalten ist.

OVG NRW, Urteile vom 28. Januar 2005 - 7 D 35/03.NE -, S. 35f. des Urteilsabdrucks.

Richtig ist lediglich, dass es abwägungsfehlerhaft sein könnte, für die Windenergienutzung ausschließlich oder überwiegend Bereiche vorzusehen, in denen unüberbrückbare Konflikte zwischen dieser Nutzung und vorhandenen anderweitigen Nutzungen - etwa Wohnnutzung - bereits im Zeitpunkt der regionalplanerischen Abwägungsentscheidung in einem solchen Ausmaß erkennbar sind, dass eine Verwirklichung des Raumordnungsziels Windenergienutzung mehr oder weniger ausgeschlossen erscheint. Das ist jedoch für den GEP N2. nicht anzunehmen; er kann nach der Überzeugung des Senats durch die konkretisierenden Flächennutzungsplanung und nachfolgende Vorhabenzulassung umgesetzt werden."

Werden somit wirksam durch die Ziele der Raumordnung, zu denen auch der GEP N2. gehört, Windeignungsbereiche an anderer Stelle ausgewiesen, stehen der geplanten WEA an einem anderen Standort außerhalb dieser dargestellten Windeignungsbereiche öffentliche Belange entgegen, so dass die WEA schon aus diesem Grund planungsrechtlich unzulässig ist.

Die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids kommt auch nicht ausnahmsweise in Betracht, weil die im GEP festgelegten Ziele der Raumordnung ausnahmsweise nicht entgegenstehen. Es liegen keine atypischen Umstände vor, die es erlauben würden, trotz der wirksam dargestellten Windeignungsbereiche im vorliegenden Einzelfall eine WEA außerhalb dieser Zone zu errichten. Die Kammer geht davon aus, dass die Ausweisung des Bereichs eine bewusste Entscheidung gegen andere - möglicherweise - ebenso geeignete Standorte im Plangebiet der Beigeladenen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Zitate24
Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte