LAG Düsseldorf, Urteil vom 29.11.2005 - 6 Sa 1066/05
Fundstelle
openJur 2011, 40420
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 6 Ca 532/05

Ein dringender betrieblicher Grund, der der Bewilligung von Altersteilzeit entgegensteht, liegt vor, wenn bei Beginn der Freistellungsphase keine Haushaltsmittel für die Einstellung einer Ersatzkraft zur Verfügung stehen, eine Ersatzkraft aber erforderlich wäre, um die Aufgaben (hier Aufgaben eines Lehrers in einer Justizvollzugsanstalt) unter Berücksichtigung unternehmerischer Ziele durchzuführen.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 17.06.2005 6 Ca 532/05 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des beklagten Landes, der Umwandlung des Arbeitsverhältnisses des Klägers in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell zuzustimmen.

Der am 28.05.1945 geborene Kläger ist seit Mai 1994 bei dem beklagten Land als Lehrer in der Justizvollzugsanstalt X. II beschäftigt, zuletzt als Vollzeitbeschäftigter. Sein monatliches Arbeitsentgelt beläuft sich gegenwärtig auf 4.123,70 € brutto.

Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst vom 05.05.1998 (TV ATZ) Anwendung. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 38,5 Std.

Mit Schreiben vom 28.07.2004 an den Präsidenten des Landesjustizvollzugsamtes NRW beantragte der Kläger die Gewährung von Altersteilzeit wie folgt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ab 01.06.2005 (mit Vollendung des 60. Lebensjahres) möchte ich für die Dauer von fünf Jahren (also bis Ende Mai 2010) Altersteilzeit in Form des Blockmodells ausüben. Damit ergäbe sich für die Zeit vom 01.06.2005 bis ca. 01.06.2008 die Arbeitsphase mit anschließender Freistellungsphase bis 01.06.2010.

Nach dem Blockmodell erstreckt sich üblicherweise die Arbeitsphase über die erste Hälfte mit anschließender Freistellungsphase über die zweite Hälfte des gesamten Zeitraumes.

Im Interesse der Kontinuität unserer Arbeit soll die Arbeitsphase in meinem Fall ab 01.06.2005 (mit reduzierter Stundenzahl) bis zum Abschluss der schulischen Maßnahmen auf ca. drei Jahre ausgedehnt werden, damit anfallende Prüfungen am Ende des Schuljahres 2007/2008 von mir noch durchgeführt werden können. Mit Ablauf des Monats Mai 2010, in dem ich das 65. Lebensjahr vollende, würde dann die Altersteilzeit und damit auch mein Arbeitsverhältnis enden.

Ich bitte um Abschluss eines Altersteilzeitvertrages nach dem Blockmodell in der oben beschriebenen Vorgehensweise.

Mit Schreiben vom 21.12.2004 (Bl. 16 und 17 d. A.) und nochmals mit Schreiben vom 25.01.2005 (Bl. 21 und 22 d. A.) wurde der Antrag des Klägers abgelehnt.

Der einschlägige Stellenplan weist für den Justizvollzugsdienst des Landes NRW derzeit 96 Planstellen für Pädagogen aus, die gegenwärtig alle besetzt sind. Die Landesregierung hat am 08.07.2003 für die beamteten Bediensteten eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit um 2,5 Std. auf 41 Std. sowie den Wegfall des AZV-Tages beschlossen. Zur Realisierung der sich daraus ergebenden Einspareffekte sind nach den Haushaltsplänen der Justizvollzugsverwaltung 2004 und 2005 1364 Stellen als künftig wegfallend (kw-Vermerke) vorgesehen. Davon ist auch der Pädagogische Dienst des Justizvollzugs insoweit betroffen, als das bis zum Ende des Jahre 2008 ein Abbau von 96 auf 90 Planstellen vorzunehmen ist.

Dieser Stellenabbau wird bis zum 01.12.2007 durch das altersbedingte Ausscheiden einer entsprechenden Anzahl von Pädagogen erfolgen, die bis dahin das 65. Lebensjahr vollenden werden; eine Neubesetzung dieser Stellen ist haushaltsrechtlich nicht möglich.

In der Justizvollzugsanstalt X. II sind zur Zeit ca. 224 weibliche Strafgefangene inhaftiert, von denen ca. 60 % betäubungsmittelabhängig sind und ca. 1/3 eine Haftstrafe von mehr als fünf Jahren verbüßt. Diese werden von den vier Lehrkräften betreut, von denen drei in Vollzeit beschäftigt sind (zwei Beamte mit 41 Std. und ein Angestellter der Kläger mit 38,5 Wochenstunden) sowie eine teilzeitbeschäftigte Angestellte mit 28 Wochenstunden. Damit steht ein Arbeitsvolumen von insgesamt 148,5 wie zuletzt unstreitig war - Zeitstunden zur Verfügung.

Das schulische Angebot in der Justizvollzugsanstalt X. II umfasst je einen Kurs zur Erlangung des Hauptschulabschlusses und des Fachoberschulabschlusses und einen sogenannten Liftkurs, in dem den Schülerinnen die Kenntnisse vermittelt werden, die zum Besuch der erstgenannten Schulabschlusskurse erforderlich sind. Insgesamt macht das schulische Angebot unter Berücksichtigung von Wege, Rast-, Vor- und Nachbereitungszeit einen Aufwand von 105 Zeitstunden pro Woche für alle pädagogischen Kräfte erforderlich, beim Kläger insoweit 30 Zeitstunden.

Darüber hinaus finden wöchentliche Lehrerkonferenzen statt und es sind weitere Aufgabe zu erledigen wie Teilnahme an Sonderprojekten, Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter, Einzelfördermaßnahmen und Betreuung von Kunst- und Freizeitgruppen, so dass sich insgesamt ein Stundenvolumen für die pädagogischen Mitarbeiter in Höhe von 132,25 Zeitstunden pro Woche ergibt.

Streitig ist zwischen den Parteien der Umfang der Teilnahme an Vollzugskonferenzen, den das beklagte Land mit 12 Wochenstunden angesetzt hat.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass keine dringenden dienstlichen Gründe im Sinne von § 2 Abs. 3 TV ATZ vorlägen. Er hat geltend gemacht, dass teilweise die Zugangsgruppen durch Nichtpädagogen betreut werden könnten, ebenso könnten die Liftkurse auf die Hälfte reduziert werden wie auch in der Vergangenheit. Darüber hinaus könnte das beklagte Land ein nicht abgedecktes Unterrichtsvolumen mit Hilfe von Honorarkräften abdecken. Auch Berufsförderungsmaßnahmen würden durch Fremdkräfte erledigt.

Schließlich könne dem Ausfall von Unterrichtsstunden durch sein vorzeitiges Ausscheiden dadurch begegnet werden, dass ein Pädagoge aus einer anderen Justizvollzugsanstalt abgeordnet werde.

Der Kläger hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, die Zustimmung zur Umwand-

lung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses

in einer Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach Blockmodell zu erteilen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat geltend gemacht, dass angesichts der Vorgaben des Stellenplans keine zusätzliche Lehrkraft eingestellt werden könne, um die bislang vom Kläger wahrgenommenen Aufgaben während der Freistellungsphase durchzuführen.

Das entfallene Stundenvolumen könne in der Justizvollzugsanstalt X. II nicht aufgefangen werden. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass der Kläger und seine weiteren pädagogischen Kollegen insgesamt 12 Stunden pro Woche an Vollzugskonferenzen teilzunehmen hätten, zudem betreue der Kläger 1,25 Std. wöchentlich Inhaftierte, die an einem Fernstudium teilnehmen und wende für Einzelfördermaßnahmen im Fach Deutsch und für Einzelgespräche weitere ca. 2 Zeitstunden pro Woche auf. Der Einsatz von Pädagogen sei für die Zugangsgruppe zwingend erforderlich. Der Einsatz von Honorarkräften werde wegen drohender Autoritätsschwierigkeiten und aus finanziellen Gründen nicht durchgeführt.

Dem Ausfall von Unterrichtsstunden durch das vorzeitige Ausscheiden des Klägers könne auch nicht durch die Abordnung eines Pädagogen aus einer anderen Justizvollzugsanstalt begegnet werden, da dieser dort nicht entbehrlich sei.

Durch Urteil vom 17.06.2005, auf das im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Klageabweisung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Das beklagte Land könne sich auf dringende dienstliche Gründe im Sinne des

§ 2 Abs. 3 TV ATZ berufen und deshalb die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, da die vom Kläger gewünschte Altersteilzeit im Dienstablauf sich nicht verwirklichen lasse. Aufgrund der haushaltsrechtlichen Vorgaben sei eine Neueinstellung mit einer halben Stelle beim Eintreten des Klägers in die Freistellungsphase nicht möglich. Der Stundenumfang von zumindest 134,25 Std. für die vier Pädagogen erfordere jedoch den Einsatz einer weiteren pädagogischen Kraft.

Das beklagte Land sei im Bereich der Landesjustizvollzugsverwaltung als Organ der Exekutive zwingend an die Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers gebunden. Die Situation sei deshalb mit der eines Arbeitgebers vergleichbar, der Arbeitsstellen ausschließlich über Drittmittel finanziere.

Dem beklagten Land als Betreiber einer pädagogischen Einrichtung müsse die unternehmerische Freiheit zugebilligt werden, Umfang, Inhalt und Methode des pädagogischen Angebots festzulegen. Es sei deshalb nicht verpflichtet, zur Verwirklichung eines Altersteilzeitanspruchs das pädagogische Angebot zu reduzieren.

Gegen das am 08.07.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld hat der Kläger unter dem 08.08.2005 Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.10.2005 die Berufung unter dem 05.10.2005 begründet.

Der Kläger macht geltend, dass das beklagte Land seinen Antrag auf Altersteilzeit nicht erneut ablehnen könne. Dienstliche bzw. betriebliche Gründe im Sinne von § 2 Abs. 3 TV ATZ könnten nicht in zeitlichen Belangen liegen, also in der Störung des Dienstablaufs, die allein dadurch entstehen, dass die Arbeitszeit des Arbeitnehmers verkürzt wird oder ausfällt. Dienstliche Gründe im Sinne dieser Regelung könnten allenfalls Umstände sein, die der Arbeitgeber nicht beeinflussen könne.

Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Arbeitsausfall während der Freistellungsphase nicht durch eine Neueinstellung ausgeglichen werden könne, wenn kw-Stellen realisiert würden bestehe eben kein Bedarf, der auch einem Altersteilzeitwunsch des Klägers nicht entgegenstehen könne.

Die errechnete Zeitdifferenz von 6,25 Std. sei etwas wenig, um einen Rechtsanspruch des Klägers auf ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis zu Fall zu bringen.

Darüber hinaus könnten fiskalische Erwägungen nicht ausreichen, um den Anspruch des Klägers zu Fall zu bringen. Bei Altersteilzeit fehle immer ein Arbeitszeitvolumen. Bei Aufstellung der Stellenpläne seien diese so aufzustellen, dass mögliche berechtigte Altersteilzeitvorhaben von Arbeitnehmern zu berücksichtigen sind.

Die Argumentation zur Drittmittelfinanzierung gehe an der Sache vorbei, da der Kläger beim Land beschäftigt sei, das die Mittel selbst aufbringe.

Die unternehmerische Freiheit des beklagten Landes ende dort, wo gesetzliche Ansprüche der Arbeitnehmer bestehen, also wie hier unternehmerische Verpflichtungen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 17.06.2005 aufzuheben

und das beklagte Land zu verurteilen, die Zustimmung zur Umwandlung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach dem Bockmodell zu erteilen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Es verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist insbesondere darauf hin, dass das beklagte Land als öffentlicher Arbeitgeber an die haushaltsrechtlichen Vorgaben des Landesgesetzgebers gebunden sei und deshalb nicht befugt sei, die während der Freistellung des Klägers des Klägers freiwerdenden Stellenanteile anderweitig zu besetzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrundeliegenden Sachverhaltes wird ergänzend Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen.

Gründe

I.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 17.06.2005 ist zulässig. Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 520 ZPO form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft im Sinne der §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG.

II.

Die Berufung des Klägers konnte keinen Erfolg haben.

Zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht den Anspruch des Klägers auf Abschluss eines Teilzeitarbeitsvertrages abgelehnt. Die Berufungskammer folgt der Argumentation des Arbeitsgerichts und macht sie sich zu eigen, soweit sich nicht aus dem Folgenden Modifikationen ergeben.

1. Die Klage ist zulässig.

Die Klage, die darauf gerichtet ist, das beklagte Land zur Zustimmung zur Umwandlung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach dem Blockmodell zu verurteilen, ist zulässig. Sie ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Der Kläger begehrt die Zustimmung zur Umwandlung des Arbeitsverhältnisses in ein Teilzeitarbeitsverhältnis und damit die Abgabe einer Willenserklärung im Sinne von § 894 ZPO. Eine Willenserklärung gilt nach dieser Vorschrift mit Rechtskraft der Entscheidung als abgegeben. Der Bestimmtheit des Klageantrages steht nicht entgegen, dass im Antrag keine genauen Angaben zur Abwicklung des Blockmodells aufgeführt sind. In seinem Antrag vom 20.07.2004 hatte der Kläger Altersteilzeit für die Dauer von fünf Jahren beantragt in Form eines Blockmodells, wobei er drei Jahre arbeiten wollte und zwar vom 01.06.2005 bis Ende des Schuljahres 2007/2008 - mit reduzierter Stundenzahl - und sodann zwei Jahre bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres im Mai 2010 Freizeit in Anspruch nehmen wollte. Da diese genaue Regelung im Rahmen des Blockmodells vom Kläger nicht im Antrag aufgenommen wurde, ist davon auszugehen, dass der Kläger das Blockmodell im Regelfall gemäß § 3 Abs. 2 a TV ATZ in Anspruch nehmen will, d. h. in der ersten Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses die Arbeit leisten will und anschließend von der Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge (ab Dezember 2007) freigestellt werden will. Da der Begriff Blockmodell im Tarifvertrag ausdrücklich genannt ist, genügt dies dem Bestimmtheitserfordernis im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. auch für den Fall der Verringerung der Arbeitszeit gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 Teilzeitbefristungsgesetz BAG, Urteil vom 27.04.2004 9 AZR 522/03 NZA 2004, 1225 I 1 der Gründe).

2. Die Klage ist unbegründet. Das beklagte Land schuldet nicht die Zustimmung zur Umwandlung des bestehenden Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis gemäß § 2 Abs. 2 TV ATZ. Dem Verlangen des Klägers stehen dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegen.

a) Dem Verlangen des Klägers steht nicht etwa entgegen, dass er eine rückwirkende Vertragsänderung ab 01.06.2005 (Vollendung des 60. Lebensjahres) begehrt. Nach § 306 BGB a. F. war die Verurteilung zur Eingehung eines rückwirkenden Vertragsverhältnisses ausgeschlossen. Die Rechtslage hat sich jedoch mit dem Inkrafttreten des § 311 a Abs. 1 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (vom 26.11.2001, BGBL I, 3138) ab dem 01.01.2002 geändert. Der Wirksamkeit eines Vertrages steht nicht mehr entgegen, dass der Schuldner nach § 275 Abs. 1 BGB n. F. nichts zu leisten braucht, auch wenn das Leistungshindernis bei Vertragsschluss vorliegt. Nach § 275 Abs. 1 BGB n. F. ist der Anspruch auf die Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für Jedermann unmöglich ist. Der rückwirkende Abschluss eines Vertrages ist nicht mehr nichtig. Damit ist auch eine dahingehende Verurteilung möglich. Das Gesetz gilt seit dem 01.01.2003 auch in seiner neuen Fassung (Artikel 229, § 5 Satz 2 EGBGB) (vgl. BAG, Urteil vom 27.04.2004, a. a. O. II 1 der Gründe).

b) Das beklagte Land kann sich jedoch zur Ablehnung des Anspruchs auf dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe im Sinne von § 2 Abs.3 TV ATZ berufen.

§ 2 TV ATZ lautet wie folgt:

(1) Der Arbeitgeber kann mit Arbeitnehmer, die

a) das 55. Lebensjahr vollendet haben,

b) eine Beschäftigungszeit (z. B. § 19 BAT/BAT-O) von fünf Jahren vollendet haben

c) innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeit mindestens 1080 Tage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Dritten Sozialgesetzbuch gestanden haben,

die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vereinbaren...

(2) Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen, haben Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber drei Monate vor dem Beginn der Altersteilzeit über die Geltendmachung des Anspruchs zu informieren; von dem Fristerfordernis kann einvernehmlich abgewichen werden.

(3) Der Arbeitgeber kann die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, soweit dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen...

Zu Recht hat der Kläger darauf hingewiesen, dass § 2 Abs. 2 TV ATZ dem Arbeitgeber im Gegensatz zu § 2 Abs. 1 TV ATZ kein Ermessen einräumt, vielmehr der Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen, wie im Streitfall unstreitig, erfüllt insbesondere das 60. Lebensjahr vollendet hat grundsätzlich einen Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses hat, es sei denn der Arbeitgeber kann das Altersteilzeitbegehren nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 TV ATZ ablehnen (vgl. insoweit BAG, Urteil vom 12.12.2000 9 AZR 706/99 NZA 2001, 1209 B II 1 b der Gründe).

Der Anspruch eines Arbeitnehmers, der das 60. Lebensjahr vollendet hat, steht also unter dem Vorbehalt, dass dem Begehren nicht dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen.

aa) Ein entgegenstehender betrieblicher Grund liegt insbesondere dann vor, wenn der Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses die Organisation, der Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigen oder unverhältnismäßige Kosten verursachen würde. Im Gegensatz zu § 8 Abs. 4 TzBfG genügen für die Ablehnung eines Anspruchs auf Begründung eines Altersteilzeitverhältnisses jedoch nicht allein betriebliche Gründe jeder Art. Vielmehr müssen diese Gründe gemäß § 2 Abs. 3 dringend , d. h. von besonderem Gewicht sein (vgl. BAG, Urteil vom 19.04.2005 9 AZR 233/04 II 4 b der Gründe; Urteil vom 18.03.2003 9 AZR 126/02 BAGE 105, 248 zu B I 2 a der Gründe). Die betrieblichen Gründe müssen notwendig, erforderlich oder auch sehr wichtig sein. Die entgegenstehenden betrieblichen Interessen müssen mithin von erheblichem Gewicht sein (vgl. BAG vom 18.03.2003, a. a. O.). Dies bedeutet gleichzeitig, dass ein Anspruch auf Altersteilzeitvereinbarung nur dann nicht besteht, wenn objektiv gewichtige Gründe des Arbeitgebers entgegenstehen und deshalb die Ablehnung des Antrags rechtfertigen können.

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist mit dem Kläger davon auszugehen, dass keine dringenden dienstlichen Gründe solche Auswirkungen der Maßnahmen sein können, die regelmäßig und generell mit ihr verbunden sind, beispielsweise die Tatsache, dass der ausscheidende Mitarbeiter nicht mehr zur Verfügung steht, dass gegebenenfalls eine Ersatzkraft eingestellt werden muss und dass die Kosten für den Arbeitgeber einzelfallbezogen ansteigen. Ebenso wenig kommen mit der Gewährung der Altersteilzeit verbundene Erschwernisse, wie z. B. die Notwendigkeit einer gewissen Umorganisation als entgegenstehende dringende Gründe in Betracht.

Allerdings kann das kumulierte fiskalische Interesse daran, die Kosten für das im öffentlichen Dienst beschäftigte Personal niedrig zu halten, einen dringenden dienstlichen Belang darstellen, der die Möglichkeit der Gewährung der Altersteilzeit einschränkt. Insbesondere ist es möglich, dass die allgemeine Haushaltslage des Landes auf die sachgemäße und reibungslose Erfüllung der der Verwaltung übertragenen Aufgaben zurückwirkt, etwa weil der ausscheidende Mitarbeiter aus Mangel an Haushaltsmitteln nicht ersetzt werden kann, seine Stelle aber zur Erfüllung der vorgegebenen Aufgaben besetzt bleiben muss. Wenn und soweit dies der Fall ist, handelt es sich um einen dringenden dienstlichen Belang, der einer Gewährung von Altersteilzeit in entsprechendem Umfang entgegensteht (vgl. Bundesverwaltungsgericht, 2. Senat, Urteil vom 29.04.2004 2 C 21/03 DBVL 2004, 1375).

cc) Die Kammer geht davon aus, dass derartige gewichtige Gründe im Streitfall vorliegen.

Das beklagte Land hat unbestritten vorgetragen, dass bis Ende 2007 die durch den Haushaltsgesetzgeber (Legislative) im Lande Nordrhein-Westfalen verfügten Stellenbesetzungssperren dazu führen - unter Berücksichtigung der Realisierung der kw-Vermerke bis zu diesem Zeitpunkt -, dass freiwerdende Stellenanteile nicht mehr besetzt werden können. Dies bedeutet, dass die zur Freistellungsphase der Altersteilzeit des Klägers anstehende halbe Stelle nicht mehr besetzt werden kann wenn man insoweit vom 01.12.2007 ausgeht. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Gesetzgeber von dieser Entscheidung Abstand nehmen würde im Hinblick auf die bekannte schwierige Haushaltslage des Landes Nordrhein-Westfalen. Zu Recht hat das Arbeitsgericht bereits darauf hingewiesen, dass das Land als öffentlicher Arbeitgeber zum Einen als Organ der Exekutive tätig wird, das zwingend an die haushaltsrechtlichen Vorgaben der Legislative, die durch das Landesparlament verkörpert wird, abhängig ist. Zum Anderen ergibt sich daraus sehr wohl, dass die Situation mit einer Drittmittelfinanzierung vergleichbar ist. Zwar ist das Land der öffentliche Arbeitgeber. Die Landesverwaltung bzw. die Landesjustizvollzugsverwaltung ist jedoch an die Vorgaben des Landesparlaments und damit des Gesetzgebers gebunden. Wenn keine Mittel vorhanden sind, um Stellen besetzen zu können, ist es dem öffentlichrechtlichen Arbeitgeber auch nicht möglich, einen freiwerdenden Stellenanteil neu zu besetzen.

dd) Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass das beklagte Land zu Recht davon ausgehen konnte, dass zur Erfüllung der pädagogischen Aufgaben die Übernahme der Aufgaben des Klägers nicht durch eine Teilzeitkraft mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit von zur Zeit 38,5 Stunden für die Angestellten im Bereich des BAT wahrgenommen werden kann.

Der Kläger hat nicht bestritten, dass der Landeshaushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen eine Neueinstellung im pädagogischen Dienst der Justizvollzugsanstalt des Landes Nordrhein-Westfalen auch nur mit einer halben Stelle nicht zulässt.

ee) Zwar ist von den Gerichten nicht ungeprüft hinzunehmen, ob ein gewichtiger Grund tatsächlich besteht. Der gerichtliche Kontrollmaßstab ist allerdings eingeschränkt. Wie sich aus dem Vorrang der entgegenstehenden dringenden dienstlichen/betrieblichen Gründe ergibt, ist nach dem Willen der Tarifvertragsparteien der Arbeitgeber frei in der Festlegung der von ihm verfolgten Ziele. Dies schließt regelmäßig die Entscheidung darüber ein, die dienstlichen Aufgaben und Erfordernisse nach Art und Umfang in Umsetzung gesetzlicher und politischer Ziele sowie mit Rücksicht auf vorhandene personelle und fiskalische Ressourcen festzulegen. Ob das vorhandene Konzept sinnvoll ist, unterliegt nur einer Missbrauchskontrolle. Gerichtlich überprüfbar ist allenfalls, ob die betrieblichen Notwendigkeiten durch das behauptete Konzept bedingt sind. Angesprochen ist damit die Ursächlichkeit der dienstlichen Entscheidung des Arbeitgebers für die hiervon abhängigen Folgeentscheidungen. Sie müssen nachvollziehbar und in sich schlüssig sein. Dies beurteilt sich unter anderem nach der dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgabe und deren Einbindung in den dienstlichen/betrieblichen Ablauf (vgl. BAG, Urteil vom 18.03.2003, a. a. O.).

(1) Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass das pädagogische Konzept des beklagten Landes zur Abwicklung der pädagogischen Arbeit in der JVA X. II unter Berücksichtigung des gesetzlichen Auftrages in den §§ 2 und 159 Strafvollzugsgesetz und 91 Jugendgerichtsgesetz zumindest ein Stundenvolumen der drei Vollzeitkräfte und einer Teilzeitkraft von mehr als 134,5 Stunden beinhaltet. Das bedeutet gleichzeitig, dass die insoweit erforderlichen Aufgaben der pädagogischen Mitarbeiter nicht in vollem Umfange erbracht werden können, wenn der Kläger die Freistellungsphase in der Altersteilzeit antritt.

Hinzukommt, dass der Kläger nicht berücksichtigt hat, dass bei der Berechnung der Stunden die Urlaubsvertretung erkennbar nicht eingeflossen ist und auch die Krankheitszeiten nicht ohne weiteres berücksichtigt wurden.

Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass nach den Vorstellungen des Klägers die Arbeitsphase drei Jahre betragen sollte unter reduzierter Stundenzahl und die Freistellungsphase zwei Jahre. Geht man davon aus, dass stundenmäßig in gleicher Weise eine Freistellung und Arbeitszeit erfolgen müsste, so ergäbe sich für drei Jahre eine reduzierte Arbeitszeit von 25,67 Wochenstunden (drei Jahre x 52 Wochen x 25,67 Stunden = 4.004 Stunden) um eine gleiche Stundenzahl für die 2jährige Freistellungsphase von 4.004 Stunden (zwei Jahre x 52 Wochen x 38,5 Stunden) zu erreichen.

Dass die Arbeitszeit von 25,67 Wochenstunden während der Arbeitsphase des Klägers den betrieblichen Organisationsbelangen im Hinblick auf den Bedarf für die Kurse zur Erlangung des Hauptschulabschlusses, des Fachoberschulabschlusses und des sogenannten Liftkurses nicht gerecht wird, liegt auf der Hand.

Der Kläger hat schließlich selbst in seinem Antrag vom 28.07.2004 zum Ausdruck gebracht, dass seine volle Arbeitszeit bis zum 01.06.2008 im Interesse der Kontinuität unserer Arbeit erforderlich erscheint.

(2) Entgegen der Auffassung des Klägers unterliegt es auch der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit des beklagten Landes, die Aufgaben von eigenem pädagogischen Personal durchführen zu lassen.

Auch die von dem Kläger eingereichte Stellenanzeige belegt nicht, dass zusätzlicher Personalbedarf gedeckt wird. Offensichtlich richtet sich die Ausschreibung an die bereits dort tätigen Mitarbeiter und nicht an Fremdbewerber.

Zu Recht hat auch schon das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass das beklagte Land nicht verpflichtet ist, die Liftkurse anders zu gestalten bzw. die Anzahl der angebotenen Stunden zu reduzieren, um Altersteilzeit zu ermöglichen. Die Respektierung der Entscheidungsfreiheit des beklagen Landes bezieht sich auch auf die Festlegung des Umfangs bestimmter Lehrangebote.

(3) Das beklagte Land hat auch im Einzelnen dargelegt, dass die Justizvollzugsanstalt X. I aufgrund des dortigen Personalstandes nicht in der Lage ist, den Ausfall des Klägers im Rahmen einer Altersteilzeit zu ersetzen. Allein die Tatsache, dass das beklagte Land in einem Einzelfall auf einen unvermeidbaren Arbeitsausfall reagiert hat, bedeutet nicht, dass es vermeidbaren Arbeitsausfall in Kauf nehmen muss. Auch insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen werden.

gg) Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass das beklagte Land sich nicht auf ein Zeitargument beruft sondern darauf, dass bei Beginn der Freistellungsphase des Klägers keine Mittel für die Einstellung einer Ersatzkraft zur Verfügung stehen, eine Ersatzkraft jedoch erforderlich wäre, um die Aufgaben innerhalb der Justizvollzugsanstalt X. II unter Berücksichtigung gesetzlicher und unternehmerischer Ziele durchzuführen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Kammer hat der Rechtssache im Hinblick auf die Festlegung des Maßstabes der dringenden dienstlichen bzw. betrieblichen Gründe grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher für den Kläger die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, § 62 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Rechtsmittelbelehrung :

Gegen dieses Urteil kann von dem Kläger

REVISION

eingelegt werden.

Für das beklagte Land ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Revision muss

innerhalb einer Notfrist von einem Monat

nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim

Bundesarbeitsgericht,

Hugo-Preuß-Platz 1,

99084 Erfurt,

Fax: (0361) 2636 - 2000

eingelegt werden.

Die Revision ist gleichzeitig oder

innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils

schriftlich zu begründen.

Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

Goeke Dr. Heidorn Strauß