LAG Hamm, Beschluss vom 21.10.2005 - 10 TaBV 111/05
Fundstelle
openJur 2011, 37340
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 3 BV 237/04
  • nachfolgend: Az. 7 ABN 6/06 Beschwerde zurückgewiesen 26.04.2006

Paralellsache zu 10 TaBv 82/05

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin und des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 03.05.2005 - 3 BV 237/04 - wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über die Kosten für die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung.

Der Arbeitgeber betreibt in W3xxxxxx zahlreiche Seniorenheime, in denen Betriebsräte gebildet sind.

Die Antragstellerin, geboren am 21.13.14xx, verheiratet, drei erwachsene Kinder, ist seit dem 01.01.1994 in dem vom Arbeitgeber betriebenen Seniorenzentrum L3xxx-B4xxxxxxx als Altenpflegehelferin zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt ca. 2.300,00 € tätig. Seit etwa 1998 ist sie Mitglied des im Seniorenzentrum L3xxx-B4xxxxxxx gebildeten

siebenköpfigen Betriebsrats, des Beteiligten zu 3., und nimmt seit 2002 das Amt der Betriebsratsvorsitzenden wahr.

Für die Arbeitsverhältnisse in den Betrieben und Einrichtungen des Arbeitgebers gelten seit Jahrzehnten der Bundesmanteltarifvertrag BMT-AW II mit Zusatztarifvertrag sowie Vergütungs- und Lohntarifverträge, Tarifverträge über die Gewährung von Zulagen, Tarifverträge über Urlaubsgeld und Tarifverträge über Tätigkeitsmerkmale GTC.

Der beim Arbeitgeber gebildete Gesamtbetriebsrat hat mit dem Arbeitgeber eine Gesamtbetriebsvereinbarung über die Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen (Bl. 62 ff.d.A.) sowie eine Gesamtbetriebsvereinbarung über die Einführung der ADV abgeschlossen.

In der Vergangenheit nahm die Antragstellerin, die Betriebsratsvorsitzende, an folgenden Schulungsveranstaltungen teil:

30.11.1998 bis 04.12.1998

Vertiefung des Betriebsverfassungsrechts

26.03.2000 bis 31.03.2000

Betriebsverfassungsgesetz - Aufbau: Betriebsverfassungsrecht in der Praxis

13.05.2002 bis 17.05.2002

Berufspolitisches Seminar Altenpflege

28.01.2003

Werkzeug zur Gestaltung der betrieblichen Weiterbildung

19.02.2003

Informationsrechte des Betriebsrates

10.03.2003 bis 14.03.2003

Der Betriebsratsvorsitz und seine Herausforderungen

14.05.2003

Befristete Arbeitsverträge

19.05.2003 bis 23.05.2003

Mobbing

26.05.2003 bis 28.05.2003

Einführung in den A6x-Tarifvertrag BMT AW II/Tarifarbeit,

wirtschaftliche Situation, Tendenzschutz

05.06.2003

Leistungsorientierte Bezahlung/Bewertung von Arbeit

18.06.2003

Mitbestimmung bei Teilzeitbeschäftigung

23.06.2003 bis 27.06.2003

Gewerkschaftsrechte in Betrieb und Verwaltung- Vertrauensleutearbeit in ver.di

13.07.2003 bis 18.07.2003

Sprechwirksamkeit

24.09.2003

Zusammenarbeit mit dem Staatl. Amt für Arbeitsschutz und Freiwillige

und erzwingbare Betriebsvereinbarungen

20.10.2003 bis 24.10.2003

Änderungen von arbeitsvertraglichen Verpflichtungen und

Aktuelles aus der Rechtsprechung

03.11.2003 bis 05.11.2003

Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst

23.02.2004 bis 27.02.2004

Seminar in W5xxxxxx

29.03.2004 bis 30.03.2004

Mit einem Bein im Gefängnis

05.04.2004 bis 09.04.2004

Planung, Gestaltung und Durchsetzung von Mitbestimmung -

Aktuelle Gesetzesänderungen und Aktuelle Rechtsprechung

12.05.2004

Das neue Kündigungsschutzgesetz

23.06.2004

Wer soll das bezahlen? Einführung in die Grundlagen der

Altenheimfinanzierung

20.07.2004

Rechte und Pflichten des Betriebsrats im Arbeitskampf

Die in den Einrichtungen des Arbeitgebers geltenden Tarifverträge waren zum 31.03.2004 bzw. zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt. Nach der Kündigung verhandelten die Tarifvertragsparteien im Jahre 2004 über einen Neuabschluss auf Bundes- und Landesebene. Dies war den einzelnen Betriebsräten, auch dem Beteiligten zu 3., bekannt.

Im Zusammenhang mit der Neueinstellung von Mitarbeitern ab dem 01.04.2004 kam es zwischen dem Betriebsrat, dem Beteiligten zu 3. und dem Arbeitgeber zu zahlreichen Beschlussverfahren nach § 99 BetrVG, nachdem der Betriebsrat die Zustimmung zur Neueinstellung jeweils mit dem Hinweis verweigert hatte, dass der Arbeitgeber für die neu eingestellten Mitarbeiter ein neues Vergütungssystem geschaffen habe.

Im Juli 2004 teilte der Betriebsrat dem Arbeitgeber mit, dass er am 28.07.2004 den Beschluss gefasst habe, die Antragstellerin zu einem von Herrn Rechtsanwalt B1xxxx, der regelmäßig in Beschlussverfahren auch den Beteiligten zu 3. vertritt, veranstalteten Seminar in N1xxxxx/W6xxxxxxx vom 18.10.2004 bis 22.10.2004 zu entsenden. Die zweiseitige

Seminarausschreibung des "BR-Treff R2xxxx B1xxxx" (Bl. 5 d.A.), gliederte sich in folgende Themengebiete:

"Mitbestimmung des Betriebsrates bei Regelungen

über Vergütung und bei übertariflichen Leistungen

Betriebe mit/ohne Tarifbindung

Tarifliche/außertarifliche Mitarbeiter

Vertrauensvolle Zusammenarbeit

wie verstehe ich als Betriebsrat meinen Arbeitgeber besser?

wie kann ich ihm helfen, wenn er mich nicht versteht?

Betriebsvereinbarungen zu den Themenbereichen

Datenschutz -- Bildschirmarbeit -- Urlaub

Aktuelles aus der Rechtsprechung"

Auf der Rückseite der Seminarausschreibung werden diese Themengebiete durch folgende Gliederungspunkte wie folgt erläutert:

. Betriebe mit / ohne Tarifvertrag / Tarifbindung

. Tarifliche Mitarbeiter und Mitbestimmung des Betriebsrates

. Außertarifliche Mitarbeiter und Mitbestimmung des Betriebsrates

. Leitende Angestellte und Mitbestimmung des Betriebsrates

. Zulagen, Leistungen über Tarif und Mitbestimmung des Betriebsrates

. Arten von Zulagen, Verrechenbarkeit von Zulagen und Mitbestimmung

des Betriebsrates

. Tarifbindung nach gekündigtem Tarifvertrag

. Tarifanwendung/-änderung bei Betriebs-/Unternehmensaufspaltung

und/oder -übergang

. Regelung von Vergütung und anderen Arbeitsbedingungen in

Betriebsvereinbarungen

Mitbestimmungsebene: Konzern (KBR) -- Unternehmen (GBR) -- Betrieb (BR)

Regelungssperre: Regelungen durch Tarifvertrag / Tarifüblichkeit

Bei Bedarf: Eckpunkte einer Betriebsvereinbarung mit Regelungen von

Arbeitsbedingungen

. Vertrauensvolle Zusammenhang zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber

Behebung von Kommunikationsstörungen, Umgang mit verschiedenen

Rechtspositionen

. Mitbestimmung des Betriebsrates bei Fragen des Datenschutzes

(Bei Bedarf: Erarbeitung eines Grobkonzeptes einer Betriebsvereinbarung)

. Mitbestimmung des Betriebsrates bei Fragen der Bildschirmarbeit

(Bei Bedarf: Erarbeitung eines Grobkonzeptes einer Betriebsvereinbarung)

. Mitbestimmung des Betriebsrates bei Fragen der Urlaubsplanung und -gewährung

(Bei Bedarf: Erarbeitung eines Grobkonzeptes einer Betriebsvereinbarung

. Teilnahme an einem Sitzungstag eines nahegelegenen Arbeitsgerichts,

Ludwigshafen oder Mannheim oder einer auswärtigen Kammer des LAG

Baden-Württemberg in Mannheim"

Die Seminarausschreibung richtete sich im Wesentlichen an die Betriebsräte der Arbeiterwohlfahrt. Neben der Antragstellerin sollte auch der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende B6xx am Seminar vom 18. bis 22.10.2004 teilnehmen. Ob an dem Seminar vom 18. bis 22.10.2004 auch Betriebsräte teilgenommen haben, die nicht Betriebsräte der A6x waren, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Auf die Mitteilung des Betriebsrats teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat im August 2004 mit, dass nicht ersichtlich sei, dass die Teilnahme der Antragstellerin und des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden an dem streitigen Seminar erforderlich sei. Der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats widersprach dem mit Schreiben vom 03.09.2004 (Bl. 25 d.A.). Da der Arbeitgeber bei seiner Auffassung verblieb, machte die Antragstellerin daraufhin im Wege der einstweiligen Verfügung einen Auslagenvorschuss in Höhe von 460,00 € für die Seminarteilnahme geltend - 1 BVGa 15/04 Arbeitsgericht Dortmund -. Dieses Verfahren wurde mit folgendem gerichtlichen Vergleich vom 13.10.2004 beendet:

" 1. Die Arbeitgeberin stellt die Antragstellerin für den Zeitraum der Seminarteilnahme in N1xxxxxx vom 18.10.2004 bis zum 22.10.2004 unter Vorbehalt von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung frei.

Die Arbeitgeberin zahlt an die Antragstellerin die Hotelkosten in Höhe von 460,00 €, leistet Entgeltfortzahlung für den o. g. Zeitraum der Seminarteilnahme und übernimmt die Reisekosten. Die Zahlung dieser Beträge erfolgt unter Vorbehalt.

Sollte rechtskräftig im Hauptsacheverfahren festgestellt werden, dass die Seminarteilnahme für das o. g. Seminar nicht erforderlich i.S.d. § 37 Abs. 6 BetrVG war, zahlt die Antragstellerin an die Arbeitgeberin die Hotelkosten in Höhe von 460,00 €, die Reisekosten in voller Höhe und die Hälfte des fortgezahlten

Entgeltes für den Zeitraum der Seminarteilnahme zurück.

2. Insofern sind sich die Parteien darüber einig, dass die Reisekosten und die Hotelkosten seitens der Arbeitgeberin an die Antragstellerin im Rahmen einer Vorschusszahlung erbracht werden".

Nach Zahlung des Vorschusses von 460,00 € durch den Arbeitgeber an die Antragstellerin aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 13.10.2004 nahm die Antragstellerin daraufhin in der Zeit vom 18. bis 22.10.2004 an dem streitigen Seminar in N1xxxxxx/W6xxxxxxxx teil.

Der Seminarablauf gliederte sich wie folgt:

"Montag, 18.10.2004, 15.00 Uhr:

A. Begrüßung/Einführung in den Seminarstoff/Organisatorisches

B. Aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

Dienstag, 19.10.2004, 9.00 Uhr - 12.30 Uhr und 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr:

B. Tarifvertrag und Arbeitsverhältnis

C. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Vergütungsfragen

D. Regelung von Vergütung und anderen Arbeitsbedingungen

in Betriebsvereinbarungen

Mittwoch, 20.10.2004, 9.00 Uhr bis 11.30 Uhr

E. Zulagen, Mitbestimmung des Betriebsrates

ab 13.00 Uhr

F. Teilnahme am Sitzungstag des Arbeitsgerichts Ludwigshafen,

2. Kammer, Gerichtstag in Neustadt

G. Nachbesprechung der einzelnen Fälle aus dem Gerichtstermin

Donnerstag, 21.10.2004, 9.00 Uhr bis 12.30 Uhr und 14.00 Uhr bis 17.30 Uhr

I. Vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen BR und Arbeitgeber

J. Mitbestimmung des Betriebsrates bei Fragen des Datenschutzes

K. Mitbestimmung des Betriebsrates bei Fragen der Bildschirmarbeit

L. Mitbestimmung des Betriebsrates bei Fragen der Urlaubsplanung

Freitag, 22.10.2004, 9.00 Uhr bis 12.30 Uhr

M. Aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

N. Betriebsbezogene Fallbesprechung(en)

O. Seminarabschlussbesprechung"

Mit Schreiben vom 22.10.2004 (Bl. 4 d.A.) übersandte der Seminarveranstalter der Antragstellerin eine Rechnung über Seminarkosten in Höhe von 1.120,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer, insgesamt 1.299,20 €.

Nachdem die Tarifverhandlungen zwischen der Gewerkschaft ver.di und der A6x inzwischen am 27.09.2004 zum Abschluss gekommen waren (Bl. 54 ff.d.A.), bestätigten beide Seiten am 06.10.2004 die am 27.09.2004 getroffene Vereinbarung (Bl. 60 f d.A.). Die endgültige Fassung des abgeschlossenen Übergangstarifvertrages stammt vom 23.12.2004.

Unter anderem unter Hinweis auf die inzwischen abgeschlossenen Tarifverhandlungen verweigerte der Arbeitgeber die Übernahme der ihm für das Seminar vom 18. bis 22.10.2004 in Rechnung gestellten Kosten.

Die Antragstellerin machte daraufhin mit dem am 09.12.2004 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren ihre Freistellung von einer Zahlungsverpflichtung in Höhe von 1.299,20 € gegenüber dem Seminarveranstalter R2xxxx B1xxxx geltend.

Der Arbeitgeber verlangt in einem weiteren Beschlussverfahren von der Antragstellerin die Rückzahlung des gezahlten Kostenvorschusses in Höhe von 460,00 € - 10 BV 244/04 Arbeitsgericht Dortmund -.

Die Antragstellerin sowie der beteiligte Betriebsrat haben die Auffassung vertreten, die Teilnahme der Antragstellerin am Seminar vom 18. bis 22.10.2004 sei insgesamt erforderlich gewesen. Seit dem 01.04.2004 habe in den Einrichtungen des Arbeitgebers ein tarifloser Zustand bestanden. Hieraus hätten sich für die Vergütung, insbesondere der neu eingestellten Mitarbeiter und deren Arbeitszeit offene Fragen ergeben, die den Erwerb besonderer

Rechtskenntnisse erforderlich gemacht hätten. Die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme ergebe sich insbesondere aus den vorgelegten Seminarunterlagen. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Betriebsrat habe es auch noch keinen neuen Tarifvertrag für die A6x gegeben.

Die Antragstellerin und der Betriebsrat haben beantragt,

dem Antragsgegner (Beteiligten zu 2 und Arbeitgeber) aufzugeben, die Antragstellerin (Beteiligte zu 1) von einer Zahlungsverpflichtung in Höhe von € 1.299,20 gegenüber dem Seminarveranstalter R2xxx B1xxxx, K3xxxxxxxx D3xxxxx 22, 54xxx H4xxxxxx, freizustellen, und zwar durch Zahlung des genannten Betrages (€ 1.299,20) an R2xxxx B1xxxx.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Teilnahme der Antragstellerin an dem streitigen Seminar sei nicht erforderlich gewesen. Der Antragstellerin und dem Betriebsrat sei schon vor Fassung des Entsendungsbeschlusses bekannt gewesen, dass beabsichtigt gewesen sei, nach Kündigung der A6x-Tarifverträge einen neuen Tarifvertrag abzuschließen und diesen Tarifvertrag auch auf die Arbeitsverhältnisse anzuwenden, die nach der Kündigung, aber vor Neuabschluss der Tarifverträge begründet worden seien. Die Tarifverhandlungen seien bereits am 27.09.2004 - also vor Seminarbeginn - zum Abschluss gekommen.

Das Seminar habe sich darüber hinaus - wie der Arbeitgeber behauptet hat - ausschließlich an Betriebsräte der A6x-Betriebe gerichtet und sei auch nur von diesen besucht worden. Da die Antragstellerin häufig an arbeitsgerichtlichen Terminen teilnehme, sei auch die Teilnahme an einem Sitzungstag des Arbeitsgerichts Ludwigshafen, Gerichtstag Neustadt, nicht erforderlich gewesen. Allein der Umstand, dass es zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und dem Betriebsrat komme, rechtfertige nicht den Besuch des streitigen Seminars. In keinem Fall sei es notwendig gewesen, gleich zwei Betriebsratsmitglieder zu dem Seminar zu entsenden.

Durch Beschluss vom 03.05.2005 hat das Arbeitsgericht den Antrag der Antragstellerin und des Betriebsrats abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Seminarteilnahme der Antragstellerin sei nicht erforderlich gewesen. Auch durch die Kündigung der Tarifverträge sei keine Situation vorhanden gewesen, die eine Spezialschulung notwendig gemacht hätte. Die Antragstellerin verfüge als langjähriges Betriebsratsmitglied über ausreichende Kenntnisse im Arbeitsvertragsrecht und im Betriebsverfassungsrecht. Ein überwiegender Schulungsbedarf könne nicht festgestellt werden.

Gegen den am 25.05.2005 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, haben die Antragstellerin und der Betriebsrat am 23.06.2005 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 25.08.2005 mit dem am 12.08.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Antragstellerin und der Betriebsrat halten die Teilnahme der Antragstellerin an dem streitigen Seminar nach wie vor für erforderlich. Die Erforderlichkeit ergebe sich bereits daraus, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Betriebsrat sämtliche A6x-Tarifverträge gekündigt worden seien. Seinerzeit habe ein tarifloser Zustand geherrscht. In der Vergangenheit habe der Arbeitgeber immer lediglich bestritten, dass die Seminarteilnahme wegen des Abschlusses der Tarifverhandlungen nicht mehr erforderlich gewesen sei. Zu keinem Zeitpunkt habe der Arbeitgeber die Auffassung vertreten, dass es an der Erforderlichkeit der Seminarteilnahme wegen entsprechender Vorkenntnisse der Antragstellerin fehle.

Die Antragstellerin sei allerdings nie darüber geschult worden, welche Probleme es im Zusammenhang mit Betrieben ohne Tarifverträge gebe. Sie habe keine Kenntnisse darüber gehabt, wie sich die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Zulagen im tariffreien Raum gestalte. Sie habe auch keine Kenntnisse über entsprechende Initiativrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG gehabt. Vorkenntnisse über die Anrechnung von Zulagen, über Tarifbindung nach Verbandsaustritt und über Regelungssperre etc. seien nicht vorhanden gewesen.

Betriebsräte hätten auch einen Anspruch darauf, regelmäßig Seminarveranstaltungen zu besuchen, auf denen über aktuelle Rechtsprechung der Arbeitsgerichte berichtet werde.

Auch der Themenbereich "Vertrauensvolle Zusammenarbeit" sei erforderlich gewesen, weil es Interesse des Betriebsrats sei, gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Der Betriebsrat wolle keine Möglichkeit auslassen, mit der Einrichtungsleitung in vernünftige Gespräche zu kommen und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu erreichen.

Auch der Besuch einer Sitzung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen, Gerichtstag Neustadt, sei erforderlich gewesen.

Auch die Schulung zu den Themenbereichen "Bildschirmarbeit", "Datenschutz" und "Urlaub" sei erforderlich gewesen. Hierzu sei die Antragstellerin in der Vergangenheit nicht geschult worden. Beispielsweise verhandele der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber über den geplanten Einsatz einer neuen Telefonanlage. Insoweit tauchten Fragen des Datenschutzes auf. Darüber hinaus werde in den Einrichtungen auch an Bildschirmen gearbeitet, häufig stünden auch Fragen im Zusammenhang mit Urlaub und Urlaubsgewährung an.

Die Antragstellerin und der Betriebsrat beantragen,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund - 3 BV 237/04 - abzuändern und dem Antragsgegner (Beteiligten zu 2 und Arbeitgeber) aufzugeben, die Antragstellerin (Beteiligte zu 1) von einer Zahlungsverpflichtung in Höhe von 1.299,20 € gegenüber dem Seminarveranstalter R2xxxx B1xxxx, K3xxxxxxxx D3xxxxx 22, 54xxx H4xxxxxx, freizustellen, und zwar durch Zahlung des genannten Betrages (1.299,20 €) an R2xxxx B1xxxx.

Der Arbeitgeber beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Arbeitgeber hält unter Hinweis auf den Ablauf des Seminars vom 18. bis 22.10.2004 die Teilnahme der Antragstellerin an dem streitigen Seminar nach wie vor nicht für erforderlich. Die tarifliche Situation bei der A6x sei der Antragstellerin hinlänglich bekannt gewesen. Dies ergebe sich bereits aus ihrer Teilnahme an mehreren Tagesseminaren. Der Antragstellerin sei auch bekannt gewesen, dass die Tarifvertragsparteien zum Zeitpunkt der Beschlussfassung und erst recht zum Zeitpunkt der Seminarteilnahme über den Neuabschluss von Tarifverträgen verhandeln würden und bereits am 27.09.2004 die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen hätten. Die Tatsache, dass der ausgehandelte Übergangstarifvertrag erst zu einem späteren Zeitpunkt unterzeichnet worden sei, sei unerheblich.

Auch darüber hinaus sei es nicht erforderlich gewesen, sich zu einem Wochenseminar anzumelden, um arbeitsrechtliche Fragen in einem Betrieb ohne Tarifbindung zu erörtern. Der Seminarverlauf hätte sich lediglich über vier Arbeitstage - Montagnachmittag bis Freitagmittag - erstreckt. Davon würden lediglich 1,5 Tage, also weniger als die Hälfte, auf Themen entfallen, die sich mit den ersten neun Gliederungspunkten der Seminarausschreibung befassen würden. Das Thema, das Gegenstand der Beschlussverfahren nach § 99 BetrVG gewesen sei, nämlich Eingruppierungsfragen ohne Tarifvertrag bzw. Vergütungssystem außerhalb eines Tarifvertrags, komme lediglich am 19.10.2004 unter C. einmal vor; dies sei der einzige konkrete Bezug zur Betriebsratsarbeit zwischen April 2004 und September 2004. Hinsichtlich der übrigen Gliederungspunkte und dem sonstigen Seminarverlauf könne überhaupt kein Bezug zur konkreten Betriebratsarbeit hergestellt werden. Außertarifliche Mitarbeiter gebe es in der Einrichtung in L3xxx-B4xxxxxxx nicht. Auch leitende Angestellte gebe es dort nicht. Zulagen würden lediglich nach Tarifvertrag gezahlt.

Ein Schulungsbedarf zu Betriebsvereinbarungen zu den Themenbereichen Datenschutz, Bildschirmarbeit und Urlaub habe nicht bestanden, weil es hierzu abgeschlossene Betriebsvereinbarungen gebe. Auch hinsichtlich des Themas "Vertrauensvolle Zusammenarbeit" habe es im Betrieb im L3xxx-B4xxxxxxx keinen konkreten Anlass gegeben, ein ganzes Wochenseminar zu besuchen.

Informationen über aktuelle BAG-Rechtsprechung seien sicherlich interessant, es fehle allerdings jeder konkrete Bezug zur Arbeit des Betriebsrats zum Zeitpunkt des Entsendungsbeschlusses.

Schließlich sei die Teilnahme der Antragstellerin an einer Sitzung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen, Gerichtstag Neustadt, überhaupt nicht erforderlich gewesen.

Die Beschwerdekammer hat die Akten 1 BVGa 15/04 Arbeitsgericht Dortmund sowie die Akten 1 BV 28/04 Arbeitsgericht Iserlohn = 10 TaBV 82/05 Landesarbeitsgericht Hamm informationshalber beigezogen. Auf den Inhalt dieser Akten wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen.

B.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin und des Betriebsrats ist nicht begründet.

I.

Der von der Antragstellerin und vom Betriebsrat gestellte Freistellungsantrag ist zulässig.

1. Die Antragstellerin verfolgt ihr Begehren zutreffend im Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig. Die Beteiligten streiten nämlich um einen auf die §§ 40 Abs. 1, 37 Abs. 6 BetrVG gestützten Anspruch auf Freistellung von Kosten, die durch die Schulung von Betriebsratsmitgliedern entstanden sind (BAG, Beschluss vom 15.01.1992 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 41).

2. Neben der Antragstellerin und dem Arbeitgeber ist vom Arbeitsgericht auch zu Recht der Betriebsrat beteiligt worden, § 10, 83 Abs. 3 ArbGG. Aus § 83 Abs. 3 ArbGG ergibt sich, dass sich die Beteiligungsbefugnis nach materiellem Betriebsverfassungsrecht bestimmt. Beteiligter in allen Beschlussverfahren ist daher, wer von der zu erwartenden Entscheidung in einem betriebsverfassungsrechtlichen Recht oder Rechtsverhältnis unmittelbar betroffen wird. Neben den einzelnen Betriebsratsmitgliedern, die an einer Schulungsmaßnahme teilnehmen, ist auch der Betriebsrat an einem Verfahren auf Erstattung von Schulungskosten zu beteiligen, da er den Entsendungsbeschluss gefasst hat. Machen Betriebsratsmitglieder Ansprüche auf Kostenerstattung geltend, die ihnen durch den Besuch von Schulungsveranstaltungen entstanden sind, so ist in derartigen Verfahren auch der Betriebsrat zu beteiligen (BAG, Beschluss vom 03.04.1979 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 16; Germelmann/Matthes/Prütting/ Müller-Glöge, ArbGG, 6. Aufl., § 83 Rz. 52 m.w.N.).

II.

Der Anspruch auf Freistellung von den Kosten für die streitige Schulungsveranstaltung ist jedoch nicht begründet.

Der Arbeitgeber ist zur Tragung der Schulungskosten für die Antragstellerin in Höhe von 1.299,20 € für deren Teilnahme an der streitigen Schulungsmaßnahme vom 18. bis 22.10.2004 nach § 40 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 6 BetrVG nicht verpflichtet.

1. Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG zur Tätigkeit des Betriebsrats im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG gehört und daher Schulungskosten als Kosten der Betriebsratstätigkeit anzusehen sind (BAG, Beschluss vom 31.10.1972 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 2; BAG, Beschluss vom 15.01.1992 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 41; BAG, Beschluss vom 28.06.1995 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 48; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 22. Aufl., § 40 Rz. 66; ErfK/Eisemann, 5. Aufl., § 40 BetrVG Rz. 9 m.w.N.).

Kosten für eine Schulungsveranstaltung sind vom Arbeitgeber jedoch nur dann zu erstatten, wenn auf der Schulungsveranstaltung Kenntnisse vermittelt worden sind, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Schulungsveranstaltungen dann für die Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn der Betriebsrat sie unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötigte, um seine derzeitigen oder demnächst anfallenden Arbeiten sachgerecht wahrnehmen zu können. Hierzu bedarf es regelmäßig der Darlegung eines aktuellen,

betriebsbezogenen Anlasses, um annehmen zu können, dass die auf der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (BAG, Beschluss vom 09.10.1973 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 4 ; BAG, Beschluss vom 06.11.1973 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 6 ; BAG, Beschluss vom 27.09.1974 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 18 ; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67 ; BAG, Urteil vom 15.02.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 106; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 140, 141 f.; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 92 ff.; Wiese/Weber, GK-BetrVG, 7. Aufl., § 37 Rz. 156 f.; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 16 m.w.N). Für die Frage, ob eine sachgerechte Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben die Schulung gerade des zu der Schulungsveranstaltung entsandten Betriebsratsmitglieds erforderlich machte, ist darauf abzustellen, ob nach den aktuellen Verhältnissen des einzelnen Betriebes Fragen anstehen oder in absehbarer Zukunft anstehen werden, die der Beteiligung des Betriebsrates unterliegen und für die im Hinblick auf den Wissensstand des Betriebsrates und unter Berücksichtigung der Aufgabenverteilung im Betriebsrat eine Schulung gerade dieses

Betriebsratsmitglieds geboten erscheint.

Einer konkreten Darlegung der Erforderlichkeit des aktuellen Schulungsbedarfs bedarf es allerdings dann nicht, wenn es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen im Betriebsverfassungsrecht oder im allgemeinen Arbeitsrecht für ein erstmals gewähltes Betriebsratsmitglied handelt. Kenntnisse des Betriebsverfassungsgesetzes als der gesetzlichen Grundlage für die Tätigkeit des Betriebsrates sind unabdingbare Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit (BAG, Beschluss vom 21.11.1978 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 35; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67; BAG, Beschluss vom 20.12.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 113; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 143 f.; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 164 ff.; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 95 f.; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17 m.w.N.). Die Vermittlung von Grundkenntnissen des allgemeinen Arbeitsrechts ist stets, ohne einen

aktualitätsbezogenen Anlass, als eine erforderliche Kenntnisvermittlung im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG anzusehen (BAG, Beschluss vom 15.05.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 54; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 144; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 166; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 96; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17).

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Entsendung eines Betriebsratsmitglieds zu einer Schulung erforderlich ist, handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes, der dem Betriebsrat einen gewissen Beurteilungsspielraum offen lässt. Dies gilt insbesondere für den Inhalt der Veranstaltung als auch für deren Dauer (BAG, Beschluss vom 15.05.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 54; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67 unter I. 1. a) der Gründe; BAG, Beschluss vom 15.01.1997 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 118 unter B. 2. der Gründe; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 174; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 195; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 127; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 16).

Die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung kann auch dann erforderlich sein, wenn auf einer Schulungsveranstaltung in geringem Umfang auch nicht für die konkrete Betriebsratsarbeit erforderliches Wissen vermittelt wird. Nimmt die Behandlung nicht erforderlicher Themen aber einen größeren Umfang ein, ist der erforderliche und der nicht erforderliche Teil der Schulungsveranstaltung sowohl in thematischer Hinsicht als auch hinsichtlich der zeitlichen Behandlung der einzelnen Themen so klar voneinander abgrenzbar, dass ein zeitweiser Besuch der Veranstaltungen möglich und sinnvoll ist, so beschränkt sich die Erforderlichkeit auf den Teil, auf den für die Betriebsratsarbeit erforderliche Kenntnisse vermittelt werden. Ist ein zeitweiser Besuch einer solchen Schulungsveranstaltung praktisch nicht möglich oder sinnvoll, ist entscheidend, ob die Schulungszeit der erforderlichen Themen mehr als zu 50 % überwiegt (BAG, Urteil vom 28.05.1976 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 24; BAG, Beschluss vom 04.06.2003 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 136; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 158 f.; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 110; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 170 f.; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17 m.w.N.).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze konnte die Beschwerdekammer nicht davon ausgehen, dass die Teilnahme der Antragstellerin an dem Seminar vom 18. bis 22.10.2004 erforderlich gewesen ist. Auf dem Seminar vom 18. bis 22.10.2004 sind keine Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsgesetz und überwiegend auch keine Spezialkenntnisse im Betriebsverfassungsgesetz vermittelt worden, die der Betriebsrat unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötigte, um seine derzeitigen oder demnächst anfallenden Arbeiten sachgerecht wahrnehmen zu können. Für überwiegende Themenbereiche, die auf dem Seminar vom 18. bis 22.10.2004 behandelt worden sind, fehlt es an einem konkreten, aktuellen, betriebsbezogenen Anlass, die Antragstellerin zu der streitigen

Schulungsveranstaltung zu entsenden.

a) Die Beschwerdekammer unterstellt, dass eine Schulung der Antragstellerin über die am Dienstag, den 19.10.2004 und am Vormittag des Mittwoch, den 20.10.2004 behandelten Themenbereiche, die sich mit der Mitbestimmung des Betriebsrats bei Regelungen über Vergütung und bei übertariflichen Leistungen in Betrieben mit bzw. ohne Tarifbindung befassten, erforderlich und dass auch im Hinblick auf die bei der A6x gekündigten Tarifverträge ein aktueller Bezug zu der konkreten betrieblichen Situation vorhanden gewesen ist. Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers war insoweit nicht auf den Zeitpunkt der Seminarteilnahme im Oktober 2004 abzustellen, sondern, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Betriebsrat (BAG, Urteil vom 10.11.1993 - AP BetrVG 1972 § 78 Nr. 4; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 15.10.1992 - BB 1993, 581; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 196; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 127 m.w.N.). Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Betriebsrat Anfang Juli 2004 waren sämtliche Tarifverträge bei der A6x gekündigt. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt bereits Tarifverhandlungen stattfanden, war nicht absehbar, dass sie zum Zeitpunkt der Seminarteilnahme im Oktober 2004 bereits zum Abschluss gekommen sein würden.

Zu Gunsten der Antragstellerin und des Betriebsrats geht die Beschwerdekammer auch insoweit davon aus, dass eine vertiefende Schulung der Antragstellerin über Mitbestimmungsfragen, wie sie am Dienstag, den 19.10.2004 und am Vormittag des Mittwoch, den 20.10.2004 behandelt wurden, erforderlich gewesen ist, auch wenn die Antragstellerin aufgrund der Teilnahme an Grundlagenschulungen im Betriebsverfassungsrecht über entsprechende Grundkenntnisse verfügte. Auch Wiederholungs- bzw. Vertiefungsschulungen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen können zur Auffrischung und Erweiterung der bisherigen Kenntnisse bei einem konkreten, aktuellen Anlass erforderlich sein (Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 145; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 106). Angesichts der tariflosen Situation in den

Betrieben und Einrichtungen des Arbeitgebers geht die Beschwerdekammer insoweit von einem konkreten aktuellen Anlass aus, die Antragstellerin sowie weitere Betriebsräte der A6x zu einer Schulung über Mitbestimmungsfragen bei gekündigtem Tarifvertrag zu entsenden und diese an einer vertiefenden Schulung teilnehmen zu lassen.

Die genannten, von der Beschwerdekammer als erforderlich unterstellten Schulungsthemen nehmen aber nach dem unstreitigen Vorbringen der Beteiligten jedoch einen Umfang von lediglich 1,5 Schulungstagen ein. Dies ergibt sich aus dem eigenen Ablaufplan des Veranstalters, des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin und des Betriebsrats. Angesichts des Wochenseminars vom 18. bis 22.10.2004, das Seminar erstreckte sich tatsächlich über vier Arbeitstage von Montagnachmittag bis Freitagmittag, sind dies in jedem Fall weniger als 50 %.

b) Für die Themenbereiche, die an den übrigen Schulungstagen - Montagnachmittag, Mittwochnachmittag, Donnerstag, Freitag - behandelt wurden, bestand nach Auffassung der Beschwerdekammer kein konkreter, betriebsbezogener aktueller Anlass, der eine Schulung der Antragstellerin erforderlich machen würde. Vom zeitlichen Umfang her nahm die Schulungszeit der nicht erforderlichen Themen damit mehr als 50 % ein. Da aus dem Vorbringen der Beteiligten auch nicht entnommen werden konnte, dass ein Besuch der Schulungsveranstaltung lediglich am Dienstag, den 19.10.2004 und am Vormittag des Mittwoch, den 20.10.2004 möglich gewesen ist, ein derartiger Besuch erschien bei der An- und Abreise nach N1xxxxxx/W6xxxxxxx auch praktisch nicht sinnvoll, erwies sich die Schulungsveranstaltung insgesamt als nicht erforderlich.

aa) Ein konkreter Bezug zur aktuellen Betriebsratsarbeit fehlte bereits insoweit, als auf dem Seminar vom 18. bis 22.10.2005 am Montagnachmittag und am Freitagvormittag "Aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts" behandelt worden ist.

Richtig ist zwar, dass eine Schulung zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte zum Betriebsverfassungsgesetz und deren Umsetzung in die betriebliche Praxis erforderlich sein kann, hierfür muss sich der Betriebsrat auch nicht auf ein Selbststudium anhand der ihm zur Verfügung stehenden Fachzeitschriften verweisen lassen (BAG, Beschluss vom 20.12.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 113; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 149; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 108). Dies gilt aber nur dann, wenn insoweit betriebsrelevante Probleme des Mitbestimmungsrechts etwa bei personellen Einzelmaßnahmen behandelt werden oder wenn es um die Änderung der Rechtsprechung oder um die Änderung von Gesetzen geht (BAG, Beschluss vom 22.01.1965 - AP BetrVG § 37 Nr. 10). Inwieweit eine Erläuterung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die Antragstellerin jedoch konkret erforderlich gewesen ist, geht aus dem Vorbringen der Antragstellerin bzw. des Betriebsrats nicht in ausreichendem Maß hervor. Der Besuch einer Schulungsveranstaltung "Rechtsprechung - Aktuell" ist nämlich nicht generell und losgelöst von konkreten betrieblichen Bezügen im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich (LAG Hessen, Beschluss vom 27.01.1994 - NZA 1994, 1134).

Ein konkreter betrieblicher Bezug zur aktuellen Betriebsratsarbeit kann insbesondere nicht bei der Erläuterung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts gemäß den Pressemitteilungen Nr. 43, 44, 45, 46, 56, 59, 61, 65 festgestellt werden. Zwar handelt es sich insoweit um aktuelle Entscheidungen, inwieweit aber aufgrund betriebstypischer Fallgestaltungen eine nähere Information der Antragstellerin über die genannten Bundesarbeitsgerichtsentscheidungen erforderlich gewesen ist, ist nicht erkennbar. Das gleiche gilt für die referierten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 16.06.2004, 23.06.2004, 24.06.2004, 07.07.2004, 20.07.2004, 28.07.2004 und 28.07.2004. Die Mehrheit der ausgewählten

Entscheidungen, über die referiert worden ist, befasst sich jedenfalls nicht mit betriebsverfassungsrechtlichen Thematiken, nicht mit Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats, sondern mit individualrechtlichen Problemen, bei denen ein Zusammenhang mit der in den Einrichtungen des Arbeitgebers anfallenden Betriebsratsarbeit nicht ersichtlich ist. Die genannten Entscheidungen sind offenbar lediglich ihrer Aktualität wegen ausgewählt worden. Auch Grundkenntnisse im Individualarbeitsrecht sind insoweit nicht vermittelt worden. Sich über aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterrichten zu lassen, mag für

Betriebsräte sinnvoll und nützlich sein, die Erforderlichkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG verlangt aber mehr als bloße Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit (BAG, Beschluss vom 11.11.1998 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 64; LAG Köln, Beschluss vom 27.09.2001 - NZA-RR 2002, 591). Mehr als bloße Nützlichkeit- und Zweckmäßigkeitserwägungen sind aber vorliegend nicht vorgetragen worden. Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Antragstellerin bereits im Oktober 2003 an einer Schulungsveranstaltung teilgenommen hat, die ebenfalls u.a. "Aktuelles aus der Rechtsprechung" behandelt hat.

bb) Erforderlich ist auch nicht der Besuch einer Sitzung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen, Gerichtstag Neustadt, am Nachmittag des Mittwoch, des 20.10.2004 gewesen. Ein derartiger Besuch mag im Rahmen einer Schulungsveranstaltung über Grundkenntnisse des Betriebsverfassungsrechts oder des Arbeitsrechts sinnvoll sein. Für die Antragstellerin, die immerhin schon seit langen Jahren Betriebsratsvorsitzende ist, erweist sich dieser Besuch aber nicht als erforderlich. Die Antragstellerin hat aufgrund der mit dem Arbeitgeber stattfindenden Auseinandersetzungen an zahlreichen Besuchen des Arbeitsgerichts Dortmund - auch des Landesarbeitsgerichts Hamm - teilgenommen.

cc) Auch die am Donnerstag, den 21.10.2004 behandelten Themenbereiche konnten nicht als erforderlich im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG angesehen werden.

Dies gilt zunächst für die "Vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber". Auch insoweit fehlt es an einem konkreten Bezug zur aktuellen Betriebsratsarbeit. Das Interesse des Betriebsrats, gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber zu erreichen, vermag die Erforderlichkeit der Seminarteilnahme der Antragstellerin mit dem genannten Thema nicht zu begründen. Zwar können auch Schulungsveranstaltungen über Kommunikation oder über Gesprächs- und Verhandlungsführung grundsätzlich erforderlich sein (BAG, Urteil vom 15.02.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 106; BAG, Beschluss vom 24.05.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 109; LAG Sachsen, Beschluss vom 22.11.2002 - NZA-RR 2003, 420; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 153; DKK/Wedde, a.a.O., Rz. 108; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 169 m.w.N.). Dies gilt jedoch nur, soweit ein konkreter, aktueller Anlass vorliegt. Die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer vergleichbaren Schulungsveranstaltung kann nur dann als erforderlich angesehen werden, wenn dargelegt wird, warum der Betriebsrat seine gesetzlichen Aufgaben ohne eine solche Schulung gerade des entsandten Betriebsratsmitglieds nicht sachgerecht wahrnehmen kann (BAG, Urteil vom 15.02.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 106). An einer derartigen Darlegung fehlt es. Das Vorbringen der Antragstellerin und des Betriebsrats, man wolle mit dem Arbeitgeber eine vertrauensvolle Zusammenarbeit erreichen und gerichtliche Auseinandersetzungen vermeiden, ist viel zu allgemein gehalten, um die Erforderlichkeit der Teilnahme an einer derartigen Schulungsveranstaltung annehmen zu können.

Das Gleiche gilt, soweit am Donnerstag, den 21.10.2004 Fragen der Mitbestimmung des Betriebsrats beim Datenschutz und bei der Bildschirmarbeit behandelt worden sind. Auch insoweit hat die Antragstellerin bzw. der Betriebsrat einen konkreten, aktuellen Bezug zur täglichen Betriebsratsarbeit nicht herzustellen vermocht. Zu den Bereichen Datenschutz und Bildschirmarbeit liegen nämlich im Seniorenzentrum Pxxxxxxx L3xxx-B4xxxxxxx des Arbeitgebers abgeschlossene Betriebsvereinbarungen vor. Aus welchen Gründen eine aktuelle Schulung der Antragstellerin mit diesen Themenbereichen erforderlich gewesen ist, ist nicht ersichtlich. Gerade in Anbetracht des Umstandes, dass die Antragstellerin bereits seit 1996 Mitglied des Betriebsrats ist und insoweit über langjährige Erfahrungen und über entsprechende, auf mehreren Schulungsveranstaltungen erworbene Vorkenntnisse verfügt, hätte substantiiert vorgetragen werden müssen, inwieweit die Schulung der Antragstellerin zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei Fragen des Datenschutzes, der Bildschirmarbeit und der Urlaubsplanung erforderlich gewesen ist.

Nach alledem war ein konkreter Betriebsbezug zwischen den auf dem streitigen Seminar überwiegend vermittelten Kenntnissen und der konkreten Betriebsratsarbeit nicht feststellbar. Die Schulungsmaßnahme erweist sich damit insgesamt als nicht erforderlich.

III.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand nach den §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Schierbaum Falz Rolke

/N.