VG Arnsberg, Urteil vom 08.07.2005 - 13 K 1519/04
Fundstelle
openJur 2011, 37896
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die am 2. Mai 1949 geborene Klägerin steht als Lehrerin (Besoldungsgruppe A 12 BBesO) an der Gesamtschule G. in F. in Diensten des beklagten Landes. Sie leidet an einer Polyarthrose im Bereich der linken Hand, insbesondere des Daumengrund- und Daumenendgelenks.

Auf ihre Anfrage, ob sie zu Aufwendungen anlässlich der von ihrem behandelnden Arzt Dr. T. , Facharzt für Allgemein- und Sportmedizin, zur Behandlung empfohlenen Pulsierenden Signaltherapie (PST) Beihilfe erhalten könne, führte das Schulamt für den F2. unter dem 18. Juni 2002 aus, dass diese Behandlungsmethode nicht wissenschaftlich anerkannt sei. Im Juli 2002 unterzog sich die Klägerin bei Dr. T. der PST, die dieser unter dem 31. Juli 2002 in Höhe von 663,57 EUR abrechnete.

Mit Antrag vom 3. August 2002 beantragte die Klägerin zu diesen Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe, welche das Schulamt für den F1. mit Bescheid vom 22. August 2002 ablehnte.

Der im weiteren Verlauf des Verfahrens vom Schulamt befragte Amtsarzt Dr. S. vom Gesundheitsamt des F1. führte unter dem 15. Dezember 2003 aus: Das beantragte Therapieverfahren stelle eine Form der Magnetfeldtherapie dar und sei bei der bestehenden Erkrankung wissenschaftlich noch nicht anerkannt. In den letzten Jahren seien Arbeiten veröffentlicht worden, die mit einiger Wahrscheinlichkeit erwarten ließen, dass durch die PST unter bestimmten Bedingungen eine längerfristige Besserung auch für Patienten mit einer Arthrose erreicht werden könne. Leider könnten die in den erwähnten Arbeiten beschriebenen positiven Behandlungsergebnisse keine Grundlage für eine Einzelfallentscheidung sein. Es existierten weiterhin keine zuverlässigen Kriterien, die eine Beurteilung ermöglichten, ob nur bestimmte oder alle Patienten profitieren könnten. Es sei aber zu erwarten, dass nur bestimmte Gruppen dauerhaft profitieren, während bei anderen Patienten allenfalls für eine kurze Zeit verminderte Beschwerden zu erzielen seien, das eigentliche Krankheitsgeschehen aber nicht beeinflusst werde. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Arthrosen eine sehr große Diagnosegruppe darstellten, sei eine Abwägung hinsichtlich der Angemessenheit der durch die Magnetfeldtherapie ausgelösten Kosten unumgänglich. Solange keine einheitlichen und wissenschaftlich anerkannten Kriterien vorhanden seien, nach denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu entscheiden sei, dass bei einem bestimmten Patienten ein als dauerhaft anzusehender Heilerfolg erzielbar sein werde, könne weiterhin keine positive Entscheidung getroffen werden.

Auf Grund eines in dem Verfahren 13 K 4377/02 geschlossenen Vergleiches erhob die Klägerin gegen diesen Bescheid unter dem 15. März 2004 Widerspruch und führte zur Begründung aus: Die Behandlung mit der PST sei erfolgt, weil eine stationäre Heilbehandlung in einer Rehabilitationseinrichtung und eine operative Maßnahme keine Aussicht auf Erfolg versprächen. Die PST werde seit über zwölf Jahren bei Heilungsstörungen von Frakturen, fehlgeschlagenen Arthrosen, avaskulären Nekrosen der Hüften bei Erwachsenen angewandt und zeige auch bei Patienten mit chronisch degenerativen Erkrankungen aller Gelenke sowie der Wirbelsäule ebenso wie bei akuten und chronischen Erkrankungen bindegewebiger Strukturen - z.B. chronische Achillodynien, chronische Ansatztendinosen, chronischen Kapselreizungen - eine deutliche Verbesserung der Funktionen und eine wesentliche Schmerzlinderung. Seit sechs Jahren sei die PST in der Bundesrepublik erfolgreich etabliert. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes gebe es Wirksamkeitsnachweise, die streng wissenschaftlichen Kriterien genügten. Die Bundesärztekammer habe sich in einer Stellungnahme vom 5. Januar 1998 gegenüber der Landesärztekammer dafür ausgesprochen, die PST gemäß der Gebührenziffer 838 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) analog abzurechnen, weil es wichtiger sei, bei der Verordnung von Heilmethoden den therapeutischen Nutzen in Betracht zu ziehen als die anfallenden Kosten. Außerdem erscheine im Hinblick auf den Krankheitszustand der Klägerin die Behandlung mit wissenschaftlich anerkannten Methoden unzumutbar. Das Auswärtige Amt in Bonn gehe davon aus, dass es sich bei der PST um eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode handele. Im Übrigen beinhalte die Therapieentscheidung des behandelnden Arztes bei einem Scheitern üblicher Behandlungsmethoden auch solche Maßnahmen, die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft in ihrer Wirksamkeit als durchaus gesichert betrachtet werden müssten, aber nicht dem üblichen Behandlungsrahmen entsprächen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 2004 wies die Bezirksregierung B. den Widerspruch der Klägerin zurück und nahm zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen des Amtsarztes vom 15. Dezember 2003 Bezug.

Mit ihrer Klage führt die Klägerin ergänzend aus: Die PST werde von den Privatversicherungen akzeptiert. In ihrem Fall seien konservative Behandlungsmaßnahmen ohne Erfolg angewandt worden. Die Behandlung mit Medikamenten könne erhebliche bis hin zu tödlichen Nebenwirkungen nach sich ziehen.

Die Klägerin beantragt,

das beklagte Land unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Schulamtes für den F1. vom 22. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung B. vom 5. April 2004 zu verpflichten, ihr eine weitere Beihilfe in Höhe von 464,50 EUR zu gewähren.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt es Bezug auf den Inhalt der streitbefangenen Bescheide.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 14. Juni 2004 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Chefarztes der Operativen Orthopädischen Abteilung II des Krankenhauses für Sportverletzte I1. Dr. Reinhard X. Beweis zu der Frage erhoben, ob die PST, die bei der Klägerin durchgeführt worden ist, eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 der Beihilfenverordnung (BVO) darstellt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen vom 1. September 2004 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Streitakte 13 L. 4377/02 sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des beklagten Landes verwiesen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 2. Alternative VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet. Der ablehnende Bescheid des Schulamtes für den F1. vom 22. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung B. vom 5. April 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Diese bezieht keinen Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe für Aufwendungen, die der behandelnde Arzt Dr. T. in seiner Rechnung vom 31. Juli 2002 mit der Gebührenziffer 838 analog der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in Höhe von insgesamt 663,57 EUR abgerechnet hat.

Als Grundlage des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs kommt in erster Linie § 88 Sätze 1 und 2, 1. Halbsatz des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbeamtengesetz - LBG -) i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfenverordnung - BVO -) in der im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen (vgl. § 3 Abs. 5 Satz 2 BVO) maßgeblichen Fassung, die sie durch das Gesetz vom 25. September 2001 (GV NRW S. 708) gefunden hat, in Betracht. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind beihilfefähig die notwendigen Aufwendungen im angemessenen Umfange unter anderem in Krankheitsfällen zur Wiedererlangung der Gesundheit sowie zur Besserung oder Linderung von Leiden. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BVO umfassen die beihilfefähigen Aufwendungen die Kosten für u.a. Untersuchung, Beratung und Verrichtung sowie Begutachtung bei Durchführung dieser Vorschriften u.a. durch einen Arzt. Nach Satz 2 der Vorschrift sind Aufwendungen für eine wissenschaftlich nicht anerkannte Heilbehandlung von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Die Voraussetzungen dieses Ausschlusstatbestandes liegen vor, weil die Pulsierende Signal-Therapie (PST) - allein um Aufwendungen für diese Behandlungsmethode geht es im vorliegenden Fall - bei Arthroseerkrankungen eine wissenschaftlich nicht anerkannte Heilbehandlung darstellt.

Eine Behandlungsmethode ist wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen wird. Um in diesem Sinne anerkannt zu sein, muss einer Heilbehandlung von dritter Seite - also von anderen als dem Urheber - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein, um wirksam eingesetzt werden zu können. Um wissenschaftlich anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Somit ist eine Behandlungsmethode dann „wissenschaftlich nicht anerkannt", wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt. Die Frage der wissenschaftlichen Anerkennung richtet sich dabei nicht unbedingt nach dem Meinungsstand derjenigen (z.B. hömopathischen oder schulmedizinischen) Therapierichtung, der die fragliche Behandlungsmethode zugerechnet werden kann.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 1998 - 2 C 24.97 -, ZBR 1999, 25, und vom 29. Juni 1995 - 2 C 15.94 -, ZBR 1996, 48; siehe auch: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 25. Mai 1994 - 6 A 1153/94 -, NRWVBl. 1995, 186 ff.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die wissenschaftliche Anerkennung der PST im Hinblick auf die Behandlung von Arthroseerkrankungen im maßgebenden Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen (Mitte 2002) zu verneinen. Diese Einschätzung gewinnt die Kammer in erster Linie aus den überzeugenden Ausführungen des von ihr beauftragten Gutachters Dr. X. .

Die erforderliche Sachkunde besitzt der Gutachter als Chefarzt einer operativ tätigen orthopädischen Abteilung eines renommierten Krankenhauses für Sportverletzte. Dem Gericht ist er seit Jahren als kompetenter und unabhängiger Gutachter bekannt. Er gehört zudem der fachärztlichen Richtung an, welche die streitgegenständliche Behandlung durchführt (Orthopädie). Auch inhaltlich überzeugt das Gutachten. Dr. X. hat im Wesentlichen ausgeführt: Die von Dr. R. N. entwickelte Methode bewirke - ohne dass dies bis in die Einzelheiten wissenschaftlich geklärt sei - eine Vermehrung der Zahl und Verbesserung der Syntheseleistung der Knorpelzellen. Sie unterscheide sich aber von anderen Magnetfeldtherapien in Wirkprinzip und Effekt deutlich. Die PST sei bei degenerativen Erkrankungen - wie im Fall der Klägerin - wissenschaftlich nicht anerkannt. Diese Einschätzung beruhe auf einer umfangreichen Recherche in verschiedenen medizinischen Datenbanken (Medline, DARE, DIMDI), Veröffentlichungen von Fachgesellschaften, Auswertung von Referenzlisten, einer freien Internetrecherche sowie Datenmaterial der Firma S Medizin. Es seien letztlich vier randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien zur Wirkung von gepulsten elektromagnetischen Feldern gefunden worden, von denen lediglich eine einzige völlig unabhängig, mit adäquaten Scores (Bewertungsgraden), prospektiv mit Kontrollgruppen und adäquater Nachuntersuchung durchgeführt worden sei und die eine Wirksamkeit zu belegen scheine. Wegen des geringen Stichprobenumfangs könne aber aus der letztgenannten Studie keine allgemeingültige Aussage abgeleitet werden. Die Autoren forderten selbst weitergehende multizentrische (an mehreren, möglichst weit entfernten Orten) Studien. Es lägen insgesamt nur wenige Studien bezüglich der Behandlung degenerativer Erkrankungen mit PST vor. Die vorliegenden Studien genügten jedenfalls nicht den Anforderungen einer evidenz- basierenden Medizin. Eine positive Wirkung hinsichtlich der Schmerzsymptomatik oder der Reparation von Knochen- oder Knorpelgewebe könne nicht belegt werden.

Das Gericht ist von diesen Darlegungen des Sachverständigen überzeugt. Zutreffend hat dieser seine Untersuchung auf randomisiertkontrollierte, prospektive Doppelblindstudien beschränkt. Das gewährleistet, dass die Anforderungen an die Wissenschaftlichkeit einer solchen Untersuchung gewahrt sind. Randomisiert- kontrolliert bedeutet, dass die in Frage kommenden Patienten oder Probanden nach dem Zufallsprinzip in zwei oder mehrere Gruppen aufgeteilt werden. Die eine Gruppe wird mit der zu untersuchenden Methode behandelt, die andere mit einem Placebo. Die Randomisierung bewirkt, dass die Gruppen so identisch wie möglich sind und zu Beginn der Studie nicht bekannte Unterschiede möglichst gleich verteilt sind. Doppelblind sind diese Studien dann, wenn weder der Patient noch der Forscher wissen, wer welche Therapie erhält. Hiermit wird verhindert, dass die Beurteilung des Behandlungsergebnisses von den Erwartungen der Patienten oder der Studienärzte beeinflusst wird (Quelle: www.evimed.ch). Prospektiv ist die Studie, wenn vor Beginn der Studie festgelegt wird, welche Hypothese der medizinischen Wirksamkeit einer Behandlungsmethode geprüft wird. Ihr wissenschaftlicher Sinn liegt darin, nur scheinbare, tatsächlich nicht gegebene Wirkungszusammenhänge zwischen zwei Parametern weitest gehend auszuschließen (Quelle: http://de.wikipedia.org).

Das Ergebnis des gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens wird durch die im Verwaltungsverfahren eingeholte (allerdings pauschal gehaltene) Stellungnahme des Dr. S. vom 15. Dezember 2003 bestätigt. Auch er führt aus, dass die veröffentlichten Arbeiten zur Wirksamkeit der PST „entscheidende Fragen" unbeantwortet ließen, was im Kern das Resultat des vom Gericht beauftragten Sachverständigen wiederspiegelt.

Die auch vor diesem Hintergrund überzeugenden Feststellungen des vom Gericht beauftragten Sachverständigen Dr. X. werden nicht durch die Ausführungen des vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in dem Verfahren 3 L. 4302/99 bestellten Gutachters Prof. Dr. G1. , Chefarzt der Abteilung für Allgemein-, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie im Wenckebach-Klinikum Berlin, in dessen sachverständiger Stellungnahme vom 19. November 2001, das zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist, in Frage gestellt. Dieses Gutachten beschreibt über weite Strecken lediglich die Wirkungsweise der PST und lässt nicht ansatzweise eine so sorgfältige und ausführliche Sichtung und Auswertung des verfügbaren Datenmaterials erkennen, wie sie die Grundlage des Gutachtens Dr. X1. bildet. Zum Teil zitiert Prof. G1. dieselben Studien wie der gerichtlich bestellte Sachverständige, ohne - wie dieser ab Seite 19 des Gutachtens unter dem Stichpunkt „Diskussion" - auf deren Qualität oder Brauchbarkeit im Sinne der dargestellten obergerichtlichen Maßstäbe einzugehen. Insbesondere die Frage, ob es sich um in diesem Sinne unabhängige Studien handelt, beantwortet Prof. Dr. G1. nicht. Vielmehr erschöpfen sich seine diesbezüglichen Darlegungen in dem allgemeinen Hinweis, dass die PST „auf klinischen und experimentellen Untersuchungen" beruhe und in „weiten Kreisen" wissenschaftliche Anerkennung gefunden habe. Soweit Prof. Dr. G1. die Auffassung vertritt, die Wissenschaftlichkeit der Methode sei nachgewiesen, weil er die Erwartung hege, dass zukünftige Studien einen Effekt zeigen würden, verkennt er damit den Begriff der wissenschaftlichen Anerkennung einer Behandlungsmethode. Eine danach erforderliche Einschätzung der Wirksamkeit und Geeignetheit der Behandlungsmethode durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler wird hierdurch gerade nicht belegt. Vielmehr wird auf weiteren Forschungsbedarf hingewiesen.

Ob diese Ausführungen Prof. Dr. G2. darauf hindeuten könnten, die PST möglicherweise als wissenschaftlich noch nicht anerkannte Heilbehandlung anzusehen, bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung. Die Klägerin könnte auch in diesem Fall die begehrte Beihilfe nicht beanspruchen. Hierfür wäre nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 BVO ein entsprechendes Gutachten eines Amts- oder Vertrauensarztes und eine darauf beruhende Erklärung der obersten Dienstbehörde hinsichtlich der Beihilfefähigkeit erforderlich. Beides liegt hier nicht vor. Auch eine die Anwendung des Satzes 3 verhindernde Bestimmung des Finanzministeriums gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 BVO dahingehend, dass unter bestimmten Voraussetzungen zur PST Beihilfen gewährt werden können, ist nicht getroffen.

Der Verweis der Klägerin auf (im herkömmlichen Sinne) wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethoden mit der Folge, dass sie die Kosten derartiger Behandlungen selbst tragen muss, verletzt nicht die Fürsorgepflicht. Der betreffende Beamte kann insbesondere nicht verlangen, dass die Frage der wissenschaftlichen Anerkennung ebenso beurteilt wird wie in der (privaten) Versicherungswirtschaft. Denn die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegende Wertung von Interessen zwischen beiden Parteien lässt sich nicht auf die Beihilfe übertragen. Der Beamte, der sich auf die Empfehlung seines Arztes für eine umstrittene Behandlungsmethode entscheidet, trägt grundsätzlich das Risiko, dass sich deren wissenschaftliche Anerkennung nicht erweisen lässt.

Vgl. zum Vorstehenden mit näherer Begründung: BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1995, a.a.O., S. 49; OVG NRW, Urteil vom 25. Mai 1994, a.a.O., S. 187.

Die nicht zuerkannte Beihilfe kann der Klägerin auch nicht unter Rückgriff auf die allgemeine Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. § 48 BRRG) gewährt werden. Die Beihilfebestimmungen sind die nach Auffassung des Dienstherrn angemessene Festlegung und Konkretisierung seiner Fürsorgepflicht. Daher können lediglich in Ausnahmefällen auch Aufwendungen, die nicht in den Beihilfebestimmungen aufgeführt sind, beihilfefähig sein. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn der Dienstherr durch die Ablehnung der beantragten Beihilfe die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt. Letzteres setzt eine einschneidende Beeinträchtigung der Lebensführung des Beamten für den Fall voraus, dass die Beihilfe nicht gewährt wird. Bis zu dieser äußersten Grenze hat der Dienstherr einen weiten Ermessensspielraum bei der Ausgestaltung der Beihilfeleistungen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. August 1995 - 2 C 7.94 -, ZBR 1996, 46,48, und vom 18. Juni 1980 - 6 C 19.79 -, BVerwGE 60, 212, 220; OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 2002 - 6 A 3458/99 -.

Für das Überschreiten dieser Grenze bestehen im vorliegenden Fall angesichts der Höhe der Aufwendungen von 663,57 EUR und die darauf entfallende mögliche Beihilfe 464,50 EUR keine Anhaltspunkte. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Lebensführung der Klägerin durch die Nichtgewährung der beantragten Beihilfe nachhaltig beeinträchtigt worden ist oder werden wird. Im Übrigen müssen in gewissem Umfang Härten, die bei generalisierenden Regelungen nie auszuschließen sind, hingenommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.