OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.11.2004 - VII-Verg 50/04
Fundstelle
openJur 2011, 37082
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortigen Beschwerden der Beigeladenen zu 1) wird der Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 14. Juli 2004 - VK 2-90/03 - aufgehoben:

Die Vergabekammer wird verpflichtet über den Kostenfestsetzungsantrag der Beigeladenen zu 1) vom 3. Juni 2004 zu entscheiden und die ihr von der Antrag-stellerin zu erstattenden Kosten festzusetzen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Streitwert des Beschwerdeverfahrens: 425,00 EUR.

Gründe

I.

Die Vergabekammer hat durch Beschluss vom 14. Oktober 2003 den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen und ihr die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin der Beigeladenen 1) und 2) auferlegt. Zudem hat die Vergabekammer die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten durch die Beigeladenen zu 1) und 2) nicht für notwendig gehalten. Auf die sofortigen Beschwerden der Beigeladenen hat der Senat durch Beschluss vom 14. April 2004 die Entscheidung der Vergabekammer abgeändert und die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten jeweils für notwendig erklärt.

Auf den Kostenfestsetzungsantrag der Beigeladenen zu 1) vom 21. Mai 2004 setzte der beim Oberlandesgericht zuständige Rechtspfleger durch Beschluss vom 7. Juni 2004 die der Beigeladenen zu 1) von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten für das Beschwerdeverfahren mit 374,90 EUR fest und führte ferner aus, ein Festsetzung der im Vergabekammerverfahren angefallenen Kosten sei durch das Beschwerdegericht nicht möglich, da das Beschwerdeverfahren nicht die Hauptsache berührt habe.

Den mit Schreiben vom 3. Juni 2004 nunmehr bei der Vergabekammer des Bundes gestellten Kostenfestsetzungsantrag verwarf die Vergabekammer mit Beschluss vom 14. Juli 2004 als unzulässig, weil sie zur Kostenfestsetzung nicht zuständig sei. Voraussetzung für ihre Zuständigkeit sei, dass sich an das Nachprüfungsverfahren kein Beschwerdeverfahren anschließe. Dies sei vorliegend aber gerade nicht der Fall, so dass die Festsetzung der Kosten des Vergabekammerverfahrens in den Zuständigkeitsbereich des Rechtspflegers bei dem Oberlandesgericht falle. Eine solche Zuständigkeitsregelung sei auch zweckmäßig, weil die Kostenfestsetzung der Vergabekammer im Gegensatz zum gerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschluss kein vollstreckbarer Titel zugunsten des Erstattungsberechtigten sei. Eine gesetzliche Einschränkung für den Fall, dass nur in Bezug auf die Hauptsacheentscheidung Beschwerde eingelegt werde, sei nicht ersichtlich.

Gegen diese der Beigeladenen zu 1) am 20. Juli 2004 zugestellte Entscheidung hat die Beigeladene zu 1) am 2. August 2004 sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen zu 1) ist begründet. Die Vergabekammer hat sich zu Unrecht nicht für zuständig gehalten, die der Beigeladenen zu 1) zu erstattenden Kosten des Vergabekammerverfahrens festzusetzen.

Aus § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 3 VwVfG des Bundes bzw. den entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder folgt zunächst, dass die Vergabekammer für die Festsetzung der in ihrer Instanz entstandenen Aufwendungen zuständig ist. Schließt sich an das Nachprüfungsverfahren ein Beschwerdeverfahren an, ist entsprechend §§ 103, 104 ZPO i.V.m. § 21 RpflG oder § 164 VwGO - je nachdem welche Normen zur Ergänzung der lückenhaften Regelungen der §§ 116 ff. GWB herangezogen werden - der Rechtspfleger des Oberlandesgerichts für die Festsetzung der zu erstattenden Kosten zuständig, wobei er auf der Grundlage der rechtskräftig gewordenen Kostengrundentscheidung die zu erstattenden Kosten für Beschwerdeverfahren und auch für das vor ausgegangene Verfahren bei der Vergabekammer festzusetzen hat (vgl. grundlegend der Beschluss des Senates vom 5. Februar 2001, Az.: Verg 26/00, VergabE C-10 -26/00). Entscheidend für die Zuständigkeit des Rechtspflegers ist aber nicht, dass überhaupt ein Beschwerdeverfahren statt gefunden hat. Voraussetzung ist vielmehr, dass die Entscheidung der Vergabekammer in der Hauptsache angegriffen worden ist und nicht - wie hier - nur eine zusätzlich zur Kostengrundentscheidung getroffene Nebenentscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten.

Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 5. Februar 2001 (Az.: Verg 26/00) ausgeführt hat, ist es aufgrund der in § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB angeordneten "entsprechenden" Geltung des § 80 VwVfG geboten, die dortige Regelung mit ihren Einschränkungen und Ersetzungen für den Fall der Anrufung des Gerichts auf das zweistufige Nachprüfungsverfahren zu übertragen. Im direkten Anwendungsbereich wird § 80 VwVfG aber nur dann materiell verdrängt, wenn und soweit dem Vorverfahren (Widerspruchverfahren) ein gerichtliches Hauptsacheverfahren nachfolgt. Nur in diesem Fall haben beide Verfahren denselben Streitgegenstand mit der Folge, dass das Gericht selbst über die Kostentragungspflicht entscheidet und von der Kostenentscheidung des Gerichts auch die Kosten des Widerspruchsverfahrens erfasst werden. Dies entspricht im übrigen auch der Handhabung der Verwaltungsgerichte (Bay VGH Bay VBl. 1995, 599; OVG NW DVBl. 1993, 889; OVG Rheinl.-Pfalz, DÖV 1990, 159; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 162 Rn. 1 b, 16; Schmidt in Eyermann, VwGO, 10. Aufl., § 162 Rn. 12; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 80 Rn. 4). Die im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren geltend zu machenden Kosten des Vorverfahrens nach § 162 Abs. 1 VwGO betreffen dementsprechend den Teil des Widerspruchverfahrens, dem sich ein Klageverfahren angeschlossen hat (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 80 Rn. 4).

Die Übertragung dieser Grundsätze auf das zweistufige Vergabenachprüfungsverfahren bedeutet, dass die Vergabekammer für die Festsetzung der in ihrer Instanz entstandenen Aufwendungen auch dann zuständig bleibt, wenn mit der Beschwerde nicht die Hauptsache, d.h. die Entscheidung der Vergabekammer über den Nachprüfungsantrag, sondern isoliert eine Nebenentscheidung angegriffen wird. Zweckmäßigkeitsüberlegungen allein vermögen ein abweichendes Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Zwar fehlt der Vergabekammer die erforderliche Kompetenz, um über die zur Erstattung festgesetzten Kosten einen Vollstreckungstitel zu schaffen, während die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Rechtspflegers Vollstreckungstitel sind, §§ 794 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 168 Abs. 1 Nr. 4 VwGO (vgl. Beschluss des Senates vom 5. Februar 2001, Verg 26/00, Vergabe C-10-26/00). Jedoch ist kein sachlicher Grund erkennbar, warum der Gläubiger eines Kostenerstattungsanspruchs dann, wenn die Entscheidung der Vergabekammer nicht in der Hauptsache, wohl aber hinsichtlich einer Nebenentscheidung mit der Beschwerde angefochten wird, in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht besser gestellt werden soll als in dem Fall, in dem überhaupt kein Beschwerdeverfahren durchgeführt wird. Das Ergebnis steht in keinem Widerspruch zu der erwähnten Entscheidung des Senates vom 5. Februar 2001. In jener Sache war im zugrundeliegenden Beschwerdeverfahren - wie in einem dem verwaltungsgerichtlichen Widerspruchsverfahren nachfolgenden Klageverfahren - über die Hauptsache, d.h. über den Erfolg des Nachprüfungsantrages als solchem, entschieden worden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt in entsprechender Anwendung aus § 5 Abs. 6 GKG.

Den Beschwerdewert setzt der Senat, weil es nur um die Zuständigkeit für die Festsetzung der dem Grunde nach unstreitigen Kostenerstattungsforderung geht, auf etwa ein Viertel der von der Beigeladenen zu 1) angemeldeten Kosten fest.

Dr. M. DB