OLG Köln, Beschluss vom 19.08.2005 - 83 Ss 26/05
Fundstelle
openJur 2011, 40742
  • Rkr:
Tenor

Die Revision wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Verhängung des Fahrverbots entfällt.

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, jedoch wird die Gebühr für die Revisionsinstanz um ein Drittel ermäßigt. In diesem Umfang werden auch die dem Angeklagten durch die Revision entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Köln hat den Angeklagten mit Urteil vom 15. Juni 2004 wegen Beleidigung und Sachbeschädigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 80,00 € verurteilt und ihm für die Dauer von drei Monaten verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.

Auf die Berufung des Angeklagten hat die 3. kleine Strafkammer des Landgerichts Köln mit Urteil vom 09. März 2005 diese Entscheidung unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels dahin abgeändert, dass die Tagessatzhöhe auf 50,00 € festgesetzt und das Fahrverbot auf einen Monat ermäßigt wird.

Hiergegen richtet sich die Revision vom 10. März 2005, die mit Schriftsatz vom 06. Juni 2005 begründet worden ist. Unter Erhebung einer Verfahrungsrüge zu § 338 Nr. 7 StPO, zu der sich der Vorsitzende der Strafkammer mit Vermerk vom 08. Juni 2005 geäußert hat, und der allgemeinen Sachrüge wird Aufhebung und Zurückverweisung beantragt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen, und ergänzend das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung wegen der Sachbeschädigung bejaht.

II.

Die zulässige Revision bleibt überwiegend ohne Erfolg. Die Anordnung des Fahrverbots nach § 44 Abs. 1 StGB unterliegt allerdings der Aufhebung.

1.

Zum Schuldspruch und zum Ausspruch über die Verhängung der Geldstrafe ist die Revision als unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsbegründung insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Dies gilt auch, soweit das Landgericht zu der Verurteilung wegen Sachbeschädigung von einem wirksam gestellten Strafantrag nach § 303 c StPO ausgegangen ist. Ein solcher Antrag dürfte der Strafanzeige des Zeugen M vom 21. Dezember 2003 nicht zu entnehmen sein. Halterin des beschädigten Fahrzeugs war N S; dass der Zeuge gleichwohl (Mit-)Eigentümer war, ergibt sich aus den Akten nicht. Zur Antragstellung im eigenem Namen ist aber nur berechtigt, wer ein unmittelbares dingliches oder obligatorisches Recht an der beschädigten Sache hat (BayObLG NJW 81, 1053; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 303 c Rdnr. 3). In der Regel dürfte dies nur der Eigentümer, nicht aber ein Nutzungsberechtigter sein (Tröndle/Fischer a.a.O. § 77 Rdnr. 2; a.A. OLG Frankfurt NJW 1987, 389). Der Inhalt der Strafanzeige lässt auch weder vom Wortlaut her noch sinngemäß erkennen, dass der Zeuge M als Vertreter der Frau S gegenüber der Polizeibehörde aufgetreten ist. Der möglicherweise fehlende Strafantrag wird aber jedenfalls dadurch ersetzt, dass die Generalstaatsanwaltschaft nunmehr wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung eine Verurteilung für geboten hält. Eine solche Erklärung kann auch noch im Revisionsverfahren abgegeben werden (BGHSt 6, 282, 285; BGHR StGB § 303 c öffentliches Interesse 1; Tröndle/Fischer a.a.O. § 303 c Rdnr. 8).

2.

Die Verhängung des Fahrverbots nach § 44 Abs. 1 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Zwar ist mit der Sachbeschädigung eine mit der Führung eines Kraftfahrzeugs in Zusammenhang stehende Straftat begangen worden (vgl. Senat NJW 63, 2379; Tröndle/Fischer a.a.O. § 44 Rdnr. 9).

Als Nebenstrafe darf das Fahrverbot aber nur verhängt werden, wenn feststeht, dass der mit ihm angestrebte spezialpräventive Zweck mit der Hauptstrafe allein nicht erreicht werden kann (BGHSt 24, 348, 350; Senat NZV 96, 286; Tröndle/Fischer a.a.O. § 44 Rdnr. 2; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 44 StGB Rdnr. 3). Im Falle der Verhängung einer Geldstrafe als Hauptstrafe ist daher und wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob der nach § 44 StGB angestrebte spezial präventive Zweck mit der Hauptstrafe allein nicht erreicht werden kann (BGH a. a. O.; SenE vom 22. März 2005 - 8 Ss 13/05 -) oder ob im Einzelfall eine Erhöhung der Geldstrafe ausreichend ist, um der Warnfunktion für den Kraftfahrer Genüge zu tun. Die im Urteil niedergelegten Erwägungen des Tatrichters müssen erkennen lassen, dass er diese Möglichkeit geprüft hat (Senat NZV 92, 159 = VRS 82, 337 = DAR 92, 152) und aus welchen Gründen er sie ggf. als nicht ausreichend verworfen hat.

Ausführungen hierzu fehlen in dem angefochtenen Urteil.

Einer Aufhebung und Zurückverweisung zur erneute tatrichterlichen Entscheidung über die Notwendigkeit eines Fahrverbots bedarf es hier aber auch nicht. Der Senat kann vielmehr auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts selbst nach § 354 Abs. 1 StPO in der Sache entscheiden. Denn es ist auszuschließen, dass eine erneute tatrichterliche Hauptverhandlung zu der Feststellung führen würde, dass ein Fahrverbot geboten ist. Der Angeklagte, der nach den Feststellungen die Kratzer in dem PKW Ford Mondeo aus spontaner Verärgerung über ein vorangegangenes verkehrswidriges Verhalten des Zeugen M heraus begangen hatte, ist vor der Tat straf- oder verkehrsrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten. Auch seit dem Tatgeschehen vom 19. Dezember 2003, das also schon eine beträchtliche Zeit zurückliegt, gibt es keine Erkenntnisse dazu, dass es der Warnungs- und Besinnungsstrafe nach § 44 Abs. 1 StGB aus spezialpräventiven Gründen bedarf.

Der Senat kann über den Wegfall der Nebenstrafe gesondert entscheiden, obwohl zwischen Haupt- und Nebenstrafen grundsätzlich eine Wechselwirkung besteht (BGHSt 29, 61; Tröndle/Fischer a.a.O. § 44 Rdnr. 2). Denn soweit das Fahrverbot erkennbar Art und Höhe der Hauptstrafe (hier: der Geldstrafe) nicht beeinflusst hat und auch nicht mehr zu beeinflussen vermag (vgl. hierzu OLG Hamm VRS 49, 275; BayObLG DAR/R 85, 239; Stree, in: Schönke-Schröder § 44 Rdnr. 31), ist die gesonderte Entscheidung bezüglich der Anordnung der Nebenstrafe möglich (SenE vom 03. Juni 2005 - 8 Ss 86/05 -). Das ist hier der Fall. Wegen des Verschlechterungsverbots käme nämlich nunmehr selbst für den Fall einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache eine Erhöhung der Tagessatzanzahl im Ausgleich für einen Wegfall des Fahrverbots nicht mehr in Betracht. Denn eine Erhöhung der Tagessatzzahl würde auch dann dem Verschlechterungsverbot widersprechen, wenn zugleich das neben der Geldstrafe angeordnete Fahrverbot aufgehoben wird (BayObLG MDR 76, 602; BayObLG NJW 80, 849; KG VRS 52, 113; Tröndle/Fischer a.a.O. § 44 Rdnr. 23; Stree a.a.O. § 40 Rdnr. 23; Horn, in: Systematischer Kommentar zum StGB, § 44 Rdnr. 18; Geppert, in: Leipziger Kommentar, StGB, 11. Aufl., § 44 Rdnr. 109; Hentschel a. a. O. § 44 StGB Rdnr. 21; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 331 Rdnr. 12; SenE vom 07. Oktober 2003 - Ss 418/03 -)

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 473 Abs. 1 und Abs. 4 StPO.