AG Menden, Urteil vom 07.09.2005 - 4 C 33/05
Fundstelle
openJur 2011, 39830
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Gegenseite Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der am 20.07.1999 geborene Kläger macht Schadensersatzansprüche aufgrund einer Körperverletzung geltend, die er sich während einer Fahrt in dem Autoscooter der Beklagten anläßlich der N Pfingstkirmes 2004 am 30.05.2004 zugezogen hat.

Der Kläger fuhr zusammen mit seinem Vater in einem Autoscooter. Während der Fahrt erlitt der Kläger infolge heftiger Anstöße anderer Autoscooter einen Speichenwulstbruch am rechten Unterarm sowie eine oberflächliche Bißwunde an der Oberlippe.

Der Kläger wurde vom 03.05. bis zum 21.06.2004 ambulant behandelt, wobei für drei Wochen zunächst eine konservative Frakturbehandlung mittels Anlage einer Unterarmgipsschiene erfolgte. Weitere drei Wochen mußte sich der Kläger schonen.

Der Kläger behauptet, er sei in dem Autoscooter angeschnallt gewesen.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil sie weder auf die besonderen Gefahren für Kleinkinder hingewiesen noch die Benutzung für solche Kinder untersagt habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 60,00 € sowie ein angemessenes Schmerzens-

geld nebst jeweils Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

der EZB seit dem 23.06.2004 sowie außergerichtliche Anwaltskosten von 132,36 €

zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet die Verletzung bestehender Verkehrssicherungspflichten und ist der Ansicht, die Benutzung erfolge auf eigenes Risiko.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Das Gericht hat auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom 25.02.2005 Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlich erstatteten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Schimmelpfennig. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 29.06.2005 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nicht zu.

Eine Haftung der Beklagten aufgrund "allgemeiner Gefährdungshaftung" im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes besteht nicht, weil Autoscooter keine "Landfahrzeuge" im Sinne des §§ 1 Abs. StVG sind (BGH, Versicherungsrecht 1977, 334; Henschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl. § 1 StVG Rdnr. 2).

Eine Haftung wegen Verletzung eines zwischen dem Kläger und der Beklagten aufgrund der Benutzung des Autoscooters stillschweigend zustande gekommenen Vertrages, wie auch eine Haftung gem. § 823 BGB bestehen ebenfalls nicht, weil der Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichtes nachgewiesen hat, dass die Beklagte eine bestehende Verkehrssicherungs- bzw. Vertragspflicht schuldhaft verletzt hat.

Hiergegen spricht bereits, dass sich der Kläger im normalen Fahrbetrieb des Autoscooters infolge des Anstoßes anderer Autoscooter verletzt hat.

Darüber hinaus war der Autoscooter noch im Februar 2004 vom TÜV geprüft und abgenommen worden und hat unmittelbar vor der Inbetriebnahme eine Prüfung durch das städtische Ordnungsamt stattgefunden.

Darüber hinaus hat der Sachverständige Prof. T in seinem überzeugenden Gutachten festgestellt, dass die von ihm durchgeführte Überprüfung der Autoscooteranlage keinen Hinweis darauf ergeben hat, dass die üblicherweise zu erwartenden und gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen verletzt wurden. Der Sachverständige hat weiter festgestellt, dass auch bei angelegtem Sicherheitsgurt ein knapp 5-jähriges Kind mit der rechten Hand auf dem Lenkrad massiv aufschlagen und sich die streitgegenständlichen Verletzungen zuziehen kann. Insoweit kommt es auf die streitige Frage, ob der Kläger tatsächlich angeschnallt war, nicht an.

Die einschlägigen Sicherheitsvorschriften sehen lediglich das Vorhandensein von Sicherheitsgurten und eines Hinweisschildes vor, wonach Kinder unter 10 Jahren nur in Begleitung Erwachsener zugelassen und anzuschnallen sind. Diese Vorgaben wurden nach den Feststellungen des Sachverständigen eingehalten. Weitergehende Hinweispflichten oder gar die Nichtzulassung von Kleinkindern zum Fahrbetrieb können z.Zt. nach Überzeugung des Gerichtes - entgegen der Ansicht des Klägers - von der Beklagten auf Grund der geltenden Gesetzeslage und der bisherigen Verkehrsüblichkeit nicht verlangt werden.(Nach den Ergebnissen des Sachverständigen-Gutachtens und dem darin beschriebenen Verletzungsrisiko wäre allerdings eine Initiative des Gesetzgebers zu begrüßen.)

Unter Berücksichtigung aller Umstände kann danach schon die objektive Verletzung bestehender Verkehrssicherungspflichten seitens der Beklagten nicht festgestellt werden. Entsprechendes gilt für evtl. vertragliche Pflichten.

Selbst wenn man entsprechend der Ansicht des Klägers aufgrund der auch vom Sachverständigen festgestellten erheblichen Verletzungsrisiken von einer Verkehrssicherungspflicht dahin ausgeht, dass die Beklagte objektiv verpflichtet gewesen wäre, entweder die Benutzung durch Kleinkinder ganz zu untersagen oder zumindest auf die besonderen Verletzungsrisiken hinzuweisen, scheidet eine Haftung der Beklagten in subjektiver Hinsicht aus. Eine solche Vertrags- bzw. Verkehrssicherungspflichtverletzung wäre zumindest nicht schuldhaft erfolgt, da sich die Beklagte mit dem Betrieb des Autoscooters sowohl innerhalb der gesetzlichen Vorschriften wie auch im Rahmen der verkehrsüblichen Sicherheitsvorkehrungen bewegt hat.

Nach allem kann die Klage keinen Erfolg haben.

Vergleiche zu entsprechenden Fällen: BGH a. a. O.; LG München II, Versicherungsrecht 1979, 42; OLG Nürnberg NJW-RR 1986, 1224; LG Memmingen, Versicherungsrecht 1980, 542; Bamberger/Roth, BGB, Stand: August 2004, § 823 BGB Rdnr. 362.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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