OLG Köln, Beschluss vom 23.01.2006 - 4 UF 183/05
Fundstelle
openJur 2011, 40015
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 42 F 770/04
Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin vom 20. Oktober 2005 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn vom 7. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 3.000,00 EUR werden der Antragstellerin auferlegt.

Der Prozesskostenhilfe-Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Dem Antragsgegner wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt C in D ratenfreie Prozesskostenhilfe zur Abwehr der Beschwerde bewilligt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss vom 7. Oktober 2005 ist als befristete Beschwerde nach § 621e Abs. 1 i. V. m. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig (vgl. BGH FamRZ 1999, 1648; FamRZ 2002, 94), jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Familiengericht es nach Anhörung der betroffenen Kinder und der leiblichen Eltern abgelehnt, die gemäß § 1618 Satz 3 BGB notwendige Einwilligung des Antragsgegners in die von der Antragstellerin und deren jetzigem Ehemann beabsichtigte Einbenennung der Kinder durch Erteilung des neuen Ehenamens der Mutter zu ersetzen (§ 1618 Satz 4 BGB). Das Beschwerdevorbringen führt zu keinem anderen Ergebnis.

Zutreffend und in Übereinstimmung mit der einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung

(vgl. OLG Köln [14. ZS] FamRZ 1999, 734, 735; [25. ZS] KindPrax 199, 170; FamRZ 2002, 637; OLG Hamm FamRZ 1999, 736; FamRZ 1999, 1380, 1381; OLG Celle FamRZ 1999, 1374, 1375; FamRZ 1999, 1377; OLG Dresden FamRZ 1999, 1378; OLG Stuttgart FamRZ 1999, 1375, 1376; OLG Oldenburg FamRZ 1999, 1381; OLG Koblenz FamRZ 2000, 690; Senat, OLGR Köln 2003, 10, Leitsatz veröffentlicht FamRZ 2003, 1411),

die der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 24. Oktober 2001 (FamRZ 2002, 94) bestätigt hat, ist das Familiengericht davon ausgegangen, dass die Neufassung von § 1618 BGB durch Art. 1 Nr. 7 KindRG, mit der die bisherige Formulierung ("dem Kindeswohl dienlich") durch "für das Kindeswohl erforderlich" ersetzt worden ist, eine vom Gesetzgeber bewusst vorgenommene Verschärfung der Voraussetzungen für die Ersetzung der Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils darstellt und sie dem ausdrücklichen Zweck dient, die Bindung des Kindes an diesen Elternteil zu unterstreichen (vgl. BGH a.a.O.). Danach genügt es nicht mehr, wenn die angestrebte Namensänderung, entsprechend der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu §§ 1, 3 NÄG, für das Kindeswohl förderlich bzw. dienlich ist. Die - positiv festzustellende (vgl. OLG Hamm FamRZ 1999, 736; FamRZ 1999, 1380, 1381) - Erforderlichkeit der Namensänderung setzt vielmehr eine umfassende Abwägung der Interessen der Beteiligten voraus. Hierbei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Kindes- und Elterninteressen gleichrangig sind (vgl. BGH FamRZ 2002, 94, 95). Zwar entspricht es, wie das Bundesverfassungsgericht auf der Grundlage des früheren Namensrechts entschieden hat, regelmäßig dem Wohl des Kindes, den gleichen Namen zu tragen wie die neue Familie, in der es jetzt lebt (BVerfG FamRZ 1992, 1284, 1285). Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass diese Wertung ihrerseits bereits das Ergebnis einer Abwägung einander widerstreitender Kindesinteressen ist. Denn auch die Kontinuität der Namensführung sowie die persönliche Beziehung des Kindes zum nicht sorgeberechtigten Elternteil stellen ihrerseits wichtige Kindesbelange dar. Das gilt insbesondere dann, wenn der Kontakt zu diesem Elternteil - wie hier - nahezu abgebrochen ist und durch die Einbenennung als nach außen sichtbare endgültige Ablösung von ihm weitgehend verfestigt würde (vgl. BGH a.a.O.; OLG Köln [26. ZS] NJW-RR 2000, 1102; OLG Köln FamRZ 2002, 637; OLG Hamm FamRZ 1999, 1380, 1381).

Erforderlich im Sinne von § 1618 Satz 4 BGB ist die Einbenennung danach nur, wenn aufgrund der konkreten Umstände des einzelnen Falles die Trennung des Namensbandes aus Gründen des Kindeswohls unabdingbar notwendig ist und ein milderer Eingriff in das Elternrecht, etwa die sog. "additive" Einbenennung durch Voranstellung oder Anfügung des Ehenamens (§ 1618 Satz 2 BGB) nicht ausreicht. Eine solche unabdingbare Notwendigkeit besteht in der Regel nur dann, wenn andernfalls schwerwiegende Nachteile für das Kind zu befürchten wären oder die Einbenennung zumindest einen so erheblichen Vorteil für das Kind darstellen würde, dass ein sich verständig um sein Kind sorgender Elternteil auf der Erhaltung des Namensbandes nicht bestehen würde (vgl. BGH a.a.O.; s. auch Wagenitz FamRZ 1998, 1545, 1551 f.; Willutzki KindPrax 2000, 76, 78; Oelkers/Kreutzfeldt FamRZ 2000, 645, 648).

Im vorliegenden Streitfall liegen triftige Gründe, die nach diesem vom Gesetzgeber bewusst streng gewählten Maßstab die begehrte Einbenennung der Kinder erforderlich machen, nicht vor. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nicht der Antragsgegner die Verweigerung seiner Zustimmung rechtfertigen muss, sondern die Antragstellerin die Notwendigkeit der Namensänderung zu begründen hat (vgl. OLG Köln NJW-RR 2000, 1102, 1103).

Der bloße Vorteil, dass aus der Namensänderung die Integration der Kinder in die neue Familie nach außen dokumentiert wäre und die Namensverschiedenheit zu den Stiefgeschwistern aus der neuen Ehe der Antragstellerin nicht länger fortbestünde, stellt noch keinen triftigen Grund für die Namensänderung dar. Die Eingliederung eines Kindes in den neuen Familienverband ist ein tatsächlicher Vorgang, der von der Namensgleichheit nicht abhängig ist (vgl. OLG Bamberg NJW-RR 1999, 1431). In einer intakten Familie gerät ein Kind daher in aller Regel nicht wegen eines anderen Namens in eine "Außenseiter-Situation" (vgl. Oelkers/Kreutzfeldt a.a.O.). Hinzu kommt, dass der allein sorgeberechtigte Elternteil von Gesetzes wegen gehalten ist, in Wahrnehmung der Interessen des ihm anvertrauten Kindes den Kontakt zu dem anderen Elternteil zu fördern und bei Schwierigkeiten ausgleichend und erklärend zu wirken. Der allein Sorgeberechtigte muss daher insbesondere alles tun, um durch Erklärungen oder Stärkungen des Selbstbewusstseins dem Kind zu vermitteln, dass seine Abstammung aus einer geschiedenen Ehe und die darauf zurückzuführende Namensungleichheit mit der Mutter und deren zweitem Ehemann eine grundsätzlich normale und vom Gesetz eröffnete Folge der Entwicklung nach einer Scheidung ist. Das gilt umso mehr - und dürfte deshalb umso einfacher zu vermitteln sein - als heute aufgrund des geltenden Namensrechts verschiedene Namen innerhalb einer Familie (auch zwischen verheirateten Ehegatten bzw. diesen und ihren Kindern) immer häufiger vorkommen und mittlerweile zur gesellschaftlichen Realität gehören (vgl. OLG Köln NJW-RR 2000, 1102, 1103).

Auch die Beschwerde zeigt keine weitergehenden triftigen Gründe auf, welche eine Namensänderung der Kinder als unabdingbar notwendig erscheinen ließe. Die Beschwerde stützt sich lediglich darauf, dass der Antragsgegner seit 1997 sein Umgangsrecht nicht mehr wahrgenommen habe, keinen Kindesunterhalt zahle und seine Bereitschaft zur Einwilligung in die Adoption durch den jetzigen Ehemann der Antragstellerin erklärt hat. Diese Umstände - unterstellt, sie träfen sämtlich zu - belegen lediglich, dass von einer engen Beziehung zwischen den Kindern und dem Antragsgegner nicht mehr gesprochen werden kann. Entgegen der in der Beschwerde zitierten Entscheidung des OLG Oldenburg (FamRZ 2000, 694) reicht das als triftiger Grund für eine Namensänderung jedoch nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat in seinem bereits weiter oben angeführten Beschluss vom 24. Oktober 2001 (FamRZ 2002, 94, 95) ausdrücklich der Auffassung widersprochen, eine dem Kindeswohl dienliche Einbenennung sei jedenfalls immer dann zugleich auch als für das Wohl des Kindes erforderlich anzusehen, wenn der Namensbindung keine tatsächliche gelebte Bindung mehr zugrunde liege oder diese nur noch in einem Umfang bestehe, der durch die Namensänderung allenfalls noch am Rande berührt werde (vgl. auch schon Oelkers/Oelkers aaO 1271 m. weit. Nachw.). Es kommt hinzu, dass der Antragsgegner unwidersprochen vorgetragen hat, Kindesunterhalt im Rahmen seiner Möglichkeiten an die Unterhaltsvorschusskasse gezahlt zu haben und dass keineswegs feststeht, dass der Abbruch der Umgangskontakte allein auf den Antragsgegner zurückzuführen wäre. Soweit die Antragstellerin vorträgt, aufgrund der erklärten Bereitschaft des Antragsgegners zur Einwilligung in eine Adoption durch den Ehemann der Antragstellerin seien die Kinder traumatisiert, spricht das im übrigen gegen den Verlust der Bindungen an den Antragsgegner.

Da Gründe für eine unabdingbare Notwendigkeit der beabsichtigten Namensänderung nicht gegeben sind, besteht darüber hinaus auch kein Anlass, die Interessen des Kindes und das Desinteresse des Vaters gegeneinander abzuwägen (OLG Köln [27. ZS] FamRZ 2003, 1411).

Der Prozesskostenhilfe-Antrag der Antragstellerin ist zurückzuweisen. Nach den vorstehenden Ausführungen fehlt es an der für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 114 Satz 1 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht der Beschwerde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Absatz 1 Satz 2 FGG, § 30 KostO.