FG Köln, Urteil vom 14.12.2005 - 4 K 5275/01
Fundstelle
openJur 2011, 39901
  • Rkr:
Tenor

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den .....2000 für Zwecke der Schenkungsteuer vom .......2001 wird dergestalt geändert, dass der Grundbesitzwert von 82.000.- DM auf 59.000.- DM herabgesetzt wird. Die Einspruchsentscheidung vom ........2001 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist der Bedarfswert eines Grundstücks auf dem sich ein Gebäude (Autowaschstraße) auf fremdem Grund und Boden befindet ("Bebautes Grundstück Grund und Boden mit fremden Gebäude").

Durch not. Vertrag vom .....2000 UrNr. ....../2000 B des Notars Dr. ............... übertrug die Mutter des Klägers, Frau ............. (Mutter), diesem die Grundstücke eingetragen im Grundbuch von ......... Band .. Blatt .... Gemarkung ......... Flur 6 Nr. 1448, groß: 3.120 qm, und Blatt .... Gemarkung .......... Flur 6 Nr. 1449, groß: 1.235 qm.

Die Parzelle 1449 und ein Teil der Parzelle 1448 war von den Eltern des Klägers an die ................... GmbH (..........) durch Vertrag vom .....1990 bis zum .........2006 verpachtet worden. Darüber hinaus hatte der Pächter das Recht, den Vertrag in Form von vier Optionen zu je zwei ein halb Jahren zu verlängern. Die verpachtete Fläche betrug 2.300 qm. Die monatliche Pacht betrug zum Zeitpunkt der Übertragung 4.500,00 DM. Die Verpachtung der Grundstücksfläche erfolgte zur gewerblichen Nutzung, insbesondere zum Betrieb einer Tankstelle. Die Verpächter waren damit einverstanden, dass die von .......... errichtete Tankanlage nebst allen oberirdischen und unterirdischen Ein- und Aufbauten gem. § 95 BGB nicht wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens wurde, sondern im Eigentum von ........... verblieb. ........ hat die bei Vertragsende auf der angemieteten Grundstücksfläche befindlichen Anlagen, Einrichtungen und Gegenstände insbesondere die in der Erde befindlichen Kraftstoffbehälter nach Vertragsende unverzüglich zu entfernen.

Die Mutter behielt sich in dem Übertragungsvertrag das lebenslängliche Nießbrauchsrecht an dem verpachteten Grundbesitz vor.

Der übertragene Grundbesitz bestand bewertungsrechtlich aus drei Grundstücken, die mit einem Zweifamilienhaus (St.Nr. .......), einer Tankstelle (StNr. ........) und einer Autowaschstraße (StNr ..........) bebaut waren. Sowohl bei dem mit der Autowaschstraße bebauten Grundstück als auch bei dem Tankstellengrundstück handelte es sich bewertungsrechtlich um Grund und Boden mit fremden Gebäuden. Nur die beiden zuletzt genannten Grundstücke waren Gegenstand des Pachtvertrags. Der Kläger gab für diese beiden Grundstücke nur eine Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwerts ab, in der er beide Grundstücke zusammenfasste. Danach betrug die Grundstücksfläche 2.300 qm. Den Bodenrichtwert schätzte der Kläger mit 190,00 DM/qm. Hierzu führten die Bevollmächtigten des Klägers in einem Begleitschreiben aus, als Bodenrichtwert sei ein Wert von 190,00 DM pro qm angesetzt worden. Dieser Wert sei anhand eines Vergleichstankstellengrundstücks "....Tankstelle-.............." ermittelt worden. Wertmindernd sei allerdings die Größe des Grundstücks und eine evtl. Kontaminierung des Bodens aus den früheren Jahren zu berücksichtigen.

Der Beklagte erließ daraufhin am .......2001 zu der Steuernummer: .................. (Grundstück mit Autowaschstraße) einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den .....2000 für Zwecke der Schenkungssteuer. In diesem Bescheid traf der Beklagte die folgenden Feststellungen:

Art der wirtschaftlichen Einheit: Bebautes Grundstück Grund und Boden mit fremden Gebäude

Wert der wirtschaftlichen Einheit Grundbesitzwert 82.000.- DM

Zurechnung des Grundstückswerts Bisher Frau .......... Neu .................

Den Grundbesitzwert ermittelte der Beklagte wie folgt:

Wert des belasteten Grundstücks § 148 Abs. 1 BewG

Jährlicher Pachtzins 4.447,00 DM x Vervielfältiger 18,6 82.714,00 DM

Grundbesitzwert, gerundet auf volle 1.000,00 DM nach unten 82.000,00 DM

Erläuternd fügte der Beklagte an, der erklärte Gesamtjahrespachtzins i. H. v. 54.000,00 DM sei im Verhältnis der Grundstücksgrößen (Tankstelle 1.516 qm; Autowaschstraße 140 qm) aufgeteilt worden.

Ansatz

St-Nr. .............. 4.447,00 DM (Grundstück mit Autowaschstraße)

St-Nr. .............. 49.553,00 DM (Tankstellengrundstück,

Gegenstand des Verfahrens 4 K 4419/01)

Mit seiner nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehrt der Kläger, den Grundbesitzwert in Höhe des Verkehrswerts anzusetzen.

Der Kläger macht geltend, die Abweichung des § 148 BewG von der üblichen Bewertung führe dazu, dass die nach dieser Vorschrift festzustellenden Grundstückswerte die gemeinen Werte des jeweiligen Bewertungsgegenstandes im Einzelfall überstiegen. Insofern sehe der BFH in bestimmten Fällen einen Verstoß gegen das Übermaßverbot, dem durch Billigkeitsmaßnahmen nicht abgeholfen werden könne.

Im Streitfall sei zudem zu beachten, dass er nach Ablauf des zeitlich begrenzten Mietvertrages lediglich das Grundstück im unbebauten Zustand erhalte. Der Gutachterausschuss der Stadt ......... bewerte die mit der Tankstelle und der Autowaschstraße bebauten Grundstücke in unbebautem Zustand mit 335,-- DM pro qm. Bei einer Grundstücksgröße von 2.300 qm, ergäbe sich ein Wert von 770.500,-- DM.

Auf entsprechende Aufforderung durch den Berichterstatter hat der Kläger ein Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. ....... vom .........2005 vorgelegt. In diesem wird der Verkehrswert der zu bewertenden Grundstücke (Grundstücke mit Tankstelle und Autowaschstraße) in Höhe von 720.000.- DM ermittelt. Bei der Ermittlung dieses Werts wurde der Wert des der Mutter vorbehaltenen Nießbrauchs in Höhe von 270.000.- DM nicht abgezogen. Wegen der Einzelheiten wird auf das genannte Gutachten verwiesen (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 26.10.2005, Blatt 172 bis 191 GA).

Der Kläger hat mitgeteilt, welche schenkungssteuerlichen Auswirkungen sich ergeben würden, wenn die Klage erfolgreich wäre. Während bisher mit Bescheid vom ......2004 die Schenkungsteuer (ohne Stundung wegen Nießbrauch) in Höhe von .............- DM festgesetzt wurde, wäre dann die Schenkungsteuer um .......,00 DM auf .......,00 DM zu mindern. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 12.12.2005 (Blatt 209 GA) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den .....2000 für Zwecke der Schenkungsteuer vom .......2001 dergestalt zu ändern, dass der Grundbesitzwert von 82.000.- DM auf 59.000.- DM herabgesetzt wird, und die Einspruchsentscheidung vom .......2001 aufzuheben; hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen; hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte macht geltend, die Bewertung sei nach der Bestimmung des § 148 BewG erfolgt. Das Gesetz sehe keine Öffnungsklausel vor, die einen anderen Wertansatz ermögliche. Der vom Kläger begehrte Wertansatz mit dem niedrigeren gemeinen Wertes (Verkehrswert) sei nach R 182 Abs. 5 ErbStR nicht zulässig. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Aufbauten von geringem Wert seien und dass nach Ablauf der Pachtzeit die Möglichkeit des Abrisses durch die Pächterin bestehe. Übertragen werde ein mit einem Recht belastetes Grundstück, nicht nur der Grund und Boden. Keinen Einfluss auf die Wertermittlung habe die verbliebene Pachtzeit. In R 182 Abs. 3 ErbStR werde ausdrücklich klargestellt, dass der Vervielfältiger 18,6 unabhängig von der Restlaufzeit des Vertrages anzuwenden sei.

Soweit die Rechtsprechung entschieden habe, dass § 148 BewG im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung durch eine den §§ 145 Abs. 3 Satz 3, 146 Abs. 7 BewG entsprechende Öffnungsklausel zu ergänzen sei, komme dies nur bei einem Verstoß gegen das verfassungsmäßig garantierte Übermaßverbot in Betracht. Ein solcher liege im Streitfall nicht vor, weil die Abweichung des gemeinen Werts (für beide Grundstücke 720.000.- DM) von dem angesetzten Bedarfswert (für beide Grundstücke 1.003.000.- DM) hierfür zu gering sei. Diese Abweichung sei im Rahmen einer typisierenden Bewertung hinzunehmen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Das FA hat bei seiner Besteuerung zu Unrecht einen Verstoß gegen das Übermaßverbot verneint. Der Bedarfswert ist in Höhe des gemeinen Werts (entsprechend § 146 Abs. 7 oder den §§ 147 und 145 Abs. 3 Satz 3 BewG) festzustellen.

1. Das FA hat die Feststellung des Grundstückswerts auf § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG gestützt. Nach § 148 Abs. 2 BewG ist für Gebäude auf fremdem Grund und Boden die Bewertungsvorschrift für Erbbaurechte in § 148 Abs. 1 BewG entsprechend anzuwenden. Sowohl die Überschrift zu § 148 BewG als auch der Abs. 2 der Vorschrift sprechen ihrem Wortlaut nach nur die Bewertung der Gebäude auf fremdem Grund und Boden an. Gleichwohl wird die Vorschrift allgemein so verstanden, dass sie über die Verweisung in Abs. 2 auf Abs. 1 nicht nur eine Bestimmung für die Bewertung der Gebäude auf fremdem Grund und Boden, sondern auch eine für die Bewertung mit solchen Gebäuden bebauter Grundstücke enthält. Dem hat sich der BFH angeschlossen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 23. Oktober 2002 II B 153/01, BFHE 200, 393, BStBl II 2003, 118). Bei einer Beschränkung der Verweisung in § 148 Abs. 2 BewG auf Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift bliebe unberücksichtigt, dass Abs. 1 Satz 2 auf dessen Satz 1 abgestimmt ist und bezweckt, in der Summe den Wert des bebauten Grundstücks zu ergeben(vgl. BFH-Urteile vom 02.07.2004 - II R 9/02, BFHE 207, 42, BStBl II 2004, 1039 und II R 22/02, BFH/NV 2004, 1519).

2. Gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG beträgt der Wert eines mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden bebauten Grundstücks das 18,6-fache des nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt zu zahlenden jährlichen Entgelts für die Grundstücksnutzung. Gemäß Satz 2 der Vorschrift sind die Gebäude auf fremdem Grund und Boden selbst mit dem nach § 146 oder § 147 BewG ermittelten Wert des Grundstücks abzüglich des nach Satz 1 ermittelten Werts des unbebauten Grundstücks anzusetzen. Die durch das Jahressteuergesetz 1997 geschaffenen Regelungen des § 148 Abs. 1 BewG für die Bewertung der Gebäude auf fremdem Grund und Boden einerseits und der sie tragenden Grundstücke andererseits unterscheiden sich damit wesentlich von der für Grundsteuerzwecke noch fortgeltenden Vorschrift des § 94 BewG, und zwar auf zweierlei Weise: Während die Bewertung des Grund und Bodens nach § 94 BewG gemäß den allgemeinen Regeln für die Bewertung unbebauter Grundstücke erfolgt ―lediglich der Art nach gilt der Grund und Boden als bebautes Grundstück―, unterliegt sie gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG einer an der marktüblichen Bodenrendite ausgerichteten Bewertung. Der zweite wesentliche Unterschied besteht darin, dass bei der für Grundsteuerzwecke nach wie vor erforderlichen Einheitsbewertung die Einheitswerte der Grundstücke einerseits und der Gebäude andererseits voneinander unabhängig sind, während die im Bedarfsfall nach § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG zu ermittelnden Werte für die Gebäude durch die nach Satz 1 der Vorschrift sich ergebenden Grundstückswerte beeinflusst werden (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 02.07.2004 - II R 9/02, BFHE 207, 42, BStBl II 2004, 1039).

Die erste Abweichung des § 148 Abs. 1 BewG von § 94 BewG kann dazu führen, dass die festzustellenden Grundstückswerte für die Grundstücke ohne die Gebäude deren gemeine Werte übersteigen. Die Höhe des Nutzungsentgelts muss nicht in jedem Falle an der marktüblichen Bodenrendite ausgerichtet sein, sondern kann ―etwa aufgrund des besonderen Interesses eines Beteiligten oder aus gesellschaftsrechtlichen, verwandtschaftlichen oder sozialen Gründen― auf anderen Erwägungen beruhen, wobei auch ein die marktübliche Rendite übersteigendes Nutzungsentgelt vereinbart sein kann. In solchen Fällen sieht § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG keine Korrekturmöglichkeit vor.

a) Die Typisierung, die der Bewertung nach § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG gemäß eigenem Bekunden des Gesetzgebers zugrunde liegt, rechtfertigt aber keine Verletzung des Übermaßverbots im Einzelfall. Verfassungsgemäß ist solch eine typisierende Regelung nur solange, wie ein Verstoß gegen das Übermaßverbot im Einzelfall entweder durch verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift oder durch eine Billigkeitsmaßnahme abgewendet werden kann, wobei beides den normativen Gehalt der Vorschrift bzw. die dem Steuertatbestand inne wohnende Wertung des Gesetzgebers nicht durchbrechen darf (so Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― zur verfassungskonformen Auslegung vom 6. Dezember 1972 1 BvR 230/70 und 1 BvR 95/71, BVerfGE 34, 165, 200, sowie vom 22. Juni 1977 1 BvL 23/75, BVerfGE 45, 393, 400, und zu den Billigkeitsmaßnahmen vom 5. April 1978 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102, 116, BStBl II 1978, 441, sowie vom 22. Juni 1965 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter B. 2., sowie Urteil des BFH vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297, unter II. 3.). Wegen § 138 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 20 Satz 2 BewG können dabei Billigkeitsgesichtspunkte erst bei Festsetzung der Erbschaftsteuer bzw. Grunderwerbsteuer Berücksichtigung finden (Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, Stand März 2004, § 138 Anm. 15). Das Übermaßverbot ist verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Belastung extrem über das normale Maß hinausgehen, das der Schematisierung zugrunde liegt, oder ―anders ausgedrückt― die Folgen auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Planvorstellungen durch den gebotenen Anlass nicht mehr gerechtfertigt sind (vgl. Beschluss des BVerfG in BVerfGE 48, 102, 116, BStBl II 1978, 441). Diese Grenze ist umso früher erreicht, je höher im Einzelfall die letztlich anzulegenden Steuertarife sind (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 02.07.2004 - II R 9/02, BFHE 207, 42, BStBl II 2004, 1039). Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung bedeutet aber, dass die Reglungen des § 148 Abs. 1 BewG als solche nicht verfassungswidrig sind (vgl. BFH-Urteil vom 08.06.2005 - II R 8/03, BFH/NV 2005, 2170).

b) Für den Fall, dass der nach § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG sich ergebende Wert des mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden bebauten Grundstücks solchermaßen gegen das Übermaßverbot verstößt, ist eine verfassungskonforme Auslegung des §148 Abs. 1 Satz 1 BewG dahin möglich und damit auch geboten, entsprechend Satz 2 der Vorschrift i.V.m. § 146 Abs. 7 oder den §§ 147 und 145 Abs. 3 Satz 3 BewG den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks in unbebautem Zustand zuzulassen. Dabei ist der gemeine Wert auch hier in seiner Vergleichsfunktion nach Maßgabe der Grundsätze des BFH-Urteils vom 8. Oktober 2003 II R 27/02 (BFHE 204, 306, BStBl II 2004, 179) zu verstehen. Dass Versuche, die Bewertung solcher Grundstücke mit dem Bodenwert nach § 145 Abs. 3 BewG vorzunehmen ―was nach Satz 3 der Vorschrift die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts einschlösse―, im Gesetzgebungsverfahren stecken geblieben sind (vgl. BTDrucks 14/1514, S. 15, 41), steht einer derartigen Auslegung ebenso wenig entgegen wie der Wortlaut des § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG. Der Wortlaut allein hindert eine verfassungskonforme Auslegung so lange nicht (so Beschluss des BVerfG vom 19. Juni 1973 1 BvL 39/69 und 1 BvL 14/72, BVerfGE 35, 263, 278 ff.), wie der normative Gehalt der Vorschrift nicht neu bestimmt wird. Dies geschieht aber durch die an die gesetzlich vorgesehenen Öffnungsklauseln angelehnte und nur Einzelfälle betreffende Auslegung, die den Regelfall unberührt lässt, nicht (vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 4 AO 1977 Anm. 239). Damit ist den verfassungsrechtlichen Bedenken, die dem BFH-Beschluss in BFHE 200, 393, BStBl II 2003, 118 zugrunde liegen, ausreichend Rechnung getragen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 02.07.2004 - II R 9/02, BFHE 207, 42, BStBl II 2004, 1039).

Im Streitfall war der Bedarfswert des zu bewertenden Grundstücks in Höhe des gemeinen Werts festzustellen. Der nach dem Wortlaut des § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG anzusetzende Wert übersteigt für das mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden bebaute Grundstück den gemeinen Wert um circa 30 %. Angesichts der steuerlichen Auswirkung von nahezu einem Drittel läge ein Verstoß gegen das Übermaßverbot in dem erforderlichen Ausmaß vor, wollte man diesen Wert der Erbschaftsbesteuerung zugrunde legen. Da der Pächter nach Ablauf der Pachtzeit alle von ihm errichteten Anlagen unverzüglich zu entfernen hat, der Kläger das Grundstück somit wie ein unbebautes Grundstück zurückerhält, besteht kein Grund, bei der Feststellung des Bedarfswerts von dem gemeinen Wert des Grundstücks abzuweichen. Auch die Tatsache, dass das Pachtverhältnis nach dem Besteuerungszeitpunkt möglicherweise noch 16 Jahre andauert, rechtfertigt keine höhere Bewertung. Denn auf eine Verlängerung des Pachtvertrages über das Jahr 2006 hinaus hat der Kläger keinen Anspruch. Die Verlängerung steht im Belieben des Pächters.

Bei seiner Entscheidung hat der Senat mangels anderer Anhaltspunkte das im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Verhältnis zwischen dem Tankstellengrundstück und dem Grundstück mit der Autowaschstraße beibehalten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO analog.

Die Revision war zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Es ist von grundsätzlicher Bedeutung, ab welcher Höhe eine Abweichung des nach den Grundsätzen des § 148 BewG ermittelten Bedarfswert von dem Verkehrswert einen Verstoß gegen das Übermaßverbot darstellt. In den Fällen, in denen ein solcher Verstoß bisher vom BFH angenommen wurde, war die Abweichung zwischen dem nach § 148 BewG ermittelten Bedarfswert und dem Verkehrswert höher als im Streitfall.