OLG Köln, Beschluss vom 16.09.2005 - 2 Ws 336/05
Fundstelle
openJur 2011, 39434
  • Rkr:
Tenor

1.

Die Beschwerde wird verworfen.

2.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der darin der Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Der Angeklagten T. L. wird mit Anklage der Staatsanwaltschaft Aachen vom 10.12.2003 Beihilfe zu von ihrem mitangeklagten Ehemann B. L. gewerbsmäßig veranstalteten unerlaubten Glücksspielen zur Last gelegt. Mit Beschluss vom 27.08.2003 (41 Gs 3117/03i), berichtigt durch Beschluss vom 02.09.2003 (41 Gs 3229/03) hat das Amtsgericht Aachen die Rechte der - mittlerweile als Eigentümerin im Grundbuch eingetragenen - Angeklagten T.l L. an dem oben näher bez. Grundstück in Aldenhoven-Schleiden beschlagnahmt. Die Beschlagnahme ist darauf gestützt, dass das Grundstück zu dem illegalen Spielbetrieb genutzt worden sei und deswegen der Einziehung unterliege.

Nach Zulassung der Anklage und Eröffnung des Hauptverfahrens durch Beschluss vom 01.03.2004 begann die Hauptverhandlung vor der 3. gr. Strafkammer des Landgerichts am 09.06.2004. Nach 44 Verhandlungstagen wurde das Verfahren gegen die Angeklagte T. L. (und ihren Ehemann B. L.) am 03.06.2005 abgetrennt und die Hauptverhandlung auf unbestimmte Zeit vertagt im Hinblick darauf, dass bis zu dem bevorstehenden Beginn des Mutterschutzes einer Beisitzerin das Verfahren "nicht bis zur Entscheidungsreife geführt werden könne".

Zugleich hob die Strafkammer den Beschlagnahmebeschluß betr. das oben näher bez. Grundstück der Angeklagten T. L. auf mit der Begründung, die Aufrechterhaltung der Anordnung der Beschlagnahme sei angesichts des ungewissen Beginns einer neuen Hauptverhandlung nicht mehr verhältnismäßig. Dagegen richtet sich die am 03.06.2005 eingelegte, unter dem 21.06.2005 begründete Beschwerde der Staatsanwaltschaft Aachen, der die Strafkammer nicht abgeholfen hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Beschwerde beigetreten und beantragt, die Beschlagnahmeanordnung wieder in Kraft zu setzen.

II.

Die gem. §§ 304 Abs. 1, 305 S. 2 StPO zulässige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. Die angefochtene Entscheidung erweist sich im Ergebnis als zutreffend.

1. Zwar besteht gegen die Angeklagte dringender Tatverdacht wegen Beihilfe zur Veranstaltung unerlaubter Glücksspiele. Insoweit wird auf die Entscheidung des Senats vom heutigen Tage Bezug genommen, mit der auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Angeklagte erlassenen Arrestbefehle wieder in Kraft gesetzt worden sind ( 2 Ws 335/05).

2. Es sind jedoch die Voraussetzungen für die Einziehung des Grundstücks nicht erfüllt.

a) Eine Einziehung nach § 286 Abs. 2 StGB kommt nicht in Betracht, weil nicht das gesamte Grundstück als Spieleinrichtung im Sinne des § 284 StGB angesehen werden kann. Spieleinrichtungen sind in erster Linie Gegenstände, die spezifisch, d.h. ihrer Natur nach dazu bestimmt sind, zu Glücksspielen benutzt zu werden. Dazu zählt ein Grundstück schon begrifflich nicht. Zwar können auch "neutrale" Gegenstände Spieleinrichtungen sein, sofern sie nach den Umständen zur Verwendung für Glücksspiele geeignet und bestimmt sind. Danach können neben Karten und Würfeln auch "normale" Tische, Stühle und ggfs auch Räume als Spieleinrichtungen angesehen werden, deren Bereitstellung nach § 284 Abs. 1 StGB unter Strafe gestellt ist (vgl. Schönke/Schröder-Eser/Heine, StGB, 26. Aufl., § 284 Rn 15; Tröndle/Fischer, StGB, 52.A., § 284 Rn 13; Lackner-Kühl, StGB, 25. Aufl., § 284 Rn 11).

Die Glücksspiele sollen in den Kellerräumen des auf dem Grundstück befindlichen mehrgeschossigen Gebäudes veranstaltet worden sein. Das Zugänglichmachen der Räumlichkeiten im Keller zum Zwecke der Veranstaltung von unerlaubten Glücksspielen dürfte unbedenklich den Tatbestand des Bereitstellens von Spieleinrichtungen verwirklichen. Das mag des weiteren die Einziehung der Einrichtung der Kellerräume zur Folge haben, wenn und soweit einzelne Einrichtungsgegenstände den erforderlichen Bezug zur Verwendung für Glücksspiele aufweisen. Für das gesamte Grundstück kann ein derartiger Bezug jedoch nicht angenommen werden (ähnlich LK-von Bubenoff, StGB, 11. Aufl., § 286 Rn 6, wonach von der Einziehung "Räume selbstverständlich ausgenommen sind").

b) Das Grundstück unterliegt ebenso wenig der Einziehung nach § 74 StGB. Es kann nicht als sog. Tatmittel angesehen werden. Der Begriff des Tatwerkzeuges nach § 74 Abs. 1 StGB ist auslegungsbedürftig. Der Kreis der zur Begehung oder Vorbereitung von Straftaten gebrauchten oder bestimmten Gegenstände bedarf einer sinnvollen, am Zweck der Vorschrift orientierten Einschränkung. Einziehbar sind nicht solche Gegenstände, die lediglich im Zusammenhang mit der Tat stehen, sondern nur diejenigen, die darüber hinaus nach der Absicht des Täters als "eigentliches Mittel" zur Verwirklichung eines Straftatbestandes eingesetzt werden, deren Verwendung für die Begehung der Tat kausal geworden ist. Es muß sich um "Werkzeuge" handeln, die die Tat gefördert haben und fördern sollten (vgl. BGHSt 10, 28; OLG Düsseldorf, NJW 92,3050 und NJW 93,1485; OLG Frankfurt NStZ-RR 00,45; Schönke/Schröder-Eser, a.a.O., § 74 Rn 9a f; Tröndle/Fischer, a.a.O. § 74 Rn 6).

An einem solchen Bezug wird es bei der Veranstaltung von Glücksspielen zu dem Grundstück, auf dem sie stattgefunden haben, in aller Regel fehlen. Die bloße Tatsache, dass der illegale Spielbetrieb auf dem Grundstück der Angeklagten stattgefunden hat, macht das Grundstück nicht zum "Tatwerkzeug" im Sinne des § 74 Abs. 1 StGB. Soweit ersichtlich ist auch bei anderen auf einem Grundstück verübten Straftaten - etwa gewerbsmäßige Hehlerei, unerlaubter Handel mit bzw. Anbau von Betäubungsmitteln o.ä. - bisher nicht die Ansicht vertreten worden, das Grundstück unterliege als Tatmittel der Einziehung nach § 74 StGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf Anwendung von § 467 StPO