OLG Köln, Urteil vom 20.01.2006 - 19 U 124/05
Fundstelle
openJur 2011, 38590
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 02.06.2005 verkündete Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Köln (22 0 129/05) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger war aufgrund des Vertretungsvertrages vom 30.11./07.12.1973 für die Rechtsvorgänger der Beklagten als Versicherungsvertreter tätig. Das Vertragsverhältnis ist, nachdem im Jahre 2000 erhebliche Unstimmigkeiten entstanden waren, von den Parteien durch Vereinbarung vom 19.12./27.12.2000 einvernehmlich zum 31.12.2000 beendet worden. Die Vereinbarung, von der Alters- und Hinterbliebenenversorgungsansprüche des Klägers unberührt bleiben sollten, enthält folgende Abfindungsregelung zugunsten des Klägers:

"Herr T erhält von den E Versicherungen zahlbar bis

2. Januar 2001 eine einmalige Zahlung in Höhe von

DM 100.000,00

(in Worten: einhunderttausend)

Mit der Zahlung dieses Betrages sind alle Ansprüche aus dem Rechtsver-

hältnis und dessen Beendigung erledigt."

Der Kläger hat den vereinbarten Betrag im Januar 2001 erhalten. Mit der am 30.12.2004 eingegangenen Klage macht er gleichwohl im Wege der Stufenklage Ansprüche auf Erteilung eines Buchauszuges, auf Abrechnung sowie auf Zahlung weiterer Provisionen sowie eines überschießenden Ausgleichsanspruchs geltend.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Abfindungsvereinbarung sei unwirksam und stelle im Übrigen keine vollständige Regelung zur Abgeltung seiner Ansprüche dar. Die Beklagte hat sich dagegen auf die Geltung der Vereinbarung berufen, die Einrede der Verjährung erhoben und außerdem gemeint, der Kläger habe die nunmehr erhobenen Ansprüche verwirkt. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 154, 155 ff.GA).

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 02.06.2005, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger aufgrund der wirksamen Abfindungsvereinbarung mit der Geltendmachung weiterer Provisions- und Ausgleichsansprüche ausgeschlossen sei. Er handele im Übrigen rechtsmissbräuchlich, wenn er sich trotz Entgegennahme der Zahlung auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung berufe. Schließlich seien die Ansprüche des Klägers auch verwirkt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Schlussanträge weiterverfolgt. Mit dem Rechtsmittel rügt er die Verletzung materiellen und prozessualen Rechts durch das Landgericht. Die Kammer sei rechtsirrig davon ausgegangen, dass die Vereinbarung vom 19.12./27.12.2000 wirksam sei. Dem stehe die den Handelsvertreter schützende Vorschrift des § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB entgegen. Der Kläger behauptet dazu, er habe die Vereinbarung der Beklagten nach deren Unterzeichnung noch im Jahre 2000 zurückgesandt. Dabei sei er davon ausgegangen, dass von dem Aufhebungsvertrag nicht die nunmehr geltend gemachten Provisionsansprüche umfasst gewesen seien. Auch sei durch die Entgegennahme der 100.000 DM kein stillschweigend geschlossener Aufhebungsvertrag zustande gekommen. Der Kläger weist ferner den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zurück, denn es sei "allen Beteiligten klar" gewesen, dass mit der unwirksamen Aufhebungsvereinbarung nicht alle Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis ausgeglichen sein würden. Von einer Verwirkung seiner Ansprüche könne ebenfalls keine Rede sein.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 02.06.2005 - AZ 22 O 129/05 - aufzuheben und entsprechend den Schlussanträgen des Klägers in der ersten Instanz zu entscheiden.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil und weisen insbesondere darauf hin, dass das vom Kläger unterzeichnete Exemplar der Aufhebungsvereinbarung erst am 03.01.2001 bei der Gebietsdirektion der Beklagten zu 1) in L eingegangen sei. Von dort sei es dann zur weiteren Bearbeitung an die Zentrale in X weitergeleitet worden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Kläger hat mit nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 09.01.2006 beantragt, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Er behauptet darin, die Beklagte habe den Zugang der Vereinbarung vom 19./27.12.2000 am 28.12.2000 auf dem Original des Schriftstückes (als Anlage zum Schriftsatz beigefügt) bestätigt.

II.

A)

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat weitere Verpflichtungen der Beklagten aus dem Vertragsverhältnis mit dem Kläger zu Recht verneint. Die Parteien haben den Ausgleichsanspruch des Klägers sowie alle weiteren eventuellen Provisionsansprüche, welche sich aus dem Vertragsverhältnis noch ergeben könnten, durch Vereinbarung vom 19./27.12.2002 und die aufgrund dessen erfolgte Zahlung wirksam ausgeschlossen. Damit entfallen auch die akzessorischen Ansprüche auf Erteilung eines Buchauszuges sowie auf Abrechnung nicht ausgezahlter Provisionen. Der Senat kann aufgrund der von der Kammer zugrundegelegten Tatsachen entscheiden; einer erneuten Tatsachenfeststellung unter den Voraussetzungen des § 529 Abs. 1 ZPO bedarf es nicht.

1.

Die Abfindungsvereinbarung ist wirksam.

Ein Verstoß gegen die Schutzvorschrift des § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB liegt entgegen der Auffassung des Klägers nicht vor. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. BGHZ 55, 124, 126), dass die Vorschrift nicht nur Abreden verbietet, durch die der Ausgleichsanspruch ganz ausgeschlossen wird, sondern auch solche, durch die er im Ergebnis nur mehr oder weniger eingeschränkt wird. Andererseits sind aber von § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB abweichende Vereinbarungen nicht zu beanstanden, wenn sie nach Beendigung des Vertragsverhältnisses oder gleichzeitig mit dessen einvernehmlicher Aufhebung getroffen werden (BGH NJW 1996, 2867, 2868). Unwirksam sind solche ausgleichsabträglichen Abreden nur dann, wenn die gleichzeitig vereinbarte Auflösung des Handelsvertretervertrages erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam werden soll (BGHZ 53, 89, 91). Dies folgt aus dem Schutzzweck des § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB, der den Handelsvertreter vor der Gefahr bewahren will, sich aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von dem Unternehmer auf ihn benachteiligende Abreden einzulassen (BGH NJW 1996, 2868). Aus Gründen der Rechtssicherheit greift die Vorschrift auch dann, wenn die Vereinbarung nur wenige Tage vor Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffen wird. Eine Abgrenzung für die Anwendung des Ausschlusstatbestandes je nachdem, ob Vereinbarungen Monate oder nur nach Wochen oder gar nur wenige Tage vor dem Ablauf des Vertragsverhältnisses getroffen werden, ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs willkürlich (BGHZ 55, 124, 126).

Die Aufhebungs- und Abfindungsvereinbarung der Parteien hält diesen Anforderungen stand. Sie ist nicht vor der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zum 31.12.2000 geschlossen worden. Jedenfalls hätte das Geschäft durch die beanstandungslose Entgegennahme des geschuldeten Geldbetrages im Januar 2001 Wirksamkeit erlangt.

a)

Der Vertrag ist gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB erst mit dem Zugang der Annahmeerklärung des Klägers bei der Beklagten und damit nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zustande gekommen. Eine Fallgestaltung des § 151 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach der Vertrag auch ohne den Zugang der Annahmeerklärung wirksam geworden wäre, liegt nicht vor. Nach dem Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, dass die vom Kläger unter dem 27.12.2000 unterzeichnete vertragliche Erklärung bei der Gebietsdirektion L der Beklagten zu 1) am 03.01.2001 eingegangen ist. Für einen früheren Zugang seiner Annahmeerklärung bei der Beklagten hat der Kläger, der nach seinem Vortrag den Vertrag auf dem Postweg übersandt haben will, keinen Beweis angetreten. Gegen einen Eingang noch im Jahre 2000 spricht vielmehr die von den Beklagten zu den Akten gereichte Kopie der Vertragsurkunde, auf der sich der handschriftliche Vermerk der zuständigen Sachbearbeiterin befindet "am 3.1.01 an Frau N (Anmerkung des Senats: tätig in der Zentrale in X tätig) gesandt - vorab gefaxt - N nimmt Auszahlung vor".

Soweit der Kläger mit seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 09.01.2006 nunmehr eine Vertragsurkunde vorlegt, auf der sich nach seiner Behauptung eine bereits auf den 28.12.2000 datierte Eingangsbestätigung der Gebietsdirektion L befindet, ist dieser neue Vortrag nicht zu berücksichtigen; er gibt unter den Voraussetzungen des § 156 ZPO auch keine Veranlassung zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Der Kläger bleibt jede Erklärung dazu schuldig, wie es zu der Eingangsbestätigung gekommen sein und wer diese für die Beklagte unterzeichnet haben soll. Nach seinem schriftsätzlichen Vortrag will er das von ihm unterzeichnete Vertragsexemplar per Post an die Beklagte zu 1) übersandt haben, für die es nach dem normalen Geschäftsablauf auch zum Verbleib bestimmt war. Es ist daher nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund und auf welchem Wege der Kläger nunmehr an die von ihm vorgelegte Vertragsurkunde gelangt sein will. Es ist darüber hinaus nicht ersichtlich, welchen Anlass die Beklagte zu 1) gehabt haben sollte, dem Kläger den Eingang der Urkunde in der von ihm behaupteten Weise zu quittieren.

b)

Letztlich kann die streitige Frage des Eingangs der Vertragsurkunde bei der Beklagten dahinstehen. Selbst wenn man annähme, dass die schriftliche Vereinbarung zunächst wegen eines Verstoßes gegen § 89 b Abs. 4 HGB als unwirksam anzusehen wäre, hätte sie spätestens durch deren uneingeschränkten und beanstandungslosen Vollzug Wirksamkeit erlangt, worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung ebenfalls hingewiesen hat. Die Überweisung des vereinbarten Ausgleichsbetrages von 100.000 DM Anfang Januar 2001 durch die Beklagte zu 1) beinhaltete für den Fall der Unwirksamkeit der Vereinbarung zugleich ein (neues) stillschweigendes Angebot auf Abschluss/Vollzug der Abfindungsregelung. Dieses Angebot hat der Kläger durch die beanstandungslose Entgegennahme des Geldes konkludent angenommen. Insoweit greift nach den Umständen auch § 151 Abs. 1 BGB.

2.

Durch die Vereinbarung vom 19./27.12.2000 sind sämtliche Ansprüche des Klägers abschließend geregelt worden. Dies folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des Aufhebungsvertrages, der alle Ansprüche während und anlässlich der Beendigung des Vertrages - mit Ausnahme der hier nicht in Rede stehenden Altersversorgungsbezüge - umfasste. Der Kläger kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, dass nach seinem Verständnis von der Regelung nicht alle Ansprüche umfasst gewesen sein sollen. Dem Abschluss des Vertrages waren ausführliche Gespräche zwischen den Parteien vorausgegangen, bei denen der Kläger fachkundig beraten worden war. Dabei waren Gegenstand der Verhandlungen auch die vom Kläger nunmehr erneut beanspruchten Provisionen aus den nicht durchgeführten "B-Verträgen". Die Beklagte zu 1) hatte mit Schreiben vom 17.10.2000 und 03.11.2000 insoweit unmissverständlich klar gestellt, dass die Geschäfte mit der Firma "B" nicht reaktiviert werden sollten. Dem Schreiben des Klägers vom 20.12.2000 kann nichts Gegenteiliges entnommen werden. Ihm standen zu diesem Zeitpunkt sämtliche Berechnungsgrundlagen zur Verfügung. Der Kläger hat letztlich zwar nur 100.000 DM als Abfindung erhalten, obgleich sein Ausgleichsanspruch mit ca. 174.000 DM angesetzt worden war. Er lässt aber außer Acht, dass aus der Stornierung der genannten "B-Geschäfte" sein Provisionskonto im Dezember 2000 ein Debetsaldo von ca. 110.000 DM aufwies, dessen Ausgleich die Beklagte verlangt hatte. Mit der von den Parteien getroffenen Ausgleichsvereinbarung ist diese Angelegenheit zugunsten des Klägers miterledigt werden.

Auch sein späteres Verhalten lässt bei objektiver Betrachtung nur den Schluss zu, dass er selber von der Wirksamkeit und Richtigkeit der Vereinbarung ausgegangen ist. So hatten seine Schreiben vom 10.04.2001 und 12.08.2001 nicht etwa vermeintliche Unrichtigkeiten und Ungerechtigkeiten bezüglich des Ausgleichsbetrages zum Gegenstand. Der Kläger hat in diesen Schreiben an den seinerzeitigen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu 1) nur um eine vorzeitige Auszahlung der vereinbarten Altersversorgungsbezüge gedrängt. Eine Erklärung, die als Anfechtung der Aufhebungsvereinbarung gedeutet werden könnte, ist zu keinem Zeitpunkt abgegeben worden.

B)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

C)

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

E)

Streitwert des Berufungsverfahrens und zugleich Beschwer des Klägers: bis 65.000 EUR.

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